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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration»- PreiS 22^ Sgr. sj Tbtr.) vierteljährlich, Z Lhlr. sür da- ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man rrinumerirt auf dieses Beiblatt der Allg.Pr. Ciaats. Zeitung in Berlin in der Lxveditwn (Mohren - Straße Nr. 34); in der Provinz se wie im Äu-lande dei den Wohllidl. Post- Aemiern. Literatur des Auslandes. 73. Berlin, Montag den 19. Juni 1837 Frankreich. Anekdoten uns der Zeit der Kontinental-Sperre. Ben einem Pagen de« Kaiserlichen Ho sek. Einer der umfassendsten Gedanken Napoleons war unzweifelhaft die vollständige Verwirklichung des sogenannten Kontinental-Systems. Gegen die Contrcbandc zeigte er Laber unbeugsame Strenge. Um sich nicht durch eigenmächtiges Verfahren die Kaiserliche Ungnade zuzu- ziehen, bat ihn einst der Zoll-Direktor von Marseille, Peilhon, schrisl- lich um seine Meinung. Es bandelte sich um eine Eoufiscalion, von welcher er, wie ec sich ausdrückle, geglaubt habe, seine Beamten nicht entbinden zu dürfen. Der Gegenstand war ein Ballen mit drei Dutzend Indischer Kaschemir-Shawls, aus Konstanlinopel au Josephine abrcisirt, welchen er anbaUcu lieh, obgleich er die Aufschrift trug; An Ihre Maj. die Kaiserin der Franzosen, Königin von Italien :c. Mit um gehender Post erhielt Herr Peilhon den Befehl, die Kaschcmir-ShawlS zu konfiSzircn uud den Flammen zu übergeben. Lierundzwanzig Stunden nach Empfang dieses Befehls wurden die drei Dutzend Kaschemir-Shawls unbarmherzig vor aller Augen auf dem großen Platz in Marseille verbrannt. Napoleon balle lebhaft gewünschr, daß die Damen bei Hofe Fran zösische Kaschemir-Shawls lragcn, aber bicrgcgen balle sich der alle Adel mit dem neuen verschworen, und was die Indischen Kaschcmir- Sbawt« belriffl, so warb es ibm schlcchlerdingS unmöglich, den Geschmack der Schönheiten umzustimmen, die in den Tuileriecn de» Donnerstag- Zirkel bildeten. Er ward sehr böse, wenn er Hofdamen in fremde Stoffe gekleidet erblickte; dann runzelte er die Stirn und bezeugte laut seine Unzufriedcnbcit. Andererseits Yörtc er aber auch nicht auf, Josephine« zu bestürmen, ihm den genauesten Preis der Stoffe mit- zutheilen, die sic zu ihrem Anzuge gebrauchte. Sie antwortete ihm gewöhnlich: Dieses Kleid komml aus El. Quintin, dieser Manlel ist in Lyon vcrscrligl worden, und Napoleon rief dann laut: Aba! darin zeigt sich die Ueberlegenheit unserer Fabriken über die des Aus landes, über die der Anderen. — Er bezeichnete die Engländer nie an ders, als mit diesem Ausdruck. Ader Josephine tauschte ihn; die meisten ihrer weißen Kleider waren aus Indischem Musselin von der besten Sorte oder von prächtigem Englischen Pcrkal, und weder der eine noch der andere dieser Stoffe konnte anders als dllrch Emschwärzung nach Frankreich gelangen. Endlich aber nahmen die Kunstgriffe IosephinenS ein Ende. Man hatte Napoleon schon heimlich benachrichtigt, daß verschiedene Putz-Gegenstände, welche sic ganz kürzlich crhaltcn, als Contrcbandc übcr die Holländische Gränze gegangen wären, obschon der Kaiser seil der Wegnahme der oben erwähnten Kaschemir-Shawls »och strengere Befehle an den Direktor der Ein- und Ausgangs-Zölle jn Antwerpen, Herrn Collin, erlassen und namentlich befohlen halte, alle Waaren, welche nur irgend verdächtig schienen, mit Beschlag zu belegen. Nun erhielt er eines Morgens von dem genannten Direktor die amtliche Nackricht, daß eine Kiste mit Englischen Waaren, unter welchen sich zwölf baumwollene Tüll-Schleier befanden, nach seinem Befehl ange- hallen und unverzüglich verbrannt worden seven. Herr Collin fügte zur Unterstützung seiner Angabe alle rechlserligende Belege bei, und unter andere» auch den Bcstellungsbrics, welcher zwar nicht unter schrieben, aber dessen Inhalt, obschon verblümt, augenscheinlich bewies, daß die Kiste für die Kaiserin bestimmt war, und daß sic selbst den Ankauf dieser Sachen besohlen habe. Bei dem Durchlesen diese« Aktenstückes gerielh Napoleon gegen seine Gemahlin in Zorn. Indessen bcruhigie er sich doch wieder, at er an den Strich durch dic Rechnung dachte, welchen ihr der Zoll-Di rektor gemacht. Er ließ sich nichts merken und verschob die Sache auf einen paffenden Tag, um sich mit ihr darüber au-zusprechen, indem er darauf rechnete, daß sic früher oder später, wenn sie keine Nachricht von den mil so vieler Ungeduld erwarteten Putzsachen erhielte, selbst eine Erklärung provoziren würde. Diese Gelegenheit zeigte sich auch bald. Eine« Morgens, al- sie zusammen frühstückten, bemerkte Napoleon bei Iosephinen eine Art Unruhe, welche in seiner Gegenwart ungewöhn lich war. Da er die Ursache dieser Ungeduld erriech, so benutzte er augenblicklich die Gelegenheit, um die furchtbare Erklärung einzuleilen. „WaS fehlt Dir denn heule, meine Theucrstc?" fragte er im Tone de« Vorwurf«, „Du scheinst mir ganz verstimmt." Josephine antwortete mit gleichgültigem Accent, daß sie wirklich seit einigen Tagen etwas verdrießlich sey, und zwar wegen der Verzögerung einer Kiste mit ver schiedenen Waaren, welche sie bei Lvouer Kaufleuten bestellt. — „Wenn es weiter nicht« ist, so beruhige Dich: Deine Kiste wird schon an ihre Bestimmung gelangen." — „Aber sie müßte schon da seyn." — „Dir Sachen werden uutcrweges aufgehalicn worden seyn! Es ist so schlechtes Welter!" — „Ja, ich muß cs wohl glauben." „Oder", fügte Napoleon mil ironischem Ton hinzu, „dic Kistc ist vielleicht von Räubern genommcn worden, wer weißt" — „Ach, ncin! ich fürchte vielmehr, daß .. .." — „sic bci der Autwcrpcncr Zoll-Linie angehalten wurde?" unterbrach sic der Kaiser, indem er schnell von seinem Sitz ausstand. „Könnte nicht etwas dergleichen den Sachen, welche Du aus Lyon erwartest, begegnet seyn? Gestehen Sie es nur, Madame, und cs soll nicht mehr davon die Rede seyn." Dic lctztcn Worlc wurden mit cinec nicht« weniger als srcundlicken Miene gesprochen. Die arme Josephine, äußerst verlegen, da sic merkte, daß sic verralhen sey, licß dcn Kops sinken, ohne etwas zu antworten. Napoleon wollte von seiner Ueberlegenheit keinen Gebrauch machen, setzte sich, näherte sich seiner Gemahlin, ergriff ihre Hand und sagte zu ihr mil großer Bewegung: „Höre mir zu/meine theure Freundin, Du weißt, daß ick niemals lüge, ich aber weiß, daß der größte Acrger, welchen ein Mann seiner Frau verursachen kann, darin besteht, ihre Hüte und Kleider cinzuschlicßcii; wisse denn, ich habe Alle« erfahre», ich selbst habe Beschlag auf diese Kiste legen lassen, und sic ist mit Allem, was sie cnlbicch verbrannt worden." — Hier konnte die Kaiserin eine gewisse krampfhafte Bewegung nicht unterdrücken. — „Ja, ver brannt, auf meinen Befehl", wiederholte Napoleon. „Ich will cs Dir diccmal noch zu gute hallen, aber nur unter der einen Bedingung, daß, > wenn es noch einmal geschieht, ich unverzüglich Deine unverschämte» Comwissionaire verhaften und verurlheilen lasse. Dann magst Du den Versuch machen, mich nm ihre Begnadigung zu bitten, und sehen, ob ich sic gcwäbrc." Dennoch traf sich cine Gelegenheit (vielleicht die einzige), wo der Kaiser über cine weil sträflichere Verletzung der Zoll-Gesetze die Augen zudrückle; denn cS handelte sich um weil mehr, als gewöhnliche Contrcbandc. Zu Ende dcS Jahre« I8ti7 kchrlen die Grcnadicre der alten Garde, welche de» Kaiser »ach Deutschland begleitet hatten, unter Ansübrung ihre« Chess, de« General SoulöS, »ach Frankreich zurück. Als sie in Mainz ankamcn, wünschte der dortige Zoll-Direktor Lamar mit seiner mißlichen Stellung alle mögliche Nachsicht zu verbinden und begab sich daher zu dem General, um ihn von dcr unumgänglichen Notbwendig- keil in Kcnnlniß zu setzen, dic Gesetze in Ausführung bringen und folglich alle Train-Wagen, weiche er mit sich führe, uniersuchei, lassen zu müssen. Die Antwort Soulös' bei dieser freundlichen Eröffnung war eben so kurz als energisch. „Diese Gesetze", antwortete er, „gehen uns nichts an, und wenn "ein einziger Ihrer Beamten die Hand an die Kasten meiner alten Soldaten legt, so lasse ich Ihre Diener alle wie junge Katzen im Rhein ersäufen." Der Zoll,Direktor zaudert, aber dic Zoll-Beamten, auf ihre Menge vertrauend, zeigten sich entschlossen, dic Unlcrsuchung zu beginnen, und erschein«! in demselben Augenblick, wo die Grenadiere die Stadt ver lassen wollen. Der Generäl aber ließ seine Soldaten ein Carre sor- miren, die Bajonette kreuzen und die Train-Wagen inS Centrum brin gen. Da die Zoll-Beamten nicht weiter zu gehen wagten, so wurden sic gcnötbigt, sich mitten nmcr dem Hohiigelächler, dem Gespött und dem Pseiscn der Soldaten und Neugierigen, welche diese Scene berbei- gelockt batte, zurückzuziehcn. Herr Lamar übersandte unverzüglich dem General-Direktor der Steuern in Paris einen umständlichen Bericht, welcher lange vor der Ankunft der alten Karde in Courbevoie, ihrer gewöhnlichen Garnison, dem Kaiser vorgclegt wurde. Diesmal war Napoleon sehr verlegen; der Fall war ernster Art, und unter allen anderen Umständen würde er sehr streng verfahren ftvn, aber er kehrte eben in seine Hauptstadt zurück, wo er, rauschender als je, durch dcn allgemcinen Frcudenruf eines auf seinen Ruhm und seine Macht stolzen Volkes begrüßt wurde. Und dann kam diese alle Garde mit Wunde» bedeckt zurück; sie war so tapfer gewesen, und ihr Be fehlshaber balle sich in den Schlachlen rubmwürdig ausgezeichnet. Wie mancherlei Gründe, den Zorn de« Herrn z« entwaffnen! Da, wo er nur an Belobnungen dachte, sollt« er jetzt strafen?.... Nein; indeß ließ er den General Soules zu sich entbieten. Der General stellte sich dem Kaiser vor, welcher ibn scbr gnädig empfing. Nachdem sie einige unbedeutende Worte gewechselt, sagte Napoleon: ..kl propos, Du vast da in Mainz schöne Dinge gemacht!" Soulös gekörte zu der kleine» Anzahl derer, welche Napoleon im enge ren Zirkel zu dutzen pflegte. — „Wie? Du wolltest meine Zoll-Beamten