Volltext Seite (XML)
Franz Liszts Klavierkonzert Nr. 1 in Es-Dur wurde mit dem Komponisten als Solisten unter der Leitung von Hector Berlioz am 17. Februar 1855 in Weimar uraufgeführt. Das Werk entstand in den Jahren 1848 49, einer Zeit, in der sich Liszt bereits von seinen großen Reisen als Klaviervirtuose zurück gezogen hatte und als einflußreicher Lehrer und Förder einer neuen Generation von Pianisten und Komponisten in Weimar lebte. Vieles in der Musik dieser be deutenden, weithin wirkenden und ihrer Epoche unendlich viel Anregungen ver mittelnden Persönlichkeit erscheint uns heute recht zeitgebunden und in seiner Wirkung fernergerückt. — doch darf nicht verkannt werden, daß Liszt trotz starker Betonung des virtuosen Elements, trotz der großen, uns häufig etwas äußerlich pathetisch anmutenden Klanggebärde stets bestrebt war, seinen Werken einen geistigen Gehalt zu geben. Auch für das dem Musikverleger Henry Litolff gewid mete Es-Dur-Klavierkonzert, Produkt langjähriger Virtuosenerfahrung, trifft diese Haltung durchaus zu. Virtuoser pathetischer Glanz, mitreißender Schwung des Muszierens, aber auch reicher poetischer Empfindungsgehalt zeichnen das Konzert aus, in dem den Komponist die neue programmatische Gestaltungsweise und die Prinzipen seinen sinfonischen Dichtungen auf diese Gattung überträgt. Trotz der äußerlich viersätzigen Anlage des Werkes nämlich sind die größtenteils unmittel bar ineinander übergehenden einzelnen Sätze durch die Verwendung und Ver arbeitung einiger Leitgedanken motivisch eng miteinander verknüpft und bilden so ein unlösbares Ganzes. Der erste Satz beginnt sogleich mit dem vomOrchester vorgetragenen energischen, stolzen Hauptthema, dem Liszt übrigens die Worte „Das versteht ihr alle nicht!" unterlegt haben soll. Die vielgestaltige Verarbeitung des Hauptthemas, das sich bis zum Schluß behauptet, dominiert im Verlauf des gesamten — große dynami sche Steigerungen und schroffe Kontraste aufweisenden - Satzes, aber auch ein gefühlvoll-melodiöses Seitenthema des Soloinstruments wird wirksam. Orchester- wie Klavierpart sind mit größter Virtuosität behandelt. Schwelgerisch-schwärme rische Lyrik charakterisiert den langsamen Satz in H-Dur (Quasi Aadgio), auf den ohne eigentlichen Abschluß unmittelbar ein Allegretto vivace mit kapriziösem Klavierthema folgt, dessen neuartige Schlagzeugeffekte den gefürchteten Wiener Kritiker Hanslick veranlaßten, das Werk boshafterweise als „Triangelkonzert" zu bezeichnen. Pausenlos wieder ist der Übergang ins Finale, das gleichsam als eine zündende Marjschphantasie angelegt ist und noch einmal die Hauptgedanken der vorangegangenen Sätze aufgreift. Glanzvoll-strahlend schließt dieser Satz, in dem der Solist nochmals reiche Gelegenheit hat, seine Virtuosität zu entfalten, das Konzert ab. Richard Strauss mied in seiner frühen Schaffensperiode zunächst die Opernkomposition, mit der er sich später Weltgeltung verschaffte, und widmete sich mit großer Hingabe — in der Nachfolge Franz Liszts, doch bald über diesen hinauswachsend - der sinfonischen Dichtung. Straussens sinfonische Dichtungen liegen stets „konkrete Programme" zugrunde: „Aus Italien", „Don Juan", „Macbeth", „Tod und Verklärung", „Till Eulenspiegel", „Also sprach Zarathustra", „Don Quichote", „Ein Heldenleben", „Sinfonia domestica", „Eine Alpensinfonie". Einen künstlerischen Höhepunkt innerhalb dieser an sich höchst ungleichwertigen Werkreihe erreichte der Komponist mit der genialen sinfonischen Dichtung Till Eulenspiegels lustige Streiche (nach alter Schelmen weise in Rondoform) op. 28, die 1895 in Köln uraufgefühft wurde, wohl Straussens liebenswürdigstes, heiterstes und amüsantestes Stück. Mit Recht sind der geistreiche Humor, der prickelnde Witz, die Ironie, aber auch die Gefühls kraft dieser Musik so berühmt. Einmalig ist die Art, wie der Komponist alle Nuancen der großen Orchesterpalette in diesem musikalischen „Schelmenstück" ausnützt. Die beiden wichtigsten Motive des Werkes sind Tills gemächliche „Schelmen weis", vom Horn angestimmt, die in allerlei Verwandlungen — je nach den Er lebnissen des „Helden" — refrainar'tig wiederkehrt, und ein prägnantes, nie über hörbares Klarinettenmotiv, die „Pointe" zu jedem Abenteuer Tills. Und wer Phantasie hat, hört unschwer heraus, was Meister Strauss seinen Till erleben läßt: wie er das Geschirr der Marktweiber von den Hufen seines Pferdes zerschlagen läßt, wie er in Priesterverkleidung vor dem Volke spricht, wie er sich verliebt, schmachtet und einen Korb erhält, wie er sich in „gelahrte" Disputationen einläßt und brave Wissenschaftler mit einem Gassenhauer zum Narren hält. Aber damit haben Tills Streiche ein Ende gefunden. Vor Gericht gebracht, wird er nach vier maliger Befragung zum Tode verurteilt (Posaunen und Hörner). Und schon wird Till am Galgen aufgeknüpft (das zerflatternde Klarinettenmotiv deutet die letzten kläglichen Seufzer Tills an). Das Nachspiel, das den volksliedhaften Ton des Be ginns wieder aufnimmt, vermittelt die trostreiche Gewißheit, daß der närrische Geist Till Eulenspiegels unsterblich ist und in den Erzählungen des Volkes weiter leben wird. VORANKÜNDIGUNGEN: Freitag, den 11., und Sonnabend, den 12. September 1970, jeweils 20 Uhr, Kulturpalast 2. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Günther Herbig, Berlin Solistin: Annerose Schmidt, Leipzig, Klavier Werke von Webern, Chopin, Strauss und Ravel Sonntag, den 13. September 1970, 20 Uhr, Saal des Landhauses Freier Kartenverkauf 1. LANDHAUS-KONZERT Werke von Franz Schubert Anrecht D und freier Kartenverkauf Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1970/71 — Chefdirigent: Kurt Masur Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Die Einführung in die Schostakowitsch-Sinfonie stammt von L. Daniiewitsch Druck: veb polydruck Werk III Pirna - 111-25-12 3,2 ItG 009-87-70 1. PHILHARMONISCHES KONZERT 1970/71