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Sächsische Staatszeitung : 15.07.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-07-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480731217-192207156
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480731217-19220715
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480731217-19220715
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Staatszeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-07
- Tag 1922-07-15
-
Monat
1922-07
-
Jahr
1922
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 15.07.1922
- Autor
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ÄMOdcilU W WM AMümz 163. zu Nr. 163 de« Hauptblatte«. 1922. Beauftragt mtt der Heraus gäbe: Regierungsrat Doenges in Dresden. PrLftdeut (unterbrechend): Unterlassen Sie diese beleidigenden Ausdrücke! (Aba. Schnirch: Man soll doch wenigstens etwas bei der Wahrheit bleiben und nicht doppelt und dreifach Schwindel machen. — Zuruf: Das ist Wahrheit, was er sagt! — Lachen.) WaS ist Wahrheit? E» ist nicht sestzustelle«, wa» Wahr heit in diesem Falle ist. (Heiterkeit. — Abg. Renner: PontiuS Pilatuö auf dem Präsidenten- sitz! — Zurufe links.) Abg. vr. Eckardt (fortfahrend): Der Aktionsausschuß war am Nachmittag deS Mittwoch ziemlich hilflos geworden, ihm drohte die Absetzung durch radikalere Elemente (Wider- spruch bei den Soz.), und in dieser Lage richtete er an die Vertreter der Arbeitgeber, die zu einer Sitzung zusammengekommen waren, das Er suchen, den entgangenen Arbeitsverdienst zu tragen, der zum T il durch die Beteiligung an der Demonstration, zum Teil durch die er zwungene Schließung der Betriebe am Mittwoch verursacht worden war. Die Arbeitgeber geht das an sich gar nichts an. Die Demonstration hat mit dem Arbeitsverhältnis nichts zu tun, ebenso die erzwungene Stillegung durch die Banden, die in Zwickau herumzogen. Aber im allgemeinen Interesse und zur Verhütung von Schlimmerem haben die Vertreter der Arbeit geber sich bereit erklärt, diese Kosten zu über nehmen. Der Aktionsausschuß hat sich gegen die freiwillig übernommenen Verpflichtungen, die Ruhe wieder herzustcllen, vergangen. Er hat keine Bedingung daran geknüpft, und er hätte die Ruhe auch ohne dieses Zugeständnis deshalb wieder Herstellen müssen. Gewissermaßen kann man ihn ja auch als Delegierten des Po lizeiministers ansehen, da ihm die Wiederherstel lung der Ruhe und Ordnung übertragen worden war. Als solcher hat er aber unter allen Um ständen die Arbeitgeber zu einer Handlung ge- wissermaßen genötigt, die sie freiwillig ganz sicher nicht übernommen hätten. Ter Aktions ausschuß ist infolgedessen für sämtlichen Schaden haftbar, nicht weniger aber dcr Minister, der seine Pflicht gröblich verletzt hat, und der Staat für ihn. Wir bedauern die Bezahlung des ent- gangenen Arbeitsverdienstes hauptsächlich des wegen, weil bei einer Wiederholnng solcher Vor kommnisse, mit der wir ja immerhin rechnen Ktüür»,,Lje Arbeiterschaft dann dem Verlangen, die Betriebe zu schließen, wahrscheinlich keinen großen Widerstand, auch wenn er nur passiv ist, cntgegenseHen wird. Wir brauchen aper gerade in der jetzigen Zeit einen ungestörten Fongang des Betriebes. Eigentümlich ist das Verhalten des Aktionsaus schusses gegenüber den Plündern gewesen, die von der Arbeiterwehr eingeliefert wurden. Soweit ich unterrichtet bin, hat der Hr. Abg. Grube als oberster Richter dort seines Amtes gewaltet und hat von 50 bis 60 Eingelieferten so ziemlich alle entlassen (Zuruf links: Wenn Sie dort gewesen wären, hätten Sie sie nicht'ent lassen!), hat aber dagegen Leute, die ganz sicher lich nicht dabei beteiligt waren, zurückgehalten. So hat er z. B. gejagt: Du bist Ingenieur- Schüler, da bleibst du da. Ich frage nun die Regierung, die ja leider zur Vertretung ihres Etats nicht da ist: Was w»rd geschehen, um die Plünderer ihrer verdienten Strafe znzuführen? (Abg. Beutler: Amnestie!) Wird sie überhaupt dazu in der Lage sein? (Große Unruhe.) Wie stellt sich die Regierung zu der Freiheitsberaubung von drei Zwickauer Einwohnern, die sich nichts haben zu schulden kommen lassen, insbesondere auch keine Pro vokation? Hat die Regierung alle Mittel in Bewegung gesetzt, um die entwendeten und verwen deten Waffen in ihren Besitz zu bekommen? Hüt sie inSbesonderean den Aktionsausschuß ein derartiges Ersuchen gerichtet? In Zwickau sieht man der kommenden Zeit mit großer Sorge entgegen. (Große Unruhe.) Die Berichte zeigen, daß eine Wiederholung der Putsche von den Linksrakikalen in der nächsten Zeit zu erwarten ist Deshalb habe ich tue Regierung zu fragen: Sann sie eine Zusicherung geben, daß der Schutz der Ein wohner künftighin gewährleistet wird, daß sie alle Machtmittel des Staates zum Schutze der Einwohner aufbieten wird? Wir haben ein Recht, eine solche Zusicherung zu verlangen! (Zustimmung rechts, lebhafte Unruhe links.) Landtagstzerhandlungen. (Forlsetzuvg der Sitzung vom 12 Juli.) Abg. vr. Eck«rdt (Dlschnat.): (Fortsetzung.) Während diese Vorgänge mit Vr. Keller spielten, war eine Abteilung der Landespolizei durch die Schneeberger Straße herangekommen. Sie wurde in der heftigsten Weise von den Demonstranten angegriffen und zum Teil entwaffnet und in bestialischer Roheit miß handelt. Auf Zureden des Abg. Grube zog sich die Abteilung dann nach der Kaserne zurück, nicht ohne wieder emeut am Schwanentetch in ein Feuergekecht verwickelt worden zu sein. Run begann sich d r Pöbel nach der Kaserne zu bewegen, um die Kaserne zu stürmen. Einwand frei ist sestgestellt, daß hierbei nicht nur Gewehre verwendet wurden, senden» daß mindestens ein Maschinengewehr dabei angewendet worden ist. Interessant wäre es, zu wissen, woher diese Waffen und das Maschinengewehr gekommen sind. (Zurufe links: Von den Teutschnalionalen! — Von Küchenmeister! — Heiterkeit.) Am Mitt woch und Freitag herrschte vollständige Anarchie in Zwickau. Wilde Horden von Idealisten, wie sich der Hr. Abg. Pudor seinerzeit ausgedrückt hat, durchzogen die Stadt und erzwangen Schließung der Betriebe und »nachten sich angeb lich auf Wassensuche bei dei» Unternehmern. Sie wüstete»» dabei teilweise in unverantwortlicher Weise und nahmcn mit, was sie kriege»» konnten. Wohl 37 derartige Fälle der Plünderung sind in Zwickau bisher gemeldet worden, und es werden wohl noch mehr sein, weil viele Personen sich genieren, cs zu melden, um nicht später der Rache der Betreffenden ausgesetzt zu sein (Sehr richtig! rechts. — Lärmende Zurufe links.) Man hat nicht nur Sachen, die technisch gar nicht zu verwerten waren, mitgenommen, sondern auch goldene Uhren und andere Wertgegenstände, Zigarren usw. Ja, ei,» besonderer Idealist trieb die Solidarität so weit, daß er einen» Tienst- Mädchen aus einem Koffer, der natürlich auch untersucht wurde, den Rest ihres Lohnes, 360 M., mitgenommen hat (Hört, hört! rechts.) Die angeblichen Dumdumgeschosse haben sich durch die Erklärung des Hrn. Abg. Demmering hier im Landtage als harmloje gaadpatrv»«n-h«rauS-- gestellt. (Zurufe links.) Es »st bezeichnend, °baß die im Zwickarier Gebiet erscheinenden sozial demokratischen Zeitunaen, die ^Chemnitzer Volks zeitung", das „Sächsische Bousblalt" und der „Kämpfer" diese Erklärung des Hrn. Abg. Dcin- mering ihren Lesern unterschlagen Habnr. (Abg. Beutler: Das nennt man Wahrheitsliebe! — Unruhe und Zurufe links.) Während diese unerhörten Dinge sich in Zwickau ereigneten, befanden sich etwa 5—600 Mann Landespolizei in der Kaserne in Zwickau. (Hört, hört! rechts.) Aber diese Polizei durste nicht eingreifen, weil der Minister L pinski es ihr verbot. (Zuruf links: Ihnen hätte wohl ge paßt, wenn man geschossen hätte.) Er ließ lieber von der Menge die Polizeikommissarc verprügeln, die er als Vertreter der Staatsautorität nach Zwickau geschickt hatte und zu deren Schutz die Polizei aufgebotei» war. Vielleicht war cs ihm auch ganz angenehm, daß er infolge des Mordes einmal sein Mütchen an den Deutschnational n und an Unternehmern kühlen konnte. (Zuruse links: Das ist ja Gehirnerweichung. — Lächer lich! — Das müßte zurückgewiesen werden. — Große Unruhe.) Er wird vielleicht sagen, daß er die Arbeiterschaft nicht hat reize»» wollen (Große Unruhe links) Der Landespolizei können wir unseren Dank ausjyrechen. Sie hat zu tun versucht, was sie bei ihrer schwierige»» St.llung tun konnte. (Sebr richtig! rechts ) Unser Mit leid gilt den Verwundeten und Mißhandelten. Wir können e- verstehen, wenn dis Landcspolizei sich dadurch gekiänkt fühlt, daß ihr der Minister durch feine Zurückhaltung zeigte, daß er sie ge wissermaßen wie wilde Tiere in der Kaserne ge fangen hält, damit ihr Anblick die Massen nicht reizen soll. Der Minister verschärft dadurch de»» Gegensatz der Bevölkerung und der Pclizei, während beide doch in einem lveitgehenden Vertrauensverhältnis stehen sollen, und meines Wissen» hat die Landespolizei bis jetzt noch nichts getan, wodurch sie sich das Vertrauen sämtlicher Bevölkerungskreise verscherzt hätte. (Zuruf links: Aber der Mehrheit!) Der Minister würde der Arbeiterschaft ein schlechtes Zeugnis ausstellen, wenn er glaubt, daß das Einscyreiten zur Wieder herstellung von Ruhe und Ordnung eine Provo kativ»» der Arbeiterschaft darstelle. Der Hr. Minister hat von dcr Sipo verlangt, daß sie die Belage rung, gewissermaßen ohne Widerstand zu leisten, über sich ergehen ließe. Er hat aber noch mehr getan zu einerZeit,wo dieHsiferuse immerdriilgen- der in die Kaserne kamen, cr hat die eingetroffenen Verstärkungen wieder zurückgezogen. Er hat da- durch die Staatsautorität, die für jeden Staat die Grundlage ist, aufs tiefste erschüttert. (Zuruf links: Ach, reden Sie doch nicht von StaalS- autorität!) und er hat sich gegen die Staats autorität, die unter allen Umständen gewahrt werden muß, durch das Paktieren mit dein Attionrausschuß vergangen. In einem Rechts- floate kann es keinen Aktionsausschuß geben. (Zurufe link» und große Unruhe.) Der Minister hat seine Pflicht r «durch verletzt, daß er mit einem lediglich zur Vorbereitung der Demonstra tion gebildeten Aktionsausschuß paktiert hat, und er trägt die Schuld, daß die Unruhen ein solche» Au»maß angenommen habe«. (Abg. Schnirch: Da« ist ja Schwindel! — Große Unruhe.) Regierungsvertreter Ministerialdirektor Vr Schulze: M. D. u. H.! ES ist ja begreiflich, daß die tiefbedauerlichen Vorgänge in Zwickau heute zur Sprache gebracht werden, aber Sie werden alle mit »nir darin üdereinstimmen, daß die AuS prache nur bei Anwesenheit des H n. Ministers des Innern mit Nutzen gepflogen werden kann. lAbg. Beutler: Wo ist er denn?) Ich halte mich dechalb für veipflichtet, gleich bei Beginn der Aussprache mitzutcilcn, daß der Hr. Minister des Innern, der davon keine Kenntnis hatte, daß die Frage heute zur Sprache kommen würde (Zuruf rechts: Das konnte er sich doch denken!), mir heute früh durch Telephon hat mitteilen lassen, daß er wicer Erwarten in Berlin fest gehalten worden ist. Im übrigen, m. D. u. H., muß ich Ihnen mitteilen, daß die eingehenden Erörterungen, die über diese Vorgänge selbstverständlich eingeleitet worden sind, noch nicht zu einem Abschluß ge kommen sind. ES wird aber der Sache sörder- lich sein, daß wir d« , endgültigen Abschluß dieser Erörterungen atwarlen, ehe wir UN» über den ganzen Komplex von Fragen, die au» Anlaß dieser Vorgänge aufgeworfen wer en müssen, ein UrteU erlauben. Ich halte mich für ver pflichtet, weil es vielleicht die Debatte abkürzt, Sie davon in Kenntnis zu setzen, daß die Re gierung nicht imstande ist, heute zu diesen Fragen Stellung zu nehmen. (Abg. Blüher: DaS ist unerhört!) VrSsttzent: Mit Rücksicht auf diese Erklärung der Re gierung, darf ich wohl die Bitte aussprechen, sich heute kurz zu fassen, da wir ja doch noch einmal irgendeine Aussprache über diese Sachen bekommen. Abg. v-igt (Dtsch. Bp.): nicht wie alle Städte im Reich am 27. Juni ver» anstaltet hat, sondern an dem Tag vorher, es tanzte also so schon aus der Reihe. Auch jene Demonstration in Zwickau war schon mit sehr bedauerlichen Ausschreitungen verbunden. (Abg. Graupe: Beweis! — Sie dürfen al» Christlicher nicht lügen! Beweisen Sie das. Sie Lügner!) Prilfitzeut (unterbrechend): Hr. Abg. Graupe, Sie dürfen einen Abgeord neten bei Ausführung seiner Rede nicht Lüge« vorwerfen. (Abg. Graupe: Er hat aber keine« Beweis angetreten!) Das kam» ich nicht hindern; ich kann aber einen Borwurf der Lüge nicht dulden. Wir bedauern außerordentlich, daß der Hr. Minister LipinSki heute, wie es heißt, »licht da sein kann. (Zuruse links: Wie es heißt?) Wir stimmen dem Hrn. Ministerialdirektor zu, daß es noch einiger Zeit bedürfen wird, um das fest zustellen, was ihm und feinem Ressort obliegt. Aber es steht schon viel fest. (Unruhe links.) So z. B. die Tatsache, daß die schlimme» und tollen Dinge, die sich an die Demonstrationen anschlossen, außerordentlich betrüblich und ge eignet sind, unser Wirtschaftsleben im ganzen Lande zu schädigen und zu stören, da sie das Ansehen unseres ganzen Landes über die Grenze hinaus außerordentl ch herabdrücken und Unruhe, Unfrieden, Bitterkeit und Zerrissenheit in unser Volk tragen. (Abg. Bethke: Durch den Mord, — wollen Sie sagen — oder wollen Sie etwas anderes sagen?) Hr. Kollege Eckardt hat in» wesentlichen über die Dinge gesprochen, die sich in Zwickau ein gestellt haben. Ich darf noch darauf Hinweisen, daß sich bei der ersten Demonstration am 27. Juni im ganzen Lande ähnliche Vorkommnisse ereignet haben. In Löbau ist, wie es in den Zeitungen verschiedentlich zu lesen war, der Schriftleiter oder Besitzer der dortigen bürgerliche»» Tages preise von Angehörigen der Demonstrationszüge beim Auseinandergehen in seinen» Amtszimmer überfallen worden. (Hört, hört! rechts. — Oho! links.) Man ist durch überklettern der Tore und Zäune in die Räume eingedrungen, (Abg. Müller (Leipzig): Ihr Schwindel ist ja doch richtiggestellt!) man hat den Mann herausgeholt, hat ihn miß- handelt, geschlagen, ihn in» Ort hernmgefahren, hat ihn dem Arzt, der ihn dann behandelt und verbunden hat, (Abg. Bethke: W nn Sie wenig, sten» bei der Wahrheit bleibe»» wollten, Sie als Christlicher!) wieder entrisse« und im Ort herum- geschleppt. (Lebhafte Zurufe links.) Ähnlich wie cS inFöbau herzing, geschah cs auch in anderen Orten. Es ist mir von glaubwürdiger Seite n itgeteilt worden, daß sich in Neugersdorf, Groß Schönau, Ebersbach, Wehrsdors, Riederoderwitz, Ober oderwitz an dem Tage nicht weniger als 19 Terrorsälle ereignet haben. Ich will sie nicht auszählen. Es übertrifft einer den anderen an Grausamkeit. (Hört, hört! bei der Dtsch. Bp.) Es ist aus Radeburg iin Bezirk Dresden »nit- geteilt worden (Abg. Tunger: Wieviel sind denn dabei ermordet worden?), daß junge Demo», stranten in Radeburg es für nöttg hielten, die am dortigen Bahnbau beschäftigten Arbeiter unter alle»» Umständen zur Teilnahme an der Demonstration zu bewegen. Die BauarbcitS- leute »varen gerade an einen» Abschnitt des Bahnbaues, der die Überführung der Straße betrifft. Es handelte sich deshalb um Sicher stellung des Verkehrs (Lachen links.) und um Schutz der Passanten. Ähnliches wird aus Frankenberg und aus JahnSbach gemeldet, wo Arbeitgeber gezwungen worden sind, an der De monstration teilzunehmen, die Fahne Ihrer Partei zu tragen und sich unerhörte Dinge sagen zu lassen. In Thum sah es ähnlich aus. Dort hat »»»an aus- drücklich Drohungen ausgesprochen, die vermuten lassen, daß bei demnächst möglichen Veranstal tungen der Linksparteien der andere Teil von bürgerlichen Personen, der nicht erreichbar war, daran kommen wird. Man hat sie gewaltsam »ur Demonstration mitgeführt und sie so lange drangsaliert, bis der eine von ihnen bewußtlos zusammenbrach. (Zuruf bei den Kom.: Lebt cr noch? — Wieviel sind zusammengebrochen? — Lebhafte Zurufe links. — Präs.: Ich bitte solche Zwischenrufe zu unterlassen. — Lärm links.) In Chemnitz sind ebenfalls eine Anzahl Fabrikanten solchen unerhörten Mißhandlungen ausgesetzt ge wesen. (Abg. Siewert: Aber sie haben keine Blutblasen bekommen!) Man hat sie auf die Straße geholt und dem Zuge gewaltsam ein- gegliedert. Völlig unerklärbar sind die Vor gänge in Chemnitz gewesen, die darin bestehen, daß solche Leute in das christliche Hospiz, das ein Fremdenhof ist, eingedrungen sind. Sie Haven dort Bilder und Büsten und allerlei her»»ntergerissen, zerschlagen, haben Schriften und Bibeln zerrissen und zersetzt (Zuruf bei der Dtsch. Bp.: Raudi!), Haber, Türen eingeschlagen und wie die Wilden gehaust. Damit die Schutz polizei nicht herangerufen werden konnte, hat man Fernsprechdrähte durchschnilten. (LebhafteS Hört, hört! recht».) Eie sagen: Blutblasen wer den sie keine haben, aber Sie werden sich als richtig vorstellen, daß es unangenehm ist, wenn man Prügel bekommt. Da» wird vielleicht mancher von Ihnen, der bei den Zwickauer Vor gängen selbst dabei gewesen ist, schon ain eigenen Leibe gespürt haben. (Abg Langhorst: Richt ein einziger von unseren Leuten ist dabei ge wesen. — Abg. Blüher: Warum regen Sie sich dann so auf?) Die Zwickauer Borgänge hat in der Hauptsache Hr. Kollege Vr.Eckardt schon besprochen. Zwickau nimmt eine Ausnahmestellung dadurch ein, daß e« die erste Demonstration, vor etwa zehn Tagen, Abg. Vatgt (fortfahrend): Es ist ganz selbstverständlich, daß Ihnen (nach links gewendet) die Aussprache heute nicht so gefällt wie die voi» gestern vor acht Tagen. Diesmal sind andere zur Anklagebank geführt worden. (Abg Schwarz: Die Mörder sitzen bei Ihnen!) Mit solchen platten Redensarten ist nichts getan, Hr. Kollege Schwarz Richtig ist jedenfalls, daß diejenigen, die sich in Zwickau nach den Demonstrationen zusammengetan haben, die die Polizei entwaffnet »md die Polizeiwache gestürmt haben, politisch Ihnen nahestehen, aber nicht uns, Hr. Kollege Schwarz. Es ist uns wichtig zu wissen und zu erfahren, welche An weisungen die Sipo dort in Zwickau hatte. Der Hr. Kollege Eckardt sprach davon, daß einige dcr Sipoleute in der Kaserne eingeschlossen worden seien und keine Anweisung hatten einzugreifen. Uns ist mitgeleilt worden, daß nur 60 Schutz leute in Zwickau anwesend waren. Wenn dar der Fall war, wo waren die anderen? Es sollen diejenigen, die sich zur Kaserne hinbegaben, um die Kaserne zu stürmen, sich eines Verkeh S- autos bedient haben, das die Ausgabe hat, zwischen der Schlußstation dcr Straßenbahn und dem neuen Krankenstift die Verbindung her zustellen. Man hat die Insassen dieses Autos, die alle in das Krankenhaus eingeliefert werden sollten, ausgcladen, ist brutal und rücksichtslos selbst gegenüber diesen kranke»» und hilfsbedürf tigen Menschen verfahren. (Zuruf bei der Dtsch. Bp.: Unerhört! — Zuruf des Abg. Renner. — Lärm links. — Präsident: Hr. Abg. Renner halten Sie einmal Ruhe, Sie haben nicht das Wort! — Abg. Renner. Ich habe aber dar Recht, Zwischenrufe zu machen! — Präsident: Ob es Ihne»» gefällt oder nicht, Sie haben sich den Anordnungen des Präsidenten zu fügen. — Zurufe.) Fest steht, daß der erste Schuß, der vor dem Kasernenplatz fiel, aus der Masse kam. Daß es Tote und Verwundete gab, beklagen wir ebenso sehr wie Sie. Wir erwarten, daß von berufener Seite, von der Regierung her, darüber noch genauere Zahlen veröffentlicht werden. Ich kann mir weitere Einzelheiten über Zwickau ersparen, ich darf nur auf das „Zwickauer Tage- blatt, das der demokratischen Richtung angehört, vom 8.' Juni verweisen; es bringt einen aus führlichen Bericht unter der Überschrift: Erpres sungen, Plünderungen, Einbrüche, schwere Dieb stähle und dergleichen mehr. (Abg. Jungnickel: Das »varen doch alles Unorganisierte!) Es ist aus der Presse nur ersichtlich, daß es sehr viele jugendliche Elemente sind, die sich he»vorgetan haben. Eine Anzahl Zeitungen bringt das Alter der Verletzten, sie stehen in» Alter von 23 Jahren, 17, 1b, 27, 22, 2L, 18, 20 Jahren, ein Beweis, daß viel jugendliche Elemente dabei gewesen sind. Es wird in einigen Zeitungen mitgeteilt, daß eine Anzahl junger Leute im Laufe des Nachmittags verl-aftet worden sind und der Landesanstalt zugeführt werde»» konnten, soweit sie zu ermitteln waren. Andere sind nach auswärts abgezogen worden. DaS würden wir sür bedenklich halten, sie abzuschieben, statt sie festzunehmen zur erforderlichen Klarstellung, auf die das ganze Land Anspruch hat. Wir müssen von der Regierung erwarten, daß sie Aus- kunst gibt, wer die Leute sind, von denen sie sagt, sie seien unorganisiert. Es wird dort sogar gejagt, es seien von uns gedungene Elemente. Wir müssen dringend bitten, daß die Regierung gerade ii» diesem Punkt feststem. Wohin gehören sie partei politisch, gewerkschaftlich, wäre,» es Zwickauer oder ortsfremde Leute? Trifft es zu, was in der Linkspresse j» lese,» ist, daß eS Hakenkreuzler waren, die als Provokateure aufgetreten sind oder nicht? Das »nutz unser Volk genau crsahren. Wenn es Fremde waren, jo wird die Regierung sestzustellen haben, wer sie hergeholt hat. (Zuruf.) Gerade im Interesse der Arbeiter muß festgestellt werden, wer die Verbrecher sind. (Abg. Ren ier: Sie brauchen nur in den Spiegel zu gucken!) Dann sehe ich etwas Schöneres, al» wenn Sie hineingucken, Hr. Abg Renner. Die Waffen, deren sich die Aufständigen bedient haben, waren nicht nur die schußunsähigen Dinger, die man der Polizei abgenommen hat, sondern »nan muß zu der Auffassung kommen, man hat die Waffen von auswärts mitgebracht. Man hat Geiseln sortgeführt. Die Stadt Zwickau, die Bürger schäft und der besoldete Teil der Arbeitnehmer- schäft war in jener Zeit eigentlich völlig vogel frei. Der Geist, der in diesen Zeiten umgeht in unserem Volke, ist außerordentlich betrüblich Wir verurteilen in dcr bürgerlichen Presse alles Schmunzeln über den Mord an Rathenau, (Wider spruch links.) aber man darf nicht da»selbe tun. Im sächsischen „BollSblatt" Zwickau haben wir auch ein gewistes Schmunzeln darüber, daß bet den Demonstrationen in Mylau ein gewisser Findeisen und noch jemand ander» im Zuge herumgejchleppt worden sind, sich auf den Warft-
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