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Deranbvoraw« «edatteur: V«»l Seh«. - Druck und Verlag- Earl Sehne tu D»voo»t«vald«. Donnerstag den 24 November 1921 87. Jahrgang Nr. 274 MertellührNch ^.MK.odueSw' «eMVuleiS. ^gen. — Einzelne Nummem L0 Pf. —Fernsprecher: Amt Dippoldiswalde Ar. 8. K-meindeverbands-Girokonto Nr. 3. — Postscheck» Konto: Dresden 12548. Dieses »la« ealhiM -le amMchea DekauulmachtMGe« -er Amtshauptmannschafl.-es Amtsgericht» und des Sla-lrals zu Dippoldiswalve WeiheritzZeilung mt Anzeiger Pir DippMiswawe, SchmieOeberg »U / «eltepe Zelluug-es Bezirks Amtliche VekmtmchlllM s Freitag und Sonnabend den 25. und 26. dieses Monats sind die gsrodLltsrLnm» vlusedlleülled «sdsnswt v»e«a »ototLllvL var vornlitt»«» für dringende Geschäfte geöffnet. -mtAdaaptmaaosodsIt ülppoirtlsvLläo, am 29. November 1921. Ausländ. Weizenmehl kann in sämtlichen Verkaufsstellen abgeholt werden. Vis'»! ,1» O'»o-'r'srnaiLid» Diejenigen Haushaltungen, die Frauen zur Vornahme häuslicher Arbeiten vorübergehend benötigen, werden auf gefordert, sich beim hiesigen Bezirksarbeitsnachweis (Markt 45) zu melden. Dippoldiswalde, den 23. November 1921. V«r tiiLätrsl — Emerbslosensürsorgcamt. — OertlicheS nn- Sächsisches Dippoldiswalde, 13. November. Der gestrige Vortrags abend des Gewerbevereins hatte sich eines — weil ohne Lichtbildern, unerwartet — zahlreichen Besuches zu er- freuen; ein Ansporn für den Verein, auch weiterhin neben dem mehr als Unterhaltung gewerteten Lichtbildervorkrag selbst weit abseits vom gewöhnlichen Wege liegende wissen schaftliche Gebiete in seinen Vortragsabenden zu behandeln. .Körper und Seele" war das Thema, das Herr vr. Mock - rauer behandelte, und zwar in sachlicher Meise, rein vom wissenschaftlichen Standpunkte. Redner zeigte, wie der Be griff «Seele" bei verschiedenen Völkern und zu verschiedenen Zeiten verschieden war, wie sich aber andererseits diese oder jene Anschauung in weit von einander liegenden Zeiträumen wiederholte. Das deutsche Volk habe bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts allgemein festgehalken an dem von der Kirche gelehrten Glauben von der unsterblichen Seele, während die Wissenschaft längst andere Wege gegangen war, auf deren Ergebnisse sich seit dieser Zeit alle die stürzten, denen die Kirchenlehre volle Befriedigung nicht mehr gab, dabei aber nur aus einem Extrem ins andere gerieten, weil die zum richtigen Durchdenken der wissenschaftlichen Ergeb nisse notwendige Vorbildung mangelte. Gerade das aber sei die Schuld an einem bedauerlichen und unfruchtbaren Kampfe, der ja heute noch tobt zwischen der materialistisch-wissenschaft lichen und der spiritistisch-religiösen Richling. Hier müsse etwas geschehen." Die Kirche habe eine wissenschaftliche Volksbildung vielfach nicht zugelassen. Selbst Gelehrte stän den auf dem Standpunkte, daß das Volk dazu nicht reif sei. Nach seiner Ileberzeugung aber sei der einzige Ausweg: Alle die, die Mert darauf legen, müssen sich wissenschaftlich unterrichten, orientieren. Nunmehr legte Hetr vr. Mock rauex dar, wie die exakten Naturwissenschaften das Wesen der.Eeele zu erforschen versuchten, bis sie schließlich an einem Punkte anlangten, an dem sie nicht mehr weiter konnten und den zu überschreiten ihnen immer unmöglich sein werde, wie aber dann die Philosophie einsehte und die Frage zwar nicht löste, aber sie doch der Lösung nahe zu bringen versuchte, und wie ihr das gelang in einer Weise, daß das Ergebnis für die, die sich bis hierher durchdenken und durchringen, ein köstlicher Schatz ist, dessen Erkennen sie zu wahrhaft edlen Menschen machten, die das Rechte nicht tun, um verheißenen Lohnes willen, sondern um des Guten selbst willen, aus sich heraus. Lautlose Stille hakte im Saal geherrscht. Lauter allgemeiner Beifall und Dankesworte des Herrn Vorsitzenden bewiesen Herrn vr. Mockrauer, daß seine Ausführungen reiches Inter esse gefunden hatten und es ihm gelungen war, vom Alltäg lichen weitab liegende Gedanken den Zuhörern nahe zu bringen. Da der Herr Vortragende zu erkennen gab, daß eine Aussprache ihm nur angenehm sei, nahm Herr Super- si Michael das Mork und verteidigte die Lehre der Kirche von der unsterblichen Seele. Die Antwort der Wissen- Frage: «Habe ich eine unsterbliche Seele oder " x Menschen kalt. Mit der bloßen Wissenschaft und Philosophie werde nie ein Volk glücklich werden, es brauche auch den Glauben. Für die Ungerechtigkeiten dieser Welt, an denen gerade die Gegenwart überreich sei, müsse ^ch ein Ausgleich kommen, und der sei nur möglich in einem Welterleben in einer anderen Welt. Herr vr. Mockraner entgegnete, die Wissenschaft wolle denen, die den Glauben drauchen, diesen keineswegs nehmen, aber sie könne anderer seits denen, die mit der Frage: «Habe ich eine unsterbliche Seele?" vor sie hintreken und die mlt dieser Frage den Boden des Glaubens gewissermaßen bereits verlassen hätten, die Antwort nicht schuldig bleiben und müsse ihnen die Wahr heit sagen. Und nur an diese habe er sich mit seinen Dar legungen gewandt. An nochmaligen Dank an Herrn Vr. Mockrauer und «Auf Wiedersehen im nächsten Jahre" schloß Herr Jehne die Mitteilung, daß der nächste Vortrag mit Lichtbildern am 14. Dezember gehalten wird. Damit fand eine Veranstaltung mit nicht alltäglichen Anregungen ihr Ende, die gar manchen und manche— wie sie auch zur Sache i selbst sich stellen mögen — doch Grund sein wird zum Nach- denken und zum Sichselbstvertiefen. — Keine Belobigungsurkunden mehr. Nach einer Verfügung des Wirtschaftsmintsteriums werden neuer dings Belobigungsurkunden für Treue in der Arbeit nicht mehr ausgestellt. — Das Meißner Porzellangeld wird noch in diesem Jahre feine ursprüngliche Aufgabe, als Notgeld dem Kleinhandel cbzuhelfen, beschließen, da das Reich die weitere Herstellung von Notgeld jeder Art untersagt hat, da es selbst genügend Scheidemünzen in den Verkehr bringen will. Die sächsische Regierung hat sich dieser Maßnahme bereits angeschlossen 1 nd das Notgeld in jeder Form verboten. Von den Meißner Münzen galten nur die Stücke zu 20 und 50 Pf. und zu 1 und 2 M. als kursfählges Notgeld, während die mit Gold umränderten höheren Werte von 5, 10 und 20 M. lediglich Sammelwert hatten. Der Freistaat Sachsen wird die erstge nannten vier Münzsorten noch bis Ende dieses Jahres ein lösen, doch ist anzunehmen, daß wohl fast alle Stücke in den Händen von Sammlern verbleiben, da sie einen beträchtlich höheren Wert darstellen. Der sächsische Staat dürfte bei der Herstellung dieser Münzen immerhin einige Millionen Mark verdient haben. — Bei dem Prüfungsausschuß der Beschwerden und Ge suche, die beim Landtage eingingen, ist auch ein Gesuch des Stadtgemeinderats zu Frauenstein, um Belassung des Jorst- amkes daselbst, abgegeben worden. — 5m Verlage von M. L R. Zocher, Dresden, ist die Winkcrausgabe des Blitz-Fahrplanes des sächsischen Netzes der Reichseisenbahnen mit Thüringen, Harz und nördlichen Tschecho-Slowakei sowie sämtlichen wichtigen Anschlüssen am 25. Oktober zur Ausgabe gelangt. Schmiedeberg. Die nächste Mütterberatungsstunde findet Mittwoch den 30. November, nachmittags 3—4 Uhr in der Schule statt. Glashütte. Bei der Gemeinderatswahl machten von 1800 Wahlberechtigten 1730 von ihrem Wahlrechte Gebrauch. Es erhielten die Bürgerlichen 5, die Mehrheltssozialisten 3, die Unabhängigen 3 und die Kommunisten 1 Sitz. Poffendorf. Der hiesige gemischte Gesangchor veranstaltet diesen Sonntag abends 7 Uhr im Saale des Gasthofes eine öffentliche Gesangs-Aufführung. Der Reinertrag soll dem Poffendorfer Frauenverein znfließen, damit den Armen des Ortes eine Weihnachtsfreude bereitet werden kank. — Am Totensonntag waren die Gräber der Toten auf unseren Friedhöfen vielfach geschmückt; auch am Kriegerdenk mal vor dem Gasthofe hatte man als Zeichen pietätvollen Ge denkens Kränze der Liebe und Dankbarkeit niedergelegt. Wilmsdorf. Mit großem Bedauern sehen wir Herrn Lehrer Neubert in diesen Tagen von hier scheiden, der nun sein neues Schul- und Kirchenamt in Gelsing ankrelen will. Dresden. Bei gutbesetztem Hause und vollen Tribünen eröffnete Präsident Fräßdorf die Landtagssitzung am Diens tag. Als dringliche Vorlage wird als erster Punkt auf die Tagesordnung eine Vorlage der Regierung gesetzt, nach der die Regierung vom Landtage die Bewilligung eines Be rechnungsgeldes von 50 Millionen Mark zur Sicherung der Kartoffelversorgung fordert. Wirtschaftsminister Felllsch gibt hierzu eine Erklärung ab, in der er eingangs auf die Kartoffelnot in Sachsen hinweist. Die Schuld an diesen Zu ständen schiebt er der freien Wirtschaft zu und weiterhin der Reichsregierung, weil sie nicht entschlossen ist, einen Höchst- j preis für Kartoffeln für das ganze Reich festzusehen und da- durch den Wucher wenigstens einzudämmen. Sachsen ist da durch schwer gefährdet. Die sächsischen Großstädte hakten sich deshalb beim Wirtschaftsminister in entschiedener Weise für die sofortige Aufhebung des unabhängig vom Reiche einge setzten sächsischen Höchstpreises eingesetzt, weil die sächsischen ! Großstädte der Meinung sind, daß selbst bei Anerkennung einer bisherigen guten Wirkung des sächsischen Höchstpreises. dieser von nun an insofern eine Gefahr darstelle, als er die Zufuhr von außersächsischcn Kartoffeln ungemein erschwere, ja fast unmöglich mache. Da in den anderen deutschen Bundes- ! stanken Kartoffeln unter 85—100 M. überhaupt nicht mehr zu haben sind und die sächsische Regierung einfach vor der Wahl steht, entweder schleunigst diese Preise mlt anzulegen, oder sämtliche Großstädte Sachsens und besonders auch ein zelne ländliche Distrikte vor eine furchtbare Kartoffelkata strophe zu stellen. Aus diesem Grunde ersucht die sächsische Negierung, dem Wlrtschaftsmintsterium einen Kredit von 50 Millionen Mark zur Notbeschaffung von Kartoffeln zur Verfügung zu stellen. — Sämtliche Parteien sprechen sich für den Kredit aus. Der Anttag wird schließlich angenommen. Der Antrag des Abg. Ebert u. Gen., Erwerhslosenunter- stühung bett., und der Anttag, Neuwahlen in den Gemeinden dekr., wird ohne Aussprache gegen eine kleine Minderheit angenommen. - Es folgt die große Etatsrede -es Finanz ministers. 5n fast zweistündigen Ausführungen gab -er Minister Heldt Aufschluß über die Finanzgebarung des Staates. Gleich zu Anfang mußte er feskstellen, daß das Bild, das er dem Hause entrollen muß, leider kein erfreuliches ist. 3m Reiche wie in den Ländern und Gemeinden stehen schon längst die Ausgaben zu den Einnahmen nicht in ent sprechendem Verhältnis. Die gesamten Ausgaben sind im Haushalt 1921 mit 2147 Millionen Mark, im Haushaltplan für 1922 mit 2313 Millionen Mark veranschlagt worden, während sie noch im Rechnungsjahre 1920 aus 1200 Milli onen Mark beziffert werden konnten. Demgegenüber ist das Gesamteinnahmesoll für 1921 nur mit 1397 Millionen Mark und für 1922 mit 1729 Millionen Mark eingestellt worden. Somit ergibt sich für 1921 ein Fehlbettag von 750 Millionen und für 1922 ein solcher von 584 Millionen Mark. Der Minister wendet sich alsdann den einzelnen Kapiteln zu und muß feststellen, daß beim Kapitel Forsten für 1921 nur ein Ueberschuß von 30 Millionen Mark vorhanden ist. Aus seinen weiteren Ausführungen ging hervor, daß größte Spar samkeit in sämtlichen Verwalkungskreisen dringend geboten ist. Erfreulicherweise kann der Minister feststellen, daß die Fortschritte der staatlichen Unternehmen günstige Ergebnisse zeitigten, ja, daß sogar ein befriedigender Reingewinn zu er warten ist. Die staatlichen Straßenbahnen weisen diesmal einen Fehlbetrag von 1656 000 M. auf. Die staatlichen Kraftwagenlinien lassen demgegenüber einen kleinen Ueber- schuß erhoffen. Der Minister hebt hervor, daß die Haupt einnahmen des Kapitels Abgaben die Anteile des Staates ün den Reichssteuern bilden. Ein bestimmter Satz ist aber noch nicht festzustellen. Die sächsische Staatsbank konnte mit einem Ueberschuß von 1V« Millionen Mark abschließen. Die Anteile des Staates an den indirekten Reichssteuern sind auf Grund vorsichtiger Schätzungen für beide Rechnungsjahre mit 77 Millionen eingestellt worden. Die neue Gewerbe steuer, die etwa 60 Millionen Mark für den Staat ergeben wird, soll mit Beginn des Rechnungsjahres 1922 erhoben werden. Eingehend bespricht der Minister dann den Haus halt der Zuschüsse. Bei den Einstellungen des außerordent lichen Etats weist der Minister noch auf die für 1921 angc- forderken 280 Millionen Mark für Förderung des Woh nungsbaues hin. Unter lebhaftem Beifall schließt der Mini ster mit einer Mahnung, die Hoffnung nicht zu verlieren. Es wird mit uns wieder vorwärts gehen. — Abg. Lastan (Soz.) erhält darauf als erster das Wort zur Debatte. Er geht eingehend auf die einzelnen Kapitel des Etats ein und fordert insbesondere, daß neben den Ausgaben für Wohl- fahrksetnrichtungen für Studenten auch Mittel für eine Arbeiterakademie bereitgestellt werden. Der Redner begrüßt es, daß beim Kapitel der sozialen Fürsorge die Posten ver größert bezw. neue Posten eingesetzt worden sind. Beim Wohnungsbau würden nicht immer die Allgemeininkereffen vertreten. Abg. Eberle (Dnat.) sagt eingangs: Der Etat ist das Bild der vollendeten Hilflosigkeit. Die sittliche Schwäche des deutschen Volkes und seiner Führer sei schuld an dem Ruin, über dem jetzt die rote Fahne weht. Die Erlösung kann uns' nur durch Rückkehr des Verantwortungsgefühls und durch Abkehr von der sittlichen Schwäche werden. Der Red ner schließt, wir brauchen eine sittliche, verantwortliche un einheitliche Führung des Volkes. — Mittwoch 1 Uhr geht die Aussprache weiter. — Ein evangelischer Landesbischof. Wer soll an der Spitze der sächsischen Landeskirche stehen? Die Frage wird nicht nur in den Kreisen der Synodalabgeordneken, sondern weithin im Lande lebhaft erörtert. Sie bildet einen Haupt punkt der von der gegenwärtigen Synode behandelten Ver fassungsfragen. Luther wollte ursprünglich die bischöfliche Verfassung weiter bestehen lasten, wenn sie sich nur mit evan gelischem Geist erfüllen ließe. Das geschah nicht. So ent standen das landesherrliche Kirchenregiment und -le Konsi storien. Sie haben viel gutes geschafft tn Aufbau und Ab wehr bis in die Gegenwart. Das fall ihnen unvergessen sein.