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Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- nnd Festlagen. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bi«Vormittags»/,II Uhr. Der «bonnementsvreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. K« Pf-, monatlich 55 Pf. Einzeln» Nrn. 10 Pf. Inserate pro Zeil» 10 Pf., für auswärts lü Pf. und Wal-enburzer Anzeiger. Filialen: in Attstadtwaldenburz bei Herr* Otto Förster; in Tallenberg beiHrn. «tramp: Wirker Fr. Herm. Richter; in Kaufungen be Herrn Fr. Janaschek; in Langenchursdorf do Herrn H. Stiegler: in Penig bei Herrn Wil helm Dablcr; in Wolkenburg bei Herr» Herm Wildenhain; in Ziegelheim bei Herr» Eduard Kirsten. s-rnspr°ch-r Nr!^ Amtsblatt für das Königliche Amtsgericht und den Stadtrat zu Waldenburg. ^Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtcnstcin-Callnberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standcsamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langenleuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. 121. Dienstag, den 26. Mai 1908. Witterungsbericht, ausgenommen am 25. Mai, Nachm. 3 Uhr. Varometerstand 761 MW reduziert auf den Meeresspiegel. Thermometerstand -s- 12° O. (Morgens 8 Uhr -s- II« 0. Tiefste Nackttemperalur -f- 9» 6.) Feuchtigkeit-- gehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 66«/g. Taupunkt Z- 6» 0. Windrichtung: Nordost. Niederschlagsmenge in den letzten 48 Stunden bis früh 7 Uhr: 15^ um Daher Witterungsaussichten fiir den 26. Mai: Bewölkt bis halbheiter. "Waldenburg, 25. Mai 1908. Als der erste deutsche Reichskanzler an die Stelle der alten intriguierenden und hinter den Kulissen flüsternden Diplomatie seine ossene und ehrliche, auf Völker- und Menschenkenntnis fristende praktische Politik setzte, da war Bismarck seinen Kollegen vom alten^ Zopf ein Greuel, und es ist wohl kaum auf einen Staatsmann mehr Pech und Schwefel herabgcwünscht, als auf den »Deichhauptmann von Schönhausen/' der seiner Zeit den weiten Schritt von einem einfachen Abgeordneten bis zum Inhaber der wichtigsten Ge sandtenwürde ohne jede Zwischenstufe gemacht hatte. Trotz aller dieser Kritik ist Bismarck der Art seiner Staatskunst, die er einmal für richtig erkannt hatte, bis zum letzten Tage seines Amtes treu geblieben, und wir sind gut dabei ge fahren. Auch unter den folgenden Reichskanzlern, die doch nun einmal als einzig Verantwortliche Reichsminister die Rcichs-Politik mit ihrem Namen zu decken haben, ist die frühere Offenheit und Ehrlichkeit der Reichs-Aktion beibe halten, und das konnte unbedenklich geschehen, weil wir nur ein einziges Ziel haben, den Frieden. Das wollen der Kaiser und die deutschen Bundesfürsten, dahin arbeiten Reichs kanzler, Bundesrat und Reichstag. Wir haben keine Ge heimnisse, und darum gebrauchen wir auch keine Geheimnis krämerei in der Diplomatie. Aber nicht überall denkt man mehr so, das bewies seiner Zeit schon der frühere französische Minister des Auswärtigen, Herr Dclcasse berüchtigten Angedenkens, nnd heute scheint es der Ministerpräsident Clemenceau auch für angemessen zu halten, seine kleine Gestalt durch Drapierung mit dem Mantel s geheimnisvoller Staatskunst imposanter und großartiger er- i scheinen zu lassen. Und das tut nicht er allein, zeitgenössische I Kollegen finden cs gleichfalls nützlich, durch geheimnisvolles. Auftreten die Kritik zu entwaffnen, die sich an etwaige Tat- s fachen heranwagen könnte. So viel Zusammenkünfte und Konferenzen — und Alle nur um des einfachen lieben Friedens willen, wie in den letzten Jahren, sind ja doch noch gar nicht dagewesen, und es werden von einem Jahr zum an deren nicht wieder weniger, sondern im Gegenteil mehr. Jetzt geht es, wie bekannt, gleich ganz im Galopp, f» haß das alte Scherzwort — was sieht ein König selten, ein Bauer aber alle Tage? — nämlich seines Gleichen — kaum noch lange Geltung behalten wird. Es handelt sich nur um den Frieden, um gar nichts wei ter, so hiest es bisher immer bei allen Abmachungen, Be grüßungen und Konferenzen. Erst in den allerletzten Tagen ist in dies unveränderte Programm ein neuer Zug hinein- gekommen, man sprach von der Erhaltung des europäischen^ Gleichgewichts. Darauf gibt es die schlichte und knappe Gegenfrage und Wer bedroht es denn? Nicht nur seit Jahren, sondern schon seit mehreren Jahrzehnten ist nicht '"ehr ernsthaft davon gesprochen, daß eine Gefährdung dieses . Eichgewichts im Bereich einer nahen Möglichkeit liegen omttc, aber seit dem russisch-japanischen Kriege und dem Aufsteigen Japan's zur ostasiatischen Großmacht fcyem man im ulten Europa in neuer, geheimnisvoller eipoma sicher Taktik immer neue bedenkliche Dinge heraus zufinden o er doch z„ argwöhnen. Warum wird denn nicht , "" ehrlich djx Wahrheit gesagt, was eigentlich zu Mißtrauen und Verstimmm-g Anlaß bietet? Wenn es sich nur um Fne en und europäisches Gleichgewicht, an wel chen beiden Dingen wir Deutschen uns jedenfalls nicht ver greifen wollen, handelt, dann kann auch unbedenklich aus gesprochen werden, worin eine Möglichkeit zur Störung er blickt oder vermutet werden könnte. Daß der englische König diese neue Art von Diplomatie ausnützt, wer wollte es ihm verdenken? Bon seiner eigenen Person glauben wir keinesfalls, daß er die Anfertigung politischer Feuerwerks-Apparate benutzt, die mit einem Schlage den holden europäischen Friedensengel m die Luft gehen lassen können. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser jagt bis Mittwoch in Ostpreußen und kehrt dann nach Berlin zurück. Zur Zusammenkunft mit dem König und der Königin > von England auf der Reede von Reval werdem den Zaren die beiden Kaiserinnen, der kleine Thronfolger und der Minister des Auswärtigen Iswolski begleiten. Auch König Eduard erscheint bekanntlich in ministerieller Begleitung. An den Besuch werden weitere Kommentare geknüpft, in denen ohne Ausnahme die hohe politische Bedeutung der Begegnung betont wird. Das kronprinzliche Paar besucht zurzeit das Rhein land. Am heutigen Montag hält es seinen Einzug in Köln, Wo ein besonderes Rennen und eine Schiffsparade abgehalten werden. Am Sonnabend wurden Barmen und Düsseldorf besucht. Der Empfang durch die Bevölkerung war ungemein herzlich. j Auf seiner Rundreise durch die rheinischen Städte findet das deutsche Kronprinzenpaar aller Orten jubelndem Willkommen. Ungemein herzlich gestaltete sich auch die Auf nahme in Düsseldorf, wo dem fürstlichen Paare im Stände hause das Hochzeitsgeschenk der Provinzen Rheinland und Westfalen in Gestalt des prachtvollen silbernen Tafelschmucks überreicht wurde. Die deutschen Botschafter in Paris, London und Petersburg, die ziemlich gleichzeitig in Berlin eingetroffen waren, haben die Reichshauptstadt auch kurz nach einander wieder verlassen und sind auf ihre Posten zurückgekehrt. Mit dem Fürsten Bülow hatten die drei Botschafter noch un mittelbar vor ihrer Abreise Unterredungen. Durch die vom Reichsgericht beschlossene Wiederanfnahme des Harden-Prozesses wird der ganze Schmutz, der mit diesem Prozeß nun einmal verbunden ist, zum dritten Male vor aller Oeffentlichkeit aufgerührt werden. Das ist keine angenehme Aussicht, läßt sich nach Lage der Sache aber leider nicht verhüten. Auf den Gang der Verhandlung wird das Ergebnis des bevorstehenden Prozesses gegen den Fürsten Eulenburg wegen Meineides nicht ohne Einfluß sein. Zum Fall Eulenburg finden jetzt in München Ver nehmungen durch den Berliner Untersuchungsrichter statt. Vernommen wurden bisher speziell die von Harden neu an geführten Zeugen, darunter sämtliche früheren Bedienstelen Eulenburgs, alle in München weilenden Mitglieder der Lieben berger Tafelrunde, darunter Baron Wendelstadt von Neu- und niehrerc andere Adlige. Dann der frühere Gesandtschaftssekretär des damaligen Grafen Eulenburg, kaiser licher Hofrat Kistler nebst Gemahlin, der städtische Haus meister Dandl, das Kanzleipersonal des Justizrats vr. Bern stein, nebst den Anwälten Justizrat Löwenfeld und Prager. Einzelne Zeugen bekundeten laut »Münch. N. Nachr." neues zur Sache Moltke. Verschiedene der Vorgerufenen mußten sich den Vorhalt gefallen lassen, daß sie schon längere Zeit auf der Liste der Homosexuellen gestanden hätten. Ein Mit glied der Liebeuberger Tafelrunde aus Bayern sagte, daß er sich die übertriebene Freundlichkeit in Briefen Eulenburgs als ideale Freundschaft ausgelegt habe. Am heutigen Mon tag werden Oberlandesgerichtsrat Mayer, Justizrat Or. Bern stein und der Fischer Riedel vernommen, ferner werden die vom Fürsten in München innegehabten Wohnungen und die Starnberger Villa besichtigt. Der Bund der Industriellen veranstaltet am Sonn abend in Eisenach eine außerordentliche Generalversammlung, auf deren Tagesordnung als erster Punkt steht: Der Aus tritt des Bundes der Industriellen aus der Interessengemein schaft. Sodann wird über »Arbeitgeber und Politik" disku tiert werden, wobei die augenblicklich von allen Industriellen erörterte Frage, in welcher Weise sie am besten Einfluß auf Politik und Gesetzgebung gewinnen, zur Verhandlung kommen. Endlich steht die Kohlenfrage zur Erörterung: Feststellung der vorhandenen Mittel gegen die Schädigung der Industrie und ihrer Ausfuhr durch die Maßnahmen der Kohlensyndikate. Die Reform der Arbeiterversicherung bildet den Gegenstand eifriger Erwägungen seitens der zuständigen Re gierungsstellen. Das Reichsamt des Innern hat den Bundes regierungen verschiedene Reformvorschläge unterbreitet und sie um Meinungsäußerungen darüber ersucht. Ein wesent licher Punkt des Reformplanes betrifft das Verhälwis von Krankenkassen und Aerzlen. Zur Regelung dieser dringlichen Frage werden unter Hinzuziehung von Sachverständigen aller beteiligten Kreise Beratungen stattfinden. Die Gefahren öffentlicher Ausschreibung zur Ver gebung von Arbeiten an den Mindestfordernden bestehen be kanntlich in einer schrankenlosen Konkurrenz durch unreelle Unterbietungen, durch die der reelle Handwerkerstand schwer geschädigt wird. Die Kalamität ist eine so ernste, daß sich das Reichsgericht ins Mittel gelegt und alle Vereinbarungen Von Unternehmern für zulässig erklärt, welche die Bekämpfung dieser Gefahr und die Aufrechterhaltung angemessener Preise ; zum Ziele haben. Solche Kampfmittel verstoßen nicht gegen die guten Sitten, verdienen vielmehr volle Billigung. Frankreich. Präsident Fallieres macht in Begleitung des Ministers des Auswärtigen Pichon in dieser Woche seinen Besuch in London. Nach seiner Rückkehr nach Paris, die er am 29. d. antritt, wird Pichon die erste Marokko-Interpellation des gegenwärtigen Sessionsabschnittes in der Deputierten kammer beantworten. In London wird sich Pichon über seine zukünftige Stellungnahme gegenüber Mulay Hafid schlüssig machen. Mit der veränderten Haltung Frankreichs gegenüber Mulay Hafid beschäftigt sich auch die „Nordd. Allg. Ztg." in ihrer Wochenschau, ohne jedoch eine eigne Meinung darüber zu äußern. Des deutsch-französischen Zwischenfalls in Casablanca tut das deutsche Regierungsorgan noch nicht Er wähnung. Spanien. Aus Anlaß der Vorfälle in Casablanca sprachen im Senat mehrere Redner über die Marokkofrage. Die Liberalen behaupteten, die spanischen Truppen spielten in Marokko eine mehr als unwürdige Rolle und müßten zurückgezogen werden. Der Minister des Aeußern Allandesalazar erwiderte: Sie spielen dort ausschließlich und in würdiger Weise diejenige Rolle, die ihnen gemäß der Algesirasakte zukommt. Ich kann Versichern, daß der Zwischenfall von Casablanca Gegenstand einer Untersuchung ist, die streng durchgeführt werden wird. Die würdige Haltung der spanischen Truppen ist über jeden Angriff erhaben. Dieser mutigen Sprache wird Spanien hoffentlich eben so mutige Taten folgen lassen. Not täte es. Marokko. Abdul Hamid, der bereits am heutigen Montag seinen Einzug in Fez halten wollte, hat den feierlichen Mus um eine Woche verschoben. Er will vorher anscheinend die Re gierungsorganisation durchführen. Von den alten Ministern bleiben nur wenige im Amte, es werden fast ausschließlich neue Männer berufen werden. Der deutsche Schutzbefohlene Belarbi wurde nach einem Tangerer Telegramm der „Köln. Ztg." von französischen Soldaten im Zelt überrumpelt und erschossen. Die Tötung sollte die Bestrafung Belarbis sein für dessen Beschwerden über französische Nebergriffe, sowie ein Versuch, die Nichtigkeit des deutschen Schutzes darzutun. Sollte es sich tatsächlich bewahrheiten, so bemerken die „Berl. N. N." dazu, daß Belarbi lediglich zur Strafe für seine Beschwerden von den Franzosen getötet worden ist, so läge ein gemeiner Mord vor. Die absichtliche Ermordung eines unter deutschem schütze stehenden Marokkaners ist aber, besonders da über dessen Angelegenheit diplomatische Verhandlungen gepflogen werden, ein derartig grobes Vergehen gegen das Völkerrecht, daß hier wohl das schärfste Einschreiten geboten wäre. Amerika. Der frühere Schatzsekretär Shaw hielt am Freitag in