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VoiglländHer Anzeiger. Amtsblatt für das Königliche Bezirksgericht zu Plauen, sowie für die Königlichen Gerichtsämter und Stadträtbe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. ZmemiWebenziglier Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Diese- Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. Jährlicher Abonnementspreis, welcher priü»«»«r»i»äo zu entrichte» ist, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 10 Ngr. — Annoncen, die bis Vormittags 11 Uhr eingehen, werden in die Tag» darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Corpus-Zeile berechnet. Einzeilige mit 2 Ngr. — Für die auswärtigen Königl. Gerichlsämter und Stadträthe, für welche der Voigtländifche Anzeiger Amtsblatt ist, bestehen die Geschäftsstellen in Pausa bei Herrn Bürgermeister Leh mann, in Elsterberg bei Herrn L. A. Diezel, in Schöneck bei Herrn Eduard Meyer, in Mühltroff bei Herrn Chaaffeegelder-Einnehmer Holzmüller. Donnerstag. HO« 10. September 1861. Unser vaterländischer Landtag von 186l ist schon ziemlich lange geschloffen. Er ist lange beisammen gewesen — über 9 Monate — hat dem Lande viel Geld gekostet, und es ist daher unser Recht und unsere Pflicht zu fragen, was derselbe dem Lande genützt habe, und dieß unsern Lesern in Kürze vorzu führen. Zunächst müssen wir bemerken, daß immer noch hie und da,> wenn auch selten, allmählig immer seltener die Rede vernommen wird: „Was nützt der Landtag, der so viel Geld kostet? Nichts!" Solchen einfältigen, durch gar nichts begründeten Urtheilen müßte man erst eine ellenlange Darstellung der Zustände geben, die nicht blos in Sachsen, sondern zu den Zeiten und in allen den Ländern, als und wo es keine constitutionelle Verfassungen gab, die Völker schwer drückten. Dazu haben wir aber weder Lust noch Raum und müssen uns daher azff das beschränken, was der jüngst geschloffene Landtag verhütet und gewirkt hat. Zunächst hat der letzte Landtag den vorgelegten Entwurf einer neuen Kirchenverfassung abgelehnt, und zwar hat dieß schon die 1. Kammer bewerkstelligt. Wenn auch Einzelne in diesem Gesetzentwürfe eine erwünschte Grundlage zum weiteren Ausbau unseres Kirchenwesens erblickten, oder erblicken wollten, so fürchtete doch die ungeheure Mehrzahl aller wahren Freunde pro testantischer kirchlicher Freiheit eine Verkümmerung derselben von ihm und wollte lieber unsere jetzige mangelhafte Kirchenverfaffung noch einige Zeit länger bei behalten wissen. Die kleine, herrschsüchtige, überrechtgläubige, scholastische und uusschließende Partei mag diese Verwerfung geärgert haben; aber in den Her zen aller derer, die auf wirkliche, innerliche Religiosität das höchste Gewicht legen und als wirksamsten Förderer und Träger derselben ein der Zeitbildung entsprechendes Kirchenwesen und wiederum als die zweckmäßigste Gestaltungsform hierfür eine freisinnige Kirchenverfaffung wünschen, erregte das Verwerfen des vorgelegten Entwurfs wahre Freude, und der Ausdruck der allgemeinen Stim mung, welchen unser hochverehrter Landsmann, der Präsident der 1. Kammer, Herr Major von Schönfels auf Reuth in seiner Schlußabstimmung gab, hallt heute noch in allem Volke dankbar wieder. Wenn unsere Regierung, die un bezweifelt das Beste des Volkes auch hierin bezweckt, den Stimmen aus den Provinzen einiges Gehör schenken will, so möge sie bei der Abfassung eines neuen Kirchengesetzentwurfes nicht blos Geistliche, sondern auch tüchtige, erfah rene Nichtgeistliche vielfach zuziehen, da die Geistlichen in dieser Angelegenheit mehr oder minder mit Recht oder Unrecht als Partei angesehen werden, und man nun einmal heut zu Tage von geistlicher Bevormundung, wie man es nennt, nichts mehr wissen will. In erfreulicher Verbindung mit diesem LandtagSbeschluffe steht ein anderes Ergebniß der heurigen Ständeversammlung. In dem vorgelegten Entwürfe des bürgerlichen Gesetzbuches waren einige Abschnitte, welche die Wiedertrauung Ge schiedener erschweren, wo nicht fast ganz unmöglich machen sollten. Diese Ab schnitte hat die 2. Kammer gemildert. Dadurch hat sie ein wohlthätigeS Werk gestiftet; denn es hätte sonst in unserem Sachsen, wo bisher in diesem Punkte die schönste Ordnung herrschte, ebenso werden können, wie in Preußen, wo es in dem verflossenen politischen und kirchlichen Rückwärtszeitraume glaubenS- wüthige Geistliche verweigerten, nach Recht und Gesetz Geschiedene wieder zu trauen, angeblich, weil sie sich in ihrem Gewissen dazu gedrungen fühlten, wo her es kam, daß solche Geschiedene, wenn sie sich wieder verehelichen wollten, wegen der Trauung häufig nach Gotha sich wenden mußten. Durch dieses Gebayren vieler solcher Geistlicher ist aber in Preußen der Wunsch nach Ein führung der bürgerlichen Ehe rege geworden, die denn auch die dortige Regie rung noch einführen wird, wenn sie nur erst ein anderes Herrenhaus (l. K.), durch welches bis jetzt selbst die unumgänglich nothwendigsten Regierungsvor lagen planmäßig und absichtlich verworfen wurden, zusammengesetzt hat. Dahin hätte es in Sachsen auch kommen können, und einzelne jüngere Geistliche (in Kirchberg, Crimmitzschau) hatten schon in diesem Sinne angefangen, widerstreben zu wollen; aber unsere Regierung griff kräftig ein und dieß und die Milderung der betreff. Abschnitte im bürgerlichen Gesetzbuche wird hoffentlich Fortsetzungen verhindern. Ein drittes erfreuliches Stück Arbeit, das der jüngst geschloffene Landtag fertig gebracht hat, ist die neue Gewerbeordnung. Durch diese werden wir vom 1. Januar.1862 an Gewerbefreiheit erhalten. Viele hatten gehofft und ge wünscht, dieß möchte und würde schon vom 1. Octbr. d. I. an geschehen; allein erst muß noch die dazu nöthige ausführliche Verordnung ausgearbeitet und das Entschädigungsgesetz mit seiner Verordnung — ein schweres Stück Arbeit! — durchgeführt werden und wir müssen uns daher bis zum Neujahr gedulden. Wir machen dabei nochmals darauf aufmerksam, von der Gewerbefreiheit nicht zu viel zu hoffen, aber auch nicht zu viel zu fürchten. Einzelne werden viel leicht davon gedrückt werden, mancher Unerfahrene bei voreiliger: Speculationen durch die Concurrenz verunglücken. Aber die Sache wird gar bald in das richtige Fahrwasser kommen und unserer gewerblichen Thätigkeit neuen Auf schwung bringen. Jungen Gewerbtreibenden ist dringend zu rächen, sich tüch tige wissenschaftliche und gewerbliche Kenntnisse anzueignen und bei Zeiten auf Ersparung kleiner Kapitalien bedacht zu sein, um den unermüdlichen und un ausbleiblichen Kampf mit der vermehrten, mächtig vorwärtsstrebenden Intelligenz (Verstandesbildung) und des Kapitals gewachsen zu sein. Das vierte Werk, das der verflossene Landtag vollbracht, ist weniger er freulich. Wir meinen das neue Wahlgesetz. Bester, als das vorige, mag es sein, allein außer denen, die es gemacht haben, werden nicht eben Viele damit zufrieden gestellt sein. Der Hauptmangel daran ist und bleibt der Bezirkswahl zwang. Findet sich in einem Wahlbezirke keine tüchtige Person zu einem Ab geordneten, so muß wohl oder übel ein minder tüchtiger Mann genommen werden, während oft ein Wahlbezirk mehreren aushelfen könnte. Unsere Regie rung trifft hier unserer Meinung nach um so weniger Schuld, daß dieser Be zirkswahlzwang nicht wegfiel, als namentlich die bäuerlichen Abgeordneten in ihrer großen Mehrzahl sich fest an ihre Landtagssitze schraubten, und einer darunter (Barth) stiftete seines Namens ewiges Gedächtniß sogar noch dadurch, daß er einen höher» Census (Wahlfähigkeits-Steuersatz), als ihn die Regierung vorgeschlagen, beantragte und durchsetzte. Wie hätte denn da die Regierung ein noch freisinnigeres Wahlgesetz durchbringen wollen! Wie leicht hätte ein bäuerlicher Abgeordnetensitz von einem Nichtbauer eingenommen werden können! Und doch waren eS hauptsächlich städtische Vertreter, welche früher den Bauernstand von seinen Hörigkeitslasten, oft mit eigenen Opfern, wie bei der Iagdfrage, befreit hatten! Und doch ist der Grundbesitz des platten Landes durch die Rittergutsbesitzer der 1. und 2. K. und durch die bäuerlichen Abgeordneten, unverhältnißmäßig vertreten! Und doch besteht zwischen Ritter- und Bauergütern kein Gegensatz mehr! Und doch zahlen Leipzig und Dresden allein so viel