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alle anderen Stände des Wilsdruffer Bezirks Zwangsvergleich erlischt jeder Anspruch auf Nachlaß. Nr. 267 — 94. Jahrgang Drahtanschrift: „Tageblatt Wilsdruff-Dresden Freitag, den 15. November 1935 Postscheck: Dresden 26-10 Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Stadt rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt ?v k l ° laut auflieaendcr Preisliste Nr. 5. — Ziffer-Gebühr:2ll Rpfg. — Dorgeschri«. bene ErschcinungStage und Platzwünsch- werden nach Möglichkeit berücksichtigt. — Anzeigen-Annahm« durch b-rn°>u übermN. Fernsprecher: Amt Wilsdruff 206 icncn Anzcchm" Lbcrnc" men wir kein- Gewähr. — — —— _ Bei Konkurs und Nationale Tageszeitung für -Landwirtschaft und Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend SW-Z Nlng oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingcsandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto beilicgt. Kampf um parlamentsfihe. Wahltag in England. Vorzeitig ist das Parlament aufgelöst worden, und in den wenigen Wochen zwischen dem königlichen Auflösungsdekret und dem Wahltag ist das Schauspiel über die Bühne gegangen, das demokra tische Staaten in Wahlkämpfen von Zeit zu Zeit auf führen. Dabei ist ein Wahlkampf in England immer noch nicht so vielseitig und verworren, wie etwa in dem ge lobten Land der Demokratie, in Frankreich. Denn der Engländer ist doch in erster Linie Patriot. Ob er sich nun zu den Konservativen, den Liberalen oder der Arbei terpartei bekennt. In einem Punkte treffen sich daher alle Parteien: Alle haben sie das Wohl des britischen Weltreiches im Auge, alle kämpfen sie um die Größe und den Stolz des Imperiums. Wenn auch namentlich in den Industriestädten der Kommunismus mehr als bisher sein Haupt erhob und verschiedentlich Wahlversammlungen sprengte, so werden die Agenten Sowjetrußlands im englischen Mutterland wenigstens vorerst wenig Erfolg ernten. Gegenüber der letzten Wahl im Jahre 1931 hat sich das Hauptthema des Wahlkampfes verschoben. Ging es vor vier Jahren um die Innenpolitik, so steht heute die Außenpolitik ganz im Vordergrund. Und sie wird noch weiter herausgehoben durch den Abessi nien-Konflikt, an dem ja England stark beteiligt ist. Deshalb lagen die Wahlparolen des diesjährigen Wahlkampfes vornehmlich auf außenpolitischem Gebiet. Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik wurden wohl auch erwähnt, aber noch treten sie hinter den ganz aktuellen außenpolitischen Problemen zurück. Konservative und Arbeiterpartei (Labour) standen sich im Wahlkampf gegenüber. Dabei sind sie gar nicht einmal in der Außenpolitik unversöhnliche Gegner, denn beide wollen sie dasselbe: Stärkung der briti schen Weltmacht durch das Mittel des Völ kerbundes. Nur ihre Wege zu diesem Ziel führen st« verschiedene Richtungen. Die Konservativen kämpfen um ein großes Au frü stu n g s p r o g r a m m; sie wollen eine möglichst starke Flotte haben, auf die sic ihre Macht stützen wollen. Deshalb haben sie in den Wahlreden die Flotte manchmal sehr schlecht gemacht. Es heißt z. B., daß der Ministerpräsident Baldwin das alte Nelson-Wort „England erwartet, daß jeder seine Pflicht tut" umgewandett habe in „England erwartet, baß die englische Flotte bis zur Wahl einen möglichst schlechten Eindruck macht". Das ist natürlich einer der üblichen Wahlscherze, aber dennoch steckt ein Körnchen Ernst dahinter. Die Arbeiterpartei ist der konservativen Wahl- Propaganda dadurch begegnet, daß sie die Flotte ein über das andere Mal lobte. Die Oppositionspartei will nämlich die weitere Aufrüstung verhindern. Das übliche Wahl manöver pazifistischer Parteien. Das Witzige an der ganzen Angelegenheit ist nur, daß diese Pazifisten aus der anderen Seite von der Regierung einen viel schärferen Kurs gegen Italien im Abessinien-Streit verlangen. Ihnen ist die Methode des jungen Völkerbundsministers Edenzu lau. So kommt es denn, daß der Weg, den die Pazifisten gehen wollen, vielleicht viel eher England in einen Krieg verwickelt, als wenn es den Weg der Auf rüstung geht, den die Konservativen fordern. Das ist so ein kleiner Witz der Weltgeschichte. Aber man sieht, Pazifismus und Krieg sind durchaus nicht zwei Dinge, die sich wie Feuer und Wasser gegenüberstehen. Welche Richtung auch in dem Wahlkampfe siegt, das Endziel bleibt ja doch dasselbe: ein weltbeherrschendes Groß britannien, das durch seine Macht den Frieden sichert. Wahlprophet zn spielen ist bei den englischen Wahlen ein undankbares Geschäft. Man kennt nämlich in Eng land keine Verhältniswahlen, man kennt auch keine Stich wahlen. Sieger im einzelnen Wahlbezirk ist immer der, der die absolute Mehrheit hat, selbst wenn bei drei Gegnern die beiden anderen Parteien mehr Stimmen auf sich vereinigen. Stimmen der Minderheit bleiben vollkommen unberücksichtigt und fallen unter den Tisch. Nur so ist das seltsame Zahlenbild möglich, das die Wahlen von 1931 gegeben haben. Stimmenzahl Abgcord. Konservative, Rcgierungslibcrale u. regicrungsfrdl. Arbeiterpartei 11 926 537 471-b 35 Liberale Opposition 2 320 310 33 Oppositionelle Arbeiterpartei 6 648 023 52 Das einzige Wahlbarometer in England sind die Wahlwetten. Da stand es am Vorabend der Wahl für die Regierung nicht sonderlich günstig. Man wollte ihr, die aus den Wahlen von 1931 mit einer Mehrheit von 450 Stimmen hervorging, nur noch eine Mehr heit von 127 Sitzen im Unterhaus geben. Das wäre natürlich sehr wenig. Aber Mehrheit bleibt Mehr heit. Und die Regierung wird vielleicht die kleinere Mehrheit heute begrüßen, denn wer weiß, wie etwa in einigen Monaten, wenn etwa das Genfer Experiment vlcht klappen sollte, das Wahlergebnis aussehen würde. ist die alte Geschichte: „Lieber einen Spatz in der Hand, als eine Taube auf dem Dach." WM im Zeiß« Ser llnttthWMhl Am Donnerstag stand Großbritannien im Zeichen der Wahl zum Parlament. Die Wahlstimmung war, ab gesehen von den Industrie- und Bergbaubetrieben, in denen die K o m m u n i st e n eifrige Propaganda trieben, ziemlich lau. Allerdings haben die Wahlausschrcitungcn der Linksparteien in den letzten Tagen noch aufrüttelnd ge wirkt, und die Wähler der Konservativen etwas aus ihrer Wahlmüdigkcit hcrausgcrisscn. Bereits morgens um 7 Uhr setzte die Stimmen abgabe ein. Namentlich die Berufstätigen gingen gleich am frühen Morgen zur Wahlurne. Das Stratzenbild zeigte im allgemeinen keine besonderen Veränderungen. Erst in den Nachmittagsstunden setzte ein Schlepp dienst ein. Die Wahlwetten haben die Quote für die Regie rungsparteien mit jedem Tag weiter heruntersetzen müssen. Die Wetten gingen darum: Wieviel Stimmen Mehrheit wird die Regierung bekommen? Zunächst tippte man auf 150, in den letzten Stunden gaben Pessimisten den Regierungsparteien sogar nur noch 100 Stimmen Mehrheit, wobei man die Wahlmüdigkeit in Rechnung stellte. Die Größe des Wahlsieges der Regierung — daß es ein Sieg wird, daran zweifelt niemand — bänat also davon ab, wieviel Wähler auf die Beine gebracht worden sind. Aus der Parteizentrale der Konservativen ver lautete, daß mindestens eine 60prozentige Wahlbeteiligung notwendig sei, um der Regierung die sichere Mehrheit zu geben. Die Wahlbeteili gung ist in England stets ein sehr unsicherer^ Faktor in der Wahlrechnung. Selbst bei den Krisen wahlen im Jahre 1931 blieb über ein Drittel der Wähler zu Hause. Diesmal mutzte auch das regnerische Wetter in die Berechnung einbezogen werden, wodurch die Wahl beteiligung besonders auf dem Lande und unter den Frauen beeinflußt wurde. Die Frauenstimmen bringen vielleicht sogar die Entscheidung, da sie mit 1750 000 Stimmen die Mehrheit der Wähler schaft ausmachen und weil man annimmt, daß die Re gierung mit ihrer Parole „Arbeiterpartei bedeutet Sanktionskrieg" gerade unter den Frauen große Wirkung erzielt hat. Der Res ie.ru ng ist noch in letzter Stunde em besonders wirksamer W aylapp eil Hurch die Veröffentlichung der Einfuhr- und Ausfuhrziffern des letzten Monats und des laufenden Jahres gelungen, die eine bemerkenswert aufsteigende Tendenz aufweisen. Außerdem erließ MacDonald noch einen Wahlauf ruf, der lediglich an Hand von Zahlen nachzuweisen ver sucht, daß die Regierung im Kampf gegen die Arbeits losigkeit prozentual mehr als alle ihre Vorgängerinnen zusammen geleistet habe: „Setzt die Regierung wieder ein, dann wird sie ihren eigenen Rekord noch schlagen!" so lautete daher seine Wahlparole. * Sir Herbert Samuel geschlagen. London, 15. November. Um 1 Uhr 15 Min. srüh MEZ. hallen die Konservativen insgesamt 70 Sitze zu verzeichnen, die Arbeiterpartei 35. Der Stand der Parteien war demnach 76 für die Regierung und 35 für die Opposition. Der Führer der liberalen Opposition, Sir Herbert Samuel, ist in seinem Wahlkreis Darwcn in Lancashire von dem Konser vativen Russell geschlagen worden. Russell hatte 15 200 Stim men, Sir Herbert Samuel 14 135. — Bei den letzten Wahlen betrug die Mehrheit für Herbert Samuel über 4000 Stimmen. Sir Austen Chamberlain ist in seinem Wahlkreis Birming ham-West wiedergewählt worden. Seine Mehrheit hat sich von 7000 auf 11 000 erhöht. — Der frühere Erste Lord der Admi ralität, Alexander (Arbeiterpartei) hat seinen Sitz in dem Shej- fielder Wahlkreis Hillsborough wiedergewonnen indem er den konservativen Vertreter mit einer Mehrheit von 3500 Stimmen schlug. Der Arbeiterführer Clynes konnte in einem Wahlkreis von Manchester seinen früheren Sitz, den er bei den Wahlen von 1931 verloren hatte, wieder gewinnen. In einem Liverpooler Wahlkreis wurde der Schn Winston Churchills, Randolph Churchill, von dem arbeiterparteilichen Gegenkandidaten geschlagen, das Stimmenverhältnis war 18 500 zu 16 500. — Wiedergewählt wurden der Finanzsekre tär im englischen Schatzamt, Duff Cooper, und der Pensions- Minister Hudson. Hudson ist der erste Regierungsvertrcter, des. sen Mehrheit sich gegenüber den letzten 'Mablen verbessert hat, und zwar um 2000 Stimmen. — In verschiedenen anderen Wahlkreisen, z. B. Shessield und Liverpool, konnten mehrere konservative Kandidaten ihre Sitze beibeholten, jedoch sind ihre Mehrheiten in den meisten Fällen sehr stark zurückgegangen. Ser MSer-und füll sich zmWlteli. Die Mahnung eines französischen Senators. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Senats und Vertreter Frankreichs beim Völkerbund, Henri Berenger, unterzog in einer Rede vor dem Amerika nischen Club in Paris die Haltung des Völkerbundes ge genüber dem italienisch-abessinischen Krieg einer äußerst scharfen Kritik. Die internationale Wirtschaftskonferenz habe Schiff bruch erlitten, desgleichen der Versailler Vertrag, der Re parationsausschuß, die im Jahre 1929 vom Völkerbund ins Leben gerufene Europäische Union, man habe den Zu sammenbruch der von den Gründern des Völkerbundes er träumten Uebereinstimmung erlebt, und vielleicht müsse man sogar den Zusammenbruch des Völkerbundes hin- zufügcw Dieser Völkerbünd, so fuhr Berenger fort, habe in den letzten 15 Jahren eine große Gelegenheit versäumt , als er in verschiedenen Erdteilen die Fort setzung des Sklavenhandels, den Verkauf von Negern und den amtlichen Besitz von Sklaven durch Staatsoberhäupter erlaubte, die inzwischen Mitglieder des Völkerbundes geworden seien. Hierin liege ein Fehler, den man als die Wurzel des augenblicklichen afrikanischen Dramas ansehen müsse. Diese Nichterfüllung seiner Aufgabe habe den Völker bund ungeeignet gemacht, anschließend mit so großer Strenge gegen dasjenige Mitglied vorzugehen, dessen wie derhotte Warnungen er besser zur gegebenen Zeit angehörl hätte. Der Völkerbund habe weder das Recht noch die Mittel, sich als ein Ueberstaat oder als oberster Polizeimann aus zudrängen. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen würde es bedeuten, Artikel 16 des Paktes in gefährlicher Form zu spannen, wenn man daraus ein Instrument militari scher Sühncmaßnahmen oder einer Blockade machen wolle, die zum Krieg führen könne. Der Völlerbundspakt müsse mit dem Frieden in Einklang gebracht werden und nicht mit einem Krieg auf erweiterter Grundlage. Die einzel nen Organe des Völkerbundes würden gut daran tun, ihre Verantwortlichkeiten genau zu prüfen, nicht nur vor ihrem eigenen Gewissen sondern vor dem Gewissen aller Völker, in deren Namen sie Entschlüsse faßten. Es sei unleugbar, daß die Enthaltung Amerikas, die durch den Austritt Japans, Deutschlands und Brasiliens noch verwickelter geworden sei, die Mitglieder des Völkerbundes dazu be stimmen müßte, größte Bescheidenheit an den Tag zu legen. Gemeinsame Antwortnote -er Sanktionsstaaten. Auf den italienischen Protest gegen die Sühnemaßnahmen. Wie in englischen Kreisen verlautet, ist sowohl die britische als auch die französische Regierung der An sicht, daß der italienische Einspruch gegen die Sühnematz- nahmcn eine kollektive Antwortder beteilig ten Mächte erfordere, die von Italien gleichlautende Noten erhalten haben. Der Wunsch der britischen Regie rung, der Paris mitgeteilt worden ist, eine Konsultation zwischen den in Frage kommenden Mächten herbeizu- sührcn, wird von der französischen Regierung, wie scstgestellt wurde, geteilt. * Die Nachricht, daß die Sanktionsmächte auf den italienischen Protest gemeinsam antworten sollen und hier über zwischen England und Frankreich Einvernehmen bestehe, hat, wie aus Rom gemeldet wird, in italie- nischenpolitischenKreisen Erstaunen ausgelöst. Amtlicherseits macht man von dem Befremden darüber gar kein Hehl. Man hätte es in Rom als das Natürlich« angesehen, wenn jeder Staat einzeln zu der italienischen Note Stellung genommen hätte.