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Sächsische Volkszeitung : 08.07.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-07-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192107086
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19210708
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19210708
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-07
- Tag 1921-07-08
-
Monat
1921-07
-
Jahr
1921
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 08.07.1921
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Kr. LS» SV. Jahrg. F«,«spreche»: K.tz-»«»« 32723 - Geschasteftelle L2722 Postscheck»»««»: Dresden N«. "79? StickMe Freitag. 8. Jul« 1921 Vkedaktko« «nd Geschäftsstelle? Dresden-A. >8. Holbetnsirasi« 4« volfszmung «'»«»»ahlUid k« -au» «u»ga»e » a>» Muvrirrlec «etla«' I»7Ii^ »tnsaab. o II «s ^ »>nlL»eb>t» Pollbeüellgeld »I, LL-stlch» «»UlziUmig »rtihctnl an allen MoLenIaqen nachm. - Svrechslunde der Redattton, 11 b>» IS hr arm. Anzeigen, Annahme von «elchastSanzelgen d>» I« Uhr, von FamIItenanzeigen bi» I I Uhr vorm. — Preis für die Peiil-Spallzell« aller Anzeigen 1.4« ^«. im Reklameieil H.5U-I. - Für undeutlich geschrieben,, sowie durch Fernivrrcher ausgegebene Anzeigen ILnnen wir die Brranlworllichseil kür die üiichiigleii des lezieS nicht übernehmen Die Bresche! Las Nrtetl tm Prozeß Helfferich und der GcrichtSveschluf. in brr Untersuchun, gegen Erzbrrger sorgen EidcSverlctzung Von hervorragender juristischer Seite wird uns geschrieben: Die 6. Strafkammer des Landgerichts l in Berlin hat im Prozeß Helfferich festgcstellt. das; Erzberger in sechs E-.nzel. fällen bewußt unwahre Behauptungen aufgestellt habe. Die 10. Strafkammer des Landgerichts l in Berlin hat die gleichen Fälle unter dem Gesichtspunkte der EideSverletzung nachgeprüft und ist zu Einstellung des Strafverfahrens gekom men, weil eine bewußte oder auch nur fahrlässige Verletzung der Wahrheit nicht vorliege. Sie ist dabei den Anträgen der Staats- unwaltschast gefolgt. Ans die Fälle im einzelnen ist das Gericht bei seinem Beschluß nicht eingegangen. Seine Stellung ergibt sich aber aus der Begründung, die die Staatsanwaltschaft ihren Anträgen gegeben hat Diese enthalten eine vernichtende Kritik de-, Moabiter UrkeilS. Der Feststellung, daß Erzberger bei sei. new Vorstoß im HauptauSschuß am 6. Juli 1917 die Absicht ge- habt habe, den Reichstag zu stürzen, und daß deshalb seine gegenteilige Behauptung eine bewußte Unwahrheit enthalte, wird mi: den Worten entgegengetreten: „Daß Erzberger. als er seine große Rede hielt, noch die Absicht hatte, den Reichskanzler, dessen Vertrauter er bis dahin gewesen war, zu stützen, ist, zumal es sich bei diesem Vorgang um eine innere Tatsache handelt, nicht zu widerlegen. ES ist dies, wie die Aussagen des früheren NeichsministerS David und die des Ministers Giesberts ergeben, nach deren begründeter Ueberzeugung auch durchaus glaub haft.' Eine weitere Feststellung des Urteils im Helfferich-Prozeß, daß Erzberger bewußt die Unwahrheit gesagt Habe, als er be. hauptete, die Aktion iin Juli 1917 sei nach vorheriger Verstän digung der Rei'chSregierung erfolgt, wird mit der Ausführung beseitigt, daß nach den Ergebnissen der Voruntersuchung weder bewußte, noch fahrlässige Wahrheitsverletzung unterstellt wer den könne. Dabei wird u. a. folgendes anSgeführt: Die zwei Punkte unwahre Behauptungen bezüglich einer Verständigung der NeichSregierung durch eine Unterredung mit Dr. Sols und durch Unterredungen mit dem Botschafter am Vatikan von Ber gen scheiden ohne weiteres aus, denn der Staatssekre- tär Dr. Solf habe als Zeuge bekundet, daß Erzberger ihm gegen über die Notwendigkeit einer völligen Abkehr von der Gewalt politik betont und eine Demarche gegen die Negierung armekün digt habe. Der Botschafter von Bergen habe sich dahin geäußert, das, Erzberger schon geraume Zeit vor der Friedensresolution mit ihm des öfteren ganz allgemein über die Notwendigkeit ge sprochen habe, einen baldigen Frieden unter maßvolle» Be dingungen herbeizuführen und nach dieser Richtung etwas zu tun. Weitere Feststellungen des Urteils, daß Erzberger lm Hclfferich-Prozeß noch in zwei anderen Punkten die Unwahrheit gesagt habe, werden mit wenigen Worten abgetan, die aber eine scharfe Spitze gegen die unvorsichtige Art und Weise enthalten, wie im Helfferich-Prozeß Feststellungen gegen Erzberger getrof- fer> werben. ES wird ausgeführt: „Das Urteil vom 12. März 1920 begründet seine Annahme, Erzberger habe über den von ihm unrichtig dargsstellten Vorgang sicher noch Bescheid gewußt, übrigens nur mit der Erwägung, daß er auch bei seiner übrigen Schiedsrichtertätigkeit ein hervorragendes Gedächtnis gezeigt Hobe. Die? erscheint mit Rücksicht auf die immerhin nicht sehr wesentliche Bedeutung dieses Punktes seiner Aussage nicht unbedeukli ch." Man sieht, die beiden richterlichen Entscheidungen stehen sich schroff gegenüber, der Leser hat die Wahl, für welche er sich entscheiden will. Die Wahl ist nicht schwer. Wer das Urteil im Helfferich-Prozeß ohne Voreingenommenheit gelesen hat — die wenigsten Menschen haben sich diese Mühe genommen — war von vornherein überrascht über den Mangel an Gründlichkeit und richterlicher Vorsicht und über die Kühnheit, mit der hier Feststellungen von großer Tragweite und Verantwortung ge troffen sind. Dies gilt gleichermaßen für die Feststellungen hin- sichtlich der Wahrheitsverletzungen, wie für die Feststellungen bezüglich der Geschäftspolitik. Man erhält beim Lesen des Ur teils den Eindruck, als ob sich die Richter allzu schnell schlüssig gemacht hätten und nachher, als an die schriftliche Begründung herangetreten wurde, in Verlegenheit geraten wären. Nur so sind die Lückenhaftigkeit der Beweisführung und die Schwäche der Begründung zu erklären. Das Urteil erweckt außerdem bei all«m Bestreben, objektiv zu sein, den Eindruck einer gewissen Voreingenommenheit gegen Erzberger, der sich insbesondere im Heranziehen einzelner, nicht zur Sache gehöriger Vorkommnisse äußert, die gegen Erzberger verwertet werden. Wir haben bis- lang im Interesse des Ansehen» der Rechtsvflege. die in gegen wärtiger Zeit ohnedies schwer zu kämpfen hat, von einer Kritik de» Urteils abgesehen, nicht ohne schwere Gewissensbedenken. Nachdem nun aber das Bsckkner Gericht selbst gegen das Urteil Stellung genommen hat. tst diese Rücksichtnahme nicht mehr er forderlich. ES besteht kein Zweifel, daß das Urteil im Helffe- rich-Prozeß in seinen Feststellungen gegen Erzberger fehlge gangen ist. Roh, ohne psvchologische» Verständnis berausgearbei- tet hat e» unrichtige Maßstäbe an den Wahrheitsbeweis gelegt, sich mit Möglichkeiten begnügt, wo volle, lückenlose Beweisfüh- rung erforderlich war und ganz außer acht gelassen, daß Erz- berger der Beleidigte war. der in erster Linie Anrecht auf Rechtsschutz hatte, und dem dieser Schutz im vollen Umfang zu- t«>' werden mußte, solange nickt voller, lückenloser Wabrheitsbe. wel» erbracht war. Bon den Fällen bewußter Unwahrbeit. die e» feststellen zu müssen glaubte, läßt sich kein einziger bei stren ger Nachprüfung aufrecht erhalten und die Folqerunaen. die da» Urteil au» Viesen Fällen gezogen hat, daß sie ErscheinunaS- iormen eine» Charaktermangels, eine» Hange» zur Unwahr- hgftigkett seien, fallen in sich zusammen. Cie waren von vorn- Herein verfehlt. Sie ruhten auf viel zu schmaler Basis, sie waren rufgebaitt auf wenigen Einzelfällen, die sich zudem auf die Zeit wn 1906—-1SSV verteilten und da» Ergebnis einer LebenSdurch- erschung waren, wie sie unter CideSzwang kaum je einem Men. scheu znteil geworden ist. Diese wenigen Fälle reichten, selbst , wenn sie erweisbar gewesen wären, bei weitem nicht aus, um ein so schwerwiegendes, die Stellung eines in der Oesfentlichkeit stehenden ManneS so vernichtendes Urteil zu stützen. Das Urteil im Helsferich-Prozeß hat nicht Recht geschaffen, scndern Unrecht, Unrecht gegenüber dem Angeklagten, dessen schwere Beleidigungen keine ausreichende Sühne erfahren haben, Unrecht gegenüber dem Beleidigten, der vor dem Gericht Schutz gesucht hatte und statt des Rechtsschutzes neue unbegründete Bloßstellungen erfahren hat. Was nun? Welche Genugtuung soll dem Beleidigten werden? Der Laie wird jür selbstverständlich halte», daß das bloßgestellte Urteil im Helfferich-Prozeß sofort einer gründlichen Revision unterzogen wird. Ter Jurist weiß, daß ein« Nach- Prüfung nicht möglich ist, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür fehlen; denn gegenüber einem rechtskräftigen Urteil ist die Wiederaufnahme des Verfahrens zuungunsten des Verurteil ter nur unter ganz bestimmten, eng begrenzten Voraussetzun gen möglich und dazu gehört, die Tatsache, daß ein widersprechen- des Urteil ergangen ist, nicht. So wird es- denn dabei bleiben, daß Helfferich und seine Freunde sich nach wie vor auf das alte Urteil berufen und die neue» Entscheidungen nicht gelten lassen werden. Mögen sie eS tun. Erfolg werden sie damit nicht mehr haben; den» alle unvoreingenommenen und gerecht denkenden Menschen werden einem Urteil, das so schwer erschüttert ist. kein Gewicht beimesse» und sich inindestenö ans den Standpunkt stellen, daß die widersprechenden Entscheidungen sich gegenseitig aufheben und daß ein „non liquet" vorliege. Der Formaljurist mag das als Minus empfinden, vom Standpunkte des Rechtes und der Rechtspflege kann man sich nur darüber freuen. Denn im Helfferich-Prozeß war der Rechtssprechung eine wenig wür dige Rolle zngeteilt. Der Prozeß war zugestandenermaßen pro voziert, um einen verhaßte» politischen Gegner durch Vernich tung seines guten Rufes politisch unmöglich zu machen. Diese Ar» der politischen Kampfesweise war von vornherein im höchsten Grade unsympathisch. Die Rolle, die dem Gericht dabei zuge wiesen war und die eS mehr als nötig übernommen hat, mußte jeden Freund des Rechts mit Befremden erfülle»; denn die Rechtspflege war nicht sowohl in den Dienst des Rechts, als des politischen KampstL gestellt. Die Beleidigung und ihre Sühne traten völlig zurück. So kam eS, daß die Rechtsprechung da? Jhrige dazu beitrug, den guten Ruf des Beleidigte» zu vernich ten und der Parteipolitik Waffen gegen einen politischen Geg ner zu liefern. Wenn dieses Beginnen durch de» neuen Ge richtsbeschluß nachträglich zuschanden geworden ist und die Ge fahr. daß es Schule macht, dadurch erbeblich nemindert erscheint, so ist das als hoher Gewinn für die Rechtspflege zu buchen. WaS nun? Die Entscheidung in dein Unlersuchuugsvcr- kahren wegen Eidesverletzung und lie Erschütterung des Urteils im Helfferich-Prozeß baben auch in politischer Richtung eine ganz neue Lage geschaffen. Der Anlaß zu der politischen Zuriick- haltung, die sich Erzberger mit Rücksicht auf die anhängigen Verfahre» auferlegen mußte, ist weggesallen, denn das- noch an hängige Strafverfahren wegen Steuerbinterziehung ist völlig belanglos. Daß cS mit einem schweren Mißerfolg enden wird, ist scbon im Reichstage von maßgebendster Stelle erklärt wor den. Ganz gleich, wie man zu Erzberger steht — ob seine Poli tik immer die richtige war. stetst hier nicht zur Rede, darüber ur teilt die Geschichte — die Gerechtigkeit erfordert, das; ein ge schehenes Unrecht allüberall wieder gut gemacht wird. Von die sen- Standpunkte aus- ist der Beschluß des Reichsausschusses der ZenlrumSpactei, der dem Abgeordneten Erzberger die Befriedi gung über den Ausgang der Untersuchung wegen Eideöver- letzung anSspricht, als ein Auftakt warm zu begrüßen. Der Balkan an der deutschen Ostgrenze Von Dr. Paul Fleischer. M. d. st!. In der landläufigen Vorstellung des West- und Süddeut schen geht am Schlesischen Bahnhof in Berlin die europäische Kultur zu Ende. Was weiter ostwärts liegt, ist „Sibirien", kaum der Beachtung wert. Uns doch gewinnt die Welt jenseits- der deutschen Ostgrenze von Tug zu Tag an Bedeutung. Der Weltrieg hat grundstürzende Veränderungen -zwischen der Ostsee und dem Schwarze» Meere zur Folge gehab'. England wollte sich eine neue Handelsstraße mm Daung nach Odei'a babnen. Deshalb mußte Rußland zerschlagen werden. Die deutsche stlaad- staatenpolilik ebnete den britische-, Avncbttn den Weg. Finn land, Lettland, Litauen, Polen nnd die Ukraine wurden zu staat licher Selbständigkeit erweckt, der polnische» Republik die größten Teile der Prvvjnzen Westpreuw",'. und Posen gewaltsam ange gliedert, Danzig ui't seinen, Hinterlaude znm Freistaat er hoben. Zwischen Osiveenß-'» und das- Reich ichab sich der pol nische Korridor. Das Land des Deut'chen Ritterordens wurde zur Kolonie, die wie eine J»>el von der slawischen Flut iiiu- brandet ist. De» Memclgau, den nöedticbsten Zipfel der Pro vinz. verwaltet Frankreich im Aufträge des Völkerbundes. Völlig ungewiß ist das Schicksal OberschlcsieuS. Die neuen staatlichen Gebilde verdauten ibr Dasein angeb lich den« Selbitbcstimmungsrecht der Völker. Derb kaum erstan den, wurden sie zum Schauplatz leideuickaiilich-'r Nationalitäteu- kämpfe. Litauer, Weißrussen und stiuthenen klagen ckniuso wie die Deutschen im abgetretenen Ostgebiet übr die Beeinträchtigung ihrer völkischen Eigenart durch den polnischen Chauvinismus. Seitdem der polnischen General Zeligowsti Wilna übersiel, ist die Spannnng zwischen Kowno ni d Warschau unerträglich ge worden. Die Moskauer Negierung aber verfolgt die Vorgänge an der polnisch-litauischen Grenze mit Argueangen. Erst kürz lich bat Tschitscherin, der Volkskommissar für auswärtige Ange legenheiten im bolschewistischen Rußland, das Kabinett Witod wissen lassen, daß die Sowietregierung jegliche» Anschlag ans die Unabhängigkeit und das Gebiet Litauens als eine Vergewal tigung des Rigaer Friedens betrachtet. Aber auch zwischen den Polen selbst klaffen tiefgehende Risse. Die Polen WestpreußenS und PoscnS. die sich unter dem preußischen Zepter trotz aller Klagen über die haktistische Poli tik der Segnungen der deutschen Kulturgemeir.schast erfreuten, blicken mit Verachtung aus die Bewohner KongreßpolenS, die ISO Jahre lang russische Barbarei um,«achtete. Nicht von Warschau, sondern von Posen soll nach ihrer Meinung die Konsolidierung de? polnischen Staates ausgehen. Als im vorige» Sommer die bolschewistischen Heere bis an die Ufer der Weichsel vordrangen, fiel der Gedanke eines autonomen Freistaates, bestehend aus Pomerellen und Posen, in Großpolen auf fruchtbaren Boden. Er ist auch heute noch nicht erstorben. Manche träumen sogar von einer Sliigliederung Danzigs und Oberschlesiens. DaS Schick, sal Ostpreußens wäre dann besiegelt. So ist an der Ostgrenze Deutschlands ein Staatengewirr entstanden, das die Keime neuer Zwietracht in sich trägt. Aus den Durcheinander weiß die engl'jche Politik in geschickter Weise Nutzen zu ziehen. Großbritannien begünstigt die brüchige Raud- staatenpolitik vor alle»' deshalb, um seinem Handel neue Märkte zu erschließe». Es kann die Oststaaten aber nur dann in poli- tischcr und wirtschaftlicher Abhängigkeit halte», wenn sich diese nicht auS eigener Kraft zu behaupten vermögen und dauernde Reibungsflächen zwischen ihnen immer neue Konslikte schaffe». Deshalb duldete Llovd George die Vergewaltigung starker na tionaler Minderheiten; deshalb widerstrebt er einem starke» Polen. Kein Land soll imstande sei», den, anderen seinen Willen aufznzwingen, im Streit untereinander die eigene Ohn macht Anlehnung an das- welibsherrschende Albion suchen. Demgegenüber will Frankreich Polen an Stelle des zu- saiuinengebrochenen Rußland zur Großmacht erheben, um in Gemeinschaft mit ihm das noch immer gefürchtete Deutschland in Schach zu halte». Deshalb unterstützt es die polnischen An- strüche ans Wilna und Oberschlesien. Solange dadurch die Zir kel der englischen Welt- und Wirtschaftspolitik nicht gestört wer« den, läßt London Paris gewähren. Eröffnen doch die Gegen sätze, die dadurch unter den Nandstaaten wachgehalten werden, der Diplomatie des Jnselreiches die Möglichkeit, entweder im gegebenen Augenblick als Schiedsrichter aufzutreten und die englische» Absichten restlos- zu verwirklichen oder Frankreich auf Kosten der Streitenden wertvolle Zugeständnisse zu mache», wenn Lebensfragen des britischen Weltreiches anderwärts auf dem Spiele stehen. So ist der »eile Balkan an der deutschen Ostgrenze nicht ein Bollwerk des Friedens, sondern ei» Herd dauernder Beunruhi gung geworden. Sie wird noch dadurch gesteigert, daß die Wo gen des russischen Bolschewismus immer wieder über die Grenze fiuten. Werden die Randstaaten der Damm sein, an dem dis Welle des russischen Kommunismus zerschellt? Das ist öle Schicksalsfrage, von deren Beantwortung letzten Endes Sein oder Nichtsein des Deutschen Reiches, ja ganz Europas abhängtt Das englisch-japanische Bündnis Eine der grundlegenden Hauptfragen für die Entwicklung und Gestaltung der britische» Politik im Osten des britischen Weltreiches ist die Frage des- Bündnisses- zwischen Japan und England. Eö ist selbstverständlich, daß diese Angelegenheit einen Kernpunkt in den Verhandlungen der britischen Rcichs- konferenz i» London darsttllte. Die Nachrichten, die über jenes Problem in die Oesfentlichkeit herausdrangen, waren nur spär lich gesät und zweifellos auch so frisiert, daß über die tieferen Gegensätze der Dominos- in dieser Frage nicht allzu viel bekannt geworden ist. Wie die Dinge aber für das englische Mutterland in Wirklichkeit liege» und wie schwierig die Lösung dieser Frage ist, das zeigt »nt großer Deutlichkeit eine Tatsache, die erst jetzt bekannt wird. Bekanntl'ch hieß eS zuerst, das- Bündnis mit Japan solle aus eine Zeüspainie von drei Monaten verlängert werde», um daun zu einem gemeinsamen Gedaiikeuaustaujch zwischen Eng land nnd den Dominos einerseits-, sowie Japan »nd Amerika andererseits zu komm, ». Tie Erörterungen unter den genannte» Staaten sollten den Weg ebne» helfe» für ein dreiseitiges Bünd nis Nunmehr aber trifft eine Nachricht ein, die geeignet ist, Ueberraschnna bervorzurnsen. Der britische Lordkanzler Lord Birkenhaed, die höchste juristische Autorität des Landes, vertritt plötzlich die Meinung, der Vertrag lause automatisch um ein Jahr weiter, wenn er nicht gekündigt würde. Die Mitteilung aber, die von der großbritannischen Negierung seinerzeit an den Völkerbund über das Abkommen mit Japan gerichtet worden sei. bedeute leine Kündigung. Nach dieser Auffassung also würde der Ver:-. ig mit Java» einfach noch für ein Jahr weiter laust'». E-- entsteht natürlich sostrt die Frage, wie cS zu dieser neuen Veision in der Bündnis-ttage kommen konnte, nachdem zunächst die Verlängern»» des Bündnisses um drei Monate in der Ocsf.ttttlichteit verbreitet worden war. Dieser Umschwung kann in nichts- anderem begründet liegen als- darin, daß sich innerhalb der britischen Reickskonserenz unter den Dominos in dieser Fraoe Gegensätze bcrans-aeärbeitet baben, die doch nicht so leicht zn überwinden sind und daß es deshalb Lord Curzon für besser gehalten bat, das Problem in der von Lord Birkenbaed nunmehr getrosfeuen Entscheidung ans sich beruhen zu lassen. So viel ist jedenfalls durckgedrimgen und bekannt, daß in der Behandlung der hrttistb -cu-anischen Bündnisfrage die Meinun gen der Vertreter von Südafrika und Australien mit der de« Vertreters, von Kanada nicht einig ginnen und man wird des. batb nicht sedlgeben. wenn die neue Version im Grunde seine Ursache in dem Verhalte» des Vertreters von Kanada hat. Denn so viel ist gewiß, daß auf der eine» Seite eine Trübung des- Verhältnisses zu Amerika vermiede!, werden soll, daß man aber aiick- in irgendeiner Ferm au dem javanischen Bündnis fejthalten möchte. Sa ist die Taktik, die mau nun einzuschlagen gedenk!, die klügste: riäiuUch die. daß die britische Regierung Zeit gewinnt, uw sowohl Kanada zu bearbeiten wie auch auf der anderen Seite einem Ausgleich mit den Vereinigten Staaten die Wege zu ebnen. So dient die neue Auslegung, die der britische Lord- kanzlcr gesunden hat, zweifellos dem Zwecke der Zeitgewinn»»«! fü> das Heranreisendrssen der Pläne, die Englands Ziel sicher verfolgt.
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