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Nummer 206 — 28. Jahrgang "»rlchetnl 8 mal wüchenii. mit den Illustr. »raNsdellagen »DI« Weltbund der Mnderbellage .Frohmut', sowie den repseUagen »Gt. Bemio-BIatt'. .Unterhalwnq und Wissen'. .Die Welt der Frau', Aerztlicher Ratgeber'. Da» gute Biuh'. »Ftlmrund- -au'. Monatltcher Bezugspreis S Mk. etnichl. Bestellgeld. ' sel,nimmer I« « Sonnabend, u. Tonntagnummer td« s Hauptschriktlelter: D». <S. Desezpk. Dresden. SüchMe Freitag, den 6. September 1921 BerlagSarti Dresden «a,«tgeuprette. Die lgetvallrne Betttzeiie !»» ^ Famtliea. an/tetgen u.Stellengesuche »«4. Die PetttreNamezeil«, Mma, breit. 1 Für «»zeigen ausserhalb des BerbrettimgSgebietes st»^. die PetttreName,eile 1.»«-». Brte,ge«.»«4. Im Fall« hüh«er lSetoait erlischt sed« ikierpfiichtung aus Ltefenmg sotot« Erfüllung v. Anzeigen-Aufträgen ». Leistung d. Schadenersatz, Geschäftlicher Leib Artur Lenz. Dresden. «eschitstSftelle, Drncku.Berlag, »ermanta, A^G. ^ . Für christliche Polilik UN- Kultur IMS, Bankkonto Etadtbauk Dresden Ar kl7ls ^ ^ Redakttan der Sächsische« Bolkszettuvg DreSden-AItltad! r. Polterstrasse 17. Fernruf A7NI und »1012. Brian- un- Mac-onai- Die Genfer Besprechungen — Völkerbund un- KeNoggpakk Europäisches Zollabkommen? London, 8. Septeiyber. Pertinax meldet dem „Daily Telegraph" aus Genf: Gestern üsteud habe eine Besprechung zwischen den Ministerpräsidenten Briand lind Macdonald, der sich in Begleitung des Unterstaatsselrretärs im Foreign Office Dalton befand, statt- gesunden. Diese Zusammenkunft sei vereinbart worden, iveil Macdonald Briand mit seinen Ansichten über die Abänderungen bekannt machen wollte, die nach Auffassung der britischen Dele gation in die Artikel 12 und 18 der V ö l k e rb u n d s sa k u n g eingefügt werden mühten, um dem Geiste des Ke ll 0 gg pa k - t e s eine'umfassendere Wirkung zu gebe», Briand habe sich, wie berichtet werde, sehr sorgfältig ausgedrückt, weil ihm erstens genaue Kentnis der juristischen Folgerungen der Vol- kerbundssatzung fehle, und zweitens die geplante Eliminierung des § 7 des Artikels 18 (durch den es Staaten ermöglicht wird, Krieg für Recht und Gerechtigkeit zu führen, wenn der Völker bundsrat nicht einen einstimmig angenommenen Vorschlag zur Lösung einer Streitfrage empfehlen kannj der französisch» Politik nicht genehm sein könne: und drittens, weil es eine praktische Unmöglichkeit sei, irgend einen Teil der Völker- bundssatzung zu verändern. Pertinax meldet weiter aus Genf, in gut unterrichteten Kreisen werde angenommen, das; der britisä>e Präsident des Handelsamtes Graham beabsichtige, Vorschläge zu unterbrei ten, denen zufolge jeder der Mitgliedstaaten des Völkerbundes «ingeladen werden würde, ein Protokoll zu unterzeichnen, mit der Zusage, nicht seine eigenen Zolltarife gegenüber irgend einem anderem Staat zu erhöhen, der dasselbe Bestre ben hat. Diese Zusage würde für zehn Jahre Gültigkeit haben. Pertinax berichtet, es werde erwartet, das; Briand in seiner heutigen Rede eine Reihe von Gedanken unterbreiten Slresemann un- Brian sprechen Gens, 5. September. Die heutig« Sitzung der Bölkerbundsoersammlung wird Mit besonderer Spannung erwartet, da sie die Reden Stres«- manns und Vrianda zu dem Jahresbericht des Völker bundes bringen wird. Briand wird nach Stresemann sprechen. ^ Macdonald dürfte bereits im Laufe des heutigen < x Tages, strätestens morgen, Genf verlassen. Es wird envartet, t - das; er nach vor seiner Abreise nach London eine Aussprach mit ^ Stresemann haben wivd. Briand wind Anfang dieser oder Ende nächster Woche Genf verlassen. » ' In der gestrigen Nachmittagssitzung des Völkerbundes gab bei der Fortsetzung der Generaldebatte der Vertreter Kana- da s, Da nd u ra n d, die Erklärung ab, das; seine Regierung di« Klausel über die obligatorische Rechtsprechung des Haager Gerichtshofes unterzeichnen werde. Diese Erklärung wurde mit lebhaftem Beifall ausgenommen. Sodann sprach Dandu- icand noch zur Minderheitenfrage, gab einen Rückblick über die bisherige Entwicklung der Reform des Beschwevdeversahrens, schilderte seine Mitwirkung an der Ausrottung der ganzen Frage und betonte, er habe den Antrag gestellt, datz die Min- derheitenausschüsse des Rates unter allen Umstünden berechtigt sei» sollen, auch von de» Minderheiten selbst ergänzende In- sormalioueu eiuzuziehen. Dauoch sprach der Vertreter Perus, Coreiso, dessen Regierung seit acht Jahren zum erstenmal wieder im Völker bund erscheint. Er betonte, datz seine Regierung von jeher für das obligatorische Schiedsgericht eingetreten sei. Der Vertreter Boliviens erinnerte an das Eingreifen des Rates in den Konflikt seines Landes mit Peru im vergangenen Winter. Die vermittelnde Tätigkeit des Rates habe dem ganzen Lande Erleichterung verschafft. Er sprach Briand für seine vermlt- Islnde Tätigkeit seinen Dank aus. werde, die sich in derselben Richtung bewegten, aber allerdings unbestimmter formuliert seien. Er werde wahrscheinlich die Ernennung einer Kommission Vorschlägen, die die besten Mittel prüfen soll, um irgend eine Art wirtschaftlichen Zusammen wirkens zwischen allen europäischn Staaten herbei,zusühren. Eine derartige Kommission würde nicht notwendigerweise von der Völkerbundsmaschinerie abhängig sein müssen. Paris. 8. September. Die gestrige Besprechung zwischen Briand und Mac- d 0 nald wird vom Genfer Berichterstatter des „Petit Parisien" als eine Fortsetzung des in Paris begonnenen Meinungsaus tausches bezeichnet. Insbesondere seien der britische Vorschlag, die Völkcrbuuüssatzuug mit dem Kelloggpakt in Einklang zu bringen, und der französisch Plan eines europäischen Wirts cha fit sbundes, die bei der ersten Besprechung nur gestreift werden konnten, gestern eingehend erörtert worden. Bezüglich des englischen Vorschlags auf Abänderung der Artikel 12 und 16 der Bölkerbnndssatzung hat, wie der Korre spondent weiter berichtet, eine Besprechung zwischen Briand, Macdonald und Henderson stattgefunden, wobei ver sucht wurde, eine Verständigung über die Form zu erziele», in dem die Frage in ihrer Gesamtheit vor die Versammlung ge bracht werden solle. Dabei sei «in englischer Vorentwurs zu gunsten eines französischen Gegenentwurss zurückgestellt worden und man versuche, sich auf eine gemeinsam« Entschließung z» einigen. Außerdem seien bei dieser Besprechung zu dritt auch die Fragen geprüft worden, die sich ans dem bevorstehenden Abschluß der englisch-amerikanischen F l 0 t t e n v e r Hand lungen ergeben iverden. Hierzu will der Außenpolitik«!: des „Echo de Paris" mitteilen können, das; Briand dem englischen Premierminister die Zusicherung gegeben habe, daß Frankreich an der Konferenz der süns großen Seemächte, die gestern von Macdonald angekündlgt wurde, teilnehmen werde. Chinas Wünsche Gens, 1. September. Die große Aussprache in der Völkerbundsversammlung be gann heute mit einer Rede des chinesischen Gesandten in Washington, Tschaotschuwu, der — wie sämtliche chine sischen Redner im Völkerbund — auf die Nowendigkeit der Revision der internationalen Verträge hinwics. Es erregte allgemeines Interesse, daß er eine Anwendung des bekannten Artikels 19 des Völkerbundspaktes forderte, der die Revision internationaler, nicht mehr anwendbar gewordener Verträge vorsieht. Er betonte, daß internationale Verträge, die nicht mehr zeitgemäß seien, große Gefahren sür den Frieden in sich trügen. Artikel 19 sei bisher noch nicht einmal vom Völker bund angewandt worden. Es gelte jetzt im Interesse der Auf rechterhaltung des Friedens mit Mut und Entschlossenheit inter national« Verträge, die nicht mehr anwendbar und durch di« Entwicklung überholt seien, abzuändern und den modernen Ver hältnissen anzupassen. Die Erklärungen de» chinesischen Vertreters wurden mit großem Beifall ausgenommen. Lord Robert Lecil stand ostentativ von seinem Platz auf und drückte als erster dem chinesischen Vertreter die Hand. Die chinesische Forderung auf Revision internationaler Verträge durch Anwendung des Arti kels 19 des Paktes ist auf deutscher Seite mit beson derem Interesse ausgenommen worden, da die Mög lichkeit einer friedlichen Revision der Deutschland auferlegten Friedensoerträge bisher lediglich durch Anwendung des Artikels 19 des Völkerbundspaktes gegeben ist. Die jetzt von dem chine sischen Vertreter mit englischer Unterstützung eingeleitete Be wegung, den Artikel IS auszubauen, und endlich auch zur Anwen dung zu bringen, kann nur aufs wärmste begrüßt werden. * Der neue englische Gesandte in Bukarest. Das englisch« Auswärtig- Amt gibt bekannt, daß der bisherige Botschaftsrat an der britischen Botschaft in Rom, Palatret, zum außer ordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister in Buka rest ernannt ist. Palairet war Mitglied der britischen Abord nung auf der Versailler Friedenskonferenz. Er ist über Wien. Athen, Tokio und Peking nach kurzer Tätigkeit im Foreign Office nach Rom gekommen. Sowjei-Demvkraiie Die neueste Phase der russischen Innenpolitik. Die Entwicklung iifi Sowjetrußland geht Weg«, deren Endziel noch immer unabsehbar erscheint. Es ist bis heute nicht gelungen, die Lage wirklich zu stabilisie ren, die radikale Phase tritt umso stärker hervor, je mehr die Grundlagen des Staatsapparates ins Schwan ken zu kommen drohe». Die Ankündigung der nahen Weltrevolution steht zwar noch immer an der Spitze alley Prophezeiungen, es wivd aber jetzt verkündet, daß die Weltrevolution auch ohne Krieg durchführbar sein iverde! Die neueste Phase, in welche die Sowjetpolitik nunmehr eintritt und die bereits in die Tat übergelettet iverden soll, ist der Versuch, die Diktatur aus eine breite demokratische Grundlage zu stellen. s Ein Bericht, den der bekannte Moskauer Inge nieur B asseches in Wien verässentticht, schildert diese neueste Wendung der soivjetrussischen Politik, zugleich aber auch das beispiellose System persönlicher Entrech tung und Unfreiheit, das unter äer Diktatur der Sowjets immer weiter um sich greisl. Als Endprodukt einer jahrzehntelangen Entwicklung, schreibt Vasseches, hat die herrschende Partei in Rußland ein eigenartiges Gesicht bekommen: sie ist in vier Fraktionen geteilt, di« Stalin-Fraktion, die Trotzkisten, die in Acht und Bann getanenen Rechtsstehenden und eiwlich eine groß« Gruppe in den Vertretungskörpern oer Partei, welche die Trotzkisten und die Rechtsoppositionellen den „Sumpf" nennen. Es ist diese große Gruppe, zu der die prominentesten Namen des Sowjetstaates gehören. Sir stimmt geschlossen, hat aber iveder ein Programm noch eine Richtung: die Fraktion, der sie ihre Stimme im Zentralkomitee leiht, erhält dadurch die absolute Mehr heit. Jetzt geht diese Gruppe mit Stalin, doch wer weiß, mit wem sie morgen gehen wird. Die Trotzkisten haben den Kampf vorläufig abgebrochen. Trotzdem sich die Trotzkistenfraktion scheinbar auflöst. bleibt aber doch der persönliche Zusammenhang Vorhängen. Gewisse Kreise sprechn davon, daß die russische Revolution dasselbe Schicksal wie die französische erlei den und durch einen Zusammenschluß der äußersten Rechten und äußersten Linken unter wohlwollender Neu tralität des Sumpfes die herrschende Mehrheit gestürzt werden könnte. Inzwischen ist aber eine große „demo kratische Kampagne" in die Wege geleitet worden, während gleichzeitig eine Säuberung des Partei- und Staatsapparates stattfindet. Ein g r o ß a n g e l e g t e s Kontraktsystem ist eingeführt worden. Das ein zelne kommunistisäie Mitglied wiro durch seine Zelle durch die Parteigerichte verschiedener Instanzen und durch Perlustrieri'mgen überwacht. Kvminissioneu zie hen durch das Land, welche die Parteimitglieder auf ihren Lebenswandel, ihre Amtstätigkeit, ihre politisch Gesinnung prüfen. Die Partei wird öffentlich von oben bis unten gesäubert, tleberall bei Betrieben und Behör den hängen verschlossene Kasten mit der Aufforderung, Beschwerden einzuwerfen. Es ist das ans der Pariser Schreckenszeit bekannte System der Denunziationen. —- Diese Gleichheit geht aber, wie Basseches bei aller begreiflichen Vorsicht in seinem Bericht mitteilt, noch weiter, indem öffentlich „ S ä u b e r u n g s s i tz u n. gen" stattfiuden, wo die einzelnen Kommunisten von einem Parteigericht verhört werden. Jeder aus der Versammlung kann auftreten, Fragen stellen und ent larven ... So sollen die breiten Massen scheinbar selbst zur Kontrolle der Partei herangezogen werden. Gleich zeitig mit der Parteisäuberung geht auch die Säuberung des Staatsapparates nach denselben Methoden vor sich. Der kommunistische Beamte wird zwei Prüfungen unter zogen, der parteilose nur einer. (Der parteilose Arbeiter wird nicht „gesäubert". Aber auch der parteilose Arbei ter sitzt im Zuschauerraum, wenn die hohen Beamten nach Tüchtigkeit und nach Ergebenheit an das Regime geprüft werden. Der Klatsch wirkt hier noch stärker, der persönliche Haß wird hier noch öfter zum Angeber. Die Partei sucht auf diese Weise mehr als bisher größere Massen aktiv, wenn auch indirekt, an der Politik zu de- teiligen. Diese Propaganda der Tat, dieser Versuch, eine breitere demokratischere Grundlage für die Dikta tur zu schaffen, ist bezeichnend in der Periode der Bev- wirklichung des wirschaftlichen Fünfjahrplanes. Die neue Phase der sawjetrnssischeu Politik, ch« nach europäischen Begriffen unglaublichen Vorgänge. d>« sie begleiten, zeigen letzten Endes, daß Sie Grundlagen des heutigen Staatapparates in Rußland doch immer stärker ins Gleiten kommen. Großer Tag in Gens