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A-en-Au-sabe M Beginn -er ReWtagsMon Ser AelteftemiiMliß bntit das Programm vradiwolänng nnooror Sorllnor Svdrtttlottnng Berlin, S. Dezember. Der Reichstag gleicht heute wieder einmal einem bewaffneten Heerlager. Ueberall ist Echupo ausgestellt, zum Teil auch berittene Mannschaften. Trotz des kühlen Wetters begannen die Ansammlungen des ublikumS vor dem Retchstagsgebäude schon am Vormittag, ie Polizei, die zum Schutze des Bannkreises zusammen- gczogen ist» brauchte jedoch nirgends etnzugreisen. Um 8 Uhr beginnt, wie bereits gemeldet, die erste Sitzung der heutigen Session. Am Bormittag tagte «och der Aeltestenrat, «m eine« allgemeinen Arbeitsplan auszustellen. Danach trifft es nun doch nicht zu, datz der Reichstag schon Ende dieser Woche wieder in die Serien geschickt werben wird. Der Druck der Parteien war denn doch zu grob, als daß die Reichsrcgterung diese neue RrüSkierung des Neichs- parlaments hätte versuchen wollen. Der Aeltestenrat beschlob. mit der heute beginnenden ersten Lesung des Haushaltplanes sowohl die alte, als auch die neue Notverordnung sowie die eingehenden Mtbtrauensanträge zu verbinden. Man wird den Versuch machen, über diesen Fragenkomplex bis Ende der Woche fertig zu werden. In der nächsten Woche wird sich dann der Reichstag mit außenpolitischen und anderen Anträgen beschäftigen, zu denen vor allem die Anträge wegen der Hochwasser- und Bergwerks- latastrophen gehören. Schließlich befaßte sich -er Aeltestenrat mit der Neuregelung der Diäten dir die Abgeordneten. Man billigte die Vorschläge, wonach die Diäten um 28 Prozent gesenkt werden. Weitere Aenderungen sollen jedoch nicht vorgenommen werden. Schließlich wurde die Einsetzung zweier neuer Aus schüsse beschlossen, und zwar eines Ausschusses für Lianidations- und Gewaltschäden und eines Ausschusses zur Förderung der Leibesübung. Der Staatspartei, die durch den Uebertritt des in Schlesien sür die Deutsche Bauernpartei gewählte» Abgeordneten Htllebrand als Hospitant Frakttonsstärke erhalten hat. wurde im Aeltestenrat das Recht auf Mitbesehung der Ausschüsse zugebilligt. Im einzelnen soll über die Um- besetzung in der nächsten Aeltestenratssitzung entschieden werden. Inzwischen ist zu den schon eingelausenen Aufhebungs- und Mißtrauensanträgen ein weiterer Mtßtrauens- antrag der kommunistischen Fraktion etngelaufen. Lü-emann erhalt einen Verweis vradtmolcknng nnaaror AvrUaar SekrUtloitnng Berlin» 8. Dez. Bekanntlich hing am S. November der Oberpräsiüent der Provinz Schlesien, der Sozialdemokrat Lüde- mann, eine rote Fahne zum Fenster seiner Dienstwohnung heraus. Seit Wochen hat sich nun der Innenminister Seve rin g geweigert, sich zu dem Verhalten seines Parteigenossen zu äußern. Immer stärker wurde daraushin der Druck der Ocffentlichkeit. Jetzt endlich hat sich Severtng dazu bereit- gefunden, Herrn LUdemann mttzutetlen, daß er sein Ver halten mißbilligen müsse, da für einen hohen Staatsbeamten größeres Taktgefühl am Platze sei. Großfeuer in Ren-sbury Rendsburg, 3. Dezember. In dem früheren Heeres« dcpot, das jetzt von verschiedenen Jndustriestrmen als Lagerraum benutzt wird, brach gestern abend Feuer aus, das sich schnell ausdchnte und das ganze 68 Meter lange, zwei stöckige Gebäude zerstörte. Der Schaden ist außerordentlich hoch. Da das Untergeschoß des Gebäudes an Großgaragen verpachtet war. gerieten auch die dort untergestellten Kraft wagen in Gefahr. Ein Kraftwagen verbrannte. Als Entstehungsursache wir- Vergaserbrand eines Kraft wagens vermutet. Die gesamte Reichswehr in Rendsburg war zu Absperrungszweckcn kommandiert worden. Dr. Reichert im Vorläufigen NeichSwirtschaftsrat. An Stelle des ausgeschiedenen Generaldirektors Dr Albert Vöglerist der frühere Reichstagsabg. Dr. I. M. Reichert vom Reichswirtschaftsministerium in den Vorläufigen Reichs- wtrtschastsrat berufen worden. Sie deutsche Protestnote gegen Polen Berlin, 8. Dezember. Die deutsche Note wegen der pol nischen Terrorakte gegen Angehörige der deutschen Minder heit bet den Wahlen in Polen, die heute veröffentlicht wird, besteht aus einem Begleitschreiben an den Generalsekretär des Völkerbundes, Sir Eric Drummond, und einer ein gehenden Darstellung der vorgekommenen Gewalttaten. In dem Begleitschreiben heißt es, daß die in Polnisch-Ober- schlesten gegen die deutsche Minderheit verübten Gewalttaten eine flagrante Verletzung der Bestimmungen der Genfer Konvention vom 15. Mai 1822 darstellen. Die deutsche Negierung, die gemäß Artikel 72 Absatz 2 der Konvention die Aufmerksamkeit des Völkerbunbsrats aus diese Vorgänge lenke, bittet den Generalsekretär, veranlaßen zu wollen, daß die Angelegenheit auf die Tagesordnung der näch sten Tagung des Völkerbundsrats gesetzt werde. Die dann folgende dokumentarische Darstellung der Gewalttaten gliedert fick in drei Teile, deren erster die Beeinträchtigung des Wahlrechts der Minderheit behandelt, während der zweite Teil die Terrorakte gegen die deutsche Minderheit schildert und der dritte Teil eine Zusammenfassung »nd Schlußfolgerung aus den vorhergehenden enthält. In zwei Anlagen sind der Note das Wahlplakat des Verbandes schlesischer Aufständischer und das Wahlplakat des polnischen Westmarkenvereins, Bezirk Schlesien, beigegeben. Zum Schluß heißt es in der Note, die deutsche Regierung habe bei Prüfung des ihr vorliegenden Materials durchaus die Erfahrung in Rechnung gestellt, daß in Zetten eines politi schen Wahlkampfes die Leidenschaften der Bevölkerung erregt zu sein pflegen, und daß in solchen Zeiten Ausschreitungen gegen politische Gegner von den Behörden nicht immer ver hindert werden können. Mit solchen Erscheinungen des Wahl kampfes lassen sich indes die geschilderten Vorkommnisse in keiner Weise vergleichen. Ausdrücklich wird darauf hingewicsen, daß es in Ober- schlesten, wo es innerhalb der polnischen Minderheit starke Bcvölkcrungsgruppen gäbe, die in scharfem Gegensatz zur Negierung ständen, terroristische Akte ihnen gegenüber nicht vorgekommen seien. Es handelt sich also um eine bewußte und planmäßige Aktion gegen die deutsche Minderheit, die von den polnischen Behörden z»m mindesten wohlwollend geduldet worden sei. Im Mittelpunkte des Kampfes gegen die Minder heit stehe der schlesische Aufständischenverband. Der Vor sitzende dieses Verbandes sei der Woiwode von Schlesien. Der Verband sei seit Jahren die treibende Kraft aller Aus schreitungen gegen dir deutsche Minderheit und der Organi sator eines systematischen Feldzugs gegen das Deutschtum. Die Polizei vernachlässige durchweg ihre Pflicht, indem sie gegen die Gewalttätigkeiten, denen die Minderheit ausgesetzt ist, entweder überhaupt nicht oder doch nur in völlig unzureichendem Maße eingrcift. Die deutsche Regie, „Die Ehe" von Döblin in Leipzig Aus Leipzig wird uns geschrieben: Alfred Döblin will mit seiner Szenenrethe „Die Ehe", die am 2. Dezember im Alten Theater zur Erstaufführung kam. ein Gemälde unserer Zeit geben. Einer Zeit, die durch ihre schwere wirt schaftliche Lage um ihr Menschenglück betrogen wird. Er wählt einige Etnzelfälle heraus, die Allgemeingültigkeit haben sollen. Aber es läßt sich doch sehr bestreiten, ob diese Allgemeingültigkeit vorhanden ist. Gewiß, wer kann die Auge» verschließen vor den schweren Schicksalen, die durch Geldmangel, Entlastungen, Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot über weite BolkSmasscn gebracht worden sind. Aber trotz all dieser Schwierigkeiten gibt es im heutigen Deutschland doch eine Fülle großer Leistungen, mutigen Borwärtsstrebens, rastloser Arbeit, gibt es auch überall fröhliche, glückliche Menschen, wenn sie auch durch äußere Umstände gehemmt sind, gibt cs vor allem eine tüchtige, hoffnungsvolle Jugend in allen Gcsellschaftsschichten. Ucber all diese Aktivposten sieht Döblin hinweg, er sicht nur das graue Elend und die Heuchelei. Auf dieser Grundlage zeichnet er nur die moderne Ehe, die nach seinen Theorien in ihrem Wesen vernichtet wird durch die Wirtschaftslage, von der Deutschland und seine Menschen bedrückt sind. Er sucht nun seine These zu beweisen durch sein drama tisches Werk „Die Eh c". Er nennt es „Drei Szenen", aber daö stimmt nicht. Man könnte eher sagen: „Drei Bilder", oder um es noch genauer zu treffen: „Drei Stücke". Denn es sind drei durch Personen und Stoff voneinander ganz ver schiedene Einakter, die untereinander keinen Zusammenhang haben und nur durch den Titel „Die Ehe" verbunden sind. Das erste und dritte Stück behandeln das Proletariat, das zweite die bürgerliche Gesellschaft. Eine gewisse Verbindung wirb durch den „Sprecher" hergestellt, eine Art Conferencier, der wohl den Dichter vertreten soll und alle Borgänge durch Hinweise, Erklärungen und Kritik begleitet. Wichtiger noch ist die Rolle, die der Mustk in dieser Szenenreihe zugewiesen ist. DaS Muster der „Dreigroschenoper" ist unverkennbar, deren Erfolg — was gewiß zu verstehen ist — zur Nach- ahmnng reizt. Mit dem Singspiel von Brecht und Wein hat das Döblinsche Werk auch den Bänkelsang gemeinsam, der in allen drei Stücken die dramatischen Vorgänge kommentiert. Dazu kommen noch Lichtbilder als wettere Helfer des Ver ständnisses. Man steht also, ein großer Apparat ist aufgeboten, wir sitzen in der Tat vor einer „Schaubühne", die zu Augen und Ohren spricht. Wenn man aber bi« drei Stücke ihrer revue« und kinomätzige« Zutaten entkleidet, bann bleibt wenig übrig. Eine dürftige Handlung, ein medizinisch-sozio- logischer Vortrag Alfred Döblins über die moderne Ehe. Freilich will Döblin mit diesen, vielfache Eindrücke vcrmit telnden Einaktern neues Theater geben, neue Kunstformen suchen, die unserer Zeit gemäß sein sollen. Er verwirft die alten Formen des Theaters, übersieht dabet aber, daß es Grundgesetze der Bühne gibt, die schon vor Jahrtausenden Geltung hatten und die voraussichtlich auch in Zukunft ihre Geltung immer wieder behaupten werden. Die Anlage des Ganzen ist in der Tat auch von musikali schem Gefühl diktiert. Es beginnt mit einer „Ouvertüre", einer großartigen Vision, in welcher der Krieg, der mit Waffen geführt wurde, der innere Krieg, der nach dem Kriege durch Arbeitslosigkeit und Not verursacht wird, in Zusammenhang gebracht wird mit dem Wachsen und Hinschwtndcn der Nationen, mit dem Werden und Vergehen der Welten. Und es schließt mit einem lyrischen „Finale", das die Hoffnung erweckt auf eine glücklichere Zukunft. Dazwischen liegen die Vorgänge der drei Einakter. In dem ersten, „Die junge Ehe", wirb der Kampf gegen den 8 218 von neuem geführt. Die selben Motive wie in CrebLS Abtreibungsstück, aber dünner und blasser als in jenem naturalistisch starken Drama. Achn- lich wie dort die junge Frau, die sich Mutter fühlt, Arbeits losigkeit des Mannes, Gang zum Drogisten, zum Arzt, zur Fürsorge, zur „weisen Frau" und Tod des Opfers. Das zweite Stück, „Die bürgerliche Ehe", führt unvermittelt in die Welt des Reichtums und Luxus, die nun, tendenziös gefärbt, gleichzeitig die Welt der Sittenlosigkeit sein muß. Der Eindruck dieser Szenen wird gemildert durch humo ristische Lichter, die über sie Hinwegspielen. Ein Fabri kant diktiert seiner Tochter die Ehe als gesellschaftliche Notwendigkeit. Die Tochter aber erwählt einen eleganten Abenteurer, den -ie Fabrik des Vaters reizt. Verheiratet gehen beide ihre eigenen Wege, nur geeinigt durch die Devise „Verschwiegenheit". Im dritten Stück, „Die große Familie", zeigt Döblin schließlich, wie Wohnungsnot die folgenschwerste Ursache aller sozialen Wirrnisse ist, wie eine ganze Familie dadurch vernichtet wird «nd aus der Landstraße zugrunde geht. An einem Mastenaufgebot von Personen wird das heutige Wohnungselend geschildert, und wenn diese Schilderung auch sehr kraß ist, so erzielt Döblin mit diesem Stück auch seine tiefste Wirkung, weil hier fein Ethos am stärksten, seine sozio logische Gesellschaftskritik am schärfsten ist. Dieses bunte Gemälde unserer Zeit wird begleitet von einer ungemein reizvollen Mustk, deren Komponist Karol Rathaus ist. Mit Temperament und rhythmischem Gefühl untermalt er di« Handlung und erfindet schlagerartige Melo- dien. Die Heiterkeit, die von dieser Mnstk ausströmt, mildert dt« herben Vorgänge. Kapellmeister Schleuntng war et» berufener Interpret dieser musikalischen Einkleidung. Die Inszenierung lag in den Händen des Direktors Detlef Sierck und -es Spielleiters Hans Zeisc-Gött. die ihre schwierigen Aufgaben restlos glücklich lösten und die drei Stücke mit sprühendem Leben erfüllten. Den Sprecher gab Robert Meyn mit großer Frische und launiger Pointierung des Textes. Unter den Darstellern ist besonders Lina Carstens hervorzuheben, die in den drei weiblichen Haupt rollen als junge Frau des Arbeiters, als Milltonärstochter und Mutter der großen Familie neue vollgültige Zeugniste ihrer großen Darstcllungökunst »nd schauspielerischen Wand lungsfähigkeit abgab. Neben ihr eine ganze Reihe hervor ragender Leistungen. Der Erfolg war sehr stark. Mit allen beteiligten künstlerischen Kräften wurde auch der anwesende Dichter oft gerufen. Dr. Ludwig Stetten heim. Kunst un» Wissenschaft StvelteS Großes Philharmonisches Konzert Im Dresdner Gewerbehanö. am 2. Dezember Leo Blech, wiederholt als Gast ans Dirigcntenpult der Oper gerufen» ist doch als Konzcrtdtrigent kaum je in Dresden zu hören gewesen. Daö zweite Große Philhar monische Konzert bot nun auch dazu Gelegenheit. Leo Blech dirigierte an der Spitze der Dresdner Philharmonie die große C-Dur-Sinfonie von Schubert. SmetanaS Moldau und die „Oberon"-Ouvertüre. Auch hier bewährte er sich durchaus als der Temperamentsmustker. als den wir ihn von der Oper her kennen. Die Schubertstnfonie erschien sogar fast etwas ungewöhn lich stark auf „Temperament" angelegt, doch verlor ihre sprich wörtliche „himmlische Länge" dadurch jede Spur des Er müdenden, ihr Melvdicnreichtum trat mit bezwingender Ein dringlichkeit hervor, aber auch ihr architektonischer Bau ge wann lichtvolle Klarheit, Form und Relief —: gar keine leichte Sache bei diesem Koloß mustkanttschcn UeberschwangSl Als der echte Thcatermusiker bewährte Blech sich dann In der „Oberon"-Ouvertüre. die zu Beginn einen unsäglich feinen, romantischen Duft gewann und sich dann unter scharfer Ausprägung aller Gegensätze zu berauschendem Schwung steigerte. Doch vermied eS Blech, durch übertriebene agogiiche Schattierung des HüvnmotivS sich einen „interessanten Ab gang" zu schaffen. Auch ohne solche Mätzchen herrschte ein- stimmige Begeisterung für ihn. Etwas blaß blieb nnr SmetanaS „Moldau" f— der Boy kott der tschechischen Mustk scheint sich schon wieder erledigt »»