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Nummer 21V — 23. Jahrgang SmiN wöchtl. Bezugspreis: f. September 2 R.-M. ausschtz Bestellgeld. Berechnung der Anzeigen nach Rent.-Mark. Preise: Die emgespaltene Petitzeile 30 f. Familien« u. Vereinsanz., Gesuche 2V Ä. Die Pettt-Reklamezeile 89 mm breit, 1 Offerten gebühr für Selbstabholer 2V 'H, bei Uebersendung d. d. Nost ausserdem Porto« zuschlag. Preis f. d. Einzelnummer 10 Rrnten-Pfennig. Geschästlicher Teil: Josef Fohmann. Dresden, SäMMe Mittwoch, 1V. Sept. 1921 Im Falle höherer Gewalt erlischt sed« Berpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anz.-AuftrSgen u< Leistung v. Schadenersatz. Für undeutlich u. d. Fernspr, übermittelte Anzeigen übernehmen w'r keine Per« antwortung. Unverlangt eingesandte u. mit Nückportri nicht versehene Manuskripte werden nicht aufbewahrt. Sprechstunde der Redaktion k bis g Uhr nachmittags. Hauptschriftletter: Dr.JosesAlbert.DreSden, volrszeltung Tageszeitung für christliche Politik und Kultu MSWM« - MWIlmn Illlll BW ' M Bell »kl Ui», - M M Lklikll Redaktion der rckchfts»«« Dresden-A. 16. HolbetnstraßcSS. sternrus und SSSSS Artikel 231 Die Kriegsschuldfrage als Sensation MiiWii« M der« Berlin, 9. September. Das Publikum ist recht zurückhaltend geworden. Die Kausordres des Auslandes haben angesichts der möglichen Kom plikationen. die die Kriegsschuldsrage für unsere auhenpoli- tische Lage ergeben könnten, ebenfalls nachgelassen. Ein heimische Anleihen wenig beachtet, doch bleibt hier das Kurs niveau immerhin recht fest. Stark beachtet sind ausländische Renten, wie türkische, bosnische und ungarische Anleihen. Es war zu erwarten, datz die Sensationsmeldungen, die In den letzten Tagen über die Notifizierung des deutschen Memorandums über die Kriegsschuldsrage verbreitet wurden, ihre Wirkung auf die Börse nicht verfehlen würde». Wieder einmal steht der unsinnige Artikel 231 des Versailler Friedens- Vertrages im Mittelpunkt des Interesses. Das eigenartige der Lage ist darin zu sehen, das; der Kanzler und der Außenminister nicht in Berlin sind und alle amtlichen Stellen sich deshalb grötzte Zurückhaltung auserlegen. Endgültige Entscheidungen werden erst nach der Rückkehr der leitenden Männer getroffen werden. Die „Zeit" ivenoet sich in einer Notiz gegen die SenscüienS- ineldnngen und Vermntnngen, die an den gestrigen. Schritt des französischen Botschafters geknüpft werden sind und schreibt: Die Mitteilung. Vas; Reichskanzler Dr. Marx in der Frag» VeS Eintritts Deutschlands in den Völkerbund einen Brief an Hcrriot gerichtet habe, ist ebenso unrichtig, wie die Meldung, das; der Reichskanzler ans die Notifizierung der KnegsschulS- erklänrng verzichtet habe. Alsdann kommt vas Blatt ans die Stellung der in Genf nnwcscnden deutschen Pazifisten zu sprechen und erklärt: Die Herrschaften haben eS fertig bekommen, sich von H err > ot empfangen nnd einen Vortrag über die Kriegsschnldfrage wie die Entwaffnung Tentschtanos halten zu lassen. Noch merk- wnrdiger ist es, das; sich vier in Genf befindliche Journalisten veranlaßt gesehen haben, den Reichskanzler telegraphisch an- znrnsen nnd ihn ans patriotischen Gründen um Unterlassung der Notifizierung der deutschen Anpassung über die Kriests- schuldsrage zu ersuchen. Die Herren sind anscheinend von der Bedeutung ihrer Persönlichkeiten etwas gar zu sehr überzeugt. Ucbcrhaupt muß in diesem Zusammenhang von journalistcschei» Standpunkt sehr entschieden dagegen Verwahrung eingelegt wer den, in wie unwürdiger Weise sich deutsche Journalisten um die Gunst Macdonalds und HerriotS beworben haben. Schließlich sei noch ans die Behauptung hingewiese», der Pazifist Gras Harrh Keßler sei vom Auswärtigen Amt als offizieller Be obachter nach Genf geschickt worden. Wir können initteilen, oaß an dieser Mitteilung kein wahres Wort ist. W eine imrWe «rm? Paris, 9. September. Die Pariser Presse steht noch immer unter dem Ein druck der aus Berlin angekündigten Veröffentlichung eines Memorandums zu der K r i e g s s ch u l d f r a g e. Nach de» letzten Meldungen soll die Veröffentlichung vorläufig unter bleiben. Indessen laute» die diesbezüglichen Nachrichten ziem lich unklar und es uimmt nicht ivunder, das; der französische» Presse sich wachsende Nervosität bemächtigt, die auch auf die politischen Kreise übergreift. Von einer Seite, die als gut untcrichtet gilt, verlautet, das; die sranzösischc Regierung, die sich auf alle Eventualitäten gefaßt mache, eine Gegenschrift ausarbeiten lasse, die sofort nach Ueberreichung des deutsche» Memorandums der Oesscntlichkeit übergeben werden soll. Vorläufig setzt — und das ist ein neues Zeichen der Situation, eine gewisse Stimmungsmache in der Presse gegen die A u f n a h m e D e u t s ch l a n d s in den Völkerbund ein. Nach gewissen Anzeichen zu schließen, ist sie auf frühere Weisungen zurückzuführen. Die Information sucht nachzuweisen, das; mit der Aufnahme Deu-tschlands in den Völkerbund die Beschlüsse des Rates häufig nicht mehr einstimmig gefaßt würden und man zu dem Mittel des verbundenen Mehrheits systems seine Zuflucht werde nehme» müssen. Auch der „Temps", der stets für den Eintritt Deutsch lands in den Völkerbund war, predigt jetzt starkes Mißtrauen. Er schreibt: Mit den besten Wünschen der Welt kann man nicht feststellen, daß Deutschland bereits tatsächlich Garantien erteilt. Im Gegenteil, zu dem Augenblick, zu dem man vorschlägt, Deutschland in den Völkerbund auszunehmen, bekundet es seinen Willen, einen der wesentlichsten Paragraphen des Versailler Vertrages, der sowohl in moralischer, wie in poli tischer Hinsicht von hervorragender Bedeutung ist, zu des avouieren. Das muß dem Vertrauensseligsten zu denken geben, wenn er sieht, welche Wege die deutsche Politik beschreitet. Der „Temps" schreibt die gegenwärtige Haltung der Reichs- regicrung dem Einfluß der Nationalisten zu und spricht die Bermutung aus, daß sie immer mehr in deren Fahrwasser gerate. Pariser Angriffe auf Slresemann (D r a h t b e r i ch t unserer Berliner Vertretung.) Paris, 9. September. Der Berliner Korrespondent der ..Petit Puristen" schreibt über die Notifizierung des Memorandums über die Kriegs schuld f r a g c: Die Berliner Regierung steht in dieser An gelegenheit unter dem Druck der Rechten. Die Kontroverse kann nur dazu beitragen, die Atmosphäre zu verschlechtern. Tic deut schen Rechkskreisc wolle» nach Annahme des Londoner Abkom mens, das eine vorläufige Regelung darstcllt. einen Feldzag gegen die T r r r i t o r i a l b c st i in »> u » g c n des Versa i 1 - lcr Vertrages einleitc». lieber die Stellung, die Strese. nio.nn und Marx in dieser Frage cinnchmcn, schreibt der Kor respondent: Am 25. nnd 26. August hätte Strcsemann, der mit einem Fuße im Lager der Deutschen Volks-Partei und mit dein anderen Fuße bei den Tenychnationalen stände, sich formal gegenüber den Dentschnationalcn verpflichtet, daß die Negierung eine feierliche Erklärung in der Kriegsschnldfrage veröffentlichen werde. Trotz der von Freiherrn von Maltzahn bezüglich der Opportunität einer solchen Eiterung erhobenen Einwendungen, sei die Veröffentlichung erfolgt. Streseinann, der tninicr glaube, daß die Zukunft rechts liege, habe seinen Plan nicht ansgegeben, er habe es aber verstanden, bisher die ganze Verantwortung dem Reichskanzler Marx zuznschieben. (Daß Streseinann der Liebling der sranzösischen Rechtspresse ist, weiß man ja schon von London her. Die Red.) AWW Wlle der »rle» Basel, 9. September. Ter Genfer Sonderberichterstatter der ..Baseler National- zeitnng", der tu seinen politischeil Leitartikeln eine starke Linls- richtnng eiiinimint, bringt die sehr sensationelle Meldung, daß der französische Ministerpräsident .Hcrriot in der Frage der deut sche» Kriegsschnldnote sich zu einem ganz außcrordeiiilichen Tcbrut entschlossen habe und in einem sehr eindringlich gehaltenen eigenhändig für den Reichskanzler bestimmten Schreibeil ans die katastrophalen Folgen hingciviescn hat, die sür das dentsch sranzösische Verhältnis nnd für die ganze Friedenk-ent- wicklnng entstehen könnten. Auch Nansen nnd Branding hätten den dentschcn Kanzler beschworen, von der Absendnng der Note Abstand zu nehmen. Wenn es dadurch gelinge, sagt der Korrespondent, eine äußere Krise zu vermeiden, so würde da durch die schon lange verzögerte innere Krise einsctze.i. Wenn Marx die von Streseman» den Teutschilationate» gegenüber über nommenen Verpflichtungen nicht halten kann, so würde Streic- maiin und mit ikm auch sei» Bürgcrblock satte». Die „Nene Züricher Zeitnng" glaubt, daß auch Macdo- iiald nicht müßig geblieben sei und seinem Berliner Botschafter im gleichen Sinne wie Hcrriot telegraphier babe. Ten zu ständige» amtlichen Stellen ist von einem Schreiben HerriotS lind von einem Schritt ocs Berliner englischen Botschafters nichts bekannt. Tie vorstehenden Meldungen sind daher mit allein Vorbehalt cuisznnchmen. Dagegen bestätigt sich die Nachricht, daß der französische Botschafter de Margerie gestern im Ans- wärtigen Amt erschienen ist und dort den Vertreter des Außen ministers, Staatssekretär v. Maltzahn. darauf aufmerksam gemacht hat, daß eine amtliche Notifizierung der deutsche» Knud- geliung über die Frage der Kriegsschuld aas das französische Volk >»„ auf die politische» führenden Kreise einen » » a » g e a e - men Eindruck machen mnrde. Die Erklärungen deS Botschafters sind zur Kenntnis genommen worden. Der kalholische Kongreß Wir gebrauchen diese Ueberschrift anläßlich der Tagung der katholischen Akademiker Deutschlands. Mit Recht glauben wir sie gewählt zu haben, weil wir in einer solchen Veranstaltung eine Konzentration und eine Neuorientierung des katholischen Lebens erblicken. Man bezeichnet mit diesem blendenden Wort so manche Zu sammenkunft' politischer und staatsmännischer Führer- qualitäten. Wir wissen, was aus solchen politischen Kon gressen an Worten und pomphaftem Raffinement ver schwendet wird, wie über Völkergeschicke, über Leben und Glück von Nationen, dabei in mehr oder weniger leichtfertiger Weise entschieden wird. Mehr als große Komödiantenspiele sind diese politischen Tagungen des halb meistenteils nicht. Aber wir verstehen unter eitlem Kongreß mehr als ein solches Spiel der Kräfte. Von jeher bedeutet der Akademiker für die Allgemeinheit nichts anderes als Ideenträger, als Bewahrer der Wahr heit, als Suchender nach neuen Lebensquellen, und des halb als Führer. Wenn diese Ideenträger einmal im Jahre zu einer großen Gemeinschaft sich versammeln, so ist das ein Kongreß im wahrsten Sinne, und zwar in unserem Falle ein katholischer Kongreß. Der Umstand nun. daß der Akademiker der geistig hervorragende Träger des katholischen Lebens ist, soll uns nicht etwa glauben machen, daß neben dieser Aka demikerschaft das Verdienst des Laienvolkes ein Ding zweiter Ordnung sei. Wir müssen immer unterscheiden: Ideenträger und die von diesen Ideen gespeiste Masse. Vielfach bewegt sich die erste Gruppe in der Theorie, die zweite in der Praxis. Die zweite ist von der ersten ab hängig. Wir verstehen aber gleichzeitig, das; die erste Gruppe, die Intellektuellen, eine doppelte Verantwor tung trägt: Für sich selbst und für die anderen. Die Akademiker haben verschuldet, daß in der Vergangenheit der Katholizismus so oft mißachtet wurde. Sie haben nicht den Mut besessen, ihn öffentlich so zu bekennen, wie es notwendig war. Der katholische Glaube ist von einem großen Teil der sich katholisch nennenden Aka demiker allzulange als Stiefkind behandelt worden, als etwas, das man in Lumpen gewickelt mit sich trug, das man deshalb aber, weil man es so armselig einhüllte, niemanden zeigen durfte. Die Akademikerschnft ist schuld daran, wenn un serem Volke so viel Kampf und religiöse Qualen auf- gezwungen wurden, weil immer dann, wenn die Führer einer Gemeinschaft versagen, die Gemeinschaft als solche die Folgen tragen muß. Wir haben das deutlich in der Politik bemerkt. Wir haben das noch deutlicher in den Kulturen und Konfessionen bemerkt. Zwar haben wir auch in der Vergangenheit Führer gehabt, große und ehrliche Führer. Aber sie blieben vereinzelt. Was uns fehlte, war, daß die ganze katholische Intelli- genz zu einer geschlossenen Einheit wurde. Sie hätten das werden können, wenn sie gewollt hät ten. Sie Hütten unendlich vieles im alten und im neuen Staat dem katholischen Volk an Drangsalen er sparen können. Wir haben dieser Verantwortlichkeit der Akademiker schaft hier Erwähnung getan, um die Teilnehmer der Dresdner Tagung auf den Ernst dieser Tage hinzu- weisen. Diese Tage sind dazu da, das Höchste, das Leuch tendste, was der Mensch an Idealwerten besitzt, von neuem rein auf das entfaltete Banner zu schreiben. Die ses Banner nimmt sich um so edler und farbenprächtiger aus, als es gerade in Mitteldeutschland aufge» rollt wird. dort, wo noch im vergangenen Jahr ein ganz anderes Symbol, das rote Tuch der Sowjets auf allen Straßen und in allen Winkeln flatterte, wo noch im ver gangenen Jahr in entlegenen und einsamen Dörfern so wohl wie in der Residenz dieses mitteldeutschen Staates um die Existenz unseres Glaubens, nämlich um die katholische Kindererziehung in den Schulen, ernst und bitter gerungen wurde. Die Akademikerschaft brauchte deshalb keine Bedenken zu hegen, gerade bei uns ihre Tagung abzuhalten. Wir wissen, daß ein Akademiker mit einem Gefühl der Selbstbewußtheit zu solchen Ver anstaltungen kommt, wie es die Herbsttagungen sind, weil er doch eben Akademiker ist und als katholischer Akademiker sich auf einer gewissen Höhe der Katholizität fühlen darf. Wir wissen, daß ein Akademiker, besonders wenn er aus den katholischen Provinzen des Westens oder des Ostens, oder aus den katholischen Ländern des Südens gekommen ist, mit einem gewissen Gefühl des Mitleides (wir wollen nicht sagen Herablassung) auf die „Verhältnisse in der Diaspora" herabblickt. Man mag dieses Wort als hart empfinden, man mag es verstehen wie man will, eine Wahrheit steckt darin. Man ist an den Glanz des Katholizismus in der Heimat gewöhnt, man liebt so sehr die Pracht der Kölner Metropole, die innige und wunderbare Harmonie des katholischen Vol kes in Westfalen, im Süden und Osten des Reiches. Und darum ist für diese Akademiker die Diaspora nicht so vollwertig wie ihre eigene Heimat. Nichts destoweniger aber war für sie Dresden ein mächtiger Anziehungs punkt. Eine Kunststadt mit Prachtbauten und ewigen Monumenten. Diese Stadt mar daher geeignet, sie über den Alltag des Lebens hinwegzubringcn, der Seele eine neue Stimmung zu geben. Die übrigen zwar, die auch in ihrer Heimat keinen Prunk, keinen Glanz, keine Aeußerlichkeiten kennen und sehen, die selbst aus irgend einer Diaspora zu uns gekommen sind, diese Akademiker kamen mit Liebe und mit Sehnsucht zu ihren Brüdern. Wie schon betont, wollen wir gegen keinen Aka demiker einen Tadel aussprechen. Jeder war uns will kommen. Und es ist gut, daß die katholische Intelligenz sich in Dresden eingefunden hat. Wir haben keine Lust, einen Hehl daraus zu machen, daß wir katholisch sind. Wir haben keine Lust, etwa weniger Freiheit für u n s, zu verlangen, als jene sich selbst an Freiheit gegeben haben, die in den Novembertagen von 1918 das rote Mitteldeutschland proklamierten. Nur daß wir einen anderen Begriff von Freiheit haben und deshalb die wahre Freiheit umso nachdrücklicher lieben und fordern. Es hat Zeiten gegeben, wo der Katholik in der Diaspora glaubte, er dürfe den Mund nicht auftun, »m seines Glaubens irgendwie Erwähnung zu tun. Wir haben nie von Mundkatholiken viel gehalteil, aber cs gibt doch Augenblicke im Leben, wo der Katholik zum Bekenner werden muß. und zwar zum öffentlichen Bekenner. Diese heimlichen Zeiten sind vorbei. Was wir in der Jugend geworden, was mir in der Schule des Lebens als wahr erkannt haben, das zu bezeugen, sind wir heute entschlossen. Aus diesen Betrachtungen heraus ergibt sich von selbst die Hauptaufgabe der jetzigen Tagung. Das katho lische Volk wartet ans seine Führer. Es horcht auf jeden Pulsschlag katholischen Lebens, das sich irgendwo im Lande regt. Darum sind solche Kongresse eine Zeit der Ernte, die die Schnitter nicht ungenützt vorübergehen lassen dürfen. Die katholische Kirche hat ihre Lebcns- und Glaubenssätze unzweideutig in Wart und Schrift sestgelcgt. Sie sind zu Dogmen für das katholische Volk geworden. Aber genügt das für uns? — Wir müssen