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Montag, 18. Oktober IMS. vilt tw S8VV »dl«ti »ninin l Rr. SIS. vierter Jahrgang. sluer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge Verantwortlicher Re-akteur: seit, «r,b»I<t. Für di» Znsecate verantwortlich: Ä»Ittr Isrm», Beide in Aue i. Erzgeb. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechstand» der Redaktton mit Aufnahme der Sonntag» nachmittag» von »—r Uhr. — Telegramm-Adresse: Tageblatt An«. — Lernsprecher tt. Für unverlangt eingesandt« Manuskript« kann GewLhr nicht g«l«ist«t wrrd«n. Druck und Verlag n«, vni«- ,.v«ri«i,» a«tNr»v> m. b. ks. in Aue i. Lrzgeb. W«zag»pr«i»: Durch unser» Boten frei in, Bau» monatlich »o pfg. 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In Eisenach sanden am Sonnabend und Sonntag die Fest lichkeiten der 50jährigen Gedenkfeier des Deutschen National» eretns statt, wobei Reichs- lagsabgeordneter Prof. Hieber die Festrede hielt. Der Kapitän des grönländischen Handelsschiffes Godthaab, dus in Kopenhagen angekommen ist, brachte Berichte der Eskimos über Cooks Nordpolfahrt mir. Da nach habe Cook den Pol erreicht. O Die Einberufung des Reichstags wird voraussichtlich auf den 23- November erfolgen. * Die Prinzen des g ri e ch i s ch e n K v n i g s h a u s e s haben endgültig ihren Abschied aus der Armee ge nommen. Zur Landtagswahl tm 20. städtischen Wahlkreise. Mit dem heutigen Montage sind wir in die Wahl- woche cingetreten. Nun heißt es, die letztem Vorbereitungen zu treffen, um den Sieg dem Bürgertum zu sichern, um den 20. städtischen Wahlkreis dem Nationalismus zu erhalten. Alle Mann vor die Front! Keiner darf am Donnerstag an der Wahl urne fehlen, der nur einen Funken Vaterlandsliebe im Herzen hat, den auch nur die -geringste Bande mit dem Wohlergehen unseres Wahlkreis- verknüpft. Bei der Landtagswahl darf es keinen einzigen Mitläufer der Sozialdemokratie geben, wie das leider bei der Reichstagswahl am 7. September der Fall war. Jede Verstimmung über die Reichsfinanzresorm, die mit den Landtagswahlen nicht das geringste zu tun hat, muß schwinden, nur eine Wahlparole darf es geben: Der 20. städtische Wahlkreis muß dem Bürgertum erhalten bleiben! Glaubt denn irgend ein Wähler, der nicht mit beiden Füßen im sozialdemokratischen Lager steht, daß unser Wahl kreis jemals besser vertreten werden könnte, als das der Fall war, seitdem die Fahne des Bürgertums Wer ihm weht? Glaubt irgend einer dieser Wähler, daß ein Abgeordneter inni ger mit jeder Faser seines Herzens an unserem Wahlkreise hän gen könnte, als unser bewährter, bisheriger Abgeordnete. Herr Fabrikbesitzer Stadtrat Alwin Bauer? Was dieser im Landtage getan hat, um Industrie, Handel, Handwerk und Ge werbe fördern zu helfen, dies ist nicht hochgenug einzuschätzen und anzuerkennen. Nur einiges sei in Erinnerung gerufen, was Herr Stadtr. Bauer anstrebte. Er tratfund tritt noch einjfiir die Auf hebung der beiden untersten Steuerklassen und befürwortet auch die Berücksichtigung der Lebensversiche- rungsprämi-e bei der Einkommensteuer: Die Ver besserung der Eisenbahnverbindungen nach dem oberen Erzgebirge betrachtet Herr Stadtrat Bauer als eine der vornehm- stenAufgaben der Eisenbahnverwaltung,weshalb er eifrig bestrebt ist, diese Verbesserungen beschleunigen zu helfen. Tatsächlich haben diese Bemühungen auch schon schöne Erfolge gezeitigt und die Tpezialwagen für die Industrie, die Herr Stadt rat Bauer befürwortet, werden wohl auch nicht immer auf sich war ten lassen. Speziell die Auer Bahnhofsfrage hat Herr Stadtrat Bauer sich auch sehr angelegen sein lassen. Wir geben den Passus aus der Etatsrede des Herrn Bauer vom 13. No vember 1907, der sich auf diese Frage bezieht, hier wieder. Herr Stadtrat Bauer führte damals aus: Da wird wohl seit ungefähr sechs Jahren der Plan gemacht, aber wir wissen heute noch nicht, woran wir sind. Die Pläne sind wieder ausgegeben worden, und diese Pläne greifen tief ein in die Entwickelung der Stadt, weil die Bahnhofstraße z. B. höher gelegt werden sollte, um einen Bahnniveauübergang zu beseitigen. Aber, wie das eigentlich wird, wie lange wir in der Entwickelung des Ortes dadurch aufgehalten werden, wissen wir in Aue nicht. Man hat seinerzeit einen Bahnhof gebaut in einer Weise, in der man viel zu wenig Rücksicht ge nommen hat auf die Entwickel ung unserer Indu strie in Aue. Man hat eben an die Entwickelung der In dustrie nicht gqMudt. Man sollte aber hier die städtische Ent wickelung nicht hemmen, sondern sollte beizeiten da, wo Um bauten nötig sind, mit Plänen herausrücken und der Stadt überliefern, damit sie in ihren Stadtbebauungsplänen darauf Rücksicht nehmen kann und nicht länger aufgehalten wird. Was Herr Stalstrat Bauer damals sagte, hat auch heute noch Gültigkeit. Die Wähler Aues dürfen versichert sein, daß Herr Bauer sich der Auer Bahnhofsfrage mit gleichem Eifer wie der annehmen wird. Von der übrigen parlamentarischen Tätig keit des Herrn Stadtrats Bauer seien noch erwähnt sein Ein treten für den Bau einer Ve rbindungsbahn vom obe ren Erzgebirge nach dem Vogtland und für den Talstraßenbau Aue-Bockau. Damit halben wird nur einen Teil seiner vielseitigen und umfassenden Tätigkeit im Landtage erwähnt, um zu zeigen, wie Herr Bauer stets das A l l- gemeinwohl des Wahlkreises leitete. Nun wird vielfach gesagt, dem neuen Landtage stünden größere Aufgaben nicht bevor. Dieser irrigen Meinung zu folge glauben lässige Wähler, daß es gar nicht darauf ankommt, ob dieser oder jener mit dem Mandat betraut wird. Diese» Ansicht ist natürlich grunkffalsch und im nationalen Interesse nur ticf zu bedauern. Denn: Welche Aufgaben hat der neue Landtag? Zunächst sind zu beraten die Vorlagen d:tz Etats für 1910/11 und der Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Landesbrandversicherungsan st alt. Dann liegen verschiedene andere Gesetzentwürfe bei der Regierung fertig vor. Sicher ist ferner, das gleich nach Beginn des Landtages bei der Zweiten Kammer das Wettrennen der Parteien mit der Ein bringung von Initiativanträgen und Interpellationen auch dies- LsiMgruMer von Mu AK» ZZ ?.i. Mmer Ms» ZlsLrsi Ssuer Der billige Kasinowem. Humoreske von Oskar Elsnrr. (Nachdruck verboten.) Oberleutnant Hellbronn war wegen seines jovialen, liebens würdigen Wesens, s einer steten Hilfsbereitschaft für die ver schiedensten Lebenslagen und noch wegen anderer Tugenden in seinem Regiment, bas in einer Regierungshauptstadt garni- sonierte, allenthalben beliebt. Namentlich schätzte man seine geselligen Talente, die Len Kameraden schon viele angenehme Stunden verschafft hatten. Nur einer teilte die allgemeine An erkennung nicht, und das war bedauerlicherweise der Oberst und Regimentskommandeur, ein diensteifriger, etwas nervöser Herr, der aber gelegentlich auch lachen konnte und das Regiment nicht selten durch originelle Einfälle verblüffte. Er hatte eine Toch ter, Fräulein Alma, eine schöne junge Dame, die viel umwor ben wurde, aber allein den Oberleutnant Heilbronn begünsttigte, der darüb selbstverständlich Feuer und Flamme war. Zwischen beiden bestand bereits ein stilles Einverständnis, aber da der Ob.rst aus seiner Abneigung gegen den Oberleutnant kein Hehl machte, konnte einstweilen an eine offizielle Verlobung nicht ge dacht werden. Als der Oberst sich wieder einmal abfällig über Hellbronn äußerte, fragte Alma kvragicrt: Was hast du eigent lich gegen den Oberleutnant, Papa? Ich finke, daß er ein ganz netter Mensch ist. — Ein Windhund ist er, murrte der Oberst: nimmt den Dienst nicht ernst, hat den Kopf voller Flausen, arrangiert Landpartien, Bälle, Theatervorstellungen usw. Er heißt deshalb im Regiment der Spaßmacher, ist das nicht be zeichnend? — Ja, aber, da sind doch, — Nichts ka! wehrte der Oberst ab: Jetzt hat man ihm zu feinen verschiedenen Vcrgnü- gungsämtern noch ein neueg verliehen: die Verwaltung des Wein kellers im Kasino, denn selbstverständlich versteht er sich, wie aus alles andere in der Welt, auch auf Wein. Na, ich bin neugierig, was dabei herauskommen wird, lachte der Regiments chef grimmig, werke dem neuen KUfermeister daher ein wenig auf den Kelbrdicnst passen. Hellbronn besaß allerdings kein außergewöhnliches Wein- vcrständnis, aber daß der sog. Tischwein im Kasino nicht viel taugte, hatte er längst erkannt. Freilich war dieser Surius, wie Hellbronn den Wein benamste, billig, und man konnte daher an ibn keine hohen Ansprüche stellen; wohl aber ließ sich eine prinzipielle Aenderung treffen, und zu einer solchen erachtete der neue Kellerdircktor sich verpflichtet. Als der bisherige Tisch wein zu Enda ging, setzte Hellbronn den Besuchern des Kasinos, meist jüngeren Herren, in eindringlicher Rede auseinander, daß schlechter Wein eines Offiziers nicht bloß unwürdig sei, son dern auch höchst schädlich: Wirkungen auf militärische Tugenden und Leistungen ausübe. Zu den Tugenden eines Offiziers gehöre die Generosität, nichts stehe ihm übler an als Knauserei. Spare man erst beim Tischwein, dann werde man auch zu anderen Sparereien verleitet, und mit der Generosität sei es vorlbei. Was aber dir Wirkung auf die militärischen Leistungen betreffe, so lähme billiger, d. h. schlechter Wein die Energie, deren ein Offi zier in erster Linie bedürfe, beeinträchtige, wenn der Mut in der Brust seine Spannkraft übt, die strategische Kombinationskraft usw. Daher erscheine cs notwendig, eine bessere, dl h. etwas teurere Sorte Tischwein anzuschaffen. Die Korona stimmte die ser Argumentation lachend zu. In eifriger Pflege meines Am tes, fuhr Hollbronn fort, habe ich bereits Umschau nach einem ent- sprecbenden Ersatz gehalten und einen Stoff entdeckt, der den Charakter der Menschenwürdigteit besitzt und nur wenig m.hr kostet als der bisherige Surius, der höchstwahrscheinlich nicht auf einem Weinberge gewachsen, sondern in einer Destille aus der liebevollen Verbindung von Wasser und Schwefelsäure her vorgegangen ist. Ich habe eine Probeflasche kaltsthllen lassen; urteilen Sie selbst! Das Urteil fiel sehr günstig aus, und die Anschaffung des neuen Weines wurde beschlossen. Die Flasche davon sollte zwei Mark kosten, während die Flascht: Surius sich auf 1.25 Mark stellte. Die Differenz erschien den Herren als Lappalie, über die man ohne Umstände hinwegging. Der Wein mundete vor trefflich, und eine Weile herrschte im Kasino eitel Glück und Freude Da erschien eines Abends, unerwartet wie gewöhnlich, der Alte, das heißt der Herr Oberst, im Kasino. Er kam nur selten und blieb nicht lange, denn seine Trinkbedürfnisse waren, wie l:ei einem Original üblich, nur gerinjp. Gewöhnlich trug er eine bärbeißige Miene zur Schau, die überall Respekt ein flößte und die feuchtfröhliche Stimmung dämpfte bezw: in Schach hielt. Diesmal war der Regimentschimborasso — auch diese Be zeichnung hatte sich allmählich eingebürgert — anscheinenjb besse rer Laune als sonst, was sofort auffiel und Bedenken «regte. Paßt auf, er führt etwas im Schilde, raunte es unter den Leut nants, die das Mesen des Chefs längst kannten, und dem war in der Tat so. Der Oberst bestellte den üblichen Tischwein, trank ein Glas, dann noch eins und nickte — ein Zeichen von Zufriedenheit, das wegen seiner Seltenheit allgemeines Stau nen heivorrief. Sie haben da einen neuen Svein, Logann er leutselig, und er ist gut, sehr gut sogar. —< Das Staunen wuchs. Dafür muß ich dem neuen Kellerdirektor meine Anerkennung aussprechen. — Das Staunen hatte den höchsten Gipfel erreicht. Freudig erregt, voll schöner Hoffnungen auf die Zukunft, erhob sich Hellbronn und sagte mit einer dankenden Verneigung vor dem Oberst: Herr Oberst ehren und beglücken mich. — Da aber verfinsterte sich das Gesicht des Gewaltigen. Er nahm die vor ihm stehende Flasche vom Tisch, sah sich das Etikett genauer an und bemerkte sodann: Aber dieser Wein kostet, wie auf dem Etikett steht, 2 Mark, also 75 Pf. mehr als der frühere Das, meine Herren, entspricht nicht der einem Soldaten so wohlan stehenden Einfachheit und Sparsamkeit, ist meiner Ansicht nach Luxus, unk dafür kann ich meine Anerkennung leider, nicht aus sprechen. Bumm! Da war der Rückschlag — war das Usble, dqs er im Schilde führte! Heilbronns freudige Erregung legte sich so fort, seine schönen Hoffnungen auf die Zukunft zerflatterten in Eile; er wähnte einen Augenblick, endlich die Gunst des Alten gewonnen zu haben, und war nur noch mehr in Ungnade gefallen. Was nun tun? Der Oberst hatte keinen Befehl, sondern nur keine Anerkennung ausgesprochen. Man konnte also eigentlich weiterwirtschaften wie man wollte. Indes «achtete man doch eine eingehende Beratung der Angelegenheit für notwendig. Beibehaltung des neuen menschenwürdigen Weins oder Rück kehr zum Surius war hier die Frage. Die Meinungen gingen auseinander. Ein Teil der Herren empfahl dem Chef zuliebe die besagte Rückkehr, ein ander« Teil wollte auf dem neuen Trank der Labe nicht verzichten. Da kam Hellbronn eine galgen humoristische Jdeet Er fragte: Ich proponiere einen Vergleich: