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OerMches und Sächsisches. Dttendorf-Dkrilla, 9. Januar 1904. — In Sachsen wird jetzt an jedem Bogen Papier gespart. Die Bezirkssteuereinnahmen und Gemeindebehörden sind vom Finanzminis terium veranlaßt worden, künftig in der Ver wendung der vom Finanzministerium zur Ver fügung gestellten Formulare größere Sparsamkeit walten zu lassen. — Turnwesen. Das Turnfest in Nürnberg hat im Gegensatz zu den früheren ähnlichen Veranstaltungen einen Ueberschuß von rund 6000 Mark erbracht. Auch das Schweizer Turnfest, das zu gleicher Zeit in Zürich ab gehalten wurde, hat troß der ungünstigen Witterung einen Ueberschuß von 21427 Frks. erzielt. — Die Erste Kammer des nach den Wcih- nachtvfrrien wieder zusammengelretenen sächsischen Landtag» ließ gestern eine Anzahl Petitionen auf sich beruhen, die Zweite Kammer genehmigte fünf Kapitel de» ordentlichen Staatshaushalts- elats für 1004/05, betr. da» Departement der Finanzen. — Der Bund deutscher Gastwirte, der seinen Sitz in Leipzig hat, beschloß jüngst in Ver folgung früher gefaßter Beschlüsse an die Kriegsministerien der deutschen Bunderstaaten und an sämtliche Generalkommandos eine Petition um Milderung des sogen. Militär- verdotS zu richten. Medingen. Im Johannstädter Kranken hause in Dresden fand am Dienstag ein hiesiger Brauer Aufnahme, der in der Viktoriabrauerei beim Adnehmen eines Treibriemens mit dem linken Arm in die Welle geraten war und dabei einen offenen Ellenbogenbruch davon- getragen hatte. Dresden. In dem bei der Königlichen Amtshauptmannschast Dresden-Neustadt gestern zu seiner ersten Sitzung im Jahre vollzählig versammelten Bezirksausschußkollegium hatte der vom letzten Bezirkstage an Stelle des ver storbenen Herrn Kaufmann Franz Nolhe in Radebeul als Mitvertretrr der Höchstbesteuerten im Verwaltungsbezirke neugewählte Herr Fabrik besitzer Bruno Schiffl aus Großokrilla erstmalig Sitz und Stimme. Nach Begrüßung und Ein weisung desselben durch den Amtshauptmann, Herrn Geheimen Regierungsrat Ritter von Craushaar, wurden zunächst Angelegenheiten der Bezirksverwaltung und Bezirksanstalt ge schäftlicher Art erledigt. Kötzschenbr 0 da. Das rätselhafte Ver schwinden der 17jährigen Dienstperson Johanne Elfriede Jörissen von hier ist, wie die „Dresdn. Nachr." melden, noch immer nicht aufgeklärt. Wegen Mißhandlung derselben waren ihre Eltern vom Schöffengericht zu insgesamt 1000 Mark Geldstrafe verurteilt worden; in dem erstinstanzlichen Termin war die Verletzte er schienen, dagegen in der Berufungtzverhandlung ausgeblieben, seit jener Zeit ist sie spurlos ver schwunden. Für ihr unentschuldigtes Ausbleiben belegte sie das Berufungsgericht mit 10 Mark Geldstrafe; diese Verfügung hat der Tochter Jörissen nicht zugestellt werden können, da ihr Au,enthalt noch immer nicht ermittelt ist; es mußte deshalb die Zustellung auf öffentlichem Wege, durch Aushang am GenchlSbrett, er folgen. Da» gegen die Eltern der Genannten ergangene Urteil ist inzwischen rechtskräftig ge worden, sie haben die Geldstrafe entrichtet. Allgemein gespannt ist man; wie sich das Ver schwinden der Tochter Jörissen noch auf klären wird. Oberlößnitz. Ein zwölfjähriges Schul mädchen aus Radebeul ist am 2. d. M. einem scheußlichen Verbrechen zum Opfer gefallen. Ein Unbekannter lockte das Mädchen nach dem Aussichtsturm der Bilzschen Naturheilanstalt. Leider ist man des wüsten Menschen noch nicht habhaft geworden. Er ist von mittlerer Größe, bartlos und spricht einen fremden Dialekt, welchen das Mädchen nicht näher bezeichnen kann. Er trug einen schwarzen runden Hut, einen dunklen Ueberzieher mit Sammetkragen und eine schwarzgestreifte braune Hose. Meißen. Die Lage in der Ofenbranche ist noch immer nicht geklärt. Zwar ist am letzten Sonnabend der Streik in Fürstenwalde, wie schon vorher in Velten, endgiliig beigelegt worden und die anderen Verbandsfabriken, auch die in Meißen, sind bereit, die Ausgesperrten nach Bedarf wieder einzustellen und in erster Linie die Verheirateten zu berücksichtigen; die Organisation der Töpfer fordert aber, wie die sozialdemokratische Presse mitteilt, Einstellung aller Auögesperrten. Ob dazu die Fabrikanten in der Lage sein werden, da sie doch während der Aussperrung Hilfskräfte einstellten, teilweise sich auch Maschinen zulegten, ist die Frage Neue Konflikte sind daher nicht ausgeschlossen. Vorläufig ist die Arbeit noch nicht wieder aus genommen. — Die Aussperrung der Töpfer ist beendet. Die Arbeit ist gestern mittag wieder ausge nommen worden. Meißen. Die Gattin eines Handwerks meisters verlor vor Weihnachten ihren Trauring. Sie suchte ihn überall, der Ring blieb aber verschwunden. Als die Frau nun vorgestern beim Kaffee saß und in ein Stück selbstge backenen Stollen hineinbiß, merkte sie einen harten Gegenstand in dem Gebäck, und siehe da, der vermißte Trauring wurde au» dem Stollen zu tage gefördert. Er war also beim Teigwirken unbemerkt in den Teig gelangt. Großenhain. Als am Dienstag ein mit orei großen Fässern Spiritus beladenes Geschirr des Rittergutes Frauenhain auf dem Berliner Bahnhofe zum Abladen bereit stand, scheuten vie Pferde des Geschirrs v.w dem um 3 Uhr einfahrenden Schnellzuge. Dabet zerriß das Fahrzeug in zwei Teile, Ladung und Kutscher fielen herab und die Pferde gingen mit dem Vorderteile des Wagens durch. Während der Kutscher unversehrt blieb» war ein Faß der Ladung doch so beschädigt, daß es auslief. Die Pferde waren mit dem mitgenommenen Wagen- teile an einem Hydranten hängen geblieben und hatten diesen abgebrochen. Auch die Pferde haben Verletzungen davongetragen. Großenhain. Montag abend gegen »/i9 Uhr verunglückte auf der Straße von Naundorf nach Folbern ein Automobil. Da ein Unbekannter einen Baumpfahl über die Straße gelegt hatte, sauste das Automobil so gewaltig an einen Baum, daß die Achse ver bogen wurde und die Insassen das Automobil selbst nach Großenhain transportieren mußten. Blochwitz. Ein Treiben auf Wilderer fand soeben im Forste Graf Münsters und im Blochwitzer Holze statt. Es war dasselbe Ort rander dreiblättrige Wilderer-Kleeblatt, das kürzlich schon in Großenhain an AmtsgerichtS- stelle gepflückt wurde, was sich wieder bemerkbar machte. Graf Münster war persönlich zu Pferde hinter den Wilderern drein und stellte auch mit Hilfe einer Anzahl Blochwitzer Ein wohner nach langer Jagd alle drei, den Former H-, den Bildhauer H. und den Uhrmacher G. aus Ortrand fest. Der Blochwitzer Jagdvor stand hatte auf die Ergreifung der Wilderer, die am 1. und 2. dieses Monats entwischt waren, eine Prämie von je fünfzig Mark ausgesetzt. Lommatzsch. Der wegen verschiedener Betrügereien polizeilich verfolgte IS jährige Bursche Dehnert von hier wurde Sonnabend in seiner elterlichen Wohnung, in der er vor einiger Zeit mit erfrorenen Füßen eingetroffen war und Unterkunft gefunden hatte, von dem Gendarm Fasel verhaftet und in das Amts gerichtsgefängnis eingeliefert. Stadt Wehlen. In unserer sonst so friedlichen Nachbargemeinde Dorf Wehlen scheint es unheimlich zu werden, denn in vergangener Nacht entstand zum drittenmale innerhalb 14 Tagen ein Schadenfeuer, dem das Wohnge bäude und die Scheune des Wirtschaftsbesitzera Nr. 4. Sonnlag, den 10. Januar 1904. Schieckel zum Opfer fielen. Es konnte wenig gerettet werden. In allen drei Fällen vermutet man Brandstiftung. Seifers darf bei Rabenau. Ein be lustigendes Intermezzo, das für den Schaden tragenden freilich weniger angenehm gewesen sein dürfte, hat sich hier zugetragen. Hier wollte am Sonntag die Kapelle des Gardereiter- Regiments ein Konzert veranstalten; es war auch alles vorbereitet, Zuhörer und Musiker waren erschienen, nur die — Instrumente fehlten I Wie sich später herausstellte, war der Fuhrmann mit dem Jnstrumentenwagen anstatt nach Seifersdorf bei Rabenau nach Seifersdorf bei Radeberg gefahren. Bärenstein. Die Gemeinden des Pohla- taleS haben beschlossen, an den Landtag eine Petition um Erbauung einer Eisenbahn von Bärenstein nach Wiesenbad mit gleichzeitiger Einmündung in die Bahnlinie Annaberg — Chemnitz einzusenden. Niederneukirch. Der Typhus hat hier seinen Einzug gehalten. Das erste Opfer der Seuche war ein Waldarbeiter namens Höntzschel. Ueber 20 Personen liegen an der Krankheit darnieder. Auch diesmal wird der Grund der Erkrankungen im Trinkwasser ge sucht, und es wurde gestern bereits ein Brunnen geschloffen. Lobenstein. Die Pächter der Jagd von Lothra haben dieser Tage aus einem Bau vier Dachse im Gewicht von 23 bis 28 Pfund ausgegraben. Aussig. Am Dienstag fuhren der 14 Jahre alte Alois Wolf und der 8 Jahre alte Eduard Baumgärtner auf einem Schlitten von Tellnitz bis zu der dort befindlichen Bahnüber setzung der Dux-Bodenbacher Eisenbahn so schnell herab, daß sie den Schlitten nicht mehr anhalten konnten, sondern durch die Herabge laffenen Schranken fuhren und an ein Trittbrett des eben einfahrenden, von Dux kommenden Personenzuges anrannten. Ein Wächter und der Kondukteur des Zuges gewahrten die Gefahr, in der die Kinder schwebten und rissen sie mit aller Gewalt zurück, wodurch sie glücklich gerettet wurden. Gegen die Mutter des einen Knaben wurde wegen Unterlassung der schuldigen Auf sicht Anzeige erstattet. Penig. Das von den städtischeu Kollegien beschlossene Dreiklaffenwahlrecht für die Stadt oerordnetenwahlen in Penig ist bereits von der Kreishauptmannschaft genehmigt worden. Chemnitz. Wie das „Chemn. Tagebl." aus zuverlässiger Quelle erfährt, hat die Kgl. Generaldirektion der sächsischen Staatsbahnen fünf schwere Güterzug - Lokomotiven bei der Sächsischen Maschinenfabrik vormals Richard Hartmann in Auftrag gegeben, dabei aber weitere belangreiche Aufträge nicht in Aussicht stellen können. Seitens der italienischen Mittel meerbahn ist eine Bestellung auf sechs schwere siebenachsige Tenderlokomotiven eingegangen. Um so dankenswerter ist der Auftrag der preußischen Regierung. Leipzig. Während der Weihnachtszeit sind durch die hiesigen Postämter 680596 Pakete (26 322 mehr als im Jahre 1902) be fördert worden. Daß ein solcher Riesenverkehr glatt und schnell bewältigt werden konnte, ver dient die größte Anerkennung. Werdau. Die Gesellschaft Motorenfabrik Werdau, Aktiengesellschaft, die sich seit längerer Zeit in ungünstiger Lage befindet, beruft eine außerordentliche Hauptversammlung auf den 16. Januar ein zur Beschlußfassung über die Auflösung der Gesellschaft. Meerane. Der hiesige Kirchenvorstand beschloß, die Stadtkirche für den Preis von 18000 Mark mit einer neuen Orgel au«zu- statten. Mit ihrer Lieferung soll die Firma Gebrüder Jehmlich in Dresden beauftragt werden. Crimmitschau. In Sachen des hiesigen Aerztekonflikts mit der Ortskrankenkaffe V ist es noch nicht zu einer Einigung gekommen. Ottendorfer Zeitung. Vie „«Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch dir Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „handel und Wandel", „Leid und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annichm« von Inserat«« bi, vormittag z« vhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeil« berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Druck und Verlag von Hermann Rühl« in Groß-Dkrilla. 3. Jahrgang. Die Aerzte verweigern ihre Hilfe für die Krankenkaffenmitglieder selbst in vielen Fällen dringender Gefahr. Da auch die Verhand lungen vor dem Stadtrat ergebnislos verliefen, hat der Stadtrat verfügt, daß die Armen-, Polizei- und Krankenhausärzte die Behandlung kranker Kaffenmitglieder übernehmen sollen. Crimmitschau. Der im Auftrag der sächsischen Regierung nach hier gekommene Herr Ministerialdirektor Geh. Rat Dr. Roscher ist am Dienstag nachmittag wieder nach Dresden zurückgekehrt, nachdem die gepflogenen Verhand lungen mit beiden Parteien ergebnislos ver laufen sind. In der hiesigen Bürgerschaft wird es tief bedauert, daß auch dieser Versuch der Regierung, eine Einigung zu erzielen, mißlungen ist. Wie gerüchtweise verlautet, stehen aber auch noch weitere Verhandlungen für die nächsten Tage in Aussicht. Die Hoffnung, eine Einigung zu erzielen, schwindet immer mehr und so dauert der Kampf in der hiesigen Textil industrie in ungeschwächter Form weiter. Mit ziemlicher Sicherheit könne konstatiert werden, daß der Kampf nicht eher sein Ende nehme, bis die Streikenden bedingungslos wieder in ^ie Fabriken zurückkehren. Die Zahl der Arbeitswilligen hat sich wieder um einige ver mehrt. Die Streikunterstützung ist wieder um 1 Mark pro Person erhöht worden. Vielen Ausständigen, die in Häusern wohnen, welche den Fabrikanten gehören, sind am 1. Januar die Wohnungen gekündigt worden. Callenberg bei Waldenburg. Verhaftet wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft Zwickau der Barbier Graichen, der als Kassierer eines Sparvereins vor kurzem 1500 Mark unterschlagen hat. Annaberg. Freiwillig in den Tod ge gangen ist der städtische Wasserwerksaufseher H. In nächster Zeit sollte H. sich vor dem Land gericht verantworten wegen zum Schaden der Stadt verübter Handlungen. Reichenbach i. V. Erschaffen hat sich in vorvergangener Nacht auf offener Straße ein anscheinend in den 50er Jahren stehender Mann, der nach den vorgefundenen Papieren mit einem Hermann Trabert aus Kottbus indentisch sein wird. Der Mann hat sich hier zwei Tage aufgehalten. In dem im Hotel zurückgelaffenen braunen Reisekoffer befanden sich über 200 Mark bares Geld, sowie Be- klcidungügegenstände. Auf einem Zettel bittet er einen Herrn in Dresden, ihn auf einfache Weise beerdigen zu lassen. Mißliche Verhält nisse scheinen die Ursache des Selbstmordes zu sein. Plauen i. V- Einen „Reinfall" erlebte in der Sylvesternacht ein Spitzbube, welcher der Wirtschaft „AugustSruh" an der oberen Bahn hofstraße hier, einen ungebetenen Besuch abge stattet hatte. Er hatte am Büffet eine kleine Geldsumme erbeutet. Als er nach weiteren Schätzen Umschau hielt, fand er ein Kästchen, aus dem ihm beim Oeffncn eine — schwarze Schlange entgegensprang. Der Dieb erschrak beim unvermuteten Anblick des „Reptils" der maßen, daß er auf alles weitere Suchen ver zichtete und Hals über Kopf entfloh. Ein — Vrxierkästchen hatte ihn in die Flucht geschlagen. Die „schwarze Schlange" fand man am andern Morgen in der Spülwanne. — Am vergangenen Sonntag hat sich hier ein Ehepaar kirchlich trauen lassen, das vor 25 Jahren die Ehe nur standesamtlich ge schloffen hatte. Das Paar feierte also am Tage seines silbernen Ehejubiläums die eigent liche Hochzeit. Oberwiesenthal. In der Nacht zum Dienstag sind auf der abschüssigen Karlsbader Straße, da, wo die Straße kurz vor unserer Stadt eine größere Biegung hat, mehrere Per sonen mit einem Schlitten verunglückt. Die Insassen wurden aus dem Gefährt hinaus geworfen, wobei ein Schriftsetzer au» Fischern bei Karlsbad einen Schädelbruch erlitt, an dem er verstorben ist.