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Zchönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach kann- und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster- schetnende Nummer bis nachmittags 3 Uhr deS vorhergehenden Tages. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. und Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SS Pf. Einzelne Nummern 5 Pf Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Filial-Expedition in Altstadtwaldenburg: bei Herrn Kaufmann Max Liebezeit. Amtsblatt für de» Stadtrath zu Waldenburg. Mittwoch, den 15. Oktober 1881. Gemäß § 92 der Rev. Städle-Ordnung ist Seiten der Kgl. Kreishaupt mannschaft zu Zwickau der vom Stadtverordneten-Kollegium hier als Stadt rath gewählte Herr Buchbindermeister Eduard Hobusch hier als Stellvertreter des Bürgermeisters sowie als erster Stadtrath bestätigt wor den, in welcher letzteren Eigenschaft derselbe zugleich Vorsitzender des stadträth lichen Forst- und Wirthschafts- wie auch des Bau- und Verkehrs-Ausschusses ist. Waldenburg, den 14. Oktober 1884. Der Stadtrath. Helbig. "Waldenburg, 14. Oktober 1884. Als in der letzten Reichstagssession die Vorlage der Reichsregierung, welche die Errichtung staatlich unterstützter Postdampferlinien nach Ostasien und Australien zum Gegenstand hatte, eifrig discutirt wurde, machten ihre Gegner als besonders schwer wiegenden Einwand die Finanzlage des Reiches gellend, welche es verbiete, für diesen Zweck jährlich 4 Millionen Mark, die der Gesetzentwurf forderte, zu verausgaben. 4 Millionen sind eine hübsche Summe, andererseits ist aber auch in Betracht zu ziehen, daß das Geld nicht zum Fenster hinausge worfen, sondern nutzbar angelegt werden soll. Daß die Dampferlinienidee kein phantastisches Project ohne jeden praktischen Grund und Boden sei, hat der Bremer Reichstagsabgeordnete H. H. Meier an erkannt, und dessen Wort verdient Gewicht, weil, wenn man von Sachverständigen in dieser Sache spricht, man aus dem deutschen Reichstage nur diesen natio nalliberalen Abgeordneten nennen kann. Die anderen Herren können nur vom theoretischen Standpunkt aus reden. Vier Millionen, oder im Prinzip gesagt, über haupt Geld für die Dampservorlage soll nicht übrig sein. Es wäre nun aber doch sehr angemessen, wenn der Reichstag oder seine Budgelcommission sich einmal gründlich daran machte, die Finanzlage unseres deutschen Reiches genau zu prüfen. Nicht blos so obenhin, damit bewiesen werde, was man will, sondern langsam und ernstlich, damit wirklich handgreifliche Resultate erzielt werden und die Frage beantwortet wird, können wir's riskiren oder nicht. ES läßt sich auch im Reichshaushallsetat mancher Abstrich machen und viel Geld sparen, wenn nur genau ausgepaßt wird; aber leider sind bei den Elatsberathungen die Sitze im hohen Hause oft recht leer, und die Hundertlausende gehen durch, das eine nach dem andern. Wer sparen will, kann auch sparen, und ist der Reichsregierung wirklich so viel am Durchbringen der Dampfervorlage ge legen, nun, so wird sie auch nicht von Erz sein, wenn es hier und da heißt: „Weniger!" Daß eine solche Erörterung und Sparsystem recht noth wendig und sehr am Platze ist, das zeigen die Nach richten, welche über den Charakter der neuen Dampfervorlage auftauchen, die ja den jetzt zu wählenden Reichstag beschäftigen wird. Bekanntlich war die frühere Dampfervorlage, die 4 Millionen Mark pro Jahr forderte, daraus be messen, daß der „Norddeutsche Lloyd" die beiden staatlich zu unterstützenden Postdampfschiffslinien nach Ostasien und Australien übernehmen sollte und seine älteren Dampfschiffe dafür zur Verwendung bringe. Von dieser Idee ist aber die Reichsregie rung inzwischen völlig abgekommen, so heißl es wenigstens. Sie hat sich davon überzeugt, daß der beabsichtigte Zweck nur dann erreicht werden könne, wenn die deutschen Postdampferlinien den englischen und französischen sofort für ebenbürtig gemacht würden, sowohl an Größe und Schnelligkeit, wie Zweckmäßigkeit und Einrichtung der Schiffe. Dar nach müßten also ganz neue Dampfer gebaut wer den, deren Geschwindigkeit erheblich über die frühere in Aussicht genommene Durchschnittsfahrt hinaus ginge. Da die Schiffe fast ohne Anlaufen die Reise zurücklegen sollen, müssen sie also von vorn herein einen sehr großen Kohlenvorralh an Bord ^ehmen und demgemäß eingerichtet werden. Damit werden sich bedeutende Mehrausgaben ergeben und die frühere Unterstützung von 4 Millionen Mark wird schwerlich ausreichen. Wir lassen dahingestellt sein, ob die neue Dampfer vorlage die eben erwähnte oder die frühere Form haben wird, in der Hauptsache wird an unseren zu Eingangs gemachten Ausführungen nichts geändert. Das Ganze ist eine Art von kaufmännischem Unter nehmen zum Besten des Reiches, und dabei soll Beides sprechen, der Unternehmungsgeist — und das Rechenexempel. Wer nicht wagt, der nicht ge winnt, aber die Vorbedingung von alledem ist, ob wir wagen dürfen, und das gewissenhaft und ohne Voreingenommenheit zu erwägen, wird zunächst die Aufgabe des Reichstages sein. "Waldenburg, 14. Oktober 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm besuchte am Sonntag in Baden- Baden die musikalische Malinee bei Frau v. Guaita. Hierauf fand im Meffmer'schen Hause bei den Majestäten das Diner statt, zu welchem die groß herzoglichen Herrschaften von Baden und Mecklen burg-Schwerin, die Herzogin von Hamilton, der Fürst und die Prinzessin von Fürstenberg, sowie der Prinz Hermann von Sachsen-Weimar geladen waren. Abends wurde der Thee bei der Kaiserin Augusta eingenommen. Die „Cobl. Ztg." veröffentlicht nachträglich einen Erlaß, durch welchen der Kaiser seine volle Zu friedenheit mit dem 8. Armeecorps ausspricht. Die Prinzessin Wilhelm von Preußen befindet sich wieder wohl und siedelte von dem Marmor palais nach Villa Liegnitz bei Potsdam über. Ueber den Gesundheitszustand des Herzogs von Braunschweig melden vom Montag die „Br. Nachr.": Nach gestern hier eingetroffener telegraphi scher Nachricht ist im Zustande des Herzogs keine wesentliche Aenderung eingetreten, doch hat sich das Allgemeinbefinden dem Anschein nach etwas gebessert. Der preußische Staatssekretär von Bötticher ist am Sonntag Nachmittag zum Besuch des Reichs kanzlers nach Friedrichsruhe abgereist. Die Londoner „Times" bedauert das „harte" Schicksal der Dänen in Nordschleswig, die auf die Theilnahme Europa's Anspruch hätten. Die „Nordd. Allg. Ztg." trumpft dem englischen Zank teufel derb und gut auf. Sie meint, die Ir länder hätten noch viel mehr Anspruch auf den Schutz Europa's. Das ist sehr richtig. Die Eng länder haben vor ihrer Thür genug zu kehren und mögen sich an ihre eigene Nase fassen. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Der Gedanke, die westafrikanischen Fragen auf einer Con- ferenz zu regeln, hat, wie in Frankreich, so auch unter den übrigen direkt interessirten und einge ladenen Mächten bisher bei Belgien, Spanien und Holland, und ferner auch bei Oesterreich und Ruß land lebhafte Zustimmung gefunden. Wie die „N. A. Z." hört, hat die Reichsregierung in London Schritte gethan, um die deutschen Handels interessen im westlichen Theil der Südsee gegen über den auf die Besitzergreifung aller noch freien Gebiete in der Südsee gerichteten Bestrebungen Sicherheit zu verschaffen. Die englische Regierung occupirt deshalb nur die Südküste von Neu-Guinea und die benachbarten Inseln. — Es ist also sicher, daß auch dort deutsche Colonien erworben werden sollen. Zur Congoconferenzfrage wird der „Nat.- Ztg." aus Paris noch telegraphirt: „In Folge der von dem ehemaligen portugiesischen Minister des Auswärtigen, de Serpa Pimente! in Berlin gepflo genen Unterhandlungen giebt die portugiesische Re gierung den Congo-Vertrag mit England auf, um, statt wie bisher mit England, mit Deutschland zu gehen. Es verlautet, daß England und Holland in den Colonialfragen gemeinsam handeln wollen." — Wenn das Letztere wahr ist, so werden die beiden neuen Verbündeten jedenfalls nicht viel Glück haben. In Brandenburg a. H. kam es am Freitag Abend bei einer nationalliberaten Wahlversammlung zu bedauerlichen Ausschreitungen. Der „Brandenb. Anzgr." berichtet darüber: Nach Schluß der Ver sammlung umstanden die Socialdemokralen in dicht gedrängten Massen das Lokal. Die Aufforde rungen der Polizei, aus einander zu gehen, wurden mit höhnischen Bemerkungen beantwortet. Schließ lich flogen Steine, Schnapsflaschen rc. gegen die Beamten, die sich genölhigt sahen, von der blanken Waffe Gebrauch zu machen. Da sie indessen gegen die Uebermacht nichts ausrichten konnten, mußte schließlich Militär requirirt werden, das mit gefäll tem Bajonnel anrückte und die Masse zerstreute. Neun der Haupträdelsführer sind verhaftet; einer, der einen Bajonnetstich im Rücken erhalten hat, befindet sich im Krankenhause. Von den Polizisten wurden zwei durch Steinwürfe verletzt. Im unteren Stockwerk des Versammlungslokales sind fast sämmt- liche Fenster demolirt. Auch in Beilin schlossen einige Wahlversammlungen in bekannter Manier. Der evangelische Oberkirchenrath in Berlin hat durch die Provinzial - Consistorien den Geistlichen untersagen lassen, in Amtslracht bei den Begräb nissen von Selbstmördern zu erscheinen, es sei denn, daß durch ein ärztliches Zeugniß eine voran- gegangene Geistesstörung der Selbstmörder festgestellt worden ist. Frankreich. Zum Handelsminister an Stelle Heriffon's ist Rouvier ernannt. Am Sonntag wurden Denk mäler von Corneille in Rouen, von Watteau in Valencivennes, des Revolutionsgenerals Joubert in Bourg, und ebendaselbst das Medaillonbild des Astronomen Lalande enthüllt. Die in Paris lebenden Belgier gründeten eine belgisch-republikanische Liga. Italien. Am Sonntag sind in Neapel an der Cholera 93 Personen erkrankt und 58 gestorben. Belgien. Das Schulgesetz schafft fortgesetzt ernste Unruhen. In Senzeilles, Prov. Namur, war die dortige Töchterschule durch den Gemeinderath aufgehoben. Die Liberalen drangen in den Sitzungssaal, prügel ten die Räthe durch und verjagten sie. Das Ende vom Liede war ein heftiger Zusammenstoß mit der Gendarmerie. England. In London fand am Sonnabend eine große liberale Kundgebung zu Gunsten von Glad- stone's Wahlreform statt. 80,000 Personen waren anwesend.