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— Meitznitz-IMW n Verantwortlicher Redacteur: Carl Ichne in Dippoldiswalde, 54. Jahrgang. Donnerstag, den 23. Februar 1888 Nr. 23 n !t l- lr l- l- Pr VMign»»« des KoriMtWsktzk«. Mit großer Mehrheit ist vom Reichstage in seiner Freitagssitzung die einfache Verlängerung des bestehen den Sozialistengesetzes bis zum 30. September 1890 definitiv beschlossen worden und» somit hat denn das Reichsparlament diese ebenso wichtige, wie aufregende Frage für zwei Jahre wieder hinter sich. Der Reichs- tagsbeschluß deckl sich allerdings nickt mit den ursprüng lichen Absichten der Regierung, wonach das Sozia listengesetz auf fünf Jahre verlängert werden und er hebliche Verschärfungen erfahren sollte, da aber weder für die fünfjährige Geltungsdauer noch für die Ver schärfungen eine Mehrheit zu haben war, so mußte sich die Regierung an der einfachen Erneuerung des bisherigen Gesetzes auf zwei Jahre genügen lasten, wollte sie das letztere überhaupt nicht ganz und gar in Frage stellen. Anderseits sind allerdings auch die vom Centrum durch den Abgeordneten vr. Windthorst beantragten Milderungsanträge, die in der Aufhebung des sogen, kleinen Belagerungszustandes gipfelten, ab gelehnt worden und jedenfalls muß es dem Unmuth hierüber zugeschrieben werden, wenn nun das Centrum im Vereine mit den Freisinnigen und den kleinen oppositionellen Fraktionen gegen das Gesetz stimmte. Es waren lebhafte und zum Theil interessante Epi soden aufweisende Verhandlungen, welche der Reichs tag auch diesmal wieder der nun vorläufig abermals zur Erledigung gelangten Frage des Sozialistengesetzes widmete. Da diese Angelegenheit im Reichstage schon ost Gegenstand von Erörterungen gewesen ist, so konnte es nicht Wunder nehmen, daß die jetzigen Debatten über das Sozialistengesetz größtentheils schon Be kanntes vorbrachten. Indessen fehlt es auch an ganz neuen Momenten nicht und ein solches wurde eben durch die regierungsseitig vorgeschlagenen Verschärfungen in die Diskussion geworfen. Dieselbe hat aber von allem Anfang an gezeigt, daß die Vertreter der Nation in ihrer überwiegenden Mehrheit nicht für die Maß regeln waren, welche nur geeignet schienen, neue Ver bitterung in weite Volkskreise zu tragen, ohne doch ihren Zweck, die agitatorischen Bestrebungen der Um sturzpartei wirksam zu unterbinden, zu erfüllen, und jedenfalls entspricht diese Haltung des Reichstages nur der öffentlichen Meinung. Dagegen machten es auch die Verhandlungen klar, daß die Mehrheit der Volks vertreter die Aufhebung des Sozialistengesetzes als eine ebenfalls bedenkliche Maßregel erachtete und man muß zugestehen, daß die Zeit zu einem solchen Schritte noch nicht da ist, so viel auch immer gegen die an geblich vollständige Nutzlosigkeit des Ausnahmegesetzes gegen die Sozialdemokratie geeifert werden mag. Frei lich erscheint der Wunsch, dieses Ausnahmegesetz gegen einen nicht unbedeutenden Bruchtheil der deutschen Staatsbürger endlich beseitigt zu sehen, ganz berechtigt und erklärlich, und es ist ja auch im Reichstage der Gedanke gestreift worden, wieder zum gemeinen Recht zurückkehren zu können. Wie indessen ein solches Ge setz, durch welches auf Grundlage der gewöhnlichen Rechtsordnung die Ausschreitungen der Sozialdemo kratie bekämpft und bestraft werden sollen, aussehen und beschaffen sein muß, davon „schweigt des Sängers Höflichkeit", das hat noch Niemand offenbart. Ehe aber über diesen prinzipiellen Punkt in der vorliegen den Frage nicht volle Klarheit herrscht, werden wir uns eben mit den bestehenden Bestimmungen weiter helfen müssen und unter dem Drucke dieser Nothlage ist augenscheinlich auch der die einfache Verlängerung des Sozialistengesetzes aussprechende Beschluß des Reichs tages erfolgt. Lokales «nd Sächsisches. Dippoldiswalde, 22. Februar. Gestern endlich ist dem EiSklub der große Wurf gelungen, zu dem er schon längst, leider immer vergeblich, angesetzt hatte, der große Wurf, sein Stiftungsfest abzuhalten. Der -M -. Ä h t, l- gelungene Fahrab'end des Montags konnte als General probe und Vorfeier gelten. Heller Mondschein, völlige Windstille, mäßige Kälte von 4 ° R., dazu eine im blen dendsten Weiß strahlende Winterlandschaft begünstigte das von Schlittschuhfahrern und -fahrerinnen reichlich besuchte Fest, dem Hunderte von Zuschauern auf und neben dem Teiche beiwohnten. '/»8 Uhr schon hatte sich eine stattliche Versammlung auf der glatten, harten Eisbahn eingefunden und immer neue Sportleute und Zuschauer belebten von da an die Mühlstraße. Die Dekoration des Teiches in bunten Laternen und Talg näpfchen war feenhaft. Baldachinartig zogen sich vom Fahnenmast nach den Seiten der bei der magischen Beleuchtung viel größer erscheinenden Fahrbahn, die zu beiden Seiten mit Talgnäpfchen eingefaßt war, 8 lange Guirlanden von bunten Laternen, und das Klubhaus mit Orchesterbalkon strahlte gleichfalls im Glanze zahlreicher Flammen. Es sollen zusammen tausend gewesen sein, und wir glauben nicht, daß diese Zahl zu hoch gegriffen war. Punkt 8 Uhr ertönten die ersten Klänge des Orchesters vom Balkon herab und nun erst kam Leben in die bis dahin nur wenig bewegte Menge der großen und kleinen Schlittschuh läufer. Einzeln und in Gruppen, oder zu zärtlichen Paaren gesellt, zeigten unsere Eisklubisten, daß sie es in der edlen Kunst des Eislaufs mehr oder weniger weit gebracht hatten. Bengalische Flammen beleuch teten hin und wieder in buntem Farbenspiele die glitzernde Bahn und ließen dem Fernstehenden die durcheinander wogende Bewegung deutlicher erkennen. Am Büffet gabs heißen Punsch und leckere Pfann kuchen — es vereinigte sich Alles, um das Stiftungs fest unseres Eisklubs zu einem wahrhaft gelungenen zu gestalten. Nun es glücklich vorüber ist, ist uns nicht mehr bange; mit dem Thauwetter wird's wohl nun gute Weile haben. — Durch den Abgang des Herrn Ingenieur Wolff ist an der hiesigen deutschen Müllerschule vom I.Mai ab die Stelle eines Lehres für Müllerei, Mühlenbau und verwandte Fächer zu besetzen. Mit derselben ist ein jährlicher Gehalt von 3000 Mack, welches von 5 zu 5 Jahren um 300 Mark bis 4500 Mark steigt, verbunden. — Die in diesem Jahre zur erstmaligen zehn- wöchentlichen Uebung im Bereich des sächsischen (12.) Armeekorps heranzuziehenden Ersatzreservisten werden voraussichtlich am 1. Juli d. I. bei dem Train, am 18. August bei der Infanterie, den Jägern, Pion nieren und Feldartillcrie, sowie am I. September bei der Fußartillerie zur Ableistung dieser Uebung einge zogen werden. — Dem Vernehmen nach sollen die Retourbillets bei der sächsischen Slaatseisenbahn vom 1. April d. I. ab eine längere Giltigkeit insofern erhalten, als die Rückreise durchgängig mit dem letzten Zuge des dritten Tages auch dann angetreten werden kann, wenn die Ankunft auf der Endstation in den vierten Tag hinein fällt. Bei einzelnen Zügen war dies zwar schon jetzt der Fall, vom genannten Tage ab soll aber diese Frist verlängerung auf alle Linien und Züge ausgedehnt werden. Ferner sollen vom gleichen Zeitpunkte neue Bestimmungen über Verausgabung von Abonnements karten für Schüler zum Zwecke des Schulbesuches zur Einführung gelangen. Die neuen Schülerkarten wer den für Schüler und Schülerinnen der höheren und niederen Schulen, auch Fortbildungs- und Gewerbe schulen, sowie für Konfirmanden und Zöglinge von Präparanden-Anstalten ausgegeben, jedoch sinv junge Leute, welche technische Hochschulen, Universitäten, Kon servatorien, akademische Anstalten und dergleichen be suchen, ausgeschloffen. Eine bestimmte Altersgrenze, welche zeither bei der Verausgabung der Kouponbücher für Schüler bestand, kommt bei der neuen Einführung in Wegfall. " DrrS-en. Die Zweite Kammer ertheilte am ynferate, welch« »ei d« bedeutenden Auflage de« Blattes eine sehr w«t- same Verbreitung finden, »erden mit 10 Pfg. di« Spalten,eile «der der« Raum berechnet. — Ta bellarische und complieirt« Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, mr redaktionelle» «heile, di- Spaltenzeil« SO Pf«. Amtsblatt für die Könialiche Amtshauxtmannschast Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die KtadtrLthe zu Dippoldiswalde und Irauenstem 20. Februar dem Gesetzentwürfe, betreffend einige Ab änderungen der Verfassungsurkunde vom 4. Eeptbr. 1831 — derselbe bezweckt die Abänderung der Ver- faffungsurkunde insofern, als der König in Zukunft nicht mehr behindert sein soll, über dasjenige Ver mögen, welches ihm während der Regierung aus Privatrechtstiteln zufällt, auf den Todesfall zu ver fügen — mit 64 bejahenden Stimmen (4 Mitglieder enthielten sich der Abstimmung) mit einer lediglich redaktionellen Abänderung ihre Zustimmung, ermäch tigte auch die Staatsregierung, unter Bezugnahme auf die, soweit nülhig, ertheilte Zustimmung der Stände einen Nachtrag zum kgl. Hausgesetze zu erlassen, durch welchen an die Stelle der ZZ 55—57 dieses Gesetzes drei neue 88 55—57, die dem Wortlaute deS neuen Z21 der Verfassungsurkunde entsprechen, gesetzt werden. — Es verlautet, daß sich König Albert am 5. März nach München begeben werde, um offiziell den Besuch zu erwidern, den ihm der Prinzregent Luitpold im Dezember 1886 abgestattet hat. Königin Karola, welche nach dem kürzlich überstandenen Katarrh einen Aufenthalt in anderer Lust zu nehmen beabsichtigt, wird ihren Gemahl bis München begleiten, sich da selbst aber nicht aufhalten, sondern sofort weiter nach dem Süden reisen. Der Ort des Aufenthalts ist noch nicht bestimmt. — Die jetzige Höhe des GesammtvermögenS des „Sächsischen Pestalozzivereins", welcher durch von ihm ausgehende Unterstützungen der armen Wittwen und Waisen bereits unendlich viel Gutes gestiftet hat, be ziffert sich mit 183,182 M. 50 Pf., dazu 600 fl. öfter. Währung. — Als Nachfolger des verstorbenen Branddirektor Ritz ist am 21. Februar vom Rathe der Brandmeister Max Thomas aus Hamburg gewählt worden. Pirna. Dieser Tage wurden hier in der Sand gasse beim Grundgraben 15 Skelette aufgesunden. Es soll dort ehemals oer „Galgenberg" gestanden haben, so daß man es mit den Ueberresten von Hingerichteten Verbrechern zu thun haben dürfte. Dohna. Von den Liquidatoren des hiesigenSpar- und Vorschuß-Vereins wird nächsten Dienstag die letzte Rate zur Auszahlung gebracht. Freiberg. Zum Schwurgerichtsvorsitzenden für die im zweiten Kalendervierteljahr 1888 beginnende Sitzungsperiode wurde beim Landgericht Freiberg der Landgerichtsdirektor von Wolf ernannt. Marienberg. Infolge neuerlicher Schneever wehungen ist der Verkehr auf der Eisenbahnstrecke Marienberg-Reitzenhain seit dem 20. Februar völlig gesperrt. Aus dem Voigtlaude. Befestigte Kirchhöfe kommen in Deutschland vereinzelt, wenn auch ziemlich selten vor. Im Voigtland finden sich befestigte Kirch höfe zu Thierbach und Untertriebe!, sie gehören wie die anderen in Sachsen befindlichen, bezw. noch er kennbaren derartigen Anlagen, dem Ausgange des Mittelalters an. Der Thierbacher, in der Niederung gelegen, zum Theil umwallt und durch einen Wasser graben verstärkt, besaß »och in der ersten Hälfte un seres Jahrhunderts vier feste Thürme, ähnlich der Anlage zu Ebersdorf bei Chemnitz, und ihre Mauern sind theilweise noch erhalten. Die aus der Höhe ge legene Kirche zu Untertriebel besitzt noch, gleich der in Zeithain an der Elbe, ihr festes Thor und ihre mit Schießscharten versehenen Mauern. Aehnliche Kirch hofsbefestigungen besitzen noch beispielsweise die Kirchen zu Eppelsheim und Guntersheim im Kreise WormS. Obercunewaldr. Die Lage der an der Trichi nose Erkrankten ist geradezu herzzerreißend, sie liegen starr und steif und können nicht einmal die Hand zum Munde führen, nicht einen Finger bewegen, sie müssen gehoben und getragen werden und können vor Schmerz dies kaum ertragen. Bis zum 15. Februar sind zu verzeichnen: 34 kranke Feuerwehrmänner und 18 kranke „Weißrritz.Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. Sb Pfg., zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 1V Pfg. — All- Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an.