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stark in Wien, noch immer die bedrückende po litische Atmosphäre, der „verzweiflungsvolle Zustand" nach dem Wiener Kongreß. Seit der achten Sinfonie waren für Beethoven elf Jahre bitterer Enttäuschung persönlicher Art vergan gen, Enttäuschung aber auch über die reaktio näre Großbourgeoisie, die die revolutionären Ideale verraten hatte. Aber trotz der Unterdrük- kung aller demokratischen Regungen durch Metternichs System hatte der völlig ertaubte Meister während der Arbeit an der „Neunten" neuen künstlerischen Elan gewonnen. Dennoch hielt er die bedrückende politische Situation in Wien nicht für eine Uraufführung seiner „Neun- Jen" geeignet und dachte zunächst an eine Ber liner Uraufführungsstätte. Vaterländisch ge sinnte Wiener Kunstfreunde konnten Beetho ven jedoch von dieser Absicht abbringen. So wurde an dem denkwürdigen 7. Mai 1824 im Kärntnertortheater zu Wien die „Große Sinfonie mit im Finale eintretenden Solo- und Chor stimmen auf Schillers Lied ,An die Freude'" uraufgeführt. Eine begeisterte Zuhörermenge feierte den Meister stürmisch. Die bis dahin noch nie erlebte Klanglichkeit, der organische, gedankentiefe Bau, der humanistische Inhalt der in ihrer Größe und ihrem Plan ungewöhn lich anspruchsvollen Sinfonie war spontan ver standen worden. Seit diesem Tage wurde die neunte Sinfonie Besitz der deutschen Nation, ja, der gesamten Menschheit. Wenn wir heute in den Interpretationen des Werkes seine allgemein menschliche Botschaft betonen, dann entspricht das zutiefst dem An liegen des Demokraten Beethoven, der in Schillers Versen den Ausdruck des Humanen, seiner weltanschaulichen Gedanken sah. So stellt sich uns die Sinfonie dar als die Summe der Beethovenschen Lebenserfahrungen, seiner Philosophie und seiner künstlerischen Ideen. Das Motto, das man auch der fünften Sinfonie Beethovens voranzustellen gewohnt ist: „Per aspera ad astra" (durch Nacht zum Licht), hat für die „Neunte“ mehr als symbolische Bedeu tung. Der Sieg der aus der Finsternis zum Licht strebenden Kräfte, das Erreichen des Zieles nach erschütterndem Kampf, wird im Chorfinale mit dithyrambischem Freudentaumel besungen: „mit dem Schillerschen Gleichnis von einer zu künftigen Gesellschaft, in der die Forderung der Französischen Revolution nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit aller Menschen erfüllt wird, in der wirklich Freude herrschen kann" (Karl Schönewolf). Wie eine gewaltige Kuppel überspannt das mitreißende Chorfinale, das die revolutionär-demokratische Idee des Werkes durch Worte verdeutlicht, den mächti gen sinfonischen Bau des Ganzen. Die einzel nen Sätze der „Neunten" weisen — im Vergleich zu den früheren Sinfonien — ins Riesige gestei gerte Ausmaße auf. Beethovens großartigstes Bekenntniswerk ruft in seiner starken ethischen Haltung die Menschen zur Besinnung auf ihre höchsten Ideale auf. Schildert der erste Satz den „verzweiflungsvol len Zustand" einer freudlosen Welt, die im ener gischen Kampf verändert werden muß, so ist im folgenden Scherzo, das entgegen der Tradition dem Adagio vorausgeht, ein derb-fröhliches, hastendes Leben dargestellt, dessen bis zum Zerreißen gespannte Erregtheit jedoch noch keine befreiende Aufhellung bringen kann. Was im Adagio dann als eine „Vision von Glück und Frieden" klangliche Gestalt gewinnt, wird im Finale ereicht: „Heute ist ein feierlicher Tag . . . dieser sei gefeiert mit Gesang", wie es im ur sprünglichen Text lauten sollte. Die brüderlich vereinte Menschheit besingt überschwenglich jubelnd die schwer errungene Freude in einer Welt, die ihr gehört. Dr. habil. Dieter Hartwig DIE WORTE DES CHOR-FINALES DER NEUNTEN SINFONIE VON BEETHOVEN O Freunde, nicht diese Töne, sondern laßt uns angenehmere anstimmen und freudenvollere. Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium, wir betreten feuertrunken, Himmlische, dein Heiligtum. Deine Zauber binden wieder, was die Mode streng geteilt; alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt. Wem der große Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu sein, wer ein holdes Weib errungen, mische seinen Jubel ein. Ja, wer auch nur eine Seele sein nennt auf dem Erdenrund! Und wer's nie gekonnt, der stehle weinend sich aus diesem Bund. Freude trinken alle Wesen an den Brüsten der Natur, alle Guten, alle Bösen folgen ihrer Rosenspur! Küsse gab sie uns und Reben, einen Freund geprüft im Tod! Wollust ward dem Wurm gegeben, und der Cherub steht vor Gott! Froh, wie seine Sonnen fliegen durch des Himmels prächt'gen Plan, laufet, Brüder, eure Bahn, freudig, wie ein Held zum Siegen. Seid umschlungen, Millionen! Diesen Kuß der ganzen Welt! Brüder, überm Sternenzelt muß ein lieber Vater wohnen! Ihr stürzt nieder, Millionen? Ahnest du den Schöpfer, Welt? Such ihn überm Sternenzelt! Uber Sternen muß er wohnen! Freude, schöner Götterfunken! Friedrich von Schiller Programmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Dr. habil. Dieter Hartwig Spielzeit 1979/80 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Druck: GGV, Prod.-Stätte Pirna 111-25-12 ItG 009-26-80 EVP 0,25 M 8. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1979/80