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Wkdmüich erscheinen drei Nummern. Pränumeration»- Preis 22j Sgr. fj Ttzlr.) vierteljährlich, 3 Thaler sür da« ganje Iahr, ohne Er tz Sh ung, in allen Theilen der PreuSischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf diese« Beiblatt der AUg.Pr. Staat«- Aeitung in Berlin in der Expedition iMohren - Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im AuSlande bei den WohllSbl. Post-Acmtern. Literatur des Auslandes. 48. Berlin, Montag den 22. April 1833 Frankreich. I/Lurope likteracre. Zu hunderttausendeit war vor mehrere» Monaten von Paris eine Anzeige versandt worden, worin mit großem Pomp eine in dieser Weise noch nie da gewesene Zeitschrift, angekündigt wurde. Sin Journal ward versprochen, dessen Mittelpunkt nicht Paris allein, sondern alle Europäische Hauptstädte aus gleiche Weise seyu sollten; um diesen Mittelpunkt aber sollte sich die ganze übrige Welt wie eine Hülse um den Licht-Kern runden, dessen Reflex die kurnzie Ickkörsire sepn wollte. Die Idee einer Welt Literatur ist in unserer Zeit nicht neu; Gothe, ja die Deutschen überhaupt haben sie längst ausgesprochen; wie Adelung in seinem Mubridat eine Welt-Sprachenkiinde, so stell ten Herder und mit und nach ihm viele andere glückliche Uebersetzcr, von Boß, dem modern-antiken, bis zu Rückert, dem westlich-östliche«, einen großen Völker-Kongreß der Poesie her. Vermöge der Leichtig keit, mit der die Deutsche Sprache alle ausländische formen sich an eignet, scheint sie auch ganz besonders dazu berufen, das Mittel glied der großen Kelte zu bilden, welche die Literaturen aller Völker und aller Länder umschließt. Sinen viel geringeren Anspruch aus diesen Vorzug gewährt der Französischen Sprache der Umstand, daß sie in allen übrigen Ländern Europas von den gebildeten Ständen gesprochen oder verstanden wird; denn nicht sowohl die subjekiive Ver breitung eines Idioms, die das Verständlich jedes anderen unnölhig macht, als die objektive Auffassung aller übrigen Völker-Individuali täten, in denen die eigene gleichsam unterzugehen vermag, kann oeu Maaßstab für einen solchen Anspruch abzeben. Wir haben Verbindungen mit allen berühmten Gelehrten Sure Pa S angcknüpst, so hieß cs in der Ankündigung der Lnrnz><! liUrraire, und uni einem so großartigen Unternehmen eine feste Basis zu geben, haben sich 300 Acuonaire, jeder mit einer Einlage von 1000 Franken, dazu und zur strengen Beaufsichtigung unserer Redaktion« - Grund sätze vereinigt. Nun, mit 300,000 Franke» u»d mit alle» berühmten Gelehrten Europa « läßt sich in der Thal schon etwa« Großartige« anfangen. Eine solche Allianz findet sich selten beisammen. Den Ge lehrten fehlt es in der Regel air Geld, und dem Gelde —wenn auch nickt an Gelehrsamkeit, den» das Geld ist bekanntlich ein Univcrsal- Gcnie — doch an literarischer Unler»cbmungslust. Hier aber sanden sich angeblich Sylvestre de Sacv und Rothschild, Aguado und Cha teaubriand zu einem und demselben Zwecke vereinigt. Wirklich sind auch die beiden genannten BanguierS unter den 300 Aclionairen auf- geführt, und Herr von Rothschild Hal sich ebenfalls, wie die Lnrozie tiklöraire uns mittheilt, ganz besonders anheischig gemacht, mit dar über zu wachen, daß sich keine Politik in diese« Blatt eindränge. Man sieht, daß in Frankreich die Politik eine große Macht ist, denn 300 Spartaner haben sich vereinigen müssen, um ibr den Ein gang in diese Tkermopylcn zu wehren. Dadurch aber noch nicht be ruhigt, trägt die Luropo littöraire, gleich vielen Deutschen Dörfern, an deren Eingang die Verwarnung steht: „Betteln und Fecht,y ist hier verboten," auch noch auf jedem Blatt in großen Buchstaben die Ucberschrist: iioliticzuo eK onmplötomont oxoluo clo ee stour- Und dieser große Gedanke ist bei den Redaktoren so sehr zur fixen Idee geworden, daß sic in der Tbat glauben, ihn erfunden zu haben, wie jener Gascogner, der, »achdein ec sich das Lügen ab gewohnt hatte, nun steif und fest bebaupieic, daß er die Wahrheit erfunden habe. Nichts ist jedoch älter in der Französische» Journa listik, als jener ausschlicßendc Grundsatz; da« alte Journal clv» bi.i- vanii bat sich »je mit Politik befaßt, eben so wenig finden sich in ter lccvuo «Io i>avis und in der licvue lies lleux inonstes. zweien trefflich redigirten Blätter», politische Artikel — so weit dies näm lich ausführbar ist. Denn was neigte sich in unsere» Tagen nicht zur Politik hink Ist eine Tagesgeschichte der Kunst, der Literatur oder der Pbvlosophtt denkbar, die nicht auch die TageSgesckichle des Staats berührte? Namentlich aber in Frankreich ist das sociale Leben mit dem politischen seit der Revolution von 1789 so sehr verwachsen, daß die Epochen seiner neueren Geschickte, so kurz sie auch seyn mögen, dock die ausfallendsten BerLnderuiigen in Kunst und Literatur be zeichne» und wir z. B- Malerei, Poesie, Geschichtsschreibung und Pbilvsophie aus dcrZeit der Rcvolulion oder Napoleon« als vollkommen geschieden von denselben Künsten und Wiffenschaslen au« der Zeil der Restauration und Ludwig Philipp'S auzusehcn qewobnt sind. Ja, ein tiefsinniger Franzose, St. Simon, bat diese Jdenlifizirnng.des socia len und des politischen Leben« in Frankreich sür so allgemein gehal ten, daß er sich berechtigt glaubte, da« Ding aus die Spitze zu stellen und alle» gesellschaftlichen Einrichtungen, den zarteste» wie den heiligsten, eine» politischen Charakter zu verleihen. Die Luiozro lit- lörsiro führt übrigen« fast in jeder Nummer selbst den Beweis, daß sie nicht im Stande ist, ihrer Devise streng treu zu bleiben, den» fast jeder von Literatur- oder Kunstgeschichte handelnde Artikel be rührt auch mehr oder weniger die Geschichte der ucucren Zeit. Nachdem nun aber durch so große Versprechungen die höchste Erwartung in uns rege gemacht worden, ist nichts natürlicher, als daß diese durch den Erfolg nickt befriedigt wird. Wir haben die Nummern de« ersten Monat« der Durole Uttörsire vor uns liege» und finden darin außer dem gewöhnlichen Inhalt aller kleinen und große» Pariser Tageblätter, nämlich Novellen, Bücher- und Theater- Rezensionen und allgemeinen Raisonncmenl« über Kunst u. dgl. — Alle« hübsche und lcuhie Arbeit, wie wir sic au« de» Pariser Fabri ken gewohnt sind — nur noch einige Artikel über die Literatur zweier Nachbar-Länder, Deutschland« und England«. Am Schluffe jedes Blattes werde» zwar noch unter der Rubrik „I^uvoHos" allerlei Notizen aus fremden Ländern gegeben, doch beschränkt sich diese Ru brik aus eine oberflächliche, mitunter sogar von argen Mißgriffen nicht freie Nachlese aus den politischen Zeitungen, die gewöhnlich derglei chen literarischen und Kunst-Ballast nebenbei mit sich führe». Wa« die Leser des Magazins zunächst mlesesstrcu wird, ist wahr scheinlich da«, was die knrc>j>o littvrairo über Deutschland bringt. Nu», wir könnten, wcn» wir sonst Lust dazu hätten, stolz daraus seyn, daß unser Vaterland in diesem ganzen literarische» Europa .rvck als der beste Fleck erscheint. Während England mit einige» Lappe» — einem trockene» Inhalts-Vcrzeichniß der neuesten Engli schen Journale und einer schwachen Kritik de« Poeten Alfred Ten nyson — abgefcrtigt wurde, hat man Unserem Deutschland einen ordentlichen Mantel umgchängt, zu dem sogar ein Deutscher Schnei der da« Maaß genommen. Herr H. Heine giebt nämlich in drei fortgesetzten «rtiicln über die Deutsche Literatur seil Frau v. Staöl eine Ucbcrsicht dessen, wa« in Deutschland geschehen oder unterblieben ist, seitdem diese mächtige Frau ihren Landsleute» zuersi eine Aussicht in die unbekannte Welt dc« benachbarten Deutschland'« eröffnet hat. Die vor uns liegenden drei Artikel scheinen jedoch nur erst die Einleitung zu dem Ganzen zu bilde», das, wie die Zei tungen berichteten, bei Hcidelvff und Campe in Pari« als ein ab geschlossenes Werk in Deutscher Sprache erscheinen wird. Wir werden uns hüten, das in s Französische, hin und wieder sogar mit einigen auffallenden Germanismen, übersetzte Drusch wiederum zurück in'S Deutsche zu übersetzen, so gern wir auch nuferen Lesern Manche« mitlhcUe» möchten, namentlich von dem, wa« über Goelb« gesagt wird, den Heine gegen die Angriffe Wolffgang Menzel'« in Schutz nimmt, mit dem er überhaupt in den von diesem in seiner Literaturgeschichte entwickelten Ansichten nickt übercinstimmt. Goethe, sagt Heine, sey früher zwar auch von ihm angegriffen worden, aber er wolle nur gestehen, daß die« au« bloßem Neid geschoben sey. Treffend und verständlich scheint da«, was Heine den Franzosen über den Unterschied von Goethe und Schiller sagt, wicwobl im Ganzen die Darstellung ihrem Zwecke, einem fremden Volte die eigene Hci- matb darzustelle», nicht emsprichl. Gleich zu Anfang bietet Hr. Heine, statt an dem ibm von der Frau von Stahl gegebenen Punkt anzu- knüpscn, alle ihm nur zu Gebot siebende Deutsche Gründlichkeit aus, um die Franzosen von vorn herein durch weitausgeholte Erklärungen über Romantizismus, Katholizismus und Mittelalter gleichsam daran zu erinnern, daß er selber ein Deutscher sev- Die Franzosen werde» ihm dafür keinen Dank wisse»; dc»n abgesehen davon, daß sie ge wohnt sind, von ihre» Literar-Historikern ohne so große Anstrengung belehrt zu werden (mau vgl. >. B- des elegante» Billemai» Our« sie likt« raturo), haben ibuen auch Voltaire und die Encyklopäbisten schon viel frivoler u»d eben so witzig da« Heilige persiflirt, das Heine, ohne daß es zu seiner Darstellung nothwendig wäre, hier bssbei und hcrabzicbt. Aber auch die Deutsche» werde» ihrem Repräsentanten im Auslandc keinen Dank wissen. In meinem Hause und unter Freunde» magst Du mir bittere Dinge sagen, wenn Du e« gut mit mir meinst, aber in fremder Sprache und unter Fremde» solltest Du da«, wa« sic selbst al« Tugend an mir achten, u»d was mein zartester Ebrenschmuck ist, nicht mit höhnischer Lust dem Gespötte prcisgcben. Die« tbut, aber Heine, wenn er die Vaterlandsliebe der Druischcn im I. 1813 eine» anbefoblenen Patriotismus nennt und die freie Tbar der Begeisterung -ener Zeil als ei» verächliiches Helolenwerk darstcUi.