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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.01.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-01-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920129026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892012902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892012902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-01
- Tag 1892-01-29
-
Monat
1892-01
-
Jahr
1892
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Marge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh 0 Uhr. Lei den Filialen und Annainneslelle» je eia« halbe Stunde srüher. Inserate sind stets an di« ExpeVtttsn zu richte». Druck und Verlag von E. Polz ln Leipzig Filiale«: c«» Kl«««'« Torti«. («lsretz Hahn), Uuivrrsitätsstraße 4. L,«1« Lösche, iketharinenstt. 14, pari, und KSnigSplatz 7. Organ für Politik, Localgcschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. ^-52. KreitaH den 29. Januar 1892. 8«. Jahrgang Leipzig, 29. Januar. * Das württcmberzische Königöpcrar ist auS Berlin äbzercist. Der Kaiser und viele Hobe MilitairS waren zur Verabschiedung am Babnliof. Das Königspaar reiste nach Weimar. * Der Bund es rat l> bat in seiner gestern unter dein Vorsitz des -LtaatssccretairS des Innern, Bieepräsidenten ceS LlaalSininisteriumö Or. v. Bötticher abgeballenen Sitzung die Millbeilung des Präsidenten des Reichstags, betrcsscnd'den Beschluß dcS Reichstags wegen Herbeiführung einer slatisti» scheu Ausnahme über die Lage der arbeitenden blasse dem Herrn Reichskanzler überwiesen. * Aus Berlin wird von gestern gemeldet, daß man schon in einer nächsten Sitzung die Beschlußfassung de- Bundeöraths über die zwischen Deutschland und Spanien Mille Januar in Madrid vereinbarte vorläufige Bcrlä»gc»u»g der allgemeinen Bestimmungen keS Handelsvertrages, die noch IcineSwegS die Tarifsätze einbegriff, erwartet. Die Geneh migung des BundeSraths gilt für gesichert. * Der große Gcneralstab — Abtheilung für Kriegs geschichte — wird demnächst de» milita irischen Rack laß keS verewigten GeneralseldmarschallS Grasen r. Mvltke unter dem Titel „Moltke'S militairischc Werke" berauSgrbcn. Dieselben enlbaltcn folgende Gruppen: l > die militairischc Eorrespondenz während der Kriege 1804, lbllO und l 870/71 ; 2) die Thätigkeit als Ehcs des Gcncral- siabeS der Armee im Frieden; ;i) tricgsgcschichlliche Arbeiten; 4) Aufsätze und Aufzeichnungen über verschiedene mili- irische Gegenstände. Zunächst werden aus Gruppe 4 „die militairiscke Eorrespondenz während de« Krieges von I8V4" und aus Gruppe II die Sammlung der vom Feld- inarschall den Ofsieicren des Generalstabes alljährlich gestellten „Taktischen Aufgaben" erscheinen. AuS Gruppe III wird zu nächst der erste vom Feldmarschall selbst verfaßte Theil einer in der Abthcilung für Kriegsgeschichte bearbeiteten „Geschichte res Krieges gegen Dänemark ini Jahre >848/40" erscheinen. Tiefer wird außerdem in den vom Gencralstabe berauS- gegebenen „Kriegsgeschichtlichen Eiiizelschristcn" Ausnahme nnde», wo auch die nicht vom Feldmarschall hcrrührcnbe Fortsetzung veröffentlicht wird. * Dem Kri eaSmiuister von K alte nborn-Stachau ist ein ernster Unfall rugestoßen. Als sich der Zug zur großen Öour vor den Majestäten im königlichen Schlöffe ordnete, stürzte der Kriegsminister plötzlich ohnmächtig nieder. Ter hantwirthschastSminister von Heyden und andere in der Näke befindliche Personen nahmen ihn auf; später erholte er sich wieder, so daß er sich zu seinem Wagen geleiten lassen und nach Hause fahren konnte. * Der Kampf um da-Schulgesetz nimmt, so schreibt die „Magdeb. Zeitung", immer deutlicher und schärfer den isbaratter eines Kampfes um die Fortdauer der gegen wärtigen Regierung an. Niemand bezweifelt beute mehr, daß sich, wenn die Krisis, d-e vertagt, aber nicht beseitigt ist, mit dem Rücktritt des FinanzministerS Miguel enden tollte, ibin weitere Berändernngen im Ministerium ansckließeu würden, und zwar noch über den Kreis der Personen hinaus, deren Namen bisher genannt wurden. Tie Besprechungen im Eultusmiiiisterii»», zu denen ans Wunsch dcS Kaisers außer dem nächstbetkciliglc» Minister Miguel noch Ver treter aller Parteien mit Ausnahme deS Eentrni»- biuzugezoge» waren, haben ausschließlich der innrr- politifchcn Vage, wie sie sich unter dem Eindruck des Polksschulgesctzcs gestaltet bat, gegolten. Vorgestern Morgen bat dann der Reichskanzler sich einen Immcdiat vortrag beim Kaiser erbeten, der gleicksalls nur mit der schwebenden Frage in Zusammenhang gestanden haben kann Man sagt, der Kaiser habe aus das Bestimmteste zu erkennen gegeben, daß er einem Gesetzt, daö nickt unter der Mit wirkung der Mit tclpart eien zu Stande gekommen wäre, die Sanctiou nickt erstbesten würde. Dann würden die trampsbasten Bemühungen der „Krcuzzeituiig" ver ständlich erscheinen, glauben zu machen, „daß an ein Zurück- weichen der StaatSregicrung (?) vor den Angriffen (?) deS vereinigten Liberalismus nicht zu denken sei". Und diesen Versicherungen werden dann gehässige Bemerkungen gegen Herrn v. Bennigsen beigefügl. Nicht um Angriffe des Libe ralismus handelt eS sich hier, sondern uni Bemühungen, zu verhindern, daß der Stolz Preußens, seine Volksschule, dem Ultrainontanismus auSgeantwortct werde. Man hat in diesen Tagen wieder viel von den Gefahren, mit denen die Social- tcmotratie droht, und von der Notbwendigkcit eines Kampfes gegen sie gesprochen. Es ist eine schleckte Vorbereitung aus diese» Kampf, wenn man ibu niik einem Bürgerkriege eröffnet, der die staatöerbaltenden Parteien entzweit. Unter der Mit wirkung der gemäßigten Parteien ist das Reich und da« neue Preußen ausacbaut worden. Ter frciconservativc Herr v. Kar- dorff bat Recht, wenn er davor warnt, diese Parteien zu inajorisircn und ein neues grundlegendes Gesetz aus dem Ge biete des Schulwesen« lediglich durch die konservative und die klerikale Partei zu Stanke zu bringen. DaS ist cS ja auch, was der jetzige» Krisis eine» so hochbedcutsamcn Eharakter verleiht, und daher erklären sich die persönlichen Bemühungen des Kaisers um einen versöhnenden Ausgleich. Wir wünschen ihnen Erfolg, aber er darf sich nicht vollziehen unter Preis ge bring von Grundsätzen, auf denen sich unseres Erachtens allein eine gedeihliche Entwickelung von Staat und Schule vollziehen kann. * Die „Nationalliberale Eorrespondenz" schreibt: „Nach dem heutigen überaus herauSsordernden Austreten des Enltuölninister« Gras Zedlitz im Abgeordnetenhanse ist die Situation auf die denkbar schärfste Spitze getrieben und cS herrscht eine begreifliche Aufregung in den politischen Kreisen. Gras Zedlitz glaubte den Augenblick gekommen, die Gegner seines famosen Gesetzentwurfs, vor Allem die nationalliberale Partei unk ihre Redner im Abgeordneten hause in der schärfsten Weise angreife», ja ihren an erkannten Führer, Herrn von Bennigsen, dessen Verdienste um das Vaterland die Zunge eines Grafen Zedlitz im Zaum ballen sollten, wegen seiner nculicheu Rede mit Holm und unziem lichen Redensarten, wie von der „Rütliscene im Reichstag", anfallen zu dürfen. Der Kamps wird unö ausgezwunzcn, wir nehmen ilm, wenn auch mit schweren Besorgnissen für das Wohl deS Vaterlandes, aus. Niemand anders trägt die Schuld, wenn die Erbitterung unheilvoll wächst, als der gegenwärtige EultuSministcr, der dem preußischen Staate anfdrängen will, waS selbst rin Mühler nicht gewagt bat, und jeden Widerspruch »lit Verunglimpsunzen patriotischer Männer zurückwcist." - In mehreren preußischen Provinzen werden Anstalten ge troffen, »m Städtcrage zur Besprechung des die communalcn Interessen nickt minder als die nationale Volkserziebung be rührende» VolkSschulgesetzc»,Wurfs einziiberuseii Von einem bevorstehende» rheinisch-westfälischen Skadtetag haben wir g -stcrn bereits berichtet ; wir erfahre» jetzt weiter, daß auch in den Provinzen Brandenburg und Hannover in nächster Zeit Städtciage zur Erörterung dieser Angelegenheit einberufen werden sollen. AndcreProvinzen werden obueZweifelnachsolge». In der Thal sind die Städte, deren blühendes Schulwesen durch dies Gesetz a»sS Tiefste bedrobt wird, ganz besonder« berufen und verpflichtet, ibre warnende Stimme z» erheben. Die Behauptung der Gegner, daß man im Lande mit größter Rübe und Gelassenheit diesem Schulgesetz gegenüberstche. darf nicht als berechtigt erscheine». Durch eine ungesäumte ener gische Geltendmachung dcr Stimninng in den breite» Schichten des liberalen Bürgerthumö kann noch Manche« gebessert werden. , . . * Die politische Situation in Berlin wird in In formationen, welche auf die preußischen Ministerien zurück- fiihren, als eine solche bezeichnet, in welcher unmittelbare Entscheidungen nickt zu erwarten sind. Auf konservativer Seite, namentlich aber ini Eentrum, scheint der Wunsch zu bestehen, Herrn Miguel ein Verbleibe» im Amte zu ermög liche»; von diesem Gesichtspunkte aus sind Eoncessivnen an die liberalen Parteien nicht unwahrscheinlich. Anderer seits scheint in den leitenden Rcgiern»gSkrcisen die Ansicht obzuwaltcn, daß kein Anlaß vorlicge, ein Gesetz zurilckzu- zichen oder in seinen Gruntprincipicn abzuschwächen, welchem die Mehrheit des Abgeordnetenhauses zustimmt, da cS jeden falls ungewöhnlich sein würde, de» Gang der Regierung durch die Minderheit deS Parlaments bestimme» zu lassen. Bleibt die Regierung auf diesem Standpunct stehen, der auch in der mcbrerwäbnlcn Äbendgescllschaft beim EultuS- minister überwogcn habe» soll, dann ist ein scharfer und dauernder Gegensatz zu den liberalen Parteien mit allen seinen Folgen wohl unvermeidlich. So schreibt die „Münch. Allgcm. Ztg", welckc gleichzeitig Folgendes binzusügl: Wir bemerken hierzu wiederholt, daß Herr Miguel nicht ein Ent- laffun^Sgesuch eingereicht, sonder» seine» Rücktritt für den Hall der unveränderten Annahme des BolkS- schulaesetze« in Aussicht gestellt hat. * Der „Allg. Ztg." wird aus Berlin ebenfalls mitgctkeilt, daß Fürst Bismarck dem Kaiser zu seinem Geburtstag ein Glückwunschschreiben sandte. Wie die „Allg. Ztg." hierzu bemerkt, geschieht die« regelmäßig, auch zu Neujahr. * Die Generalversammlung der nationalliberalen Partei in Breslau bat der nationalliberalen Fraction de« preußischen Abgeordnetenhauses ihr volles Vertrauen aus gesprochen, sie wolle lieber das Volks schulbesetz ablcdncn, als der konservativ klerikalen Partei Zugeständnisse machen. * Bennigsen s Ausruf zur Wiederannäherung der liberalen Gruppen (Worte, gesprochen in der Reichs tagssitzung am 22. Januar) lautet nach dem stenographischen Bericht: Wir wissen alle — ich werde Niemandem eine Schuld beimessen —, daß der große, entscheidende Einfluß, den daS liberale Bürgerthum in Stadt und Land lange Zeit hindurch vor 4870 und nach 4870 besessen und zur Geltung gebracht hat, dadurch wesentlich vermindert worden ist, daß eS de» liberale» Parteien nicht gelungen ist, sich über wirtlnchaiiiich« Streitigkeiten, seien es Schulmeinungen, seien es praktiiche Anschauungen und Gegensätze, soweit wenigstens zu ver- laudigcu, daß sie iozujagen diese« Gebiet eiuigerinaßen neutral erklärt baden, um ini Nebligen den gemeinsame» polnische» Boden aufrecht er- Hallen zu können. Das ist in der Neuheit großer politischer Verhältnisse in Deutschland nicht gelungen, obwobl es bekanntlich in manchen andere» Ländern sehr wokl möglich geworden ist im Interesse der Ausrcchkerdaltnng, Turchsiihrung und Geltendmachung liberaler Grnndlätze. Wenn nun in Folge de« Systems der Handelsverträge Zeiten kommen, in denen diese Grundsätze nicht nothwendig so schart mehr hervorzntreten brauchen, so würde das speciell für die weitere Entwickelung unserer politische» Parteien, insbesondere der liberale» Parteien, vielleicht von sehr erheblichem und, wie tch glaube, keineswegs »achlheiiiaem Einsluß sei». ES konnten Verhältnisse einlretrn in unserer inneren Entwickelung, die es wiinschenswerth, >a, vielleicht »othwendig mache» werden, daß sich >etzt dekümpsende liberale Gruppen und Männer einander wieder naher treten ans Grunde» gemeinsamer Kämpfe, welche nicht ans materiellem Boden liege», sondern aus anderen Gebielen, wo es sich um ideale Gitter, nicht uni materielle Interessen bandelt. Es würde die von mir erwartete Entwickelung infolge der Handelsverträge und die daraus sich ergebende Mäßigung de» Jntereflenkainpses zwischen Schutzzoll und Freihandel wohl dazu führe» können, daß eine größere Annäherung zwischen liberale» Männern und Parteien wieder eintrilt. ES würde das, wie gesagt, nach meiner Meinung, der tch selbst liberal stets gewesen bin und bleiben will, für die weilcre Enlwicklung i» Deutschland nur förderlich sein. Das liberale Bürgcrlhum in Stadl und Land, die liberalen Anschauungen bade» eine» Anspruch aus größere Geltung, al» sie zur Zeit besitzen. Das ist, wenn Sie es auch ansechten, meiner Meinung nach über allen Zweifel erhaben und schon daraus abzunebmeii. daß ein genialer conservaltver Staats mann, als er in der Lage war, die neuen Fundamenle zu legen in Deutschland für Verfassung und Gesetzgebung, als wesentliche Be- stondtheile derselben die liberalen Grundsätze, welche übrigens das historisch erwachsene Gemeingut von ganz Westeuropa waren, nicht vermeiden konnte aufzunehme» zunächst in seine Entschließungen und todann i» Verfassung und Gesetze. Ein weiterer Beweis für meine Behauptung liegt darin: als nachher, wie ich vorhin angedeulet lmbe, durch eigene Schuld die liberalen Grundsätze und Parteien in idrer Bedeutung haben zurücktreten müsse» wegen eines überflüssig erbitterte» Kampfes der liberalen Parteien »nlereinander — ist es da möglich geworden, ii» Große» und Ganzen an diesen Grund lage» irgend etwas Wesentliches zu ändern? Zeit genug ist dazu gegeben, wo die liberale Vertretung so in der Minderheit war, daß inan conservativrrseils Wesentliche« hatte ändern können, wenn man überhaupt im Stande gewesen wair, etwas Anderes »nd Besseres an die Stelle zu setzen. Daß das nicht geschehen isl.cheweisl, daß biete Grundlagen — nicht ausschließlich, aber im weteuttiche» liberale — sür Versastung und Gesetze die richligen waren, als man sie ergriss, um das Gebäude ru errichten, und day sie auch die richtige» geblieben sind, alo inan später nicht tm Stande war, gar nicht einmal ernstlich versuchte, dieses Gebäude, obgleich man es batte »nternehme» können, wieder abzntragen. Wen» derartige Annäherungen, die, glaube Ick. in mancher Hinsicht eine Gesundung der erbitterten Paiteivcrliällnisst- in Deutschland herbeisiihrcn können, und wen» die Anbahnung eines bessern Verhältnisses unter liberale» Parteien ermöglicht werden soll, da»» ist allerdings meiner Meinung nach eine große Resignation erforderlich hinsichtlich der Betämpsung der Schutzzollsätze iür die verschiedenen Gebiete der Production, und ich schließe davon nicht und am wenigsten die Landwirthschaft ans, * Die Officiösen geben sich alle mögliche Müde, die innere politische Lage Hunstig auSzninalcn. So schreiben heute die „Berliner Politischen Nachrichten": „Die Auffassung, daß zur Feuilletsi,. Villa Lohengrin. Humore-k« von Mariane Sell. Nachdruck «erkoini. (Schluß.) Auck die Künstler aus der Villa Lobengrin waren zur Milwirkung gewonnen worden, und ihre Vorbereitungen zum öffentlichen Auftreten waren für die nnbctbciligtcn Haus bewohner ziemlich angreifcnd. Aber Siegfried ertrug Alles wie ein Held, ja er rieb sich vor Freuden die Hände. „Ich kann den heutigen Abend gar nicht erwarten!" Lieschen war sehr erstaunt. „Du willst inö Concert gehen, obgleich Du neuerdings einen wahren Haß aus die Musik geworfen?" „Fällt mir gar nicht ein! Ich freue mich riesig auf den ruhigen Abend, den wir haben werden, wenn Alle fort sind!" Als habe sich ein Sturm gelegt, so war'S, als Herr Stürmer, die Schwestern Stanzer! und Miß Bellona unter dem mütterlichen Schutz der Frau Katzwedcl abgezogen waren; und als auch die Magd davon geschlichen, batten Werners die Villa Lohengrin ganz allein für sich Nachdem die Kinder schlafen gegangen, setzten sie sich in die Weinlaube. Einen so schönen Abend batte der launische Wettcrgott den Sommer frischlern lange nickt zu Tbeil werden taffen. Der Regen war vorüber, ein frischer Wind hatte die schweren Wolken verjagt; am Himmel blinkten die goldnen Sterne, und hinter den Bergen stieg langsam der Vollmond aus! Eine fried liche Stille ruhte über dem Tdale, nur die Heimchen zirpten leise im GraS, mit schwerem Flügelschlag strick eine Fleder maus über den Garten, und vom fernen Walde tönte der Schrei eine- Raubvogels herüber. Da rückte Elisabeth dicht an ihre- Gatten Seite. „Siegfried, wir sind ganz allein, und da möchte ich Dir eine Mittheilung machen, die mir schon lange schwer auf dem Herzen liegt." „WaS giebt'S denn, LieScken? Da- klingt ja ganz feierlich. Frisch heraus mit Deinem Geheimniß!" „Ach, ein Geheimniß ist eS gerade nicht, aber ich habe bis jetzt gezögert, die Beschuldigungen zu wiederholen, die die mißgünstige Nachbarin gegen unsere Wirthin auSstrent. Wenn Frau Katzwedel wüßte, was die Leute von ibr sagen!" „Sie würde sich wahrscheinlich mit dem Schiller'schen Ausspruch trösten: „Ls liebt die Welt das Strahlend« zu schwärzen, Und daS Erhabne in den Staub zu zieh»!"" „Aber wa» sagt denn Frau Fama von der biedern Wittwe Katzwedcl?" Elisabeth dämpfte ihre Stimm» zum leisesten Flüstern. „Denke Dir, der echte Richard Wagner ist nie in Lärchen thal und folglich ebenso wenig in diesem Hause gewesen! ES hat allerdings vor vielen Jahren ein Herr Namens Wagner bei Frau Katzwedel logirt, aber dem berühmten Eoinponiste» äußerlich nicht im entferntesten geglichen. Es ist ei» behäbiger, rolhwangiger Mann gewesen, den Jeder sür einen Gastwirth oder Bierbrauer gehalten bat. Er hat wobt zuweilen Elavier gespielt und gelungen, aber sehr einfache, anspruchslose Lieder; zum Beispiel: Im tiefen Keller sitz' tch hier, Bet einem Faß voll Reben. Erst »ach dem Tode Richard Wagner'S ist Frau Katzwedel plötzlich mit der Behauptung ausgetreten: ihr ehemaliger Gast sei der große Tondichter gewesen, von dem die ganze gel'ilkcte Welt spricht. Um ködere Preise zn erzielen, Kat sie das Märchen ersonnen, spricht geheimnißvoll von Re liquien, die gar nickt rpistiren, der NamcnSzug am Fenster glas, ans Tisch und Bank ist daS Werk ihrer eigenen Hände, und auch das Portrait im Salon bat sic selbst angeschafft — eine Ausgabe, die ihr alljährlich hundertfältige Zinsen trägt! Ist das nicht ganz entsetzlich?" Wenn aber Elisabeth geglaubt batte, ihr Gatte würde in einen Strom der Entrüstung anSdrechen, so hatte sie sich getäuscht; er hörte sie sehr gelassen an. „Liebes Kind, daß der Wagner EulluS nur ei» GeschästSkniff unserer Wirtbin, habe ich sckon längst durchschaut; aber ich schwieg, um Dir nickt die Illusion zn rauben, und übrigen- batte ich mich selbst anfänglich täuschen lassen und schämte mich, dies ein zugestehen. So wie mir wird'« Wohl schon vielen Leuten er gangen sein, und auf diese Weise erneuert sich die Mythe vom Wagner Zimmer und der Wagner-Bank in jedem Jahr. UebrigenS — eine Enttäuschung mehr oder weniger — was kommt darauf an? „Wenn ich mich sonst hier ausnehmend wobl befände, könnte unsere Wirtbin meinetwegen erzählen: Attila, der Hunnenkönig, bade auf seinem EroberungSzug nach Rom einen Abstecher nach Lärchenthal gemacht, um ihre Bekanntschaft zu machen und ihr seine Hand anzutragen." Muzel bat unterdessen, anscheinend im tiefsten Schlummer, z» den Füßen seines Herrn gelegen; jetzt hebt er den Kops plötzlich, knurrt leise, springt aus und stürmt durch den Garten, geraden Wegs auf eine dunkle Gestalt, die lautlos nm'S Haus geschlichen kommt und vorsichtig durch die GlaSthüre in daS Zimmer der Schwestern Stanzerl späbt. Äütbend fällt Muzel den Fremden an; man kört einen unterdrückten Fluch und sieht im Mondschein eine Waffe blitzen, die er schnell unter seinem langen Mantel hervor- gezogen bat. Da rust Werner den Hund an und tritt an der Laube in den bell beleuchteten Garten; erschrocken fährt der Mann znrück, will sich rasch entfernen, aber Werner holt ihn ein. Wer ist eS? Der polnische Graf mit dem unaussprechlichen Namen: Sz-ki. „Sic sind's?" fragte Werner im Tone der höchsten Ucber- raschung und des Mmtrauens. „WaS wünschen Sie?" Ter Graf war sichtlich verlegen, und ftottcrteciwaSllnzusammenhängcndeS von „Vifitemachen — Miß Bclone!" „Jetzt? Die Zeit scheint mir sehr unpassend gewählt, auck wird cS Ihnen Wohl nicht unbekannt sein, daß die Dame heute Abend im Eoncert singt." Der Pole schlug sich mit der flache» Hand vor die Stirn. „Diese unglück)elige Vergeßlichkeit! Guten Abend, niein Herr!" und dann ent fernte er sich rasch, bis zum Gartenthor vom knurrenden Muzel begleitet. Werner - sahen sich fragend an. Wie war der Gras hcreingekommen? Offenbar durch den Küchcngarten, und der war nur zu erreichen, wenn mau durch den Saubach watete, der augenblicklich ziemlich hoch angeschwollcn war. „Er hatte hohe Wasserstiefeln an", sagte Elisabeth, „ich habe cs ganz deutlich gesehen, und seit wann machen die Herren bei >ungen Damen Visite mit einem Dolch oder scharfein Messer in der Hand?" „Allerdings, höchst sonderbar! Tu müßt morgen Frau Katzwedel die Geschichte erzählen!" „Ich spreche nur sehr ungern mit der Frau, Siegfried, indcß wenn'« sein muß —" Frau Werner that'S, aber Dank erntete sic nicht, im Gegentheil, die Wirtbin war sehr beleidigt Uber die Aus nahme, die der Herr Graf in ihrem Hause gefunden hatte. Er war ja später noch ins EurhauS gekommen und hatte ihr Alles erzählt. Er war nun einmal eine schwärmerische Natur und ver ehrte Richard Wagner wie ein höheres Wesen. Er hatte mehrere Stunden auf der Wagner-Bank gesessen und mit offenen Augen ii» Mondschein geträumt. Endlich war er zur Wirklichkeit zurückgekehrt, und als er sich durch de» Vor garten entferne» will, fällt ihn der Hund in der gemeinsten Weise an, und Herr Werner hält ihm eine Rede über Schick lichkeit und examinirt ihn wie einen Schulbuben. „Wenn der Herr Graf nicht ein so feiner Mann, ein ecktcr Aristokrat wäre, würde er dem Herrn Werner ganz anders geantwortet baden!" so schloß Frau Katzwedcl ihre Rede. Als Lieschen ganz entrüstet ihrem Gatten Bericht erstattete, lachte dieser herzlich. „Der.sffcrr Gras bat'S ihr offenbar angetban! Meinet wegen! Mag sie noch schlimme Erfahrungen sammeln! — wir haben unsere Pflicht —" Da würde die Thüre aufgerissea und Frau Katzwedel trat, hochrotb vor Zorn, ins Zimmer und führte bittere Klage über Thusel und Männel. „Wenn ein seiner, vornebmer Mann durch meinen Garten gebt, wird er al« ein Verbrecher verschrieen, aber wenn Kinder gebildet sein wollender Leute sich benehmen wie —" Frau Katzwedel fand gar keioc Ausdrücke. Di« Eltern waren natürlich erschrocken. „WaS ist denn gescheh'n? WaS haben die Kinder gctha»? Sie spielten ja soeben auf dem Hose Soldaten?" Allerdings spielten sie Soldaten; Männel war General und blieS auf der Trompete, Thusel war gleichzeitig Fabncn träger und Tambour. Frau Katzwedel balle ehedem ge äußert: auch kindliche Musik sei ihren Obren angenehm, aber beute wollte sie nicht« davon hören. Drohend war sic am Küchcnsenster erschienen und batte Rnbe geboten. „Ihr thut ja, als ob Ihr ganz allein aus der Welt wärt! Die Damen schlafen noch!" Thusel hatte gehorcht, aber Männel fühlte sich in seiner militairischen Würde beleidigt. „Immer trommle!" sagte er mit erhobener Stimme zu seiner Schwester. „Die alte Katzwcdeln bat »nS gar nickt« zu sagen!" und dann — die Feder sträubt sich, das unerhörte Vergeben zn berichten — hatte er — die Znnge hcrauSgcslreckt! Einer Frau gegenüber, die gestern mit einem Grafen die Polonaise getanzt bat! Siegfried Werner war wütbend. „Ich habe mich in drei Jahren nickt so viel geärgert, al« in den letzten drei Wochen! Ich wollte, ich wäre zur Sommrrfrffchc im Lande, wo der Pfeffer wächst, und nickt in Lärchenthal. Aber am liebsten wäre ich wieder daheim! V. Nach klänge. Am nächsten Morgen war Werner abgereist, denn in der Nacht war ibm plötzlich eingefallen: er müsse nothwendig sofort mit seinem Verleger in Dresden sprechen — wegen de« Attila! Seine Frau lächelte! Wie könnte der klügste Mann weiblichen Scharfblick täuschen! „Tu willst Dick' wahrscheinlich in der Stadt von Len Anstrengungen der Sommerfrische erholen?" Siegfried war etwas betreten. „Ich muß in der That mit dem Buchhändler reden, aber ich gebe zn, daß mir eine Abwechslung dringend notb tbuk — meine Nerven sind furchtbar herunter. Ick will den Muzel mitnchmen; daß der hier überflüssig ist, siehst Du selbst cm, und in acht Tagen komme ick wieder." „Geh nur", sagte gutmüthig Elisabeth, „ick habe mir'« ebenfalls in der Sommersrisckc anders gedacht, aber wir Frauen sind ans Dulden und Tragen gewöhnt, während Ibr Männer stets niü teni Kopse durch die Wand wollt!" Ach, war das schön in der alten Stadlwobnung! Kein Elavier im ganzen Hause, keine Sängerin! Ringsum heilige Stille, und das ferne Wagengerassel, das Nebelhorn dcS KettentampferS, da« Läuten der Pferdebahn dünkte ibm jetzt schöner wie Musik. Auch Muzel war wie von einem Bann erlöst, hatten ihn doch die Kinder im Hause mit Iubelgeschrci empfangen, und als er zum ersten Male wieder bei der Mebnerten seinen Besuch abslatlelc, wußte er sich vor Freude kaum zu lasten! Mine war aus Befehl ihre« Herrn sofort erschienen, und nachdem sie etwa« Ordnung gemacht und d>«
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