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I Leipzig, 7. J«N, N«chm. 3 Uhr. BoranSfichUiche Witterung für Donnerstag, 8. Juli: Veränderlich, war«, Neigung zu Gewittern. 8». Jahrgang. . Dmanfta«, dm 8. Juli. Inserat« werden bi« Bormtttag« 11 Uhrangeno-m- - nun und betrüxt der Pret» für die gespaltene Zeile 1 > oder deren Slam» 1b Pfennige. MßeWr Fiirew^ UN- Tageolalt. Amtsblatt für die kwiglichea and städtischeu Bthördeu zu Freiberg und Bnmd. Scnmttoortkicher Redaste« InNns vra» in Freiberg In Berttetung: Ernst Mauckisch. Abonnements auf de» * Pir die Monate Juli, August und September werden »«« sidmntlichen Postauftalteu wie von der Unterzeichnete« Expedition nud den bekannten Aus gabestellen iu Freiberg, Brand, Lange«««, Halsbrücke ««d Langheuuersdorf z«m Preise do« 2 Mk. 25 Pf. augeaommeu. Lxpsäilion äv8 „ssrvidsrgsr ^nrvigvrs untt lagsdlatt". Politische «ohe. Aus der Reise des Fürsten Bismarck nach Friedrichs ruhe dürfte mit Recht zu schließen sein, daß vorläufig dem deutschen Reiche keine neuen Ueberraschnngen -evorstehen unv die hohe Politik nach alter guter Sitte Sommerferien macht. Das Bild völliger Ruhe kann allerdings zur Zeit weder Deutschland noch Europa gewähren, denn wie schon in unserem eigenen Lande eine ganze Anzahl wichtiger Tagesfragen in der Schwebe ist, so bietet der ganze Kon tinent den Anblick eines wogenden See'S und wenn auch kein Ungewitter sich entladet, so stehen doch schwere Wetter wolken am politischen Horizont und das Leuchten ferner Blitze hält Europas Völker in Spannung. Die Verhältnisse Deutschlands sind ohne Zweifel ge sichert, aber eS hat Frankreich und Rußland an seinen Grenzen und Rom in seiner Mitte; es kann dem Himmel danken, daß der Führer seiner auswärtigen Politik auch in Friedrichsruhe auf der Wacht bleibt und die etwa herauf- steigenden Gefahren erkennt. Ein englischer Diplomat be hauptete einmal von der auswärtigen Politik Deutschlands, was Andere nur muthmaßen, sei für Bismarck eine That- sache, und gerade jetzt, wo so mancherlei Anfeindungen gegen den Kanzler hervortreten, muß man sich in's Ge> dächtniß rufen, daß er stets zuerst die Gefahren, die unserem Vaterlande drohten, erkannt und sie mit festem Entschlusse rasch abgewendet hat. Die augenblickliche Ruhe in der Politik vermag uns nicht darüber hinwegzutäusche«, daß die Verhältnisse Euro pa- wenig Aussicht auf einen dauernden Frieden bieten. Erst vor einigen Tagen hat nach dem Schluß der Grenz- Konferenz in Berlin ein Diplomat geäußert, der Friede werde in diesem Jahre erhalten bleiben, im nächsten Jahre würde« di» Kanonen reden und 1882 würde eine neue Konferenz tagen. Diese Prophezeihung bezieht sich nicht auf Friedensstörungen, welche direkt Deutschland betreffen, sondern lediglich auf den Orient. Deutschland ist zu stark und gefürchtet, als daß der französische Radikalismus und der russische Absolutismus in einem Angriffskriege nicht an ihm zerschellen würden. Und wenn früher die römische Kurie Jntrignen schmiedete, um Kriege wider Deutschland anzuzetteln, wenn ein päpstlicher Nuntius in Württemberg sogar die Hoffnung aussprach, daß die Revolution Rom seine rechtmäßige Stellung wiedergeben würde, so spricht die Friedensbereitschaft von Staat und Kirche in Deutsch land dafür, daß die Zeiten und mit ihnen die Menschen und Ansichten sich inzwischen bedeutend geändert haben. Die politische Ruh« im Orient steht dagegen auf so schwachen Füßen, daß möglicherweise schon im laufenden Jahre die Kanonen den Epilog zu der Berliner Nach- konferenz donnern können. ES sieht gewiß nicht nach Frieden aus, daß Griechenland und die Türkei mächtig rüsten; eS riecht stark nach Pulver, wenn die Großmächte gegenwärtig beschließen, welche Zwangs-Maßregeln gegen die Pforte zu treffen find, falls sie das Konferenz- Votum ablehnt. Zunächst soll eine Flottendemonstration den nöthigen Nachdruck geben, und den englischen und französischen Kriegsschiffen werden sich italienische Fregatten anschließen, um Konstantinopel ihre Flaggen zu zeigen. Gleichzeitig aber — und da- ist die bedenklichste neue Post — herrscht in Stambul unter den Muhamedanern die größte Aufregung; von der Serailpartei und den Sofias, also von den Säulen der alltürkischen Politik, soll das Schlimmste für den Sultan zu befürchten sein, wenn er in der Griechenfrage nachgiebt. Aengstliche Gemüther fürchten sogar einen Ausstand und die Ermordung der Fremden in Stambul. Oesterreich hat bereits ein euro päisches Mandat auf dem Lande, Frankreich und England sollen es zur See erhalten, um der Pforte den Gehorsam für die Wünsche Europas einzuschärfen, Rußland würde wahrscheinlich auch nicht lange fackeln, falls die Türkei nochmals zu den Waffen griffe, und darum dürfte, wenn die politische Ruhe im Orient gestört würde, das End resultat des türkischen Verzweiflungskampfes die rasche völlige Vernichtung der europäischen Türkenherrschaft sein. Tagesschau. Freiberg, 7. Juli. Die Ansicht, daß von türkischer Sette gegen das europäische Votum in der griechischen Grenzfragt Wider stand entgegengesetzt werde, scheint diesmal Recht behalten zu sollen. Nach glaubwürdigen Nachrichten auS Konstantinopel ist auf der Pforte ein definitiver Entschluß in Betreff ihrer weiteren Haltung wohl noch nicht gefaßt worden, aber es soll keinem Zweifel mehr unterliegen, daß jener Beschluß, den man bis zum Eintreffen der europäischen Kollektivnote verschoben hat, nicht im Sinne der Nachgiebigkeit ausfallen wird. Dem gegenüber konstatirt man, daß alle Mächte entschlossen seien, gemeinsam vorzugeben und ihr Votum in irgend einer Form zur Wahrheit zu machen. Die Nachsicht, die man früher gegen die Türkei geübt, scheint ein über wundener Standpunkt zu sein, und jener Langmuth, der allen türkischen ZeNelnngen und Jntriguen gegenüber früher bei einigen Mächten bemerkbar war und der Türkei ge stattete, die Welt nach Belieben hinzuhalten, wird künftig kaum irgendwo mehr anzutreffen sein. Wie man der „Franks. Ztg." aus Baiern mittheilt, werden die Mitglieder des Landtags mit der keineswegs erfreulichen Nachricht überrascht werden, der Abschluß der bairischen StaatSrechnung pro 1879 ergebe nicht weniger als 15 Millionen Defizit. — In Baiern ist ein neues Regulativ für die Hinrichtungen fcstgestellt und veröffentlicht worden. Die Exekutionen sollen vermittelst des Fallbeils und in geschloffenem Raume vorgenommen werden. Auf dem Gebiete der inneren Politik Oesterreichs wendet sich die allgemeine Aufmerksamkeit wieder dem böhmischen Landtage zu, von dem eS noch immer nicht positiv bekannt ist, ob er in die Sprachenverordnungsdebatte etntreten wird oder nicht. An 5. Juli sollte in Prag die Verhandlung über das Landesbudget pro 1881 beginnen, die voraussichtlich zwei Tage dauert, und am Mittwoch könnte die Sprachendiskusston stattfinden, vorausgesetzt, daß der Landtag nicht vorher noch geschlossen wird. Gerüchte dieser Art find in Prag vielfach im Umlauf«, ob dieselbe auch begründet find, daS wird sich sehr bald zeigen. Die französische Regierung wirft auf die Umtriebe der Sozialdemokraten ein wachsame- Auge. Die kürzliche Aus weisung ist die dritte, welche seit 5 Wochen verfügt wurde, und erstreckte sich auf 7 Fremde. Auf die hervorragende Rolle, welche die Fremden in der sozialistischen Agitation spielen, aufmerksam geworden, hat die Regierung sie über wachen lassen und weist jetzt alle diejenigen au-, deren Umtriebe ihr gefährlich scheinen. Diese Ueberwachung dehnt sich auf alle Arbeiterzentren au-, in welchen sozialistische Agenten auftauchen. So wurden in Reims zwei Fremde Namens Delvenne und Mathias de Gothardte au-gewiesm und auch in Roubaix haben Ausweisungen stattgesunden. — Einem Privat-Telegramm der K. Z. zufolge kämm fünfzig au- dem Noviziat zu Chateau Gauthier an-ge- wiesene Jesuiten am Sonntag mit dem Dampfboot von Caen in Havre an, um sich nach Spanien einzufchiffen. Bei der Ändung wurden sie von einer Volksmenge mit den Rufen: Nieder mit den RabenI Nieder mit den Jesuiten! empfangen. Der Oberst des 119. Jnfanterie-Regiment- erschien, um die Ankömmlinge zu begrüßen, eilte ihnen ent gegen, drückte ihnen die Hand und verlangte ihren Segen. Darauf wandte die Älenge sich gegen ihn und zischte ihn aus. Einige Leute ergriffen Partei für den Obersten; die Menge gab hierauf ihren Zorn so laut kund, daß der Oberst sich in die Gendarmerie-Kaserne flüchtete, deren Thore ge schlossen wurden. Im britisch«« Oberhaust brachte am 3. Juli der Earl von Onslow die Zunahme der Trunksucht und Völlerei zur Sprache und fragte die Regierung, ob sie beabsichtige, Maßregeln zu ergreifen, um dem Uebel zu steuern. Er empfahl insbesondere die Einführung des Gothenburg'schen SchankkonzesfionirungSsystemS, sowie den Gewürzkrämern die Erlaubniß zum Verschleiß berauschender Getränkt in Flaschen zu entziehen. Der-Bischof von Carlisle und Lord CotteSloe befürworteten die Vorschläge des Vorredner-. Der Earl of Fife erklärte Namens der Regierung, letztere hoffe dem Parlament in nicht zu ferner Zeit einen Gesetz« entwurf vorzulegen, der einige der Hauptübel des gegen wärtigen SchankkonzesfionirungSsystemS beseitigen würde. — Unter den amtlichen Vertretern der größeren Kolonie« sind in London vertraulich vorbereitende Verhandlungen angeknüpft worden, aus denen sich ergeben soll, ob und wie sich die Herstellung engerer Beziehungen zwischen dem Mutterlande und den Kolonien bewirken lasse, um ersten- gemeinsame Schutz- und VertSeidigungsmaßregeln, zwetten- ein Zollverhältniß zwischen sämmtlichen Bestandtheilen de- brittschen Gesammtreiches und drittens die Hinlenkung de- Auswandererstromes wesentlich nach britischen Kolonien zu erzielen. — Der König von Griechenland reiste am 5. Juli von London nach Kopenhagen ; er beabsichtigt, wie verlautet, auf der Heimreise Berlin und Wien zu besuchen. — Herr Bradlaugh hat wohl seinen Sitz im englischen Parlamente eingenommen, doch ist die Affaire damit »och immer nicht zu Ende. Als er nach der Sitzung West- minster-Hall verließ, wurde Ihm ein gerichtlicher Befehl (vrU) überreicht, worin er zur Zahlung einer Geldbuße von 500 Pfd. St. aufgefordert wird, weil er eine Erklä rung an Eidesstatt abgegeben, seinen Sitz im Hause einge nommen und sich an einer Abstimmung betheiligt habe. Sollte Bradlaugh fortfahren, den Sitzungen des Hause- während der übrigen Session regelmäßig beizuwohnen, so werden sich die angesammelten Geldbußen, die über ihn wegen der Gesetzesübertretung verhängt werden, auf über 50000 Pfd. St. belaufen. — Es scheint, Bradlaugh habe darin gefehlt, daß er die weitere Aktion des Unterhauses, welche ihm persönlich die Restitutio bewilligen mußte, nicht abgewartet. Die «iederlaudtschen Generalstaaten werden dieser Tage wieder zusammentreten. Eine Hauptvorlage der Re-