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Dresdner Journal : 11.09.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189609116
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960911
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960911
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-09
- Tag 1896-09-11
-
Monat
1896-09
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 11.09.1896
- Autor
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Kür Dresden viertel,Shrlutz 2 Mart 50 Pf, bei den Kaiser- lich deatjchen Postanftaltra viertel,ährlich 3 Marl; außer halb des Deutsche» Reiches Poft- und Stempelzuschlaa. Einzelne Nummer«: 10 Pf. Erscheine»: Täglich mit Ausnahme der Tonn- und Feiertage abends. Krrnipr -Anschluß: Nr ILES. dresdner Journal. AntünbigungSgebührrn: Für den Raum einer gejpal- lriirn Zcilc tlcincr Lchnst 20 Ps Unter „Eingesandt" die Zeile 50 Ps Br> Tabellen und Zifsenisatz entsprechender Ausschlag. Herausgeber: Königliche Expedition des Dresdner Journals Dresden, Zwmgerstr 20. Frrnspr Anschluß: Nr I2Sä. M 212 188« Freitag, den 1i. September abends. Amtlicher Teil. Se Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß die Nachgenannten die von Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser und Könige von Preußen ihnen verliehenen Ordensdekorationen an nehmen und tragen, und zwar der Oberhofmarschall Graf Vitzthum v. Eckstädt die Brillanten zum Kronenorden 1. Klasse; der Oberstallmeister, General lieutenant a. D. v. Ehrenstein den Kronenorden l. Klasse; der Hofmarschall v. Carlowitz-Hartitzsch den Kronenorden 2. Klasse mit dem Stern; der Kammerjunker Freiherr v. Könneritz denselben Orden 3. Klasse. WekannLmachung, die Errichtung eines Aichamtes in Grünhain betreffend, vom 9. September 1896. Im Anschluß an die Bekanntmachung, die be stehenden Aichämter und deren Einrichtung für die verschiedenen Zweige der Aichungsgeschäfte betreffend, vom 3. März 1873 (Gesetz- und Verordnungsblatt 1873 Seite 225) wird hierdurch zur öffentlichen Kennt- niß gebracht, daß in Grünhain ein Aichamt mit der „gewöhnlichen Einrichtung" im Sinne der an gezogenen Bekanntmachung errichtet und ihm die Be- fugniß zur Aichung von Längenmaaßen, Flüssigkeits- maaßen, Hohlmaaßen, Gewichten und Waagen für den Handelsverkehr, jedoch mit Ausschluß der Präzi- sions- und Goldmünzgewichte, der Präzisionswaagen, der selbstthätigen Registrirwaagen, der festfundamen- tirten Brückenwaagen und der für mehr als 2000 k«; Höchstbelastung bestimmten Waagen ertheilt worden ist. Das Aichamt Grünhain hat die Ordnungszahl 26 zu führen. Dresden, den 9. September 1896. Ministerium des Juueru. v. Metzsch. Edelmann. Srueunungen, Versetzungen re. im öffentlichen Dienste. Departement des Kultus und öffentlichen Unterrichts Erledigt: die 7. ständige Lehrerstelle zu St. Asra-Meiße». Kollator: das K Ministerium des Kultus und öffentl Unter richts. Gehalt: 1000 M und 200 M. Wvhnungsentschädigung, steigend laut Gehaltsskala bis 2300 M. inkl. Wohnungsent- schavigung Bewerbungrge,uche mit sämtlichen Zeugnissen sind b-s zum 28. September einzujcnden an den k Bezirksschul- inspcktor Schulrat Wangemann in Cölln a. E. Nichtamtlicher Teil. Lostalpolitisches aus der Lchwciz. (Fortsetzung.) Tie Ursache der Mißstände ist wie anderwärts vorzugs weise darin zu suchen, daß der Zunahme der Bevölkerung die Zunahme der Wohnungsgelegenheit auch nicht annähernd ent spricht, die Bevölkerung daher sich in Wohnungen zusammen- gedrängt hat, die aus eine viel geringere Zahl von Personen berechnet waren. Dies gilt namentlich für die innere Stadt, welche ihrer bequemen Lage willen natuigcmäß bevorzugt und vielfach gerade,für den Arbeiter die einzig mögliche WohnungS- lage ist. Die Überfüllung führt aber wiederum eine Menge sanitärer und sittlicher Mißstände herbei. Eine wirksame Re form wird daher immer auf zweierlei auszugchen haben, nämlich aus Verbesserung der besehenden Wohnungen und auf die Beschaffung neuer Wohngclegcnheit. In dieser Beziehung hat die Regierung der Stadt Basel einen höchst bedeutsamen schritt gelhan, indem sie dem gesetzgebenden Körper unter dem 16. Juli d I. ein Programm vorgeleyt hat, dessen Durch- sührung eine wesentliche Hebung der Wohnungsverhältnisse be- deuen würde Zunächst soll auf gefexgeberifchem Wege durch ein WohnungSgesev die Beseitigung vorhandener baulicher Üdelftände herbeigesührt und der übermäßigen und gesundheits widrigen Ausbeutung von Gebäuden zu Wohnzwecken in höherem Grade als bisher entgrgengetreten werden. Für den Vollzug deS Gesetzes soll durch eine ununterbrochene und genaue Wohnungsinspektion gesorgt werden Ein anderes Gesetz soll umsassende Slraßenkorrektionen in der inneren Stadt ermög lichen. Beinahe noch wichtiger sind die in Aussicht genommenen administrativen Maßregeln ES sollen nämlich bei Gelegenheit der eben erwähnten Korrektionen Wohnhäuser in der inneren Stadt angekaust und nach den Vorschriften des Wohnung-- gesetzeS behufs Vermietung vorgerichtet werden. Es fall ferner städtischer Baugrund zu günstigen Bedingungen an gemein nützige Gesellschaften und Baugenossenschaften abgelassen und endlich sollen billige Wohnhäuser durch die öffentliche Ver waltung zur Vermietung an städtische Angestellte und Arbeiter hergestellt werden. Man geht hierbei von der Erfahrung aus, daß mit der bloßen Beseitigung von schlechten Wohnungen, ins besondere auch mit Straßentorcektionen und Niederlegung von schlechten Vierteln allein nicht- gelhan ist, wenn nicht nebenher in genügender Anzahl Wohnungen sür den bisher nicht genügend ver sorgten Teil der Bevölkerung beschafft werden Zn der Regel, so kann man wohl sagen, wird dies übersehen. Die Beseitigung der alten Häuser hat daher eine Verminderung der billigen Wohnungsgelegenheiten und eine weitere Zufammendrängung der weniger bemittelten Bevölkernng mit erhöhten Mißständen zur Folge Am wenigsten Widerspruch wird die Wohnung-- beschaffung sür die städtischen Angestellten finden, und schon hierdurch kann ein nicht unerheblicher Teil der Nachfrage nach kleinen Wohnungen vom Wohnungsnarkie gezogen werden Empfehlenswert würde hierbei scheinen, nicht eigentliche Arbeiter quartiere zu errichten, da diefe in der Regel mit Unzuträglich keiten verknüpft sind, und die Trennung der Stände sozial ungünstig wirkt, sondern Häuser zu errichten, in denen etwa Parterre und erstes Stockwerk an höhere Beamte oder sonstwie vermietet und nur die beiden oberen Stockwerke in kleine Wohnungen geteilt würden. Was die geplante Verwendung städtischen Baugrundes anlangt, so entspricht sic der alten Forderung städtischer Sozialpolitik, daß öffentliches Vermögen nicht nach rein finanziellen Gesichtspunkten verwaltet werden soll. ES wäre dringend zu wünschen, daß diese Forderung Anerkennung fände, und daß die Städte ihren Baugrund nicht in der Weife an Baufpekulanten so teuer als möglich ver kaufen, sondern auf die Befriedigung desjenigen WohnungS- bcdürsnisses Rücksicht nehmen wollten, welches von der Privat- unternchmung in der Regel unbefriedigt gelassen wird, nämlich des Wohnungsbedürfnisses des kleinen Mannes übrigens könnte in deutschen Verhältnissen, in welchen die staatlichen Oberbehörden meistens die Veräußerung von städtischem Grundeigentum zu genehmigen haben, durch ge eignete Verjagung der G nehmigung im Notfälle aus die städtischen Vertretungen ein Truck ausgcübt werden. In Basel hat kürzlich die Stadt ein Terrain im Werte von gegen 1 700 000 Francs angekaust in der ausgesprochenen Absicht, es der Bauspekulation zu entziehen, und es wird ein Teil dieses Baugrundes wahrscheinlich in der gedachten Weise Verwendung finden. Der Vorschlag endlich, in der inneren Stadt Wohnhäuser anzukausen und cinzurichtcn, beruht auf der Erwägung, daß die Privatuniernrhmung hier in der That nicht ausreicht und der Natur ter Sache nach nicht ancreichcn kann Es bleibt abzuwarien, inwieweit das Programm zur Durchführung ge langt Ein bedeutsames ist eS aus jeden Fall, und wir wollen nicht unterlassen, es angelegentlich der Aufmerksamkeit in Teutsch land zu empfehlen. Bezüglich der Arbeitslosigkeit ist die Sache noch weiter ge diehen. Die Einrichtung ei,«er Arbeitslosenversicherung steht unmittelbar bevor und ein Arbeitsnachweis ist bereits feit dem Jahre I8'.to vorhanden. Der Arbeitsnachweis, von welchem zuerst die Rede fein soll, wurde im Jahre 1890 im Ver waltungswege begründet und im Jahre 1892 durch ein besonderes Gesetz, betreffend das öffentliche Arbcitsnach- weisbureau, vom 10. März 1892 zu einer dauernden Ein richtung erhoben Es hat den Zweck, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Angebot und Nachfrage zu vermitteln, und zerfällt in je eine Abteilung sür Männer und sür Frauen. Die Leitung und Aussicht sühn unter Oberaufsicht der Regierung eine von letzterer auf je 3 Jahre gewählte Kommission von elf Mitgliedern, unter denen mindestens drei Arbeitgeber und drei Arbeitnehmer sein sollen, welche ein Sitzungsgcld von 2 Francs erhalten. Den Vorsitz in der Kommission hat ein Regicrungsmitglicd Tie Frauenabteilnng steht unter der besonderen Aussicht eines Frauenkomitecs von sechs Mitgiedcrn, die von der Kommission gewählt werden Die lausenden GZchästc besorgt ein Verwalter, dem sür d«e Frauenabteilung eine Ver walterin beigegcbcn ist Gegenwärtig werden diese Geschäfte von einem kinderlosen Ehepaare wahrgenommen, das, nach den, persönlichen Eindrücke zu schließen, sich außerordentlich gut für seine nicht leichten, Umsicht und vor allem persönlichen Takt erfordernden Dienstobliegenheiten eignet. Der Verwalter wird für je 6 Jahre von der Regierung angestcllt, die Verwalterin mit Genehmigung des Regicrungsrate» von einer Kommission gewählt. Ihre Besoldung ist eine ziemlich hohe, ersterer erhält 3000—4000. letztere 1200—2000 Francs jährlich, wie denn über ¬ haupt die Baseler Beamienbefoldungsverhäliniffe sich sehr vor teilhast von denen in der übrigen Schweiz unterscheiden. . . . Für die Benutzung des Arbeitsnachweise« wird eine entsprechende Gebühr erhoben, welche sür Arbeit suchende Hand- und Fabrik arbeiter je 20, für Handwerkslehrlinge und Gesellen je 30, sür Dienstboten, Wirtschaft-Personen, Handrlslehriinge und An gestellte je bO CtS, für die Arbeitgeber das Doppelte beträgt Auch Gesuche von au-wärt- werden berücksichtigt, doch ist das Doppelte zu zahlen Tie Gebühr ist bei der Anmeldung zu entrichten Die Arbeitsuchenden können dafür während eines Monates dreimal um offene Stellen konkurrieren, ohne eine Gebühr zu zahlen, die Arbeitgeber dagegen können Zuweifung von Arbeitern verlangen, bis die offene Stelle besetzt ist Da viele Anfragen von Arbeitgebern schriftlich oder durch das Telephon eingehen, macht die nachträgliche El Hebung der Ge bühren Umstände; es werden deshalb AbonncmeiUSlarten mit Coupons auSgegeben, und cs können sich Arbeitgeber auch durch einen festen jährlichen Beitrag von 10 Francs von jeder Gebühr loskausen. Durch die Erhebung diefer Gebühren ist bewirkt worden, daß verhältnismäßig nur eine geringe Lumme au- öffentlichen Mitteln hat zugefchossen werden müssen Der ge ringste Zuschuß betrug 600, der höchste 2200 Francs, im Durch schnitt der letzten Jahre betrug er Iioo Franc- jährlich Die Arbcilsuchcnden werden genau über Qualifikation und Lcistung-- sähiglcit befragt, ihre Zeugnisse werden eingrschen und wird eine kurze Notiz in die Kontrollbüchcr eingetragen Mit der Zuweisung wird daher zwar nicht formell, aber materiell emc gewiße Gewahr übernommen. Diese wenn auch nur oberfläch liche Prüfung bewirkt ferner, daß offenbar uniüchiige und schlechte Elemente immermehr vermeiden sich zu melken und daher der Prozentsatz der vermittelten Arbeitsgelegenheiten ein sehr hoher ist. Der ArbeitSnachwliS ist jeden Wochentag von 8 bis 12 und von 2 bis 5 Uhr geöffnet, Sonnabend nach mittags und Sonntags geschlossen Die Erfolge der Anstalt müssen unbedingt als gute bezeichnet weiden: in den Jahren 1891 bi- 1895 sind jährlich von Arbeitnehmern und Arbeit gebern zusammen je 8- bis 10 00» Gesuche eingcgangen, von denen im Durchschnitt dieser 5 Jahre jährlich über 77 Proz befriedigt worden sind, und zwar Hal sich dec Prozentsatz von 65 Proz im Jahre 189 l in sicherem Aufstcigcn bis ans 85 Proz im Jahre 1895 gehoben Die Gesuche der Arbeitgeber bleiben an Zahl nicht sehr viel hinter dcncn der Arbeitnehmer zurück, und unter den letzteren ist wiederum die männliche Ab tcilung zwar etwas, aber doch nicht sehr viel starker als die weibliche. Den Jahresberichten ist zu entnehmen, daß die Landwiitjchasl sowie das Ban und Hotelgewerbe den Arbeits nachweis am meisten benutzten, während die Großindustrie sich leider ziemlich fernhielt Handwerksmeister haben sich zwar vielfach an den Arbeitsnachweis um Lehrlinge gewendet, aber meistens ohne Erfolg, denn durch alle Belichte zieht sich die Klage, daß die Lust zum Handwerk bei der Jugend nicht mehr vorhanden zu fein scheine Mit Recht heben die Berichte her vor, daß die Handwerksmeister dadurch, daß sie deß Lehrling vielfach nicht mehr in ihre Häuslichkeit ausnehmcn, gerade gewissenhafte Ellern abhalten, ihre Söhne in dic Lehre zu geben. Auch über die Schwierigkeiten der Landwinichaft, Arbeiter zu bekommen, enthalten d:e Jahresberichte, denen man gewiß keine agrarische Parteilichkeit vorwe<f>n kann, lehrreiche Angaben, welche den allgemeinen Zug in die Stadt bestätigen. Sehr stark ist der Arbeitsnachweis von weiblichen Ticnslboten, und um solche zu erlangen, benutzt worden Eine ganz wesent liche Vervollständigung hat er dadurch erhalten, daß mil ihm ein Heim für weibliche Dienstboten verbunden worden ist. in welchem sie gegen geringes Entgelt gute Unterkunft und Ver Pflegling finden, bis sic Stellung erlangt haben. Dieses Heim steh, unter der Arbeitsnachweis Verwalterin, b findet sich in demselben Grundstück wie der Arbeitsnachweis, im Zentrum der Stadt, und macht einen ordentlichen und freundlichen Eindruck. Vorläufig erfordert es einen öffentlichen Zuschuß von 500 Francs; da es indessen zweifellos einem dringenden Bedürfnisse abhilst und stark benutzt wird, so ist zu hoffen, daß cs sich später selbst erhalten kann. (Schluß folgt) Ei» russischer Zollkricq qcqtu Deutschland soll sich vorbereiten, wie einige liberale Blätter Deutschlands zu melden wissen. Sie lassen sich von ihren natürlich „gut unterrichteten" St. Petersburger Korrespondenten berichten, daß dic von der deutschen Reichsregierung und von der Preuß. Staatsregierung zum Schutz der heimischen Landwirtschaft ergriffenen Maßregeln die „Wiedervergcltung des östlichen Rach bars" herausforderten, und drucken diese Informationen selbstverständlich unter schweren Vorwürfen gegen die schlimmen deutschen „Agrarier" ab. Wie man die ganze Sache anfzufassen hat, erhellt aus der folgenden Auslassung eines Mitarbeiters der „Krenzzeitung", der die letzten Monate in Rußland zugebracht hat. Er schreibt dem Berliner Blatte: Wer sich jüngst in Rußland aufgehallen hat, muß über diese Unterstellung erstaunt sein; denn bis jetzt wenigstens ließ sich aus der Haltung der russischen Presse nichts entnehmen, was auf eine besondere Er regung über die deutschen Schutzmaßregeln deuten könnte. Zärtlich ist man drüben gegen uns ja nicht gestimmt, das wird niemand leugnen; ebensowenig kann, wie sich jeder verständige Mensch denken wird, bezweifelt werden, daß die russischen Landwirte nichts dagegen hätten, wenn die Regierung das Nachbarrcich zollpolitisch chikanierte. Was kümmern sich die Leute denn überhaupt viel um Dinge, die ihre Interessen nicht unmittelbar berühren? In manchen Fällen, wo dies anscheinend der Fall ist, mögen ja auch Gesuche an die Regierung gelangt sein, die sich im Sinne der „Vergeltung" ausnutzen ließen. Das beweist aber nicht im geringsten, daß sich ein starkes Bedürfnis nach dieser Richtung geltend mache. Geben sich aber deutsche Blätter dazu her, ein solches „Bedürfnis" an- znerkennen und den „Zollkriegtcusel" vorzeitig „an die Wand zn malen", so wäre es freilich kein Wunder, wenn die Russen entdeckten, daß sie von Deutschland wirtschaftlich übervorteilt würden und daß es Zeit sei, hiergegen einzuschrcitcn. Daß dies drüben weit leichter ist als bei uns, ist ohnehin klar. Kommt es aber dazu, so werden die „patriotischen" Organe die Hauptschuld daran tragen, die ans lauter „Bosheit' gegen die „Agrarier' keinen Anstand nehmen, die Russen gegen uns in Harnisch zu bringen und zn Maßnahmen zu verleiten, von denen keiner von beiden Teilen Nutzen haben kann und wird Sachlich wäre ein Zollkrieg aus dem bezeichneten Anlaß in keiner Weise begründet, weil die von deutscher Seite er grisfenen Maßnahmen sich keineswegs gegen Rußland allein richten, sondern allgemeiner Natur sind und sie überdies auf Erwägungen gcsundheitspolizcilicher Art beruhen, wie sie kein Handelsvertrag der Welt ver nünftiger Weise untersagen kann noch wird. Daß die erwähnten Maßnahmen eine formale Verletzung des hierein Betracht kommenden Vertrages bcdcu teten, w.Deu ja nicht einmal die „Agraricrsresser" mnm iürrn8«> zu behaupten; sie beschränken sich vielmehr darauf, auf angebliche „Verstöße gegen den Geist" hinzuweisen, die bekannte Vcrlcgenheitsauskunft, wenn man am Ende seines Lateins angekommen ist und nichts mehr vorznbringen weiß, was sich allenfalls hören lassen könnte. Dem sei übrigens, wie ihm wolle: der nächste Zweck der hier besprochenen Preß leistungen ist jedenfalls der, Deutschland einzuschüch lern und zur Nachgiebigkeit zu veranlassen, ohne daß von russischer Seite irgendwelche besondere Schritte gethan zu werden brauchten. Vom Standpunkte der Nachbarn wäre das verständlich genug. Wer thäte an ihrer Stelle nicht das gleiche? Das; es aber deutsche Blätier sind, die die Initiative ergreifen und den Anstoß geben möchten, das ist ein neuer trauriger Beweis dafür, wie es mit dem Nationalqefühl der Kreise bestellt ist, die das in Ordnung finden und befördern. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. ' Berlin Se Majestät der Kaiser wohnten auch gestern den Manöver» bei Görlitz bei — Wie die „Köln Ztg " aus vorzüglicher Ouelle ver sichert, betonte der Zar vor seiner Abreise, es habe ihm besondere Freude gemacht, nach der Parade an der Spitze der Fahnencompagnien zurückzureiten Die überall hervortretcnde ungekünstelte Herzlichkeit der gesamten Bevölkerung habe einen entschiedenen Eindruck aus ihn gemacht, nicht weniger die Anhänglichkeit der Lunst und Wissenschaft. „Godoleva". Musikdrama von Edgar Tinel Einen ähnlichen, in seinen Gegensätzen nur weniger scharf durchgeführten, asketischen Vorwurf, wie in seinem Oratorium „Franziskus", hat Edgar Tinel diesmal zur Grundlage seines tondichterischen Schaffen» gewählt: „Godoleva", die Geschichte des Leidens einer vom rein menschlichen Standpunkte unglücklichen, weil verratenen, edlen flandrischen Jungfrau, die ihren christlichen Opfer mut mit dem Tode besiegelt. Godoleva ist eine rührende Gestalt wie Elisabeth im „Tannhäuser". Beide sind christ liche Dulderinnen von höchstem Adel der Seele, wie sie uns aus den gläubig-naiven Legendenbüchern de» frühen Mittelalters geläufig sind Hier sei, nach der jüngsten Nummer der „Mitteilungen" von Breitkopf u. Härtel, in kurzen Umrissen der äußere Gang der Handlung deS Tinelschen MusikdramaS wiedergegebcn Godoleva, die Tochter des Grafen Heinfried aus Londesort, ist von Bertholf, einem wilden, tapferen Ritter, zum Ehegemahl begehrt worden Nicht die Liebe zu Godoleva ist es, die Bertholf zu diesem Werben veranlaßt, sondern persönliche Eitelkeit, stolzer Hochmut und Rachsucht gegenüber einem von ihm aufs tiefste gehaßten Mitbewerber. GodolevaS Herz hat bisher nur für die Armen, die Enterbten, ge schlagen, deren bitteres Los zu erleichtern sie nach Kräften bemüht ist. Die fromme Jungfrau, deren reiner Sinn danach trachtet, allen göttlichen und menschlichen Satzungen im weitesten Maße gehorsam zu sein, willigt in dies Ehebündni» in kindlicher Liebe ein Ist es doch der Wunsch ihre« Vaters, daß sie dem stattlichen, mächtigen und gefürchteten Ritter Bertholf die Hand reiche zum Lebensvunde Bertholf» Begierde ist beim Anblick ihrer Schönheit entbrannt, seine wilde Leidenschaftlichkeit jedoch hat Govoleva peinlich be rührt. Durch ihre schüchterne Zurückhaltung verändert sich Bertholfs Liebe bereits am Hochzeitstage in Haß So sehen wir gleich zu Beginn des Dramas zwei einander innerlich fremd gegenüberstehende Personen, deren ferneres Schicksal uns einerseits mit sympathischer Teilnahme, ander seits mit — wenn man so sagen darf — „abweisendem" Interesse erfüllt Die erste Szene des ersten Aufzugs stellt den Festsaal auf Heinfrieds Burg Londefort dar, welchen Godolevas Gefährtinnen Elsa und Oda und deren Kammerfrauen mit Blumengewinden schmücken, während dic Waffenkncchtc kriegerische Embleme an den Wänden aufhängen An mutig hebt sich der Gesang der kränzewindenden Frauen von den Chören der Männer ab, um sich dann zu ge meinsamem Begrüßungslied zu vereinigen Nachdem die Waffcnknechte den Saal verlaffen haben, erhebt Elsa bittern Klageruf und bricht in Thränen aus über das Geschick, dem Godoleva, gehorsam ihres Vaters Wunsche, entgegengeht Dann ertönen Hörnerklänge und Heinfried mit Edelfrauen und Rittern betritt den Saal, Eustach« (Heinfrieds Lehens herr) und Bertholfs Ankunft verkündend Letztere, von Reisigen und Rittern geleitet, erscheinen im Hintergründe und werden von Heinfried und dem Chor begrüßt Nun wird auch Godoleva im Brautschmuck in den Saal ge leitet und Bertholf, der von ihrem Anblick tief entzückt ist, zugeführt. Der Zug ordnet sich zum Kirchgang Sodann wird vom Hausgesinde da» Hochzeitsmahl ge rüstet Die Festgäste kehren au« der Kirche zurück und lasten sich an der Tafel nieder Godoleva ist still und in sich gekehrt und vermag die frohe Lust der Gäste nicht zu teilen Bald brechen die HochzeitSgäfte aus und der Saal leert sich allmählich, in welchem nur Berthols mit Godo leva zurückbleibt, ihr mit höhnenden Worten bedeutend, daß er, ein rauher Kriegsmann, eine« Weibe« Thränen nicht verstehen könne Inzwischen sind die Armen, von Elsa geführt, im Saal erschienen, die Godoleva mit Segens wünschen in ihr neues Heim ziehen lassen Die erste Szene des zweiten Aktes stellt eine Art Vor raum in Bertholfs festungsartigem Wohnsitz dar Bertholfs Knechte, an ihrer Spitze der „weinschläuchige" Hakka, er warten die Rückkehr ihres Herrn und seiner jungen Frau und vertreiben sich die Zeit, so gut es gehen mag, mit Singen und Trinken Hakka singt ein Spottliedlein aus die neue Gebieterin Jselinde, Bertholfs Mutter, eine Art Ortrud, tritt in den Vorraum, um ihrer unfreundlichen Gesinnung gegen Godoleva unverblümten Ausdruck zu geben, und zwar nicht allein, weil sie fortan nicht mehr die Herrin sein wird, sondern weil Godoleva ihr wegen de« Rassenunterschiedes verhaßt ist Daher auch der Spott name „Krähe", den sie der Schwarzlockigen beilegt Horn rufe verkünden des jungen Paares Ankunft Die Knechte verlasten die Szene, die nun Berthold mit Godoleva und Ge folge betreten Der BegrüßungSgesang der Mannen gipfelt in der fröhlichen Aussicht aus eine reichliche Schmauserei und Zecherei Während das Gefolge den Festsaal betritt, bleiben Bertholf, Godoleva und Jselinde in der Vorhalle Godoleva sucht sich Jselinden demütig bittend zu nähern, doch diese ergeht sich in Schmähungen Darauf erwidert Bertholf in größter Herzlosigkeit: „Ja, ich ließ mich jäh verblenden, Doch die Schande werd' ich wenden! Was ich wollte, ist vollsührt: Hab', der Rache kühn beflissen, Dem verhaßten Feind entrissen, Tie er sich zur Braut erkürt!" Hierauf wird er von seiner Mutter in den Festsaal zu seinen Zechgenosten geführt, während Godoleva Gotte» Beistand in dem ihr bevor stehenden schweren Leid, das sie vorherahnt, erfleht Jselinde heißt sie, sich des Brautschmuck» entledigen und führt sie fodann unter höhnenden Worten, während von innen Bertholfs Trinkgesang herausschallt, zum Seiten- ausgange der Vorhalle hinaus Ta» zweite Bild stellt den Burghof zu Ghistel dar Bertholf und seine Freunde brechen zur Jagd aus Godoleva und Elsa, mit Hand arbeiten beschäftigt, sitzen aus einer Bank. Elsa singt ein schwermütiges, sehnsüchtiges Lied Nach kurzem Zwie gespräch zwischen beiden Frauen naht ein Zug armer Leute, die Godolevas Mildthätigkeit anrusen wollen Mit Kleidung und Brot beschenkt, verlasten die Armen dankerfüllt wieder den Burghof. Riprim bleibt zurück, Godoleva mit teilend, daß Bertholf der Vater ihres (Riprims) Kindes sei Godoleva ist ob dieser Eröffnung wie erstarrt. Toch auch jetzt siegt ihr Gottvertrauen Während Godoleva ins Hau» geht, kommen die Jagd- genossen zurück Bertholf tritt, später als diese, verstört auf und bezichtigt Godoleva der Überredung, derzusolge Riprim ihm autzgewichcn fei Godoleva ist indessen zurück gekehrt und sleht um Bertholf» Liebe In dem Augen blick, da er sich, seinen Haß vergessend, ihrem süßen Zauber hingeben will, erscheint Jselinde, die Spott und Hohn über ihren Sohn als einen von falschen Weiber- thränen schnell besiegbaren Feigling ergießt Bertholfs Rohheit kehrt wieder zurück Jselinde schleppt Godoleva von der Bühne hinweg. Dritter Aufzug Berthols ist e» durch Ränke gelungen, >u erreichen, daß Godoleva au» seiner Burg Ghistel ent floh Emen teuflischen Plan unterbreitet er nun seiner Mutter Jselinde: Kraft seine« guten Rechts will er Godolevas Rückkehr heischen und die Ahnungslose, während er eine Reise vorschützt, durch seine Tienstmannen ermorden lasten Ta nahen Bischof Radbod und der Sendling de» Grasen v Flandern mit Reisigen, deren Gesang schon hinter der Szene erklingt Mit erheuchelter Unterwürfigkeit fragt Bertholf nach seiner Schuld und gelobt, da sie ihm von Radbod bekannt gegeben, Reue und Treue Daraus wird Godoleva zurückgesührt und sie erscheint versöhnt mit dem rachsüchtigen Gatten. . Da« nächste Bild führt un» in einen düsteren Raum der Burg Ghistel Berthols in
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