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Freitag. 4. 13 Januar 1854. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch «lle Postanstal- trn. Preis >>ro Dnart. I6Ngr. ^7- . Verantwortlicher Redakteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Werßerih-Ieitung Inserate werden mit 8 Pf. für die Zeile berechnet 4». in allen Ex peditionen an» . H» Ütnommen. Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und LÜndmann.' Constantinopel von der Seeseite. Jetzt, wo Aller Blicke auf den Kampf Rußlands mit der Türkei gerichtet sind, und der auf dem schwar ten Meere bei Sinope neuerdings errungene Sieg der russischen Macht über eine ansehnliche türkische Flöt- tille die Wasserwege nm die türkische Hauptstadt blu tig gefärbt hat, dürfte eS manchem unserer Leser nicht unerwünscht sein, etwas Näheres über die Zugäng lichkeit Constantinopel'ö von der Seeseite aus zu er fahren. Wir versuchen eö hiermit, diesem Wunsche in einer gedrängten Uebersicht der natürlichen und künstlichen* Befestigungen der Türkenhauptstadt von dieser Seite zu begegnen. Außer Constantinopel hat wohl keine zweite Stadt Europa's eine so unvergleichliche Lage. Mit Recht bezeichnet sie ein berühmter Reisender der Neuzeit mit einem echt morgenländischen Bilde als die „Kaiser stadt, welche an dem Zusammenflüsse zweier Meere «. zweier Erdthcile als ein Diamant zwischen zweiSap- phiren und zwei Smaragden gefaßt, den Edelstein dcS Ringes erdumfassender Herrschaft bildet." WaS der in zauberischer Umgebung an einer Weltstraße gelegenen Hauptstadt deS türkischen Reiches einen so außerordentlichen Werth verleiht, daß ihr Besitz nicht in die Hände einer der europäischen Großmächte fallen dürfte, ohne den Schwerpunkt des europäischen Gleichgewichts zu verrücken, wird vorzugsweise durch die beiden Meerengen des Bosporus u. der Dar danellen bedingt, welche die bequeme, wohlfeile Straße bilden, auf der dem zwischen ihnen liegenden Weltmärkte einerseits die Erzeugnisse der Uferländer deS schwarzen Meeres, deS nördlichen TheilS der eu ropäischen Türkei, Deutschlands, Rußlands und Per siens, anderseits die Waaren deS Mittelmeeres, der nördlichen Meere und Amerika's zugeführt werben. Kein Wunder, daß im Laufe der Zeit die Wichtigkeit dieser Wcltstraße Perser, Griechen und Römer, später die vielnamigenSchwärme der Völkerwanderung, dann Venetianer, Genueser, Araber, Mongolen und Türken «n das Marmora-Meer gelockt hat. Der Bosporus (zu deutsch: Ochsenfurth) ist die vom schwarzen Meere nach Constantinopel führende Meerenge, eine trotz ihres unpoetischen Namens sehr romantische Wasserstraße, welche nahe an drei deutsche Meilen entlang zwei Welttheile, Asien und Eu ropa, scheidet. Ziemlich Dreivierthetle deS JahreS hindurch rollen die Fluthen deS schwarzen Meeres fast ununterbrochen von der Krim und dem Don in rei ßender Strömung (in der durchschnittlichen Geschwin digkeit von.einer Meile in der Stunde) südwärts der Oeffnung deS Bosporus zu. Zwischen den Berg ¬ höhen Thrakiens und Asiens windet sich in siebenma- ligen Ausbeugungen der Bosporus schlaNaenförmig hindurch, und ist an den engsten Stellen 1600, an den ausgedehntesten 4500 Schritte breit. Die etwa anderthalb tausend Fuß hohen Bergwände beider Ufer fallen oft schroff ab, bald treten sie zurück, um an- muthigen Wiesen Platz zu machen. Fast ununterbro chen, namentlich auf dem europäischen,User, reihet sich ein Kran; von Ortschaften an einander, über denen' sich Landhäuser und Kioske (türkische Gartknhäüser) in einer Umgebung von Wäldchen, Gärten und Wein bergen erheben, während von den Gipfeln Burgen und Ruinen der byzantinischen und genuesischen Vorzeit herabblicken. - Sollten die Russen je daran denken, einen An- griff auf den Bosporus zu unternehmen, so würbe dieser höchst wahrscheinlich an den VertheidigungS- mitteln fcheitern, welche den Türken daselbst zu Gebote stehen, und die so achtbarer Natur sind, daß der Las ser Nikolaus selbst geäußert haben soll, es gehörst starke Zähne dazu, um solch eine Nuß zu knacken. Als nämlich im vorigen Sommer der preußische Ge neral Wrangel auf seiner Reise in die Türkei sich in Odessa vom Kaiser Nikolaus verabschiedete, sagte die ser: „Wenn Sie nach Constantinopel kommen, lieber Wränget, so sehen Sie sich doch die türkische Artillerie genauer an, sie ist eine der besten Europa's. Das haben wir Euch Preußen, Euren Instruktoren zu verdanken! Es wird harter Zähne bedürfen, diese Nuß zu knacken." Eine Flotte, die sich vom schwarzen Meere dem Eingänge des Bosporus nahet — eine Einfahrt, die an und für sich durch Klippen und Untiefen so gefährlich ist, daß sie nur mit einem günstigen Winde ausgeführt werden kann — hat zuerst an der Küste deö schwarzen Meeres, rechts und links, das Feuer von je zwei, also vier FortS auszuhalten, bis sie in die Mündung gelangt, die abermals von den beiden Lcuchtthürmen Rumeli- und Anatoli«Fanar geschützt ist. Von hier an südlich hinab folgen hinter ein ander auf dem europäischen Ufer die Befestigun gen Garibtsche, Bujuk-Liman, Rumili-Hiffar und Telli- Tibia, — und gegenüber auf dem asiatischen: Poiraö, Filburnu, Anatol-Hissar und Madschjar-Tabia. Die beiden letzgenannten jedes Uferö, als die wichtigsten, haben 165 Geschütze, vom schwersten Caliber. Die stärkste dieser letzter» vier Befestigungen ist Madsch- jar-Tabia, gegenüber von Bujukdere, und deshalb die für eine feindliche Flotte gefährlichst», weil die Untiefe am europäischen Ufer alle größeren Schiffe zwingt, sich bis auf 2V0 Schritte der Batterien deS letztge nannten Forts mit allein 76 Geschützen zu nahen und ein jedenfalls verderbliches Feuer auszuhalten Un-