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SMo-ra/e M LmSV/fWaM Die Sachsen-Zeitung enthüll die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meitze», des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen n. a. Donnerstag, 19 Juni 1924 Wilsdruff-Dresden. Nr. 141 - 83. Jahrgang. Postscheck: Dresden 2640 Tel.^dr.: .Sachsenzeiwn»' ÄLMrÄm, GbLMks, B-M-Me L MM/A' Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 20 Goldpfennig, die 2 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Gold pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile der Zeitung 100 Goldpfennig. Nachweifungsgebühr 20 Gold- Pfennig-. Borge,'chriebcn- Lr- . ME» L sch-inungstugc und Platzoor- schnsten werden nach Möglich- "t/'. v kcit berücksichtigt. Anzeigen annahme dis vormittags IVUHr. Für Lie Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. JederRabattansprucherlischt, wenn LcrBctrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. 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Die Eisenbahnzüge kommen mit einer fast unheimlichen Pünktlichkeit an, was in Italien früher ein unmögliches Vorkommnis war. Dafür befindet sich aber auch auf jeder Station ein Faszistenbureau, das Beschwerden über den Eisenbahnverkehr entgegennimmt. Das ist ein kleines Beispiel dafür, wie der Faszismus teilweise noch neben der offiziellen Staatsverwaltung steht und sie besonders in den Grenzgebieten in schärfster Form beaufsichtigt und nach einer bestimmten Richtung maß gebend beeinflußt. Gegner sind nicht mehr da, und die Mehrzahl derer, die es waren, hat Mussolini einfach zur Mitarbeit herangezwungen. Zerschmettert ist die Partei der Popolaren, die dem deutschen Zentrum entspricht; auf Geheiß des Vatikans zog sich ihr Führer, Don Sturzo, aus dem politischen Leben zurück. Die demokratisch-liberalen Parteien sind vernichtet und ihr Führer Nitti ging ins Ausland. Die früher in Italien allmächtige Freimaurer loge — ihr Großmeister Nathan, der Bürgermeister von Rom, war einer der Haupttreiber zum Krieg gewesen — ist völlig einflußlos geworden und der Faszisnms legt größe res Gewicht auf ein gutes Einverständnis mit dem Vatikan. Auch mit den Gewerkschaften, von denen zwei Führer als Unterstaatssekretäre dem Kabinett Mussolini angehören. Darum hat Mussolini nun Wohl mit ganz besonderer Ent rüstung sagen können: „Gott schütze mich vor meinen Freun den!" die den sozialistischen Abgeordneten Matteotti umgebracht haben oder jene, die die Flucht der Mörder be günstigten. Und man muß gestehen, daß der .Duca", der „Herzog" Mussolini sehr energisch durchgreift. Den verant wortlichen Unterstaatssekreiär des Innenministeriums hat er ebenso „abgesägt" und verhaften lassen, wie den General direktor der Polizei von Rom und das alles hat das Kabinett schließlich zu der Demonstration veranlaßt, seine Portefeuilles Mussolini zur Verfügung zu stellen. Er selbst hat das In nenministerium, das er persönlich leitete, abgegeben, damit offenbar ein neuer Besen erhebliche Mißstände auskehren kann. Von errtschsidendster Wichtigkeit aber ist, daß sogar sein bester Freund, der Pressechef Rossi verhaftet wurde. Bei der tatsächlich unumschränkten Herrschaft, die Musso lini über die Kammer und durch die Kammer besitzt, kann man ihm glauben, daß er Lie ganze Attentatsaffäre auf Matteotti mit allem ihrem Drum und Dran restlos aufzu klären bemüht sein wird und gar nicht daran denkt, Rück sichten auf etwa beteiligte Parteiangehörige zu nehmen. Er ist stolz darauf, daß der Siegeszug Les Faszismus so gut wie unblutig erfolgt ist, und gerade dies hat ja außerordentlich viel oazn bcigetragen, daß viele von den Gegnern gewonnen werden konnten. Daß man aber jetzt auch von dem Willen Mussolinis zu dieser rücksichtslosen Verfolgung aller Schul digen überzeugt ist. Kommunistische Demonstrationsversuche sind mühelos unterdrückt worden und es ist eine zweifellos überflüssige Mahnung, wenn das Mailänder Faszistenorgan, der „Popolo L'Jtalia" di^Partei Mussolinis zu fester Ge schlossenheit und Entschlossenheit auffordert. Die sozialistische Parteileitung hat bezeichnenderweise auch ihre Anhänger veranlaßt, die konununistischen Generalstreiksgelüste abzu lehnen. Jin übrigen soll die Veranlassung zu der Mordtat nichts anderes gewesen sein als die Furcht vor den Kennt nissen, die Matteotti über die Korruption imMini- ste r i u m des Innern besaß. Der unbequeme Mitwisser von allerhand Schiebungen mußte beseitigt werden. Das wäre noch nicht so schlimm, aber Mussolini hat noch vor zwei Tagen seinem Freund Rossi den wärmsten Dank für den Rücktritt ausgesprochen, seine politische Einsicht hcrvor- gehoben. Und der ist jetzt verhaftet worden! Ebenso der Advokat Filipelli, der Herausgeber des faszistischen Blattes „Corriere Italiens", der mit großen Geldmitteln eine Flucht versucht hatte. Neue stegierung in Ml? Bus Parts meldet man, daß die Fernsprechverbin dungen mit Italien unterbrochen sind. Man will wissen, daß Mussolini sein Rücktrittsgesuch eingereicht habe. Man sei bereits mit der Bildung des neuen Kabinetts beschäftigt, in Lem außer Mussolini drei frühere Ministerpräsidenten sitzen würden: Orlando, Sa landra und Giolitti. Die Würdenträger des Annunziatenordens sind vom König zusammenberufen worden. Gerüchtweise verlautet, daß Lie Absicht bestehe, auch Männer Ler Opposition in die Ne gierung auszunehmen. Allgemein betrachtet man die Lösung der Krise als schwer. Um allen Unruhen, Kundgebungen und Streikversuchen vorzubeugen, hat das Innenministe rium die Besatzung von Rom verstärken lassen. Im Ko losseum und im Botanischen Garten lagern starke Truppen abteilungen. Streikmanifeste wurden besäst aguahmt und einige Streikagitatoren verhaftet. — Nach Meldungen aus Rom hat Mussolini ein Direktorium von elf faszisti schen Administratoren ernannt und Federzoni zum Minister des Innern bestimmt. Mrriots kegierungserklSrung. Die Aufnahme des Programms des Kabinetts Herriot. Die Kammersitznng. Paris, 17. Juni. Die heutige Kammersitzung, in der die Botschaft des Präsidenten der Republik und die Regierungser klärung verlesen wurde, fand unter ungeheurem Zulaufe statt. Sofort nach der Eröffnung der Sitzung durch den Präsidenten Painlevö. verlas der Ministerpräsident Herriot die Botschaft des Präsidenten der Republik und gab dann seine Regierungs erklärung ab. In der Botschaft Doumergues wird die Unterstützung der bei den Kammern für die Erfüllung der schweren Aufgaben des Präsidenten erbeten und dann u. a. gesagt: Unser Land hegt keinen gefährlichen Ehrgeiz. Es verlangt nur Zahlung der Reparationen, die ihm feierlich versprochen wurden, und Sicherheitsgarantien, die nicht illusorisch sind. Durch das Gutachten der Sachverständigen scheint die Repa- rationssrage einer demnächstigen Lösung entgegengehen zu wollen. Aber wir dürfen in unserem persönlichen Willen nicht so weit gehen, unsere Wachsamkeit einzuschläfern, um die Lehren der Vergangenheit zu vergessen. Frankreich darf nicht auf Kontrolle verzichten, die es kraft der Friedensver träge über einen Besiegten ausübt, der den Anschein erweckt, daß er Revanche vorbereitet, anstatt das unterzeichnete Ver sprechen einzuhalten. Parlament wie Land lieben den Frieden ebensosehr nach außen als auch im Innern, und werden sich daher bemühen, den einen wie den anderen auf fester Grund lage aufzubauen. Mein innigster Wunsch ist hierbei, soweit es di- Verfassung erlaubt, zu helfen, und Frankreich auch weiterhin meine Erfahrung u id Hingabe zur Verfügung zu stellen. * Paris, 17. Juni. Die Regierungserklärung, die heute nachmittag in der Kammer vom Ministerpräsidenten Herriot, im Senat vom Iustizminister Renould im Anschluß an die Botschaft des Präsidenten Doumergue verlesen worden ist, beginnt mit den Worten: Die Regierung, die sich Ihnen vorstellt, hat die Pflicht, den von der Wählerschaft am 11. Mai zum Ausdruck gebrachten Willen in die Tat umzusetzen. Im Innern wie nach außen hat die Negierung nur ein Ziel: Frankreich den Frieden zu geben, den es so sehr ver dient, zunächst den moralischen Frieden. Weiter ist unser Ehrgeiz, Frankreich den sozialen Frieden zu geben. Die Erklärung kündigt an, daß die Regierung noch heute einen großen Amnestie-Entwurf einbringen, der nur Verräter und Fahnenflüchtige ausschließt, und der die Wiedereinbringung der beim Streik entlassenen Eisenbahnarbeiter betreiben wird. Die Regierungserklärung streift ferner die endgültige gesetzgeberische Vereinigung Elsaß-Lvthrin- gens mit dem alten Frankreich. Die Erklärung kündigt die Aufhebung des Generalkommissariats an und geht dann auf innerpolitisches Gebiet über. Es bleibt noch übrig, fährt die Erklärung dann fort, uns vor dem Parlament über die auswärtige Politik und über die Sicherung Frankreichs auszusprechen. Frankreich weist ausdrücklich jeden Gedanken an Annexi onen oder Eroberungen zurück. Es will Sicherheit, es will den Frieden. Zunächst für sich, aber auch für die anderen Völker. Unsere de mokratische Regierung wird mit Festigkeit die Rechte unseres Landes verteidigen, wie sie in den Friedensverträgen niederge legt sind. Wir haben Anspruch auf Reparationen, wir verlangen sie im Namen der Gerechtigkeit. Die neue internationale Ordnung, die wir wünschen, kann nicht auf eine Unbill aufgebaut sein. Sobald Deutschland hinsichtlich der Reparationen und der Sicherung sein Verhalten mit dem Friedensverlrag in Einklang gebracht hat, wird es ihm völlig freistehen, in den Völkerbund einzutreten. Wir sind gegen die Politik der Isolierung und Gewalt (!?!), die zu territorialen Besetzungen und zur Pfandnahme führt. Angesichts des heutigen Standes der Dinge in Deutschland, der Notwendigkeit, nicht allein Frankreich, sondern alle Völker gegen eine neue Offensive nationalistischen Alldeutschtums zu schützen, halten wir es nicht für möglich, das Ruhrgebiet zu räumen, bevor die Pfänder, wie sie von den Sachverständigen vorge sehen sind (deren Berichte wir ohne Hintergedanken annahmen), mit gerechten und wirksamen Bürgschaften für die Durchführung verknüpft und den zu ihrer Verwaltung befugten internationa len Organisationen übergeben sind. Wir halten es für nötig, daß die Entwaffnung Deutschlands von den Alliierten ge meinsam überwacht und sobald als möglich durch den Völkerbund kontrolliert wird. Wir werden die Prohleme der Sicherheit durch Garantieakte zu lösen haben, die selbst wieder der Kontrolle des Völkerbundes unterstellt fein sollen. Das vorausgeschickt erklären wir, daß unsere Regierung mit allen Mitteln dafür arbeiten wird, den Nationen, die das Vor bild Frankreich leiten soll, einen aufrichtigen und dauerhaften Frieden zu geben. Um das Ergebnis zu erzielen, das wir erstreben, werden wir zunächst die Bande verstärken, die uns und unsere Alliierten und unsere Freunde vereinigen. Wir werden versuchen, ihre Interessen zu verstehen, wie wir von ihnen Verständnis für die unsrigen verlangen werden. Wir werden ihnen mit solcher Evidenz den Friedenswillen und die Loyalität Frankreichs beweisen, daß sie sich mit uns darin ver ständigen, jene Garantieen der Sicherung zu gewährleisten, die der Sachverständigenbericht vorsieht. Wir werden noch mehr tun. Frankreich weiß nichts von Haß. Es genügt ihm, sich auf die Gerechtigkeit zu stützen. Unsere Regierung wirb keine Schwäche kennen gegenüber denen, die in Deutschland es noch nicht ausgegeben haben, die Verträge zu verletzen und den Geist der Revanche und der monarchistischen Reaktion zu nähren. Aber sie wünscht, daß die deutsche Demokratie sich kräftige. Sie ist schon jetzt zu Maßnahmen bereit. Der Strafaufschub, der von der Besatzungsbehörde ge währt worben ist, wird in eine rechtsgültige Begnabigungs- maßnahme umgewandelt werden. Auch auf die politischen Verurteilten, ausgenommen diejenigen, die wegen Anschlä gen gegen die Sicherheit unserer Truppen verurteilt wor den find, wird die Amnestie angewandt werden. Gegen An gestellte, die nur auf Anweisung gehandelt haben, werden die Ausweisungsbefehle zurückgenommen werden. Die ein zelnen Fälle werden besonders geprüft. Besser als alle Worte werden diese Beschlüsse beweisen, daß, wenn die deutsche Regierung ihrerseits die für die loyale Durchfüh rung des Sachverständigrnberichtes erforderlichen Arbeiten beschleunigt, die französische Negierung den Bemühungen in Deutschland, das mit Entschlossenheit den Weg der De mokratie und des Friebens betritt, entgegenzukommen ver mag. Tragische Ereignisse, Abweichungen von der Demokratie, die uns von der Regierung in Moskau trennen, lassen uns nicht vergessen, daß das russische Volk lange mit uns auf den gemein samen Schlachtfeldern geblutet hat. Wir bereiten schon heute die Wiederaufnahme der normalen Beziehungen zu Rußland vor. * Die Aussprache. Als erster ergreift der kommunistische Abg. Marcel Cachin das Wort. Der Sachverständigenplan werde ebensowenig, wie alle anderen bisherigen Pläne dos Reparationsproblem lösen. Man könne in Deutschland kein Gold finden. Man habe das Unrecht begangen, die deutschen Arbeiter beim Wiederaufbau abzulehnen, um kapitalistischer Interessen willen, und habe es endlich dazu gebracht, daß die französischen Truppen das Ruhrgebiet besetzten. Jetzt kündige man die Räumung unter gewissen Bedingungen an. Die Bedeutung der Sachverständigenberichte bestehe darin, Deutschland und hierauf Frankreich unter die Herrschaft der angelsächsischen Plutokratie zu bringen. Nach Cachin, der zum Schluß für die Wiederherstellung der Beziehungen zu Rußland sprach, ergriff der rechtsstehende Abgeordnete von Paris Rollin das Wort. In dem Augenblick, in dem sich Herriot nach London begebe, müsse man an ihn die Frage richten, unter welchen Be dingungen er den Versailler Frieden ausführen lassen wolle, und ob er ihn nicht etwa so interpretiere wie LLon Blum. Her riot müsse ehrlich zum Ausdruck bringen, daß die Regierung nicht im entferntesten auf die wichtigen Friedensgarantien, die Wacht am linken Rheinufer, verzichte. Dem General Rollet spendete der Abgeordnete das wärmste Lob. Er habe es sogar verstanden, den belgischen Sozialistenführer Vandervelde von der deutschen Gefahr zu überzeugen. Herriot müsse seine ganze Kraft darauf verwenden, um die Rechte und Sicherheit Frank reichs zu verteidigen. Er dürfe niemals einen noch so großzü gigen Idealismus den effektiven und sicheren Garantien des französischen Rechts und der französischen Sicherheit opfern. Nach dieser Rede wurde die Sitzung gegen 6 Uhr abends unterbrochen. Nach Wiederaufnahme der Sitzung interpellierte der elsässische Abgeordnete Oberkirch. Deutschland werde sein Möglichstes tun, den Sachverstän digenbericht zunichte zu machen und seine Verpflichtungen nicht zu erfüllen. Die deutschen Nationalisten machten verzweifelte Anstrengungen, um die Monarchie wiederherzustellen. Der End kampf gegen die deutsche Republik habe begonnen.