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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration? Preis 22^ Silbergr. l? Thlr.) vierteliädrltch, Z Ldlr. sur das ganze Hahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. für die Pränumerationen werden von jeder Buswandlung (in Bertin bei Veit u. Eomp., Jägerflraße Nr. 28), so Ivie von allen König!. Post.-Printern, angenommen. Literatur des Auslandes. 127. Berlin, Sonnabend den 2!i Oktober 1847. Norwegen. Netteste Ueberreste der norwegischen Literatur. (Nach der ,,Rorsk L<deskrist".> Vor nicht langer Zeit enthielt dos norwegische Blatt „den Consttlu- tionclle" einen Bericht über einen merkwürdigen Fund von altnorwcgtschen, im Reichsarchiv entdeckten Pergamcntblättern. Da dieser Fund in der That als ein großer Gewinn für die Wissenschaft betrachtet werden darf, so war es natürlich, daß die im Beginn dieses Jahres unter Redaction des Prof. Lange in Christianis erschienene „Norwegische Zeitschrift für Wissenschaft und Lite- ratur" (und cs geschah gleich in ihrem ersten Heft) eine nähere Nachricht dar- über mittheiltc. Herr Prof. Munch, als gründlicher Kenner der altnorwe. gischen Literatur wohl bekannt, erstattet selbst diesen Bericht, indem er ein Verzeichnis und eine Beschreibung der aufgefundencn literarischen Schätze giebt und die Folgerungen andeutet, welche sich in Rücksicht des Literaturzu- standeS in Norwegens Blüthcnperiode unter König Haakon HaakonSson und seinen nächsten Nachfolgern machen lassen. Schon vor etwa vier Jahren, sagt Prof. Munch, sandte der damalige Vorsteher des Reichsarchivs, Herr Wergeland, an die Universität einige Per- gamentblätter, vornehmlich von norwegischen Gesetzen, die er im Archiv ge funden hatte, ohne sich jedoch näher darüber zu äußern, wie sie aufgefunben worden, oder wiefern Aussicht vorhanden sey, noch mehrere dieser Art zu finden. Da nun auch fürs erste keine mehr entdeckt wurden und eine geraume Zeit darüber verging, dachte man nicht weiter daran, indem man annahm, daß künftig nur der Zufall, nicht aber eine zu diesem Zwecke speziell vorgenommene Untersuchung, ähnliche Ueberreste der alten Zeit ans Licht ziehen könnte. Unterdessen folgte Herrn Wergeland in der Aufsicht über das Reichsarchiv der Herausgeber jener Zeitschrift, Herr Lange. Stach kurzer Zeit fand der- selbe mehrere Fragmente und lernte zugleich, wie man cs machen müsse, um die Entdeckungen fortzusctzcn. Indem er nämlich eine Partie zweihundert- jähriger Vogteircchnungcn, Steuerregister u. dgl. ordnete, .bemerkte er, daß jedes Heft, welches gewöhnlich aus mehreren Foliobogcn bestand, am Rücken mit mehr oder minder breiten Pcrgamcntstückcn versehen war, damit der Heft faden nicht in unmittelbare Berührung mit dem Papiere käme und so dasselbe abnutze. Diese Pergamentstreifcn mußten alsbald die Aufmerksamkeit auf sich lenken, da die meisten mit Schrift aus dem Mittelalter beschrieben waren und sich auf vielen sogar stattliche, mit Vergoldung und allerhand Farben ausge- schmückte Initialen sanden. Bei genauerem Nachsehen wurde bald die Ent deckung gemacht, daß mehrere derselben Bruchstücke von vorzugsweise altnor wegischen Gesetz-Codices seycn. Nun wurde die Untersuchung planmäßig fort gesetzt. Herr C. Unger nahm eifrig Theil daran und verbrachte mehrere Vormittage zwischen den bestaubten Rcpositorien, bis man Alles ans Licht gezogen hatte, was auf diesem Wege fürs erste aufzusinden war. Unter dem auf diese Weise Vorgefundenen besteht zwar das Meiste aus Bruchstücken von lateinischen Büchern ascctischen Inhalts, und ist demnach von keinem besonderen Interesse, außer insofern jene Bücher im Allgemeinen hübsch geschrieben sind und ein sehr hohes Alter verrathen; doch ist, wie man sogleich sehen wird, auch die Acrndte an norwegischen Bücher-Fragmenten recht erheblich. Die Rechnungen, an deren Außenseite sich letztere befanden, schrei- den sich aus den Jahren 1880—164« her. Gewöhnlich find zwei Pergamcnt- stücke, r Quartbogen groß, jedem Heft oben und unten angesetzt, wobei zwar die größeren Blätter auf eine barbarische Weise zerschnitten wurden, jedes Paar Blattstückc jedoch im Allgemeinen zusammen paßt. Oft finden sich deren so viele, daß sie, zusammengelegt, ganze Bogen ausmachcn, denn es giebt Reihen von Rechnungen, die alljährlich von einer und derselben Person cinge- sandt wurden, bei welchen sich bestimmt Nachweisen läßt, daß nur die Blätter eines Coder allmälig das nöthige Einbandsmaterial lieferten; ja, oft hat ein einziger Coder sogar mehreren Steuereinnehmern zu solchem Zwecke gedient. Bisweilen ist man auch nicht so sparsam mit dem Pergament umgegangen, sondern hat ganze Blätter, ja Foliobogen genommen und sie wie ordentliche Einbände gebraucht, zum Theil mit inwendig aufgeklebtcm Papier, welches sich jedoch abwaschcn läßt und auch ohne Nachtheil für die Schrift abgewaschen wurde. Diese Bücherfragmente, welche für Norwegen vom größten Interesse sind, rühren von Gesetzcodices, Sagen und aus Schriften verschiedenen Inhalts her. Bon den wichtigsten dieser Sprachdenkmäler werden vom Be richterstatter Proben mitgetheilt. Wir übergehen die Gesetzbücher, die nur noch von nationaler Bedeutung sind, und heben hier lediglich von den anderen Fragmenten Einzelnes hervor. Unter den Sagen erwähnt Herr Munch, außer vielen anderen, die Frag mente von der Sage Olaf's des Heiligen, von der sogenannten Fagr- skinna, von der in den FabclkreiS Karl's des Großen gehörigen Sage von Flos und Blankflos und von der Karlamagnusar Sage. Uebcr die Bruchstücke von der Sage Olaf'S des Heiligen bemerkt Herr Munch Folgendes: Hinsichtlich der Orthographie müssen dieselben unbe streitbar unter die besten gerechnet werden, welche man bisher von paläogra- phischen Ueberresten kennt. Die Orthographie entspricht genau den Forde rungen der Grammatik; sogar die Accente sind mit größter Regelmäßigkeit hinzugefügt. Dabei ist die Schrift hübsch, sogar elegant: sowohl Sprach, formen als Construction find äußerst antik, so daß man gewiß nicht sehr irrt, wenn man den Coder in die Mitte oder an das Ende des 12ten Jahrhunderts setzt. Die Bearbeitung selbst unterscheidet sich von denjenigen, welche man bisher kennt, sie müßte denn mit dem noch nicht genug untersuchten Coder von der Sage Olaf's des Heiligen in der Bibliothek zu Upsala überein stimmen. An einigen Stellen schließt sie sich am engsten an die Fagrskinna an, so daß mehrere Lücken sogar danach auSgefüllt werden könnten; an anderen Stellen stimmt sie mit der Königssage nach HeimSkringla überein, aber in noch anderen Stellen weicht sie gänzlich von den übrigen ab, vor. nchmlich in der Erzählung von Asbjörn Selsbane. Von der sogenannten Fagrskinna heißt es: Diese Bearbeitung der Königssagcn ist für uns Norweger besonders interessant, weil man aus ge. wissen Ausdrücken darin schließen darf, daß sie in Norwegen verfaßt wurde und, nach Müller s Ansicht, vielleicht die älteste noch vorhandene norwegische Königs-Chronik ist. Torfäus hat sie vermuthlich deshalb Fagrskinna (d. i. die Reizende) genannt, weil der Coder, welchen er kannte und benutzte, hübsch geschrieben war; derselbe war noch zu seinerzeit in der königlichen Bibliothek zu Kopenhagen vorhanden, später aber nicht mehr u. s. w. Ueber das Fragment eines Coder der Sage von Flos und Blankflos bemerkt Herr Munch: Handschrift und Orthographie sind norwegisch, sogar, wie es scheint, aus späterer Zeit, vielleicht aus der Mitte des täten Jahr- hunderts, doch ist vie Sprache durchaus rein und weit besser als in den Ur- künden aus derselben Zeit; auch die Orthographie ist mit Konsequenz durch« geführt. Nyerup sagt in seiner Schrift „über die Unterhaltung-.Lektüre im Mittelalter" (S. 114), daß der norwegische Tert dieser Sage jetzt verloren sey, obschon er kurz zuvor davon geredet hat, daß sich eine isländische Hand, schritt davon in der Arnamagnäischen Sammlung finde; dieselbe kann doch aber nur hinsichtlich der Orthographie von der norwegischen abgewichcn sepn. Das wird sich jedenfalls jetzt zeigen, da wir hier ein gutes Bruchstück von dem norwegischen Tcrte haben. Offenbar ist es unmittelbar nach der fran zösischen Bearbeitung übersetzt, was sich nicht blos aus der Uebereinstimmung in dem Erzählungston, sondern auch aus den französischen Namen kUre» und Usireü ergiebt. Von der Karlamagnusar Saga finden sich Stücke aus drei verschie denen Codices, von welchen Proben mitgetheilt werden. Der Referent setzt dieselben ins I3te und täte Jahrhundert. Von den Bruchstücken aus den Schriften verschiedenen Inhalts sepen hier die von zwei verschiedenen Codices des Königsspiegels, ver- muthlich aus dem IZtcn Jahrhundert, welche mit ausgezeichnet fester und deutlicher Hand geschrieben sind, ferner einige Blätter eines merkwürdigen, lateinisch geschriebenen Oktav-Codcr erwähnt, welcher unter Anderem den Hei. ratstraktat zwischen der Prinzessin Margarethe von Schottland und König Erik Magnusson in Norwegen, datirt Rorburg den 28. Juli 1281, und ein sehr interessantes Jtinerarium enthielt. Verfasser des letztgenannten Coder ist vermuthlich der Franziskaner-Mönch Mauritius, der an anderen Orten als Gesandter Königs Magnus HaakonSson am schottischen Hofe angeführt wird. Wir wenden uns nun zu den Betrachtungen, zu welchen der wcrthvolle Fund dem gelehrten Berichterstatter Veranlassung giebt. So sind, sagt er, in wenigen Tagen Stücke von mehr als 80 Codices, meistens in der altnorwegischcn Sprache verfaßt, von ungewöhnlich hohem Alter, viele sogar Prachtstücke in ihrer Art, aufgefunden worden. Hätte man alle diese Codices vollständig besessen, so würden sie eine herrliche, besonders für die Geschichte der Sprache wichtige Sammlung gebildet haben. Ist nun auch, wie natürlich, keine Hoffnung mehr vorhanden, alles Fehlende noch auf. finden zu können, so sind doch die Bücherreste selbst in ihrer jetzigen verstüm« melten Gestalt interessant und bedeutungsvoll genug für die Geschichte der