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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumerationS, Prei« 22^ Silbergr. kl Tdtr.) vierteljährlich, L Thlr. für da« gan,e Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin hei Veit u. Como., Iagerstraße Rr. 25), so wie von allen König!. Post-AmUern, angenommen. Literatur dcs Auslandes. L3L 184S Berlin, Donnerstag den 18. Dezember Westindien. Die Republik Haiti. I. Die Besiandthkile der Bevölkerung. Die Bevölkerung der Insel Haiti ist sehr gemischt ; die statistischen Tabellen derselben sind aber so ungenau, daß sich nur im Allgemeinen angeben läßt, wie ihre einzelnen Bcstandtheile vertheilt sind. Im Jahre 1789 schätzte man im französischen, westlichen Theil der Insel die Zahl der Weißen auf 31,000, die der freien Farbigen auf 28,00», die der Sklaven auf 450,000. Der öst. liche, spanische Theil, um drei Mal größer als der französische, enthielt 110,000 Freie, nämlich Weiße und Farbige, und 15,000 Sklaven. Die Zahl der reinen Europäer war daselbst nicht bedeutend und ihre Vermischung mit den Schwarzen um so häufiger, als das Vorurtheil der Farbe nicht verbreitet war. Dies ist Alles, was man von der Vertheilung der verschiedenen Racen in St. Domingo vor dem Ausbruch der Revolution weiß. Durch die Revolution nahmen die Verhältnisse eine ganz neue Windung. Im französischen Theile waren die Weißen so gut wie vernichtet. Sie wurden zwar, nachdem sie beim ersten Sturme auf die benachbarten Inseln geflohen waren, von Toussaint. Louvcrture, der wohl einsah, wie sehr sie die Civili- sation seiner Stammgenoffen fördern könnten, wieder zurückgcrufen, ver« schwanden aber bei der zweiten Revolution unter DessalineS völlig von der Insel. Dies letztere Blütbad, das man mit der fürchterlichen Regelmäßigkeit einer militairischen Erecution anstclltc, halte statt im April dcs Jahres 1804. Einige Monate später gab DcffalineS, der Kaiser geworden war, eine Ver fassung, in der alle Bewohner der Insel, welches auch ihre Farbe seyn mochte, für Schwarze erklärt wurden. Diese Redensart, gewiß die kühnste, die je in einer VerfaffungS-Urkunde ausgesprochen wurde, ging seitdem in alle die zahlreichen Constitutionen über, die durch die folgenden Revolutionen entstan den, und schloß die Europäer vom Grundbesitze auf der Insel auS. Jetzt be steht im westlichen Theile keine eigentlich »reiße Bevölkerung mehr, und die Individuen dieses Stammes, die etwa noch in den Städten cristiren mögen, treiben daselbst Handel unter dem Namen von Theilnchmeru haitischer Ge schäftshäuser. Die Mulatten bildeten früher einen reichen, gebildeten und mächtigen Mittelstand auf der Insel und hätten wohl die Revolution verhindern oder wenigstens aufhalten können, aber sie waren unentschlossen, zu welcher Partei sie sich schlagen sollten, und hatten darum von beiden zu leiden. Von Toussaint verfolgt, floh ein großer Theil von ihnen auf die benachbarten Inseln, die Vornehmsten sogar nach Frankreich; doch wurden sie in den ersten Jahren des Jahrhunderts wieder zurückgerusen, setzten sich auf der südöstlichen Halbinsel fest und waren zu einer Zeit selbst der herrschende Stamm. Jetzt sind sie bei weitem zahlreicher als im Jahre 1789, aber, mit geringen ehren vollen Ausnahmen, weniger moralisch und gebildet als damals. DaS Kon kubinat ist unter ihnen ein regelmäßiger Zustand und scheint durch den Ge brauch jene halbkontraktliche Form gewonnen zu haben, die cS im Alterthum. hatte. Die schwarze Bevölkerung wird im französischen Theile gegenwärtig auf 700,000 Seelen angegeben. Vor der Unabhängigkeit verlor St. Domingo jährlich ein Zwanzigstel seiner Neger. Seit der Unterdrückung deS Sklaven. Handels vermehren sich aber in den französischen Kolonieen die-Sklaven so, daß die Einfuhr neuer durchaus nicht nöthig wird, »voraus man schließen kann, wie sehr die schwarze Bevölkerung auf Haiti ohne die vielen Empörun gen zugenommen haben würde, da die oben angegebene Zahl schon sehr be deutend ist. Aber durch die neue Regierung wurde nicht nur die Menge der Schwar zen vermehrt, auch ihre Sitten wurden von Grund aus verändert. Die neuen Gesetzgeber hatten die weise Absicht, die Zerstückelung des Grundbesitzes zu verhüten und die Kolonialkultur im Großen, die in jenen Gegenden die einzig vorthcilhafte iss, aufrecht zu erhalten. Darum bestimmten sie, daß ein Land, gut mindestens fünfzehn Morgen groß sepn müsse und ein Jeder, der nicht Grundbesitzer oder Beamter sep oder ein steuerpflichtiges Gewerbe betreibe, auf einer Plantage Dienste zu nehmen habe. Leider aber waren die Preise der Landgüter so niedrig geworden, daß sich sehr Viele Besitztitel verschaffen und damit das Recht gewinnen konnten, nichts zu Ihun. Seitdem wurde die gemeinschaftliche Ausbeutung deS Bodens unmöglich, und Haiti bot, wie die emanzipirten englischen Kolonieen, die sonderbare Erscheinung dar, daß der Grundbesitz der Produotion schade, wenn Viele Theil an ihm haben. Dazu kommt, daß seit der Unabhängigkeits-Erklärung der Sinn für Disziplin im Volke ausgehört Hal und, als kein äußerer Feind mehr zu fürchten war, die haitischen Soldaten, von denen man erwarten konnte, daß sie erakte Land bauer sepn würden, sich ihrer natürlichen Trägheit überließen. In jüngster Zeit haben die politischen Leidenschaften die schwarze Bevölkerung aus ihrer Ruhe wieder ausgerüttelt, und was seit zwei Jahren auf der Insel ge- schehen ist, war die Folge dieses neuen Uebels, von dem sie heimgesucht wurde. Im spanischen Theile Haiti'S sind die Elemente der Einwohnerschaft besser im Gleichgewicht, als in» französischen. Als im Jahre I80> Toussaint, trotz des Einspruchs von Seiten des französischen Commissairs Roume, auf Grund des Artikels 9 der Baseler Friedens-Akte von der Provinz „im Namen Frank reichs" Besitz nahm, wanderten die bedeutendsten weißen Familien aus dem Lande. Sie gingen meistens nach Cuba und Portorico, kehrten aber zwischen 1803 und 9, während welcher Zeit die Franzosen unter dem General Ferrand die Insel wirklich besetzt hielten, zurück. Der Krieg Napoleon's mit den Spaniern rief auch in Haiti erbitterte Kämpfe hervor, die damit endigten, daß sich die Franzosen zurückzicheN mußten. Bon dieser Zeit ab begannen die Auswanderungen von neuem, bis durch die Friedensschlüsse von 1814 die Audienza, wie die Spanier den Osten der Insel nennen, dein Muttcrstaate wieder zuficl. Ader der General Boper, der nach Christoph'» Tode Herr des ganzen französische»» TheileS wurde, bemächtigte sich bald auch deS spanischen, und schon seine ersten Verordnungen »varen gegen die Familien europäischen Ursprungs gerichtet. In einem Laude, wo der Grundbesitz der Einzelnen keine andere Quelle hat als die Schenkungen, die ihren Ahnen bei der Grün dung der Kölonic meist ohne besondere Formalitäten aus den StaatSländereicn gemacht wurden, verlangte der Präsident Boper, daß die weißen Grundeigen- thümer ihre Besitztitel vorzcigen möchten. Diekes hinterlistige Mittel entledigte die Negierung von Port-au-Prince der einflußreichsten und ihrer Herrschaft gefährlichsten kreolischen Familien. Diejenigen, welche dieses maskirte Verbannungsnrtheil nicht treffen konnte, zogen sich ins Innere des Landes, in die schöne Gegend von Cibar, zurück. Diese weiße Bevölkerung, die ungefähr funszigtausend Seelen stark ist, hat noch bis heute ihren alten castiliansschen Stolz bewahrt und stets mit Wider willen die Mulatten.Herrschaft in Port-au-Prince ertragen. Sie treibt vor zugsweise Viehzucht und ist von einem sehr kräftigen Menschenschläge um geben und geschützt. Ihre Heerden nämlich sind noch fast im Naturzustande, und es bedarf vieler und starker Leute, sie zusammcnzuhalten. Man bczeich. »et diese Hirte»» mit dein gemeinschaftlichen Namen der SepbanoS, weil sie vorzugsweise im Bezirk Sepbo wohnen, in welchem die größten Weideplätze sind. Sie waren es auch, die unter den Befehlen des Don Juan Sanchez, eines HcerdcnbesitzcrS, der General geworden war, die Franzosen in Santo- Domingo bei den» Aufruhr von 1808 mit so vielem Glück belagerten. Während auf diese Weile die weiße Bevölkerung des spanischen Haiti auf wenige, aber kräftige Vertreter beschränkt war, blieben die übrigen Klaffen der Gesellschaft von einer Veränderung ihrer Lage frei. Von den Mulatten des französischen Theils suchten sich zwar mehrere in den Westen übcrzusiedeln, wo ihnen Ländereien versprochen wurden, aber ihre dortigen Farbegenoffen — funszigtausend an der Zahl — weigerten sich, mit ihnen Gemeinschaft zu machen, denn sie waren unter spanischer Herrschaft zu Weißen ernannt worden und fürchteten, didscr Eigenschaft etwas zu vergeben. Die fünfundzwanzig, tausend Schwarzen, die über die dreitausend Quadratmcilen verbreitet sind, blieben ihren allen Herren noch getreu, nachdem die Sklaverei aufgehoben war, denn dieselbe hatte für sie nur dem Namen nach eristirt. Dies wäre im Allgemeinen der Zustand der Bevölkerung in beiden Theilen dcr Insel Haiti. Auf der einen, dcr französischen Seite das Uebergewicht der Menge, die, wenn sie einsichtsvoll geleitet wird, unbesiegbar ist, sich aber gegenwärtig auS Mangel an Disziplin in fruchtlosen Anstrengungen erschöpft; auf der anderen eine geringe, aber kräftige Bevölkerung, die der europäischen Richtung zugethan ist. Jede dieser einander gegenüberstehendcn Parteien ist wieder durch innere Streitigkeiten entzweit. Die ernsteste derselben ist die Nebenbuhlerschaft der Mulatten und Schwarzen, die besonders im französischen Haiti die Bevölkerung in steter Aufregung erhält. Um diesen Kamps der Racen zu verstehen, muß man auf seinen Ursprung zurückgehen, das heißt auf die Zeit, wo Haiti unabhängig wurde. Denn schon damals entwickelte sich der Keim der gegenwärtigen Zustände, und wir sehen in dem Kampfe Touffaint's und Nigaud'S bereits den Beginn desjenigen, der sich noch jetzt unter den Augen Europa'S fortspinnt.