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Morgen-Ausgabe AELUHKUkklS' »»9 verort« zweimal «I,ttch —ia, tz„, „drochl munalltch M. ILL »»«rrelllhrllch Rr 6.7»: für Rddolei monatlich Ul. l^.; dorch onler« «alwIUIß«» Filialen in» tzaa» gedrachi monatllch M. IL» »lertel- iEdeUch M. 4LU: »nrch »I« poft lnnerhold Venitchlaad» mona«. Uch »i«rl,ll«drli» Rl »M „notchlietzlich Poftd«ftell,«ld). Schrtsllelin», »nd VelchlNsft«»»: ^»hanntttiaft« Rr. S Rr. 484 Hmrdels-ZeUung /üntsblatt des Rates und des pollzeuuntes -rr Stadt Leipzig ISS. Jahrgang Anzeigenpreis: für Anzeigen aa« Peipzig and Umgeb», di« «Inipaltlg« Petlizell« 2S Pf. von aatwürt» St) Pf^ Anzeigen von Bedirden im amtlichen Teil di« Petitzell« 6V Pf.: klein« Anzeigen di« Petitzell« 20 Pf.: Familien anzeigen 22 Pf.: Deichdillanzeigen mtl Piatzooiichktflen im prell« «rddht. Beilagen: Deiamiauflag« Rl. 7.— da» Tauien» auiichl. Poftgedühr. Fernfprech-Anichlufl Rr. 14 692, >4692 and >4 694 Donnerstag, den 23. September ISIS Kundgebung bnlgnrWr Studenten in Berlin Österreichischer Tagesbericht Wien, 22. September. Amtlich wird mitgekellt, 22. Sep tember: Russischer Kriegsschauplatz In Ostgalizien und in Wolhynien ist die Lage un verändert. An der 3 kwa kam es an einigen Abschnitten zu hef tigen Artilleriekämpfen. Vereinzelte Versuche der Austen, über den Flust vorzudringen, scheiterten im Feuer unserer Batterien. Die in Litauen kämpfenden k. u. k. Streitkräfte haben gestern im Raume Nowaja-Mysz eine russische Stellung durchbrochen, 90V Mann zu Gefangenen gemacht und drei Maschinengewehre erobert. Italienischer Kriegsschauplatz Gegenüber dem Nordabschnitt der Hochfläche von Lafraun unterhielt die feindliche Infanterie heute durch mehrere Stunden vor Tagesanbruch ein sehr heftiges Feuer, ohne jedoch vorwärts zu kommen. Im Dolomiten- Gebiet erhöhte die ita lienische Artillerie ihre Tätigkeit gegen denMontePiano und das Gebiet beiderseits dieses Berges. Die Gesamtlage ist unver ändert. Südöstlicher Kriegsschauplatz An der Save und mittleren Drina Artillerie kämpfe und Geplänkel. Pozarevac und Deliki Gra tz ist e wurden mit Bomben belegt. Montenegrinische Artillerie beschoh Teodo. Der Stellvertreter des Chefs des Generalstaber v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. Russischer Generalstabsbericht Amtliche Meldung vtb. Petersburg, 22. September. Der russische Generalstabsbcricht lautet: In der Gegend nordroest- ich von Dünaburg warfen wir bei dein Dorfe Munczc die Deut- chen durch einen kräftigen Angriff aus den Verschanzungen. Südwest- ich und südlich von Dünaburg dauern die Kämpfe an der Front Nowo-Alerandrowsk bis zum See von Driswiaty an. Schwere deutsche Artillerie beschoh einzelne Abschnitte dieser Front und verwendete häufig Granaten mit giftigen Gasen. In der Gegend öst lich Wilna dauern die Kämpfe an. An der Front Bin akoni- Lida und in der Gegend des Molczadz-Flusses östlich der Szczara nur unbedeutende Zusammenstöße. An der Front Toro- mow-Podhaice, östlich von Luzk eröffnete der Feind eine Offen sive; er wurde zurückgeschlagen. Ls kam wiederholt zu Bajonett angriffen. Wir machten etwa 700 Gefangene und erbeuteten drei Maschinengewehre. Während der Angriffe gegen die Dörfer Bere- zowka und Nostoki im Nordwesten von Wischnewcc, die in dem gestrigen Bericht erwähnt wurden, erreichte der Gegner trotz unseres heftigen Maschinengewehr- und Artillerieseüers unsere Berschanzungen und stürzte sich mit Hurrarufen auf uns. Der heihe Bajonett kampf, der folgte, führte zur Zurückwcrfung des Feindes, der groste Verluste erlitt. Wir gingen zum Gegenangriff über. Unsere Truppen faßten den Gegner in der Flanke, warfen ihn und kamen bei der Verfolgung bis in seine Verschanzungen. Außerstande, die Heftig keit des Ansturmes auszuhalten, floh ein Teil der Ocsterreichcr; die übrigen ergaben sich oder wurden mit dem Bajonett niedergemacht. Die Zahl der Gefangenen beträgt 10 Offiziere, 600 Mann. Bei der Einnahme einer Schanze in der Gegend des Dorfes Slone machten wir fünfzig Gefangene und erbeuteten viele Patronen und Pionier werkzeuge. Bei einem Scharmützel am Flusse Bzurnn, südöstlich Lzortkow, wurde der Feind über den Fluh geworfen. Mir machten fünf Offiziere und etwa 200 Soldaten zu Gegangenen. Bulgarien ist einig Drahtbericht ' vtd. New <Dortt, 22. September. Der „Associated Preß" wird aus Sofia gemeldet, daß in ganz Bulgarien, insbesondere in der Hauptstadt, vollkommene Nuhe herrsche. Die Meinungsverschiedenheiten, die bis vor wenigen Tagen vorhanden waren, treten völlig zurück. Nadoslawow findet all gemeine Unterstützung. Der Wunsch, Mazedonien anzugliedern, überwiegt alle anderen Bestrebungen. Die in der Hauptstadt garnisonierenden Truppen beginnen bereits aus z »rücken. >r. Genf, 22. September. Einer Pariser Privatmeldung zufolge wird Bulgariens Ant wort auf die Vorschläge des Vierverbandes für den 8 0. September erwartet. Delcassös Pressebureau bereitet die öffentliche Meinung dar auf vor, daß die Antwort höflich ausweichend lauten wird. Radoslawow und die Parteien Drahkbericht >vtb. New Bork» 22. September. Dis .Associated Preß' meldet aus Sofia: Ministerpräsident Radoflawow hatte gestern eine Besprechung mit den Regie rungsparteien, in der er ihnen einen v er traulichen lieber- blick über die allgemeine politische und militärische Lage auf der Bal kanhalbinsel und in Europa gab. — Bei Berührung der serbisch- bulgarischen Beziehungen sagte Radoslawow: Serbien bietet uns jetzt di« sofortig« Besetzung Mazedoniens bis zum Wardar durch uns an and macht die Abtretung von Mazedonien jenseits des Wardar davon ab hängig, daß es selbst Bosnien, die Herzegowina, Kroatien und Dalmatien erhält. Diese Bedingungen sind für uns ungenügend. Rumänien und Griechenland werden neutral bleiben. Der Ministerpräsi dent sprach nicht non Kawalla und Serres, die jetzt im Besitze Griechen lands sind. Die Besprechung wird nachmittags fortgesetzt. wtb. New Bork, 22. September. Die .Associated Preß' ist in der Lage, mltzuleilen, daß die bulgarische Sobranje nicht zusammen treten und daß kein Koalitionsministerium gebildet wird. Kundgebung der bulgarischen Studenten in Berlin Telegraphischer Bericht rvtt>. Berlin, 22. September. Die bulgarischen Studenten in Berlin begaben sich heule, Mittwoch, in corpore auf die bulgarische Gesandtschaft, um ihren patriotischen Gefühlen Ausdruck zu geben, ehe sie zu den Fahnen eilen. In der Gesandtschaft empfing Exzellenz Rizorv die Studenten, in deren Mitte sich auch der Sohn des Minister präsidenten, Studiosus juris Radoslawow, befand. Herr Nitsch- kow, Studiosus juris, beglückwünschte namens der Erschienenen den Gesandten, Bulgariens Gesandter in Berlin in dem Augen blick zu sein, da unter dem Beifall Deutschlands die mazedo nische Heimat des Gesandten für Bulgarien zu rückgewonnen werden solle. Die bulgarische Studentenschaft werde ihrer Dankesschuld an Deutschland und dessen gastfreund liche Hauptstadt stets eingedenk bleiben. Mit einem brausend auf genommenen Hoch auf das große und geeinigte Bulgarien, besonders den König Ferdinand und die bulgarische Ar mee, schloß die Ansprache. Exzellenz Rizow drückte in kurzen markigen Worten seine große Freude über die Kundgebung der Studentenschaft aus und gab den Erschienenen die herzlichsten Wünsche mit auf den Weg. Die Abordnung begab sich darauf nach dem bulgarischen Konsulat, wo der Konsul Kom merzienrat Mandelbaum die Herren empfing. Studiosus medicinae Ftitschew sagt«, die bulgarische Jugend trete mit Begeisterung und mit der festen Hoffnung auf den Sieg der ge rechten Sache in die Aktion für die Verwirklichung der nationalen Idee ein, erfüllt und beseelt von dem glorreichen Bei spiel deutscher Einigkeit und deutscher Disziplin und angespornt durch das warme Interesse des großen Deutschlands an dem Schicksal Bulgariens. Die Rede klang in ein begeistertes Hoch auf Kaiser Wilhelm, die kaiserliche Familie und auf Großdeutschland aus. Konsul Mandelbaum dankte in einer Ansprache den Herren auf das herzlichste für ihr Erscheinen und schloß mit einem dreifachen Hoch auf den Zaren Ferdinand, auf die königliche Familie und auf das bulgarische Volk. Freitag verlassen die bulgarischen Studenten Berlin in einem von der deutschen Eisenbahnverwaltung gestellten Sonderwagen. Die Wiener Preise über Bulgariens Mobilisierung Drahtberlcht ntb. Wien, 22. September. Die Blätter besprechen die in Bulgarien angeordnete Mobilisierung und erblicken darin einmütig einen Beweis dafür, daß die bulgarische Regierung für die Verwirklichung der historischen Ideale des Landes die Elunde für gekommen erachtet. — Das „Fremdenblstl" verweist darauf, daß Bulgarien dank seiner eigenen Tüchtigkeit und Nüchternheit in kürzester Frist die Wunden zu heilen gewußt hat, die zwei furchtbare Kriege dem Lande geschlagen haben. Der Ministerpräsident Radoflawow habe die Beteuerungen und Ver sprechungen der Entente nach ihrem wahren Werte eingefchätzl und ruhig der Stunde geharrt, die ihm erlaubte, aus der Untätigkeit herauszutrelen. Die Stunde habe nun nach den Erklärungen Radoslawows geschlagen. — Die .Reue Freie Presse" sagt: Bulgarien kann, solange es atmet, nicht vergeßen, was ihm nach dcm ersten sieg reichen Balkankriege zugesügt und wie es betrogen und ver höhnt worden ist. Die Mobilisierung der Armee und eine bewaffnete Neutralität sind auch eine Antwort auf den Notschrei der bulgarischen Mazedonier in Serbien. — Die ..Reichspost" schreibt, die Mobilisierung zeige den vollen Ernst der Entschlüsse Radoslawows. Möge ihm beschieden sein, ruhmreich die Glöße Bulgariens zu vollenden. Die .Zeil" glaubt, daß schon die allernächste Zeit eine Klärung der dunklen und verworrenen Balkanverhältnisse bringt. Warum Bulgarien mobilisierte Telegraphischer Bericht Berlin, 22. September. Ueber die Gründe von Bulgariens Mobilisierung er fährt die .Nalional-Zeitung" von wohlunterrichteter Seite folgendes: Die Mobilmachung Bulgariens sei zwar früher erfolgt, als zu erwarten war. Aber in Sofia habe man jedenfalls gewichtige Gründe zur Be schleunigung dieser Maßregel. Eie charakterisiere sich als eine Vor sichtsmaßregel und bedeute fürs erste nichts anderes als eine be waffnete Neutralität, um vor Ileberraschungen besser ge schützt zu sein, die sich auf dem Balkan in der jetzt so kritischen Zeit ereignen könnten. Vorläufig habe sich deshalb auch nichts an der bis herigen Haltung Bulgariens geändert. Die Entschließungen der Re gierung hingen von dem Gange der Ereignisse ab und würden durch die Notwendigkeit bestimmt, die nationalen Interesten des Landes nach jeder Richtung hin zu wahren. In hiesigen ariechischen Kreisen erhielt die .National-Zeitung" über die Haltung Griechenlands folgende Auskunft: .Welchen Ein druck die bulgarische allgemeine Mobilmachung beim griechischen König und bei der Regierung Griechenlands hervorgerufen hat, läßt sich heute hier noch nicht beurteilen, da bisher noch keinerlei Nachrichten über diesen Schritt Bulgariens aus Athen hierher gelangt sind. Auch kann hier nicht entschieden werden, ob durch einen eventuellen Angriff Bulgariens gegen Serbien griechische Interessen direkt berührt sind, da die Abmachungen, die durch den Bukarester Vertrag zwischen Griechenland und Serbien getroffen wurden, bisher nicht veröffentlicht worden sind. Der Inhalt dieses Abkommens ist auch gegenüber den im Auslande wirkenden Vertretern Griechenlands ge heimgehalten worden.' ! Das Interesse am Kriege Von Professor Dr. Oscar Vie-Berlin Das Interesse am Kriege, wie wir es so hierzulande beobachten, hat sehr viele Stufen und Zwischenstufen durchgemacht, die nicht nur eine Art Spiegel der Ereignisse darstellen, sondern auch eine wachsende Erziehung. Es ist nun über ein Jahr her, daß dieses große Ereignis, so groß, wie wir es nie nur geahnt hätten, in unser Leben plötzlich eingrifs, und dieses eine Jahr kommt uns vor wie ein Jahrzehnt der früheren Zeit, unendlich reich an äußeren und in neren Erfahrungen und immer doch noch so ergiebig, daß wir kaum wissen, wohin das alles führen wird, und was uns zu erleben noch beschieden ist. Wie stark ist doch dieses angeblich dekadente Ge schlecht, daß cs das aushälk! Aushält, an einem wichtigen Wende punkte der Weltgeschichte zu stehen, den gewaltigsten aller Kriege, der je da war, zu erleben, ihn Tag für Tag vom Schicksal abzu pflücken, Tag für Tag zwischen der Ungewißheit der Zukunft, der Zuversicht des eigenen Gewissens, den Haßausbrüchen der Feinde hin und her gestoßen zu werden, dieser Flut von Haß, wle sie die Welt noch nicht sah, und die uns unstillbar zu sein scheint bis in weite Fernen; Sieger zu sein und den Sieg von den anderen fortgelogen zu fühlen, Krieg zu führen und über die Ziele nicht sprechen zu dürfen — man hätte es nicht für möglich gehalten, daß wir armen Menschen das nicht nur aushalten, sondern dabei eigentlich ganz ruhig und nicht sonderlich gestört erscheinen, als hätten wir ewig in solchen Zeiten gelebt. Wenn schon der Krieg die unverminderte animalische Kraft des Menschengeschlechts zeigt, so ist die Anähnlichung an ihn das Zeichen seiner ewigen Elastizität und seelischen Schwungkraft. Die drei Formen, die das Interesse am Krieg psychologisch durchwachte, sind Schreck, Begeisterung und Zuversicht. Die ersten beiden folgten sich schnell und mit rasender Gewalt. Es war ein Sieden und Steigen des Blutes von elementarer Kraft; ein Rausch der Angst vor dcm Unfaßbaren und ein Rausch der Kraft in alle Möglichkeiten hinein. Damals wurden viele auf die Probe gestellt. Sie wurden von unten nach oben gekehrt, machten ungeahnte Erregungen fast ohne Kontrolle des KopfeS durch und fanden sich in einem Wirbel von Wut und Schrecken, daß sie leicht ihre Haltung verlieren konnten. Dieses Dionysische war schön, und keiner möchte es missen, der es erlebte. Doch zeig ten sich bald Unterschiede. War der Rausch eine Folge des ehr lichen Temperaments, so setzte er sich in eine starke innere Betei ligung um, warf alle Vorurteile über den Haufen, offenbarte neue Wege und Ziele und brachte das Beste, was er bringen konnte: Läuterung, Reinigung und einen starken, gesunden, neuen Men schen. War der Rausch aber Suggestion und künstliche Ansteckung, also Massenpsychose, dann schlug er in eine merkwürdige Nüchtern heit um, und man schämte sich, durch ein Ereignis, das nur außer halb war, sich innerlich geändert haben zu wollen, predigte sich selbst die Unverwirrtheit, suchte reumütig die alten Ideale wieder auf und stemmte sich gegen alle Einflüsse, die der Krieg auf das be gründete Innenleben auszuüben versuchte. Beiden Naturellen war Gutes geschehen, jenen war der Busen geöffnet, diesen war ihre Wahrheit bekräftigt. Der Krieg halte sie auf die Probe gestellt. Dann kam die Zeit derruhigenZuversichk — oei allen, selbst den Pessimisten, die — die einzig Kranken — aus dem Wahn des Schreckens nicht einmal in die Wut der Begeisterung hatten fortschreiten können. Für diese Zuversicht aber waren nicht mehr nur physiologische Einstellungen maßgebend, sondern nunmehr sach liche. Die ersten sensationellen Monate waren vorüber. Der aroße Schlag gegen Belgien und Frankreich war geführt, die Russen waren aus dem Lande getrieben, die Aufmerksamkeit wandte sich immer mehr dcm weiteren Osten zu, der, obwohl nicht so fern, uns doch dem Gefühl nach ferner zu liegen scheint. Noch yeute hat jeder kleine Fortschritt im Westen für uns etwas Auf regendes, wie es in dieser Art zu Unrecht ein größerer Sieg im Osten nicht hat. Im Westen verdichtet sich das Interesse auf kurze, reich kultivierte, historisch gedüngte Gebiete, und wir empfinden Schmerz um jeden Kirchturm, der zerschossen werden muß. Im Osten ist unendliche Ausdehnung, gleichgültiges Gelände, wenig historische Erinnerung und vor allem die Empfindung, daß die Sache trotz kleiner Verzögerungen schon greifbar entschieden ist. Die Festungen fielen wie die Fliegen, aber man blieb inmitten des Flaggendankes und der grenzenlosen Bewunderung unserer Armee ruhig und gesetzt. Es war, als müßte das dort doch einmal so kommen, und da es nun kam, war schnell aus Gegenwart Ver gangenheit geworden. Ich war an einem kleinen österreichischen See in entlegenem Landort, als Warschau fiel. Der Fall Warschaus: wie hätte das vor einem Jahr noch geklungen. Nun wußte ich es kaum und konnte es abwartcn. Russische Gefangene, die dort arbeiteten, erzählten es den Vorübergeyenden, nicht un lustig, denn sie meinten nun bald nach Hause zu kommen. So er zählte man es sich weiter, und alle nickten, als wüßten sie es eigent lich schon. Abends böllerten und ratterten die Ufer, nun war eS sicher. Aber es war so sicher wie weit, und als Iwangorod dazukam, war cs auch noch so, und man hörte nur in seinem Innern, wie von fern, den dumpfen Klang eines Brausens, daS einst die Nerven erschüttert hatte. Das war die Zuversicht und der unverlierbare Glaube. Auch er hat seine starken Selten, kein Wogenschwall mehr, aber die Wahrheit des Kopfes. Jetzt ist der Krieg aus den Eingeweide» in den Verstand ge stiegen, und er entfaltet sich dem objektiven Interesse in seine klaren Bestandteile, den englischen Konkurrenzkrieg, den franzö sischen Rachekrieg, den russischen Exponsionskrieg, den italienischen Bankerott und die große Frage der Kolonisation des Balkans und der Türkei. Alles das erscheint plötzlich in dem einen Ereignis zusammengeballt, das uns darum so erregte. Wir verstehen jetzt das Schicksal. Mir sind sicher geworden, wozu wir da sind. DaS Interesse wendet sich vom Psychologischen ins Politische. Wir lesen den Gang des Krieges ab, nicht mehr in Schrecken und Wut, son dern als die stillen, klugen, sicheren Beobachter jenes Zeigefingers