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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.06.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-06-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110609014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911060901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911060901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-06
- Tag 1911-06-09
-
Monat
1911-06
-
Jahr
1911
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Bezug»-Prnö Anzeigen-Preis Mr »» »rch »1«» Irü»,, ««» So«vtt«»r, r»«l «t»llch »n, Ha», «rdnuir W Pt. «»»atl.. L7V Ml. »IrnrySdkl. B-« ,»I«r» KUtal«» » >» »atzauittür» »d»»d»U 1» «. «M«U, ll»ML »t^ttULtzL MM» — «»«, Mnerhal» DouichUn»»» »n» »er »«Nch«, Kolon»,» »»,n«llahrl. I.» Ml» «»»»all. uw Slk. «»»>Ll P»ftd«!t«ll-,ld 8»r»«r l» «elato», VL»M»arl. »«» D»»a»it»are», 2ta.tr» j»r,»»d»t» Ktrdnta»»,, K,r- »«»«». O«ft,rr,tch. ll»,«», Nitzlaa». Schw«»«». 8ch»«tt » S»a»tr» 2» »L«» üdrt,«» Er»alr» »»» dtr,V »arch dt» »üchLN»ttrll« M» vlattt» «»LÜltM D« trovna« r«,«»laa «Ich»« »«al Utgttch So»»« » g,»«rra>» «« «r,,»», >don»«»r»t^ll»aal>m« 2»tza»«t»a»N» 4 »«t »i»I««» lrüarr». FUtalo». Sp«dU«»r»» »ad L»natzo»«ttrll,», l,a>>« Vottäouer» a»d vrtostraarr» Glaialaaalaal»»««»» »Vt. Morgen-Ausgabe. MMgcrTagtblM rer.-Avfchl!i!M» Te!.-Anschl 1L4SS4 » it»SS4 Nmtsvkatt des Rates und des Nolizeiairrles der Stadt Leipzig. Mr 8»l1er«r, »»» »»» Um,«»«,, »t, llP»ltt,,V,«t»«»l, »«l,»t,K,Na«^ »,tl« I Ml., o»» «»awta» w VI. Kella«,» llll Ml.. 2»>«rat, »»» v<d»rd«» Im «au» ttch«» lll »»« V«»ttt«tlo » PI G»lchall»«»t«t,»» «tl Platzv-rlchritl»»» I» »,r Adr»da»M»t« t» Pr«tl, «chöht. Kadatt»ach lartl Beilaa,gedudi Lelamt» «slag« l Ml o Tauliad rill Pofti<bü-r. T«tU>«tlaa» höhrr. S«ft,rr,M« Luilraa, kSane» atcht «»rÄL» a«i»g«» »,rd«a Für da» Erich«!»«» »» »ekimMl'n Ta»«» »ad Vl仫» »trd krta» Garaatt« Idar»»«»»«» U»»at»«» - Ua»ad«» 2»da»«»««H, »«t sämtlich«» Atltal,» » all,» »«««»«««, Lrorätt!-»«» d<» 2»« »ad A»»la»d«» r»»a »,» ««l», »,» e«t»pM» r<W» »lau« u. V«l». Saha»«r: Paal NlirUr». M,»«ktt»» «,» G«IchLft^tall»l 2,ba»«i»aall» ll Ha»«»ztU»l« Dr,,»«, Srrarasi« L l lT«l«vd«» EiN Nr. 158. Freilag, Sen S. Juni ISN. 105. Zsiirssng. Die vorliegende Aufgabe umfaßt 18 Leiten. vis Vxpeaitionsu äes Loiprisor rLSsblntton uoä cier I,o!pri§si' ^llASmslnön 2situn» deüuävu sied nur ocxrd bvipriß, ^sdLNvisßLsse 8, Voiäorxedituäo parlerro Ilutzs im Lebäuäs (iss laAsblaltss. Oss DichtWe. * Da« Gerücht von der Verlobung der Prin- zessin Viktoria Luise mit dem Erbgroßherzog von Mecklenburg-Strelitz wird . offi - ziös dementiert. sS. Dtschs. R.) * Die Wiederwahl des Oberbürgermeisters Kirschner in Berlin ist vom König von Preußen bestätigt worden. * Das belgische Kabinett hat demissio niert. (S. d. des. Art.) * Nach den spärlich vorliegenden Nachrichten war das Erdbeben in Mexiko von schlimmen Wirkungen. Hunderte von Menschen kamen dabei u m. (S. d. bes. Art.) Lin neuer Lhsmpsyner-Srieg. Frankreich wird binnen kurzem ein neues Auflodern des Champagnerkrieges und höchstwahrscheinlich auch eine Kabinetts krisiserleben. Der französische Staatsrat hatte am Sonnabend nach sechsstündiger Sitzung, in der die Meinungen weit auseinandergingen, beschlossen, daß die ehemalige Champagne- Provinz in zweiZonen eingeteilt wird, wovon die erste das Gebiet der vom Delimita- tations-Gesetz abbegrenzten Champagne (Marne- Departement) sein, während die zweite die Arrondissements Bar-sur-Aube und Bar-sur- Seine, sowie die Kantone Chavanges und Villenaux umfassen soll. Die in der ersten Zone geernteten Gewächse haben Anrecht auf die einfache Bezeichnung „Champagne- Weine", die in der zweiten geernteten müssen dagegen „Champagne-Weine zweiter Zone" genannt werden. Die Weine der zweiten Region dürfen in die erste nur unter dem ausdrücklichen und für den Weinverkauf beizubehaltenden Vermerk ein geführt werden. Wenn man sie mit Gewächsen der ersten Zone vermischt, verlieren sie in jedem Fall das Anrecht auf die bloße Bezeichnung „Champagne", und alle Verschnittweine sind als „Champagne zweiter Zone" in den Handel zu bringen. 2m Marne-Departement, wo der im Parlament laut gewordene Wunsch, das ganze Delimitationsgesetz wieder aufzuheben, zu den noch nicht vergessenen ernsten Ausschreitungen geführt hatte, ist man mit dem Urteil des Staatsrats sehr zufrieden, da das Privi legium den Winzern rings um Epernay und Reims grohen Gewinn verspricht. Aber die angrenzenden Weißweine erzeugenden Gebiete wissen nur zu genau, daß die großen Cham pagnerhäuser für ihre Keltereien nicht Ge wächse der zweiten Zone, die al» zweiten Ranges gelten würden, verwenden möchten. Eine große Preissteigerung wäre in der ersten, eine völlige Entwertung in der zweiten Zone festzustellen. Deshalb haben die Winzerausschüsse von Bar-sur-Aube und Bar-sur-Seine einen Beschluß gefaßt, worin die Entscheidung des Staatsrats als ungesetzlich und de mütigend abgelehnt wird, da eine Zonen einteilung niemals bestanden habe. Man be- greift die Aufregung im Aube-Departement, da» schon durch die letzten Mißernten sehr ver armt ist. Der ganze Abgrenzungszwang ist auch nur wenig gerechtfertigt, weil die leichten Weine sowohl der privilegierten, wie auch der jetzt al» Aschenbrödel behandelten Region in ihrer Qualität für die Schaumweinfabrikation ziemlich gleichwertig find. Die Erregung der Bevölkerung dieser De partements laßt fich unter diesen Umständen begreifen. An den Pfingsttagen läuteten in den Weinbergen wieder alle Sturmglocken, und den nächtlichen Himmel röteten die Feuersignale. Ueberall halten die Winzer erregte Versamm lungen ab, und die Städte Bar-sur-Aube und Bar-sur-Seine gleichen wieder militärischen Lagern. Infanterie und Kavallerie wurde dorthin in Mafien zusammengezogen, um aber maligen „Iacqueries", Meutereien,Plünderungen und Brandstiftungen vorzubeugen. Bereits kam es in Bar-sur-Aube zu ernsten Reibereien, da die Bewohner des Dorfes Fontaine unter dem Sang der „Internationale der Winzer" in die Vorstadt Belfort einzudringen versuchten. Ge neral Pellier ließ Alarm blasen und zunächst 80 berittene Gendarmen vorgehen, die mit Steinen beworfen wurden; insbesondere die Frauen zeichneten sich durch ihren wilden Zorn aus. Ein Gendarmerie - Leutnant und zwei Gendarmen wurden erheblich verletzt. In den Abendstunden mußten eine Abteilung Dragoner und eine Kompanie Infanterie die Winzer der Dörfer Engente und Arrantiöres von der Bahn linie nach Troyes vertreiben, wo sie die Gleise aufreißen wollten und schon die Telegraphen drähte durchschnitten hatten. Da täglich verstärkte Ausbrüche der leiden schaftlich erregten Bevölkerung zu befürchten sind, da vor allen Dingen auch das Haupt der Winzergenofienschaften, der sehr beliebte Wein bauer Checq, der hier dieselbe Rolle spielt wie vor einigen Jahren im Süden der berühmte Marcel Albert, ernste Ereignisse ooraussagt, haben die Deputierten des Aube-Departements in der Kammer eine Resolution eingebracht, in der die Abschaffung der Abgrenzung be fürwortet wird. Wie verlautet, ist in der französischen Kammer auch eine Mehrheit für diese Forderung vorhanden. Trägt das Mini sterium dieser Stimmung nicht Rechnung, so ist die Krisis da. Jaurös scheint in seiner „Humanitö" auch bereits zielbewußt darauf los zusteuern. Wenn das Ministerium, dessen Lage durch die Krankheit seines Oberhauptes ohne hin schwierig geworden sei, in allen großen Fragen nicht einmütig und entschlossen vorgehe, dann würden immer wieder Mißverständnisse auftauchen, und die zersetzenden Kräfte würden in bedenklicher Weise zunehmen. Nimmt man dazu die heikle Situation in der Marokkosrage, so muß man allerdings sagen, daß Frankreich recht kritischen Tagen entgegengeht. Das bringt Sie Neichsnernlherungsorünung? V. Das Streitverfahren. Eine völlige Umgestaltung hat das S t r e i t v e r- fahren in der Krankenversicherung er fahren. Nach dem bisherigen Rechte konnte ein Ver sicherter, wenn eine Krankenkasse seine Unterstützungs ansprüche abwies, die Entscheidung der Aufsichts behörde anrufen, gegen deren Entscheidung dann die Klage bei den ordentlichen Gerichten, in einigen Bundesstaaten im Verwaltungsstreitverfahren zulässig war. Hier ist ein ganz neuer Instanzenweg geschaf fen. Nach der Reichsversicherungsordnung entscheidet bei Streit über die Leistungen aus der Krankenver sicherung inerster Instanz das V e r s i ch e r u n g s- a m t in der Besetzung von einem Vorsitzenden und je einem Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeit nehmer nach mündlicher Verhandlung. Die Entschei dung ergeht nach Stimmenmehrheit; gegen die Ent scheidung des Versicherungsamtes ist Berufung an das Oberversicherungsamt zulässig, das nach mündlicher Verhandlung in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und je zwei Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer nach Stimmen mehrheit entscheidet. Gegen die Urteile des Ober- oersicherungsamtes findet di« Revision an das Reichs- oder Landesvers ich«rungsamt statt, doch ist in Gewissen minder wichtigen Fällen die Revision ausgeschlossen, das Urteil des Oberversiche rungsamtes also endgültig. Aehnlich ist das Verfahren, wenn es fich um Streitigkeiten zwischen Versicherten und Landesver sicherungsanstalten über Rentenansprüche han delt. Wie bei der Krankenversicherung es die Kran kenkassen tun, so entscheiden auch in der Invaliden versicherung zunächst die Versicherungsanstalten selbst, ob sie den geltend gemachten Anspruch des Versicher en anerkennen oder ablehnen wollen. Der Unter- chied ist nur der, daß die Versicherungsanstalten einen christlichen Bescheid zu erlassen haben, der n Rechtskraft übergeht, wenn er nicht innerhalb eines Monats durch Einlegung der Berufung angefochten wird. Vor Erlaß des Bescheides hat sich das Bersiche- rungsamt über den Rentenanspruch gutachtlich zu äußern, und zwar in allen wichtigen Sachen nach mündlicher Verhandlung unter Zuziehung von Ver tretern der Arbeitgeber und der Versicherten. Gegen di« Bescheid« der Versicherungsanstalten ist dann B e- rufung an das Oberversicherungsamt zulässig und gegen dessen Entscheidung die Revision an da« Reichs- oder Landesversicherungsamt. Die Revision kann ebenso wie bei der Krankenversicherung nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil aus der Nichtanwendung oder auf der unrichtigen Anwendung des bestehenden Rechtes oder auf einem Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten beruhe oder daß das Verfahren an einem wesentlichen Man gel leide. Ausgeschlossen ist die Revision in gewissen minder wichtigen Fällen, nämlich wenn es sich nur handelt um Höhe, Beginn und Ende der Rente, um Kapitalabfindung, Witwengeld, Waisenaussteuer oder um die Kosten des Verfahrens. Abweichend ist das Verfahren in der Un fallversicherung geregelt. Auch hier nimmt genau wie in der Invalidenversicherung zuerst die Berufsgenofienschaft durch einen schriftlichen Bescheid zum Anspruch des Verletzten oder seiner Hinterblie benen Stellung, und dieser Bescheid geht in Rechts kraft über, wenn er nicht innerhalb eines Monats durch Einspruch angefochten wird. Die rechtzeitige Er hebung des Einspruches begründet das Recht auf per sönliches Gehör Les Berechtigten. Die Berufs genossenschaft bestimmt, ob der Verletzte vor ihr oder vor dem Versicherungsamt vernommen werden soll. Der Versicherte kann verlangen, daß er vor dem Versicherungsamt vernommen wird. Er ist dann vorzuladen und zu hören. Findel die Vernehmung vor dem Versicherungsamte statt, so kann sich dieses auch zur Sache äußern. Es kann hierzu Ermittelungen anstellen, soweit die Beweis mittel bereit oder leicht zu beschaffen sind und erheb liche Kosten nicht entstehen. Auf Verlangen des Un fallverletzten ist in allen Fällen, wenn er die Kosten im voraus entrichtet, ein von ihm bezeichneter Arzt als Gutachter zu vernehmen. Lasten sich diese Kosten im voraus nicht bestimmen, so kann das Versicherungs amt einen Pauschbetrag als Sicl>erheitsleistuna für diese Kosten erfordern. Das Versicherungsamt sendet die Verhandlung über den Einspruch an die Berufs genossenschaft weiter. Diese erläßt dann einen End bescheid, der rechtskräftig wird, wenn der Berechtigte nicht binnen einem Monat nach Zustellung des Be scheides die Berufung beim Oberversicherungsamt ein legt. Gegen die Entscheidung des Oberversicherungs amtes ist Rekurs an das Reichs- oder Landcsoersiche- rungsamt zulästig. Die letzteren Instanzen nehmen eine völlige Nachprüfung des Nkteninhaltes vor, nicht nur nach der rechtlichen, sondern auch nach der tatsäch lichen Seite hin. Der Rekurs ist aber nur in gewissen wichtigen Fällen zulästig, die Entsä)eidung des Ober versicherungsamtes also endgültig ist. In ähnlicher Weife ist auch das Verfahren geregelt, wenn es sich um eine anderweitige Festsetzung der Unfallrente handelt. Um dem llnfallverletzten eine besser« Kennt nis vom Inhaltder Akten zu verschaffen und ihn so in die Lage zu versetzen, seine Ansprüche bester zu begründen, Ist folgendes bestimmt worden: Dem Verletzten ist von dem Gutachten des Versicherungs amtes auf Antrag kostenlos Abschrift zu er teilen. Ferner sind ihm auf Antrag Abschriften der Niederschriften über die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen sowie der ärztlichen Gutachten zu erteilen; di« Kosten hat der Antragsteller vorher zu bezahlen. Sämtliche Abschriften sind nur zu er teilen, soweit dies mit Rücksicht auf die Berechtigten zulästig erscheint. Sosislrwlltilr unü Znüultrieoertretung. Wir erhalten folgende Zuschrift: „Einige freikonseroative und konservative Blätter, die bestimmten Gruppen der namentlich in Rheinland- Westfalen herrschenden Großindustrie nahestehen, liefern augenblicklich der Sozialdemokratie wünschens wertes Material zur Befehdung nationalliberaler Abgeordneter, die bei der letzten Beratung über die Reichsversichenlnssordnung ein« Stellung ein genommen haben, die von diesen Gruppen der In dustrie nicht gebilligt wird. Zunächst war der Reichs tagsabgeordnete Dr. Semler der Zielpunkt dieser Angriffe. In der Begründung der Ablehnung eines sozialdemokratischen Antrages erklärte Dr. Semler, daß* dieser Antrag wohl einen berechtigten Kern in sich trage, daß man aber nicht alle berech tigten Wünsche erfüllen könne, weil man auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Arbeitgeber und Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen hätte. Er würde deshalb mit seinen Freunden gegen den Antrag stimmen. Eine Berliner Korrespondenz, di« dem Zentralverband Deutscher Industrieller nahesteht, brachte es fertig, Dr. Semler wegen dieser Aeußerung al» „Schrittmacher der Sozialdemokratie" zu be zeichnen! Für jedermann, der den Abgeordneten Semler kennt, ist dieser Angriff einfach lächerlich. Selbst der „Dresdn. Anz", dem pian gewiß nicht Freundschaft gegen di« Nationalitt-ralen nachsggen kann, verwahrte sich gegen eine derartige Kampfes- weise. Sie ist in diesem Falle um so ungerecht, fertigte!, als es gerade Dr. Semler war, der bet den Kommifsionsverhandlungen zur Reichsversicherunas- ordnung für die Berufsgenostenschaften mit großer Energie eintrat und dem wegen dieser Haltung aus den Kreisen der deutschen Berufsgenostenschaften viel fache Zustimmungserklärungen und Dankschreiben zu gegangen find — und dann „Schrittmacher der Sozial demokratie"! Zum zweiten hat aber weiter der sächsische Ab geordnete Dr. Stresemann den Zorn derselben kleinen, aber mächtigen Gruppe erregt. Während diese Großindustriellenkreift gegen den Widerspruch der sächsischen Industrie und insbesondere des Verbände« Sächsischer Industrieller sich von vorn herein bereit erklärten, die Hälftelung der Krankenkastenbeiträge zu übernehmen, was für In- dustrie und Gewerbe eine jährliche Mehrbelastung von 56 Millionen Mark bedeutet hätte, regen sie sich jetzt darüber auf, daß Dr. Stresemann bei den Be- ratunqen über die Reichsverstcherungsordnunq es als wünschenswert bezeichnete, entsprechend dem Doroehen anderer Kulturländer, die Altersrente statt bei 70 bei 65 Jahren beginnen zu lasten. Auf Grund der oorangegangenen Fraktionsberatungen der natio nalliberalen Partei hatte Dr. Stresemann erklärt, daß die Industriellen seiner Fraktion eine solche Herabsetzung der Altersgrenze im Intereste der Arbeiter für wünschenswett hielten, und er hatte hin- zugefiigt, daß er glaube, daß auch weite Kreise der Industrie ebenso dächten. Die „Berliner Politischen Nachrichten" glauben sich demgegenüber berechtigt zu erklären, daß Dr. Stresemann kein Vertreter der'In- dustrie wäre, und daß die Industrie auf dem ganz entgegengesetzten Standpunkt stände. Irgendwelche Beweise für diese Behauptung führen sie nicht an. Sie fügen aber dieser Behauptung ein« neue hinzu, indem sie auch weiterhin erklären, daß die In dustrie in ihrer überwiegenden Mebrheit Gegnerin des Gesetzentwurfes über die Pen sion s oe r s i che r u n g der Privatbeamten sei und beziehen sich dabei auf einzelne Kund gebungen, aus denen heroorgeht, daß ein Teil der Industrie für den Ausbau der Invalidenversicherung eintritt, während Dr. Stresemann mit sämtlichen bürgerlichen Fraktionen des Reichstages der Mei nung ist, daß diese Frage nur im Wege der Sonder- kasse gelöst werden kann, eine Lösung, die übrigens, wie aus den neuesten Berechnungen des Gesetzentwurfs hervorgeht, gerade für die Industrie bedeutend billiger ist als der vom Zentralverband deutscher In. dustrieller und anderen Gruppen empfohlene Ausbau der Invalidenversicherung. Für den Außenstehenden ergibt sich aus diesem Angriff nur, daß die dem Zentraloerband Deutscher Industrieller nahestehende Presse es als unliebsam empfindet, daß ihre eigenen Ansichten über Wirt schaft«- und Sozialpolitik nicht bedingungslos von allen der Industrie nahestehenden Persönlichkeiten ge teilt werden. Wem diese Angriffe des Zenkral verbandes nützen, geht im übrigen ja aus dem Ge. brauch hervor, den die Leipziger Volkszeitung", das „Zwickauer Dolksblatt" und andere Organe hiervon machen, denen jede Gelegenheit erwünscht ist, um den ihnen verhaßten Abgeordneten für Annaberg anzu- greifen, der zu ihrem eigenen Leidwesen das Ver- trauen zahlreicher Arbeiterkreise in seinem Wahlkreis« genießt. Diese Angriff«, die darauf basieren, den Politiker Stresemann mit dem Verfechter industrieller Interesten in Gegensatz zu bringen, sind aber gegen standslos und verfehlen ihre Wirkung vollkommen. Dr. Stresemann hat soeben erst in zweiter Auflage die von ihm bei verschiedenen Gelegenheiten gehalte nen Reden gerade über sozialpolitische Fragen er scheinen lasten, und jeder einzelne, der diese Reden mit seiner Tätigkeit verfolgt, wird und kann fest stellen, daß eine völlige llebereinstimmung zwischen der Politik besteht, die Dr. Stresemann innerhalb der industriellen Verbände und derjenigen, die er inner halb der nationalliberalen Reichstagsfraktion ver treten hat: eine Politik der Anerkennung berechtigter sozialpolitischer Fürsorge, aber unter Zurückweisung «topischer Forderungen, die sozial unberechtigt oder finanziell nicht zu ertragen sind, mit einem Worte eine Politik des Ausgleiches anstatt der jenigen Klastenpolitik, die sowohl von den Extremen der Sozialdemokratie als auch von den extremen Scharfmachern getrieben wird. Gerade die Kreise der verarbeitenden Industrie Deutschlands haben dieser Politik bisher auch ihrerseits zu ihrem eigenen Nutzen zugeltimmt und werden sich voraussichtlich auch durch die Angriffe der genannten Organe dann nicht stören lasten." Demilkion ües belgischen Kabinetts. Das Ministerium Schollaert hat am Donnerslagvormittag dem belgischen König seine Demission angeboten, die auch angenommen wurde. Es war dem Ministerium nach den Ver handlungen, die am Mittwochabend und am Donnerstagvormittag erfolgt waren, kaum mehr etwas anderes übrig geblieben. Das Ministerium Schollaert war im Amte seit dem 9. Januar 1908. Schollaert folgte dem Ministerpräsidenten Trooz, der am 31. Dezember 1907 plötzlich starb. Bis dahin war Schollaert Präsident der Kammer. Er hatte bis im August vorigen Jahres das Ministerium des Innern verwaltet, dann aber das Ministerium für Unterrichtswesen übernommen, weil er selbst das neue Schulgesetz durchführen wollte, das ihm nun zum Verhängnis geworden ist. Zwei bedeutende Leistungen hat das Ministerium Schollaert voll bracht : eshatdieAngliederungdes Kongo- st a a t e s vollzogen und das neue Militär gesetz geschaffen, das die Abschaffung des nicht sehr zeitgemäßen Stellvettretcrsystems brachte. lieber die Demission erhalten wir folgend« Depeschen: Brüssel. 8. Juni. sTel.) Gestern abend nach einer Rede des Führers Woeste versammelten sich die Minister, und heute vormittag begab sich der Ministerpräsident nochmals zum König, um von ihm die Zustimmung zur sofortigen Auf lösung der Kammer zu erlangen. Da der König aber bei seinem Widerstande beharrte, blieb dem Kabinett nichts anderes übrig, als zu demissio nieren. Eine Demission einzelner Minister war nicht möglich, da das gesamte Kabinett den ominösen Schulgesetzentwurf unterschrieben hatte. Das Bedeutungsvollste an der Krise ist. daß König Albert es war, der sie veranlaßte. Hätte er nicht eingegriffen. dann wäre es dem Kabinett wohl mög- ttch gewesen, sich noch einige Monate zu halten und
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