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Dresdner Journal : 03.08.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190108030
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19010803
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19010803
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-08
- Tag 1901-08-03
-
Monat
1901-08
-
Jahr
1901
- Titel
- Dresdner Journal : 03.08.1901
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Urschet,eu: Werktag« »achm i Uhr. wird Zurücksrndung der für die Schriftleitung bepimn ieu aber von diefer nicht ei» geforderten Beiträge bea» sprucht, fo ist da« PostgeS b« »zufügen. «utündtgnngsiedkde«: Dir Zette kleiner Schrift der 7 nutt aefpaUenen Snkündi- gungs-Leite oder deren Nau» 20 Pf Bei Tabellen- und Ziffern fad 5 Pf Aufschlag für di« Zeile Unterm Ne- daktion«strich (Liimefandt) di« Textzette mittln Schnst oda deren Raum 50 Pf Gebühren - Lrruäßigung bei öfterer Wiederholung Annahme der Anzeigen bi« mittag« 12 Uhr für die nach mittag« erfcheinend« Nummer- M179. 1801. Sonnabend, den 3. August nachmittags. Amtlicher Teil. Dresden, 29. Juli Mit Allerhöchster Ge nehmigung hat die Wahl des Professor vr. pdil. Eduard Sievers in Leipzig zum Rektor der Uni versität daselbst für das nächste Universitätsjahr die erforderliche Bestätigung erhallen. Ernennungen, Versetzungen re. im öffentl. Dienste. Im Geschäftsbereiche des Ministeriums des Innen» Angestellt: der Wttiläranwärter Urban alS Aufwärter bei der LandesversicherungSM.stall Königreich Sachfen. Im Geschäftsbereiche »es Ministerin»« »es Kult»« «ab Sffentltche« Unterrichts. Erledigt: die zweite ständige Lehrerftelle zu Thiemendori b.Oederan. Koll.: dasKSnigl. Ministerium des Kultus :c Einkommen neben freier Wohn ung im Schulhaufe nebst Gartengenuh 1200 M. Grundgehalt, 200 M perf.. in die AllerSzulage nicht einzurechnende Zu lage, löv M. Vergütung für Beheizung des SchulzimmerS u 55 M für FortbildungSfchulunterricht. BewerbungSgefuche mit den erforderlichen Beilagen und dem MilitärdienstauSweiS sind bis 15. August en den königl. Bezirksschulinspektor Sattler in Flöha einzureichen (Behördl Bekanntmachung^: erscheinen auch im Anzeigenteile.) Nichtamtlicher Leit. Tie auswärtige Politik der Woche. In letzter Zeit konnte man verschiedentlich Meldungen über den Plan einer Begegnung zwischen Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser und dem Kaiser von Rußland mitgeleilt und gleichsam tastend erörtert finden. Diese Nachrichten wollen auch nicht verstummen. In amtlichen Kreisen bringt man ihnen große Zurückhaltung entgegen; richtig dürfte jedoch sein, daß beide Herrscher den Wunsch nach einer Zusammenkunft und mündlichen Aussprache hegen. Die Versuche, Zeit und Ort oder sonstige nähere Umstände zu erraten, haben aber offenbar noch keinen festen Boden; eS läßt sich hier kaum etwas voraussagen. Vielmehr möchte schon jetzt vor weitgehenden Vermutungen zu warnen sein, die sich an eine etwaige Zwei-Kaiser begegnung knüpfen wollten. Zunächst kann als festgestellt gelten, daß keinerlei politische Mißverständ nisse zwischen Berlin und St. Petersburg vorhanden sind. Genüsse Bemühungen, der deutschen China politik eine sich gegen Rußland richtende Tendenz anzudichten, haben in den amtlichen Kreisen an der Newa nicht verfangen. Eher könnte man meinen, daß die Möglichkeit handelspolitischer Streitfragen neuerdings einen Schalten vorauswerfe. Wie be kannt, ist aber der augenblickliche Stand der Dinge auf diesem Gebiete noch ganz beträchtlich von dem Stadium der „brennenden Fragen" entfernt. Je näher indessen der Zeitpunkt heranrücken wird, an dem solche Fragen ihre praktische Lösung finden müssen, desto mehr wird bei beiderseitigem Ver trauen sich auch Herausstellen, daß die Schwierig keiten, die der Fortdauer eines vertragsmäßigen wirtschaftspolitischen Zustandes entgegenstehen, durch aus nicht unüberwindlich sind. — Sehr rührig ist inzwischen der russische Finanzminister Witte in seinen Unternehmungen und Maßnahmen, die be stimmt sind, die wirtschaftspolitische Stellung Ruß lands zu verstärken. Seine Bemühungen sind zu nächst darauf gerichtet, in England und auch in Belgien Verhandlungen finanzpolitischer Art zu er öffnen. Vermutlich wird er sich sogar im Interesse dieser GeschäftSbcziehungen persönlich nach London und Brüssel begeben. Wenn aber eine Anzahl von Blättern mit dem Gerüchte arbeitet, Hrn. Wittes Stellung sei erschüttert und sein Rücktritt stehe vor der Thür, so muß man sich über dieses Maß von Leichtgläubigkeit doch sehr wundern. Wir können uns hier nicht in die Erörterung der zahlreichen Umstände vertiefen, die dawider sprechen und jedem Halbwegs politischen Kopfe gegenwärtig sein müßten, sondern wir begnügen unS mit dem Hinweise, daß die ganze Lage nicht dazu angethan ist, einen Per sonenwechsel gerade im Finanzressort des russischen Kabinetts zu begünstigen. Im Hinblick auf die chinesischen Angelegen heiten ist festzustellen, daß zu Peking bereits an der Abfassung der Schlußprotokolle gearbeitet wird. Hierbei hat, wie überall, die deutsche Politik hervor ragend mitgewirkt, wie eS denn ihrer Rührigkeit und zugleich ihrer Mäßigung zu danken ist, daß man zu greifbaren Ergebnissen gelangte. Diese mehren sich jetzt, und schon erkennt man allerseits mit Gewißheit, daß diejenigen ins Unrecht gesetzt worden sind, die die Arbeit der Diplomaten mit wohlfeilen Unkenrufen begleitet hatten, haarscharf zum voraus die Erfolglosigkeit aller Verhandlungen nachwiesen und auch sonstige Zweifel zu nähren wußten. Das Ende der alten Schlendrians in Peking ist herbei geführt und damit auch die Möglichkeit so ziemlich unterbunden, daß die Hauptstadt Chinas noch ein mal unversehens isoliert und zum freien Tummel plätze von Hetzern und Verhetzten gemacht werden könnte. Schon äußerlich kommt hier durch die neuen Befestigungen der Gesandtschaftsviertel und durch die gesicherte Verbindung mit dem Meere die vorteil hafte Aenderung der Dinge zu tage. Nennen wir weiter noch die Regulierung des Peiho und die Besserung der SchiffahrtSverhältnisse zu Schanghai, so giebt dies binnen recht kurzer Zeit eine Summe von thatsächlichen, schwerwiegenden Fortschritten, die andernfalls den Mächten wie den beteiligten Privat leuten noch Jahrzehnte hindurch vorenthalten ge blieben wären. Dazu tritt die Errichtung des chinesischen Auswärtigen Amtes, das den Verkehr zwischen der Zentralregierung und den Gesandt schaften erleichtern soll; in Zukunft werden z. B. Beschwerden auf ein minder umständliches Verfahren treffen. Die Einwendung, daß der Arm d»r Mächte trotz alledem nicht in das Innere des ausgedehnten Landes reiche, ist zwar begründet. Gewaltthätig- keiten an entlegenen Stellen sind also nicht außer Berechnung zu lassen, aber im allgemeinen haben die Ereignisse eine nachhaltige Lehre erteilt, und ihr Verlauf war geeignet, selbst den chinesischen Nationalfanatikern dm Star zu stechen. Ueberdies wird die weit geringere Wahrscheinlichkeit, daß von nun an Frevelthaten ungestraft bleiben, ihre Wirkung ebensowenig verfehlen wie die Gewißheit, daß China stets den Kürzeren zieht, sobald der artige Fälle anhängig gemacht werden. Wie schon ihre lange Dauer beweist, waren die Verhandlungen sehr schwierig. Unverdrossen aber behielt man auf deutscher Seite stets die Ausführung deS Programms im Auge, das der Reichskanzler Graf v. Bülow für die Lösung der chinesischen Wirren vom Standpunkte der deutschen Interessen in seiner Zirkularnote nieder gelegt hatte. Marokko betreffend find ein paar sensationell aufgeputzte Gerüchte zu verzeichnen gewesen. Zuerst hieß eS, daß ein neues Blutvergießen an der algerischen Grenze vorgekommen sei, aber die Be stätigung ist auSgeblieben. Sodann sollte der marokkanische Sonderbotschafter nach seiner Rückkehr aus Deutschland auf der Stelle verhaftet und ein gekerkert worden sein. Diese Nachricht entbehrt erst recht der Beglaubigung und ist sehr wahrscheinlich zu eine» ganz bestimmten Zweck erfunden worden. Es soll offenbar dadurch unterstellt werden, daß der Sultan über irgendwelche geheime Abmachungen seines Botschafters mit England und Deutschland ergrimmt sein müsse. Tie Absicht der Erfinder läßt sich jedoch schon durch den einfachen Hinweis auf die Sachlage vereiteln. Der Sultan hat gleich zeitig die vier Höfe bez. Staatsoberhäupter beschickt, die für ihn, den mehr passiven Mittelpunkt eigen artiger Schwierigkeiten, die wichtigsten sind: er will also mit den betreffenden Mächten in gleichmäßig guten Beziehungen leben. Dann kann er aber auch nicht daran denken, sogleich einen Teil dieser Schick salsmächte herauszusordern, weil ein derartiger Schritt ihn, wie die Dinge liegen, wiederum von einer anderen Macht abhängig machen müßte. Um da« Eintreten gerade dieses Falles zu vermeiden, dazu hat Marokko aber doch seine diplomatische Aktion überhaupt unternommen. Der Pariser „GauloiS" hat in Anknüpfung an die bekannten Vorgänge auf der Balkan-Halbinsel die Zusammenberufung eines Kongresses in St. Petersburg oder Kopenhagen zur Revision des Berliner Vertrages erörtert. Der Gedanke war entschieden verfrüht, denn diese Revision steht keines falls auf dem Programme einer amtlichen Vertret ung innerhalb der Mächte. Es ist das ein Wunsch der Balkan-KomiteeS, der allerdings auch die Halt ung der panslawistischen Presse Rußlands entspre chend beeinflußt. Da augenblicklich am Balkan die sommerliche Gärung wieder eingetreten ist, wirken solche Nachrichten auf die Beteiligten selbst in Gerüchtform schon erhitzend. Für Westeuropa ge nügt jedenfalls die völlig korrekte Feststellung, daß keine Großmacht sich für die Bestrebungen der kleineren Balkanstaaten ins Mittel legen wird. Ein kirchenpolitischer Vorgang in Konstantinopel, nämlich die Bestätigung deS ökumenischen Patri archen Joachim III., verdient daneben noch ein ge- wisfes Interesse. Der Titel stammt scbon aus früh- byzantinischer Zeit, und nach der Eroberung Kon stantinopels im Jahre 1453 fanden eS die Sultane geboten, der in allen Seeprovinzen der europäischen Türkei nach wie vor überwiegenden griechischen Christenbevölkerung ihr geistliches Haupt zu lassen, das ja in der Hauptstadt unter genügender Aufsicht stand. Bisher ist denn auch an der Voraussetzung, daß ein Patriarch auch persönlich dos Griechentum zu vertreten habe, nicht gerüttelt worden, obgleich sich die Mischung der christlichen Nationalitäten längst völlig verändert hatte. Allerdings trat 1872 ein Schisma im Sinne des orthodoxen Gedankens ein: die Bulgaren empfingen damals ihren eigenen Exarchen, während das ökumenische Patriarchat doch seit alters eine Trennung nach Nationalitäten vor sichtigerweise untersagt hatte. Von diesem Zeit punkte an wurde auch äußerlich ersichtlich, wie sehr das Griechentum an Zahl, Macht und Gewicht den slawischen Stämmen der Balkanhalbmsel nachsteht, und als Joachim zu Anfang der achtziger Jahre zum ersten Male Patriarch geworden war, versuchte er diese Thatsache in seiner ganzen Amtsausfassung zu berücksichtigen. Bald wurde er natürlich als von Rußland beeinflußt angesehen und gestürzt, — jetzt aber ist seine Zeit gekommen. Selbst die griechische Bevölkerung hat ihm, dem erklärten russischen Kandidaten, einhellig ihre Stimmen gegeben, die Be ¬ stätigung blieb, wie schon bemerkt, gleichfalls nicht aus, und so hat der griechische NationallsmuS auf dem Patriarchenstuhle eine Art freiwilligen Endes gefunden. Die erhebenden Trauerfeiern in Rom und ganz Italien für den vor Jahresfrist dahingerafften König Humbert waren noch kaum vorüber, als die Meldung von Meinungsverschiedenheiten im italienischen Kabinett eintraf. Der Finanzminister Wollen borg, ein verhältnismäßig noch junges und durch greifenden Maßnahmen geneigtes Mitglied deS Ministeriums, war, wie verlautet, mit einem Steuer reformplan hervorgetreten, dessen Besprechung die große Mehrheit seiner Kollegen adlehnte. Es handelte sich um den Vorschlag gänzlichen Verzichtes auf die staatlichen und kommunalen Verzehrungs steuern, wofür den Gemeinden als Ausgleich künftig alle Grundsteuererträgnisse, dem Staat aber als Er satzquelle eine progressive Einkommensteuer zugewiesen werden sollte, die den großen Vermögen in empfind lichster Weise nahegetreten wäre. Wer sich jemals mit der Güterverteilung innerhalb der italienischen Nation beschäftigt hat, wird vielleicht die gute Absicht deS Vorschlages würdigen, aber sofort auch dessen unpraktischen und in sozialer Beziehung gefahr drohenden Aufbau durchschauen. Wollenborgs Rücktritt hat diesen etwas Gracchischen Versuch, Italiens Steuerquellen in Einklang zu bringen, wohl endgiltig von der Tagesordnung entfernt. — Dem neuen linksradikalen Kabinett Deuntzer in Däne mark hat sich zwar noch keine bemerkbare Gelegenheit dargeboten, seine Anschauungen an den vorhandenen Bedinqnissen zu erproben, wohl aber ist bereit- die Versicherung eines Zeitungskorrespondenten vor ihm hergefiattert, daß die neuen Minister in Kopenhagen zum großen Teile Deutschland und dem Deutschtum wohlgesinnt seien. Man mag von dieser Meldung immerhin Vermerk nehmen; liegt doch in ihr eine An erkennung unseres überall gewachsenen Ansehens. — Auch da- neue niederländische Ministerium Kuyper hat sich nach längeren Vorbereitungen nunmehr gebildet: eS stellt da- ziemlich seltene Bei spiel einer Vereinigung positiv kirchlich gesinnter Vertreter zweier Bekenntnisse zu gemeinsamer Ge schäftsführung dar. vr. Kuyper übernahm drei Katholiken in daS Kabinett: er hatte, obgleich selbst das Haupt einer calvinistischen Sondergemeinde, schon bei den Wahlen ein politisches Bündnis mit der katholischen Wählerschaft vollzogen und dadurch die frühere liberale Mehrheit beseitigt. ES ist je doch bemerkenswert, daß selbst die Gegner des Ka binetts diesem ein gewisses Vertrauen in bezug auf seine politischen Fähigkeiten bezeugen. Daß z. B. vr. Kuyper, obgleich er als Führer der Opposition das vorige Ministerium einst zu einer diplomatischen Aktion zu Gunsten der südafrikanischen Republiken anfeuerte, gegenwärtig an ein derartiges Vorgehen in keiner Weise denkt, wird bereit- als gewiß be trachtet. Südamerika hat schon wieder seine Revolution gehabt, die in Kolumbien ausbrach, Venezuela in Mitleidenschaft zog, den neuesten Meldungen zufolge aber schon wieder niedergeworfen sein soll. ES läßt sich noch kein rechtes Bild deS Herganges gewinnen; für gewöhnlich ist eS auch selten der Mühe wert, von den Putschversuchen, die einander ost täuschend ähnlich sind, nähere Kenntnis zu nehmen — es sei denn als abschreckendes Beispiel. Kunst und Wissenschaft. Neue Novellen. „Es ist einerlei, ob der Jupiter oder die Erde vom Nordpol zum Südpol durchmeßen werden müßen, wenn nur die Bewegungsorgane der Entfernung angepaßt find" pflegte ein philosophischer Betrachter menschlicher Dinge vom Katheder herab zu verkündigen In seinem Sinne möchte wohl auch ein Beurteiler der neueren erzählenden Liiteratur sage«: e« kommt nichts darauf an, ob deren Werke größeren oder geringeren UmsangS sind, sondern nur darauf, ob zum Ziele geflogen oder gekrochen, ob lebendig gestaltet oder gepfuscht wird. Die Unterschiede, die zwischen einer echten Schöpfung und einem Mach werk obwalten, müßen sich, unbekümmert um die Aus. dehnung, auch in der Erzählung zeigen Wie aber, wenn eine von äußeren Umständen bestimmte, vom Be. türfni» des „Preß zewerbe«" gezeitigte Art der Erzähl, ung aufkommt, bei der die natürlichen Proportionen von vornherein auSgeschloffen find? Wie, wenn ein all gemeiner Zug der Zeit da« ausgeführte, innerlich und gleichmäßig belebt« Gemälde geringschätzt und der Skizze, die von der Forderung der Durchbildung und gleich, mäßigen Gestaltung von vornherein losgesprochen ist, den Vorzug giebt? Wie, wean gewaltige Flüge versucht werden, wo der Raum zum bescheidensten Aufstieg mangelt? Wie, wenn eine Form, die in eigentümlicher Weise nach inneren Gesetzen dehnbar und zusammen- drängbar ist, doch der Willkür unter den Händen zer- bricht? E« mag gut sein, Siebenmeilenstiefel zu trogen, wo es weite Länder, endlose Strecken zu überwinden gilt Aber wer in Siebenmeilenstiefeln auf Pfaden prangt, die noch keine Meile lang find, macht lächerliche Hahnenschritte, und ein guter Teil der modernen Erzähler erspart weder sich selbst noch seinen Lesirn diese Komik Die echre Novelle scheint von einer ÄesLichtenerzählerei abgrlöst zu werden, der sich mehr stoffliche Männig, faltigkeit, als poetischer Gehalt, mehr scharfe Beobacht- ung äußerlicher Einzelheiten al« gestaltende Phantasie nachrühmen läßt. Friedrich Hebbel hat in einem seiner Epigramme gegen Ludwig Tieck bezüglich seiner Novellen die An schuldigung ausgesprochen: Tieck habe diese köstliche Form erweiternd zerstört. Wunderlich und nicht ganz gerecht, schließt dies Urteil gleichwohl die Wahrheit in sich ein, daß die Novelle immer gedrängt, knapp und doch in sich vollständig sein soll Sie hat Motive und Pro bleme, denen sie mit wenigen Meisterzügen und kurzen Worten gerecht werden kann Allein daraus folgt noch lange nicht, daß die gegenwärtig beliebte, ja gewaltsam in den Vordergrund gedrängte „Kurzgeschichte" an die Stelle der knappen und doch lebensvollen Novelle treten könnte Es bleibt eben ein gewaltiger Unterschied zwischen der Novelle, in deren Mittelpunkt ein mensch lich bedeutsamer Konflikt steht, von dem aus da« Ganze sich organisiert, und der Feuilletongeschichte, di« auf einen falschen Effekt zugespitzt ist In der Hand deS Dichters liegt e», über welchen Teil seines Bildes er das Licht vorzugsweise ergießen will, nur bleibt die Voraussetzung, daß überall ein Bild vorhanden sei. Die Kurzgeschichten-Derfaffer aber geben vor, daß e« nur irgend eine« Lichtes und keine« Bilde« bedürfe Und so hat sich zu der alten Unart, dir Erzählung zur be lehrenden oder moralisierenden Abhandlung zu miß. brauchen oder vielmehr zu mißbilden, die neue gesellt, flüchtige Träume, Schattenbilder und einen Wirbel von phantastischen Strichen und Punkten für Erzählungen aulzugeben An Mannigfaltigkeit läßt di« neuestr Novellistik nichts, an klarer Bestimmtheit der Gestaltung und wahrer Kraft der Phantasie um so mehr zu wün« schen übrig Ander« stellt sich die augenblicklich« Lag« freilich dann dar, wenn man alle« Alte, wat m neuen Nahmen «»«gestellt wird, also alle Neuau«gaben und Neuauflagen, der neuesten Produktion hinzuzählt Dann steht an der Sp»tze der mngsten ErzählungSlitteratur ein Buch wie Ludwig Anzen gruber« „Wolken und Sunnscheia" (Stuttgart, I G Cottasche Buchhandlung Nachfolger, 1901), die zweite Auflage der gesammelten Dorfgeschichten de» Wiener Dramatikers und Erzähler«, dessen schlichter Ernst und dessen gesunde Gestaltungslust üblichermaßen erst jetzt, lange nach dem Tode Anzengrubers, zu ihrer stärksten Wirkung kommen Die Novellen finden sichnatürlich auch in Anzengruber« gesammelten Werken, wo sie teils den „Dorfgängen", teil« den „Kalendergrschichten" an gehören In der vorliegenden Sammlung find sie in anderer Folge und Aneinanderreihung zusammengestellt Vierzehn Geschichten („Gott verloren", „Unter schwerer Anklage", „Der Schatzgräber", „Eine Geschichte von bösen Sprichwörtern", „Liesel, die an den Teufel glaubt", „Für d' Katz", „'S Moorhofer« Traum", „Die Heimkehr", „Wenn einer e« zu schlau macht", „Die Herzfalte", „Annerl, Hanner! und Sannerl", „Wißen macht — Herzweh", „Ein Mann, den Gott liebt", „Nit geh n than that'»") reichen von der Novelle im engeren Sinn« bi« zur bloßen lebendig erzählten Anekdote, aber Kurzgeschichten, auf den Effekt zugestutzte unechte Situation«schilderungen — Schier!ing«studien nennt sie rin geistvoller Landschaftsmaler — sind e» nirgend«, in jeder ist ein Stück volle« Leben, ein Stück frischer Charakteristik enthalten Ein Element ver ständiger, beinahe könnte man sagen kritischer Beob achtung de« dörflichen Leben« gesellt sich der unmittel baren Phantafiefteud« de« Dichter« an der Fülle und Vielgestaltigkeit diese« Leben« hinzu Ein Band Novellen unter dem Titel „Nord deutsche Erzähler" (Berlin, Alfred Schall) bringt di« Novellen „Altflorentinische Tage" von Wilhelm Jensen, „Dir silberne Verlobung" von Heinrich Servet und „Marnnhagrn" von Iuliu« Stinde, von denen jede für die litterarische Besonderheit ihre« Verfassers bezeichnend, namentlich aber die zweite eine« der Meisterstücke Seidels ist. Der Abstand vom Nord pol zum Südpol de« Jupiterplaneten, um da« Eingangsbild zu brauchen, erscheint geringfügig ^8«» den geistigen Abstand, der zwischen der frischen Leb«n«fülle und dem Wirklichkeitsfinne einer Novelle wie „Die silberne Verlobung" und den phantastisch, exotischen Träumereien waltet, die Karl Han» Strobl „Au» Gründen und Abgründen", Skizzen au« dem Alltag und von drüben (Leipzig, Hermann Seeman« Nachfolger) betitelt Visionen wie „Am Rande der Wüste" oder „König Orang Utang", eine Affengeschichte mit Hintergründen, oder wie „Der Leichnam im Wald" und „Der Kopf" oder „Neblige Nächte"' sind Proben einer Romantik, in der Satire, Symbolik, Farben schwelgerei und überhitzte Stimmung sich zu Visionen steigern, di« so rasch v«rfliegen wie verworrene Traum bilder Da« Leben scheint in diese Geschichten ungefähr hinein wie da« Licht durch die dichten Vorhänge in ei« schwüle« Schlafzimmer Die Phantasie, die der Natur ein Schnippchen schlägt, und die Anschauung, die ordent lich davor zittert, daß einmal eine Skizze zum Bild« werd«» könnt«, bringen „Kurzgeschichte«" verschieden»? Art hervor, wa« früher unklar hieß, nennt sich jetzt „intim" und „abgründig tief". Vorderhand freilich find wir noch nicht so «»eit, daß di« Traumrswirren die Welt und da« Menschenschick al gänzlich au« der Novelle verdrängt hätten Im Gegen- teil, die düstersten Winkel der Wirklichkeit werden noch immer nach novellistischen Motiven durchspäht Eia Schriftsteller von entschiedenem Talent wie Wilhelm v Polen, giebt in der kleinen Sammlung „Lugins land" (Berlin, F Fontane u C») sech« Oberlauny.r Dorfgeschichten: „Dir Glocke« von Krummseisenbach", „Mutter Maukschenü Liebster", „Da« Glück der Riegel«
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