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Dresdner Journal : 21.11.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189911218
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18991121
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18991121
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-11
- Tag 1899-11-21
-
Monat
1899-11
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Journal : 21.11.1899
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Dresdner Mmml 271 Dienstag, den 21. November abends Bezugspreis: Für Dresden vierteljährlich: »Mark KoPs., bei den Kaiser lich deutschen Postanstalten vierteljährlich »Mark; außer halb des Deutschen Reiche- Post- und Stempelzuschlag. Einzelne Nummern: 10 Ps. Erscheinen: Täglich mit Au-nahme der Eonn- und Feiertage abendt. tzernspr..«nschlub:Nr 1S»5. AnkündtgungSgebühren: Für den Raum einer gespal tenen Zeile kleiner Schrift 20 Pf Unter „Eingesandt" die Zeile SO Ps. Bei Tabellen- und Zisfernsatz entsprechender Ausschlag. Herausgeber. Königliche Expedition de» Dresdner Journal» Dresden, Zwingerstr. 20. Fernspr -Anschluß: Rr. 13-5. 18W. Amtlicher Teil. Erueuannzeu, versktzungeu rc. im öffentliche« Dienste. Im Geschäftsbereiche »eS wtutfteriumS «e» Kultus »S isseutltchen Unterricht». Zu besetzen: eine ständige Lehrerstelle in Cain-dorf. Sollator: der Bemeinderat da- elbst Einkommen: der Ansangsgchalt von 1300 M. und »00 M. Wohnungsgeld steigt vom erfüllten 2K. Lebenkjahre «i bis zum erfüllten K2. Lebensjahre durch Zulagen bi» zum Höchstgehalte von 2800 M. und 200 M WohnungSgeld. Der anzustcllende Lehrer kann unter Umständen auch zwei Stunden KortbildungSschulunterricht erteilen. Auswärts verbrachte Dienst- jehre werden mit in Anrechnung gebracht Gesuche sind unter -eisügung sämtlicher Prüfung» und AmtSsührungSzeugnisse hi» zum 4 Dezember bei dem Gemeinderate in Cainsdorf ein zureichen; — Ostern 1900 eine ständige Lehrerstelle an der ein fachen Volksschule zu Hartmannsdorf bei Burgstädt. Lollator: der Gemeinderat daselbst Gehalt: 1V00 M., steigend von 3 zu » Jahren bis zum 18. Dienstjahre um 150 M, vom t». bis 27 Dienstjahre um 100 M, bis 2700 M. einschließlich WohnungSgeld AuSwSrt» verbrachte Dienstjahre kommen in Anrechnung Vewerbung-gesuche nebst Zeugnissen sind bis zum ro Dezember an den obengenannten Gemeinderat einzureichen. nichtamtlicher Teil. Bußtag. Wir fragen heute in unserem Volke nach einer Gesinnung, die sich nicht bloß einmal am Bußtage flüchtig Worte leiht, sondern aus seiner Grundstimm - img hervorquellen soll. Anlaß zum Fragen ist täglich, stündlich gegeben. Die Welt ist reichlich voll deS Leids, des Unglücks, der Verkehrtheiten und Bosheiten. In jedem Volke, in jedem Stande nehmen sie ihre be sondere Gestalt und Verschärfung an. Auf Schritt und Tritt treffen wir Dinge an, die nicht sein sollten. Die Güter de» Lebens sind ungleich verteilt. Da» ist freilich immer so gewesen, wird auch immer so bleiben, denn die geistigen und sittlichen Anlagen und Kräfte des Volkes und deS einzelnen Individuum- in ihm sind verschieden und leben sich verschieden aus. Aber eS erregt Zorn und Bitterkeit, wenn hier der Uederfluß schwelgt und sich brüstet, während dort Mangel und Blöße herrscht. Insbesondere auch er- weckt es Zorn, daß sich in charakterloser Unmännlich keit, Familie und Zukunft vergessend, ein Teil der Jnyend an Spiel und Weiber wegwirst, daß das königliche Gefühl der Selbstverantwortlichkeit und die Regungen eines zarten Gewissens mit äußerlichem Ge horsam gegen Kirchengebote geknechtet und mit Leist ungen beschwichtigt werden. Druck erzeugt Gegendruck. Darum so viel Schrankenlosigkeit, so wenig Autorität, kein Gott über uns. Ja, die Welt erscheint böse, und hier liegt auch für den Christen eine große Versuchung, die, trotzig stumm vor seinem Gott zu werden, auch gottlos, kirchenlos, glaubenslos, gebetslos dahinzuleben, wie so viele in der breiten Masse. Wenn man in Welt und Zeit die Menschen so in ewiger Unruhe, in Hasten und Jagen um Güter für die paar Lebensjahre sieht, von denen sie wirklichen Frieden und Genuß doch nicht haben! Wäre es darum nicht richtiger, mit einzustimmen: eS ist eitel Heuchelei, Lüge, Niedertracht; mit Sturm zu läuten, die Wunde auch auSeinander- zuzerren, geflissentlich aus allem Gift zu saugen, und wir's vom schlichten Blümlein am Wege? Wenn wir nur nicht zu ohnmächtig wären in unserer Wut, wenn unser Arm nicht zu kurz, seine Sehnen nicht verschrumpft wären, diese Welt zu zerschlagen, oder als Herren, die wir uns dünken, über a!te Vorurteile und Schranken hinwegspringend, eine neue Welt uns nach Kunst und Wissenschaft. Konzert. D.'r zweite Kammermusik-Abend der Herren Lewinger, Warwas, Rokohl und Buxdaum bot schon in der glücklichen Zusammenstellung des Pro gramm» die Gewihr einer außerordentlich genußreichen Aufführung. Eröffnet wurde sie durch Haydns sonnig klares v-äur-Quartett mit dem Terzen-Anfang in den Violinen Mit Behagen durfte man die Fülle von Wohl klang auf sich einwirken lasten, die dem künstlerisch ein heitlichen Zusammenspiel der Instrumente, insbesondere der ersten Violine und dem Violoncell, entströmte. Technisch meisterhaft war die Wiedergabe des Finales. Nach dem starken Beifall der Hörer zu schließen, hatten diese ohne Zweifel eine Wiederholung de» reizvollen musikalischen Kabinettstückchen» erwartet Der Gegensatz de» letzteren zu dem vorangegangenen Menuett wäre durch eine der gravitätisch-altväterischen Würde diese» Tonstück« ent sprechende gemessenere Bewegung vielleicht noch ein dringlicher heroorgetreten Als zweite, im Charakter von der liebenswürdig-heiteren Muse HaydnS völlig verschie dene Darbietung folgt« Beethoven» k'-molt-Quartett on 95, besten gedankentiefe Tonsprache den getreuen Widerschein starker Gemüt«- und Stelenbewegungen in künstlerisch abgeklärter, schön beherrschter Form darzustellen scheint Namentlich aus den leidenschaftlichen Ecksätzen de« Werke« glaubt man eine Bestätigung de« Beethovenschen Kennworte« herau«zuhören: „Kraft ist die Moral de« Menschen, und sie ist auch die meinige " Durch ihr «»«gezeichnete», rhythmisch packende« und geistig reichbelebte« Spiel vermochten die Au«führenden da» Publikum in den Bann unmittelbaren Mitempfinden« zu liehen und die Aufmerksamkeit der Hörer bi« zum letzten Tone zu fesseln Unter Mitwirkung der Herren Spitzner (Viola) und v Liliencron (Violoncell) gelangte al« Der Krieg in Südafrika Die englischen offiziösen Berichte geben jetzt zu, daß die Buren überall bedeutende Fortschritte gemacht haben und daß Aluval - North, Burghersdorp und abgehaltene geschlossen. der Vorlage Verhältnisses hundertundfünfte Sitzung würdig an- Unter dem Triumphe der Linken ist zum Schutze des gewerblichen ArbeitS- die Kommissionsberatung aufs neue der Entwurf in nicht viel mehr als Haupt wieder erheben. ES geht in Christo die Kraft der Vergebung und Versöhnung durch die Welt. Da schließen sich, nicht durch unser Thun, sondern durch den Balsam, den seine höhere Hand in sie träufelt, die Gewissenswunden, Schmerzen und Leid verklären sich. Die göttliche Gnade kettet dann in ErziehungS- weisheit ein Geschlecht von GolteSkindern an sich, die mit Milde und Geduld, mit nicht zu er tötendem Glauben und nicht zu verschüttender Hoff nung der Menschheit Bester suchen, Kleine- un Ablehnung des Gesetzentwvrss zum Schutze deS gewerblichen ArbeitSverhältniffeS. Der neunundneunzigsten Sitzung des Reichstags vom 22. Juni d. I. hat sich die am 20. November Rechten unter dem Gelächter der Sozialdemokratie abgelehnt worden. Die Gegner der Vorlage schienen ein Uebereivkommen geschlossen zu haben, wonach keine Reden mehr gehalten werden sollten. So war von selten der Sozialdemokratie gegen ein Dutzend Redner angemeldet, die aber, wie schwer es auch manchen geworden sein mochte, auf das Wort verzichteten. Auch auf feiten des Zentrums und des linksnational liberalen Flügels begnügte man sich mit kurzen Er klärungen. Dafür sprachen nochmals mit großer Wärme und nationalem Empfinden die Redner der Reckten, und auch der natioualliberale Abgeordnete Büsing, der seinen leid-r post kestuiu beschlossenen Antrag befürwortete, fand Worte, die gegen die wohl bekannten, von der Sozialdemokratie begeistert auf genommenen Aeußerungen Bassermanns günstig ab stachen. Das Schicksal deS Entwurfs war aber besiegelt, bevor die zweite Lesung begonnen hatte. Wohl hatte der Zentrumsführer vr. Lieber noch vor einigen Wochen erklärt, die von seiner Partei angekündigten Abänder ung»- und Vcrbesserungsanträge zu der „ArbeitS- willigen"-Vorlage seien in der Ausarbeitung begriffen; wohl hatte auch die „Germania" noch vor wenigen Tagen die Liebersche Mitteilung bestätigt. Kaum waren aber die süddeutschen, der demokratischen Richtung geneigten Zentrumsmitgliedcr eingetroffen, da wandte ColeSberg in ihren Händen sind. Nur über die Lag» in Ladysmith hüllt sich da» Krieg-Ministerium noch immer in Schweigen. Man nimmt aber allgemein an, daß Ladysmith gefallen sei und in der energischen Vorwärtsbewegung der Burentruppen in der Richtung auf Pietermaritzburg scheint auch eine Bestätigung dieser Vermutung zu liegen. Schon gestern meldete ein Privattelegramm, daß 20 Eisenbahnzüge nach Ladysmith zum Transport Gefangener abgesandt worden seien. Die Vereinigung des Nordkorps mit dem vor Pietermaritzburg stehenden Schalk Burgers sei gleichfalls vollzogen, so daß überlegene Streit kräfte der Buren den Vormarsch englischer Truppen von Durban her verhinderten. Eine englische Bestätigung dieser Meldung steht allerdings noch aus. Das Kriegsamt wird aber nun nicht mehr umhin können, die mit solcher Sicherheit auftretende Privatnachricht offiziell unter Darlegung des Sachverhalts zu dementieren oder zu bestätigen. Auf dem westlichen Kriegsschauplätze scheint sich vor Kimberley ein ernster Kampf vorzubereiten. Die neuesten Meldungen lauten: London. Die Abendblätter veröffentlichen eine aus Estcourt vom Montag datierte Depesche, in welcher es heißt, daß am Mittwoch, den IS. d. MtS bei Ladysmith ein Kamps stattgesunden habe, welcher von Tagekanbruch bi- 2 Uhr nach mittags dauerte. An dem Kamvse sei nur Infanterie beteiligt gewesen, viele Buren seien getötet, eine erhebliche Anzahl ge fangen. versagt und drei Stunden gegen die alleinigen Stimmen der verkehrt ist, bi» wir dann selber einmal dahin- fahren ins Nichts... So möchte sich da» Böse au»- schäumen. Aber von jenseits tönt es uns zu: „Seid stille und erkennet, daß ich Gott bin! Kehret Euch aus dieser Welt der Sünde und des Schein- z» mir, in Buße!" Nur wo der Mensch übel grthan hat^ fühlt er den Druck des DaseinS; ist er frei von Schuld, geht er geläutert aus allen Anfechtungen her vor. Wer sich in Demut beugt vor Gott, der han delt nach dem königlichen Gesetze innerer Freiheit; nicht Mannesstolz, Wissen und Können, sondern nur, » welchem zwei Buren fielen Kapstadt. Da» „Rrutersche Bureau" meldet au» Kapstadt ^om 1k. d. Mt» : In den Distrikten ColeSberg, Steyn«- org, Albert, Molteno, Aliwal North, Wodrhouse, Älengrey, QueenStown und Cathcart wurde da» Krieg», recht erklärt. Dergleichen wurde eine Proklamation erlassen, die die Bewohner ermahnt, der Proklamation der Regierung de» Oranje-FreistaateS, durch die einzelne Teile der Kapkolonie für Freistaatgebirt erklärt werden, keine Beachtung zu schenken. Gouverneur Milner erließ eine Proklamation, in ver rr die Abgaben von gefrornem und frischem Hammelfleisch, Ochsen- sleisch und von eingesührtem Schlachtvieh einstweilen aushebt. — Da« „Reutersche Bureau" meldet aus Kapstadt vom 16. d. Ml» : Der Panzerzug au« Estcourt, der gestern vom Großes herbeiziehen, um zu pflegen und au-zu" gleichen, zu verständigen und zu warnen, zu er mutigen und zu verpflichten, damit die böse Welt in ihnen selbst überwunden werde und sie andern zu gleichem Siege helfen können. Solchen ist diese Welt nicht die schlechteste, son dern die beste aller Welten, weil eine erlöste Welt, in deren Schoß Kräfte de- Lebens eingebettet sind, die auch in den Rätseln de» Daseins und unter herein brechenden Gerichten stand halten. Nicht zerschlagen hilft der Christ die Welt, sondern sie bessern und bauen, in Kraft dessen, der alles neu macht. So wird der Bußtag ein Tag de» Lebens. unseres Herzens Gcdünken und Lust zu bauen. . Estcourt. (Meldung de» „Reuttrfchen Bureaus".) «s Bliebe dann nock da« Bekaaen im vollen Lwckmut »emeldtl, daß General Joubert nach dem Süden A » «eyagen, lM vollen Pvcymur »ud daß Major Thorneycrost mit Jnsantcrietruppen des Trotzes, wenn es einen Gott glebt, ihm vor- «acht bei Willow «ränge, « Meilen südlich von Estcourt, zuhalten, daß alles bis in den Grund hinein um einem Teile der feindlichen Truppen in ein Gefecht geriet, — Vorgestern wurde ColeSberg von 1300 Burrn besetzt. — Da» Transportschiff „Mohawl" ist hier tingetroffen. Kimberley Den „Daily New»" wird au» Kimberley vom 18. d. MtS. gemeldet: Eine kleine Kavallerieabteilung wurde auf einem RekognoSzirrungSritt heute von den Buren angegriffen Der Feind wurde geschlagen und ver lor 12 Mann, die britischen Truppen hatten zwei Verwundete. Ein zweites Gefecht fand etwa- später bei Carter- Farm statt. Die Briten verloren zwei Mann und zogen sich dann zurück Die Beschießung der Stadt dauerte mit kurzen Zwischenräumen den ganzen Tag fort: ein Eingeborener wurde getötet. QueenStown (Kapkolonie). Die telegraphische Ver bindung mit der Stadt JameStown ist feit Sonnabend ab- geschnitten Lourenoo MarqueS. (Telegramm des „Reuterfchen Bureau»".) Nach einer Meldung au» Pretoria hat Präsident Steijn eine Depesche der Richter» Hertzog erhalten, in welcher letzterer berichtet, daß er gemäß seiner Instruktionen die Orte BarNy-West, Doogla» und Griquatown in Besitz genommen und eiue Verwaltung eingerichtet habe. was an wahrer Größe ihnen pmngelt, das beugt sich. Kraft göttlichen Recht» dürfen wir dann aber da» v"nde au» dcm »leise geworfen wurde, konnte wieder auf die - — - - - Schienen gestellt und glücklich zurückgebracht werden. sich da» Blatt, und über dem „Oberkollegen" von Montabaur erhob sich triumphierend vr. Schaedler. Die Demokratie ist im Reichstage Siegerin ge blieben und die Sozialdemokraten haben recht gehabt, als sie die „Zuchthausdebatte" im bayerischen Land tage als Vorspiel für den „zweiten Akt" des „Zucht hausdramas" im Reichstage bezeichneten. In letzter Stunde richtete der Staatrsekretär und stellvertretende Reichskanzler, Graf v. Posadowsky noch eine Mahn ung an die „bürgerlichen" Parteien, aber das war vergebens. Die Fraktionen hatten sich durch einzelne ihrer redegewandten Führer bireitS vor der Wieder- eröffnuna des Reichstages fest legen lassen und trugen schließlich Bedenken, derartige Aeußerungen zu des avouieren, um nicht vor der Oeffentlichkeit uneinig zu erscheinen. Bezeichnend an der parlamentarischen Behandlung des nunmehr von der Tagesordnung verschwundenen Entwurfs ist auch die wiederholte Weigerung, ihm eine Kommissionsberatung zuteil werden zu lassen. Damit hat man einen Herzenswunsch der Sozialdemokratie ersüllt, die nun wieder in Triumphartikeln schwelgen und die Regierung verspotten wird Graf v. PosadowSky beklagte sich mit recht über die Art und' Weise, wie man kurzerhand den von konservativer Seite gestellten Antrag auf Ueberweisung an eine Kommission beseitigte, und er hob nochmals den Umstand hervor, daß die Vorlage keineswegs — wie neben der Linken auch unsere „Sozialrrformer" behaupten — ihren Ursprung neuerlichen Anregungen verdanke, sondern daß schon im Jahre 1890, wo die Regierung einen ähnlichen Entwurf, der zum Teil weitergehende Bestimmungen als die „Zuchthausvorloge" enthielt, eingebracht hatte, Frhr. v. Berlepsch der ablehnenden Haltung der ReichS- tagsniehrheit gegenüber erklärte, mit dieser oder einer ähnlichen Vorlage wiederkommen zu wollen, weil sie zur Wahrung der individuellen Freiheit der Arbeiter notwendig sei. Der nunmehr abgelehnte Entwurf ist, noch bevor er das volle Tageslicht erblickt hatte, von der Sozial demokratie und der Demokratie lange Zeit hindurch zu weitgehenden Beunruhigungen der Arbeiterschaft ausgenutzt worden. Man hat der Regierung und den sie in dieser Sache unterstützenden Parteien die schwär zesten Pläne nachgesagt und hierbei leider auch im Zentrum und im nationalliberalen Lager Hilfe ge funden. Wir wollen dcn Arbeitern, zu deren Wohl daS Gesetz gedacht war und deren Schutz vor Ver gewaltigung eS erstrebt hat, nur wünschen, daß sie unter der Ablehnung und dem dadurch verschärften Terrorismus nicht zu sehr leiden möchten. Vielleicht kommt noch einmal die Zeit, wo die heute befangene Arbeiterschaft selbst nach dem jetzt verschmähten Schutze rufen wird. Tagesgeschichte. TreS-en, 21. November. Aus Anlaß des Namenstages Sr.Majestät des Königs fand heute vormittag H10 Uhr in Villa Strehlen Morgenmusik statt, welche Sr. Majestät von dem Hoboistencorps des 1. (Leib-) Grenadier Regiments Nr. 100 und den Trompetercorps des Gardereiter-Regiments und deS 1. Feldartillerie-RegimentS Nr. 12 dargebracht wurde. Die Prinzen und Prinzessinnen de» König!. Hauses beglückwünschten Se. Majestät den König im Laufe d«s Vormittags in Villa Strehlen. Mittags A1 Uhr empfingen Se. Majestät der König im Residenzschlosse den Vorsitzenden Minister im Gesamtmlnisterium Hrn. Staatsminister vr. Schurig, Excellenz, welcher Sr. Majestät zum Namensfeste die Glückwünsche der Herren Staatsminister überbrachte. Daron anschließend nahmen Se. Majestät der König die Glückwünsche de» Ministers des Königl. Hauses, des Ministerialrates in diesem Ministerium, der dritte und Glanznummer des Programms I. Brahms' Srreich-Sextett in väur zur Aufführung. Diese« Werk gehört nicht zu den tiefsinnigsten, wohl aber zu den klarsten und melodieenreichsten, zu den einheitlichsten und eingänglichsten Kompositionen de« Wiener Meister« und it schon de«halb jederzeit einer unmittelbaren, starken Wirkung sicher. Erhöht wird diese Wirkung noch, wenn da» Werk in so vollendeter Weise vorgeführt wird, wie die« gestern geschah. Da» war ein Singen und Klingen, ein blühendes Leben und Weben in allen Stimmen, daß da« Herz vor Freude hätte aufjauchzen mögen Durch seine beglückende, jeglichen Mißmut bannende Wirkung auf den Hörer, durch seine geniale Ursprünglichkeit und Anspruchslosigkeit bei aller Kunst der Form und des musikalischen Satze« scheint da« Sextett berufen zu sein, in der neuzeitlichen Kammermusik eine ähnliche Stellung einzunehmen, wie dies mit Beethoven« klassischem Sextett der Fall ist. Erwähnt sei noch, daß die vornehm klang schöne, technisch völlig abgerundete und geschmackvolle Wiedergabe der Violoncell GrsangSstellen in dem BrahmS- schen Werke durch Herrn Buxdaum der Wirkung de« Sextett» noch zu besonderem Vorzug gereichte. U. S. Medizin. Die Entfernung von Geschossen au« dem Gehirn hat in der neuesten Chirurgie außerordent liche Fortschritte gemacht. Während e« noch vor einiger Zeit für ganz unmöglich gehalten worden wäre, den Sitz einer Kugel im Gehirn festzustellen und sie ohne den größten Schaden und eine ernste Lebensgefahr für den Patienten herauszuziehen, konnte Tuffier in der letzten Sitzung der Pariser Akademie der Medizin nicht weniger als 3 Fälle au» gleicher Zeit berichten, in denen er durch aus erfolgreiche Extraktionen dieser Art ausgeführt hatte E« ist dabei, wie sich jeder selbst sagen kann, von geringercr Bedeutung, in welcher Weise die eigentliche Operation vor- genommen wird, al» daß man rin Mittel besitzt, den Sitz de» Fremdkörper» mit mathematischer Genauigkeit zu be ¬ stimmen, bevor es an« Schneiden geht. Drese Bedingung scheint ein von Contremoulin erfundener Apparat in denk bar vollkommenster Weise zu erfüllen. In den 3 er wähnten Fälle« war von außen her nicht« über den Ver bleib de» Geschosse« zu ermitteln, denn weder die Eingangs wunde noch die Richtung ihre« Verlaufe« konnte irgend einen sicheren Schluß gestatten; außerdem lag die Kugel in allen drei Fällen in einem Teile deS Gehirn«, dessen Verletzung mit erheblicher Gefahr verbunden ist Der Contremoulin-Apparat aber that seine Schuldigkeit in bewundernswertem Maße Der Sitz des Geschosses konnte mit solcher Schärfe sestgestellt werden, daß der Schnitt von der Oberfläche de« Gehirn« mit größter Genauigkeit auf den Fremdkörper hin geführt werden konnte, und daß auch nicht ein Millimeter der Gehirnsubstanz mehr ver letzt wurde, al» eben zur Ausführung der Operation dringend notwendig war Im ersten Falle hatte der Patient zwei Kugeln auf seinen Kopf abgeschossen, von denen die eine zwischen der harten Gehirnhaut und dem Gehirn, die andere tief in der Stirnwindung nahe der Kreuzung der Sehnerven gefunden wurde. Der zweite Fall zeigte eine einfache Wunde in der rechten Schläfen gegend, aber die gewöhnliche Röntgendurchleuchtung wie« da« Vorhandensein von zwei Fremdkörpern nach. Der Contremoulin-Apparat zeigte mit der größten Bestimmtheit, daß das eigentliche Geschoß in dem linken Stirnlappen in einer Tiefe von 4 cm und daß ein Splitter davon auf der rechten Seite oberhalb de« Augenbogen« läge, vr Tuffier machte daher auf der linken Schläfenstirn- feite einen Einschnitt in den Schädel genau über dem vom Apparate angezeigten Fleck und traf richtig auf da« nicht ganz vollständige Geschoß innerhalb de« Gehirn« Da« auf der rechten Seite befindliche und von Knochen splittern umgebene Bruchstück wurde auf dieselbe Weise leicht lokalisiert. Nach der Entfernung beider Körper er holte sich der Patient rasch und gena« vollkommen Im dritten Falle wurde die Kugel in einer Tiefe von 3'^ cm im Gehirn gefunden Außerdem hat Tuffier noch zwei Fälle erwähnt, bei denen ein Geschoß zwischen die Ohr speicheldrüse und die innere Halsschlagader bez. in den Raum zwischen Oberkiefer und Flügelbein eingedrungen war Im ganzen ist der Contremoulin-Apparat bisher in 15 Fällen angewandt worden und hat stets mit größter Sicherheit die Lage de« Fremdkörpers innerhalb de« Schädel« angezeigt. * Zur Verhütung der Gefahr beim Chloro formieren ist bekanntlich die größte Vorsicht der Aerzte nötig, immer noch vergeht kaum eine Woche, ohne daß man nicht in dcn medizinischen Blättern über Todesfälle bei der Narkose läse. Nach der „Deutschen Medizinischen Presse" giebt e« für den Arzt ein Mittel, im voraus zu erkennen, ob eine Gefahr für dcn Patienten vorliegt und ob die Betäubung einen schwierigen oder einen glatten Verlauf nehmen wird Solche Kranke nämlich, bei denen die Narkose bedenklich auSgehen kann, behalten die Augen lider von Anfang an ganz oder halb offen. Drückt man sie zu, so öffnen sie sich im nächsten Augenblicke von neuem. Dagegen schließen die Patienten, die das Chloro formieren gut vertragen, die Augenlider sogleich Zu erklären ist diese Erscheinung vielleicht schwer, aber sie soll in ihrer Deutung so untrüglich sein, daß dcr Arzt sich sofort alle bei Narkosenzufällen in Anwendung treten den Instrumente und Medikamente zurechtlegen sollte, fall« er die Augen des Kranken nicht geschlossen sieht. -j- Ueber den Leipziger Pathologen Birch-Hirsch feld, dessen Tod wir gestern kurz meldeten, entnehmen wir dem „Leipz Tgbl" noch folgende Notizen: Der Ver ewigte war al« akademischer Lehrer und al« Arzt gleich hochgeschätzt. Er wurde zu Cluvensieck bei Rendsburg am 2 Mai 1842 geboren, studierte in Leipzig wesentlich al« Schüler der Professoren vr Wunderlich ur d vr Ernst Wagner und wurde hier 1867 promoviert. Bi« 1869
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