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Nummer 120 — 25. Jahrgang Sinai wöch. Bezugspreis für Juni 8.— emschl. «,ft,Ug«lv. »n»»<s«npr»N«: Dt« Igesp. Petitzeil, »04« »«llengrsuch, 20 F Dt« P»tttreklam«-«Ur. 8S Milli« in«««r breit. 1 ^t. Offtrt,ng«bühr«n für S«lbstabhol«r U> F. brt U»d«rs«n-ung durch di« Post autzerde« vortozulchltig. Linzel-Nr. IS L. Ecmniags-Nr. 1b GeschSftl. r«ilt I. ytll«vrand in Dresden. SiicklMe Mittwoch, 2. Juni 192S gm Falle höherer Gemalt «ritscht t«d« Verpflichtung auf Lieferuna sowie Erfüllung v. «n rus antwortung. Unverlangt «tngesondt« u. m. Rückporto nicht versehene Manusiript, wer», nicht ausbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittag». Hauptschristleit.: Dr. Joseph Albert. Dresden MnrIlRüvn Ourte 3«>Iervv»ren 0 Lebe. Neugingsr !i>>«rv>li»!,bnt>tj«n vresllen-k. 2»lui8x-»sse 10 f'Ivmmin^sti'. 4 R,ri>r?-s,sin,imir pelriva pei» Nü»e tNütren Q o fpietlpick Dresüen pillnitrer 8tr. 4ü Kuk 27479 «elchckstsftellr, Den« uo» >ve«ta»i «arsina- Buchdrucker», »WbH„ Dresden.». I, Polierllraze 17. yerimn 21012. PoINchecklonIo Dresden I1VS7 «»«sende « kkrt»«»e. Dresden. Für christliche Politik und Kultur ttksncls 6 Ukr ovRsnn» gut« Ru»«tt,kung sinci Ikre piläsr fertig, wenn 8ie mir Platten oäer I) 8 ^ ^ ^ ^ pilms bis morgens 10 Ubr bringen k-R- "R.ns-.r-a« N MkiliMe.W«M' Die Gegensätze: eine wohlausgerüskeke amerikanische Armee und Europas notwendige Rüstungsbeschränkungen Die Ursache des Weltkrieges Washington, 1. Juni. Bei der Einweihung des Ehrenfriedhofes in Arlington >» der Näl)e Washingtons hielt Präsident Coolidge heute eine Ansprache, in der er ausführte, Amerika habe niemals eine besser ausgerüstete Armee und eine wirksamere Flotte besessen als heute. Das gesamte Heeresivesen und die gesamte Flottenmacht würden auch iveiter den Bedürfnissen Amerikas entsprechend ausgebaut werden. Amerika dürfe seine nationale Sicherheit und seine nationale Verteidigung nicht vernachlässigen. Amerika Hab«, ohne sich aber dadurch in die Angelegenheiten anderer verwickeln zu lassen, seine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, bei der Ein» letzung von Schiedsgerichten mitzumachen. „Kein Wissender kann bezweifeln," so erklärte Eoolidg« wörtlich, daß es in weitem Ausmaße Europas wirtschaft liche Verhältnisse waren, durch die die unter stärkstem Wirtschafisdruck stehenden Länder Europas kopfüber in den Weltkrieg Hineingetrieben wurden. Diese Länder waren durch Wettrüsten in Anspruch genommen. Wenn ein Land einen Schiffskiel legte, so hielt das Nachbarland die Kiellegung von zwei Schissen für notwendig. Wenn ein Land ein Regiment aushob, so stellte das Nachbarland deren drei auf. Alle Völker Europas waren bewaffnet, wurden gedrillt und prämiiert zum Schaden ihres industriellen Lebens. Die europäischen Nationen waren besteuert und verschuldet bis zur Untrüglichkeit. Sie stöhnten unter dieser Last und suchten von diesem Druck sich zu befreien, indem eine die andere ausplllnüerte. Amerika schlug die Konferenz von Washington vor, be- !«iligte sich an den Konferenzen von Genf und tat dos alles in der Absicht, an der Verhinderung künftiger Kriege iiritzuhelfen. Amerika erwartet von der Abrüstungskon ferenz in Genf einige praktische Ergebnisse. Wir möchten glauben, daß andere Nationen sich uns anschließen, daß sie Haß und Mißtrauen so weit fallen lassen, daß sie unter sich selbst zu einer Einigung kommen. Diese Einigung ist eine Notwendig keit für die ganze Welt. Sie wird gebraucht, um die militäri schen Kräfte zu Wasser und zu Lande in allen Ländern der Welt verringern zu können. Europa hat einen Völkerbund und dieser Völkerbund müßte fähig sein, den Ländern Europas ge wisse politische Garantien zu geben, auf die wir allerdings kein Gewicht zu legen brauchen. Wir Amerikaner können nicht um hin deutlich unsere Ueberzcugung dahin auszusprechen, daß die europäischen Nationen Rüstungsbeschränkungen dringend be nötigen. Die Aheinlan-besatzung Berlin. 1. Juni Reichskanzler Dr. Marx hat gestern mit dem ReichS- kommi,sar für die besetzten Gebiete Langwerth von Simmern vic Frage der Lrupvenstärkc der Besatznngs- mächte eingehend erörtert. Man nimmt an. daß Reichs kanzler Marx nno das Kabine. Bcrantassung nehmen wcr- wcrden, auf Grund des BericktS des Reichskommissars diplomatische Schritte bei den Bcsatzungsmächten zu unter nehmen, die ans eine Herabsetzung der Bcsatzungstrnppcn abzielen. Das Neich-spostininisterium sür die besetzten Gebiete hat dem Reichstagsausschnß sür BemtznugSfragen eine Denk schrift übermittelt, in der die amtlichen Zahlen über die gegenwärtige Besatzungsstärte in der zweiten und dritten Rheinzone enthalten sind. Danach befanden sich am 15. No vember 1925 80 250 Mann, heute 88 000 Mann fremde Truppen in diesen beiden Zonen. Es ist also, wie nunmehr amtlich festgestellt wird, seit Räumung der ersten Zone ein Zustrom in die Zonen 2 und 3 eingetreten. Nach den Angaben der Denkschrift sind in dem angeführten Zeit raum 380 Wohnungen im Gebiete der zweiten und dritten Zone neu beschlagnahmt worden. Die Tagung -es Völkerbundsrakes Teilnahme Briands und Ehamberlains. .Paris, 1. Juni. Briand wird an der Jnnitagung des Völkerbunds- rates teilnehmen, falls er nicht durch dringende parla mentarische Geschäfte verhindert wird. Sollte es ihm nicht möglich sein, nach Genf zu reisen, so wird ihn Paul Bonconr vertreten. Chamberlai n wird kommenden Montag in Genf eintroffen. Das Abkommen zu -rill Rom — Belgrad — Paris. Von einer besonderen diplomatischen Seite wird uns geschrieben: Die bereits als bevorstehend angekündigte Fort setzung der Besprechungen Nintschitschs mit Ita lien und Frankreich erleben ihren Auftakt in der Anwesenheit Nintschitschs in Paris. An läßlich der ersten Rundreise Nintschitschs, dessen römischer Aufenthalt auf Anregung Mussolinis erfolgte, stand Jugoslawien vor den klar zutage tretenden Bestrebun gen Italiens, zwischen der Freundschaft Italiens oder Frankreichs wählen zu sollen; das konnte Jugoslawien nicht, weil gute Beziehungen zwischen Belgrad und Paris durch die Vergangenheit traditionell und für die Zukunft nicht überflüssig sind; demgegenüber steht die drängende Opportunität eines guten Verhältnisses zwi schen Rom und Belgrad; unterstrichen wurde diese Op portunität durch Italiens erneute Beweglichkeit in Al banien. Diese bezeugt schlagend, daß Jugoslawiens Außenpolitik römischen Wünschen Rechnung tragen muß, ohne damit Frankreich abzustoßen — daher geht der Kompromißvorschlag Jugoslawiens auf ein Abkommen zu dritr hinaus, das Jugoslawiens Balkanstellung garantiemäßig festlegen und es damit befreien soll, in irgendwelche ande ren Treibfragen in Mittel-, West- und Südeuropa hin eingezogen zu werden. Da hierüber grundsätzliche ' Uebereinstimmung zwischen Rom und Belgrad herrscht, so trat für Jugoslawien die Notwendigkeit in den Vordergrund, darüber mit Frankreich zu einer freundschaftlichen Klarheit zu gelangen; die Reise Nintschitschs nach Paris 'bedeutet daher keine Wen dung der außenpolitischen Balkanlinie Jugoslawiens oder eine Umorientierung seiner Anlehnung, sondern die Absicht, im Interesse seiner berechtigten Selbstsucht seine unbedingte Neutralität in allen westlichen Zwischenfalls möglichkeiten garantiemäßig verbrieft und versiegelt, ak tiv und passiv festzulegen. Da dies Italien genügen, Frankreich aber nicht schädigen dürfte, so ist mit einem schließlichen Abschluß des Abkommens zu dritt auf dem Boden des jugoslawi schen Kompromißvorschlages zu rechnen, wobei nur noch zu betonen ist, daß dadurch das Verhältnis Jugoslawiens zum Deutschtum in keiner Weise berührt oder beeinträchtigt wird. Brian- vor -er Kammer Paris, 1. Juni. Die Morgenprcsse erwartet, daß heute nachmittag in der Kammer eine wichtige Debatte über die allgemeine Politik der Regierung stattfinden werde. Nach dem ..Oeuvre" nimmt man an, daß Briand nach einem Expose über die politische und finanzielle Lage ein klares Vertrauensvotum fordern wird. Im Laufe des für heute vormittag angesetzten Minister rates soll der Inhalt der Erklärung des Ministerpräsidenten fcstgelegt iver-en, zu denen die Parteien alsbald Stellung nchmen wollen. Besondere Bedeutung wird dem Beschluß der Radikalen beigelegt, die letzten Donnerstag zu fast gleichen Teilen für und gegen das Kabinett stimmten, besonders auch weil Briand gestern Nachmittag eine längere Unterredung mit Malvy hatte, der den Auftrag haben soll, die radikale Kam merfraktion von den .Slbsichten des Ministerpräsidenten in Kenntnis zu setzen. Man nimmt allgemein an, daß ein Der. trauensvotum für Briand zustande kommen wird. Moralische Auswertung Von Dr. Rudolf I o k i e l - Oppeln Eine neue große Aufwertungsbewegung geht durch unser Volk. Die Sparer- und Gläubigerverbände haben sich zu Sprechern der Unzufriedenen gemacht, die es bei der durch das Aufwertungsgesetz vom Jahre 1924 ge regelten Aufwertung der Vorkriegsforderungen nicht be wenden lassen wollen, sondern auf Kosten der Allgemein heit eine höhere, möglich lOOprozentige Aufwertung ver langen Wenn manche Härte, von der der Kleinrentner im hohen Lebensalter durch die geringe Aufwertung be troffen wurde, beseitigt werden muß, wozu ein Ausbau unserer sozialen Fürsorge erforderlich ist, so ist es doch sehr zu bedauern, daß die Sparer-Organisationen mit der Hoffnung auf geldlichen Gewinn eine solä)e Volks bewegung hervorriefen. Es werden hier Hoffnungen er weckt, die nicht erfüllt werden können. Es sollten den führenden Persönlichkeiten Bedenken auf stoßen, ob sie Erwartungen wachrufen dürfen, die bei ihrer Erfüllung den Bestand des gesamten Staatswesens gefährden müssen. Kann man mit Belzebub den Teufel austreiben? Will man durch eine neue Inflation die Schäden der ersten Inflation heilen? Wie will man denn die kommenden Schäden wieder gutmachen? Aber was dos traurigste ist: Nachdem soeben der Volksentscheid zur Fürstenenteignung über die politische Bühne gehen soll und alle Leidenschaften, Haß, Neid und Zwietracht wach rufen wird, soll ein neues Volksbegehren, diese letzte Sicherung der Volkssouvcränität, mißbraucht werden, um Volksgenossen gegen Volksgenossen aufzuhetzen, um Forderungen an den Staat, d. h. doch an den Geldbeutel der Steuerzahler zu erheben, die nicht von politischer Vernunft, sondern von materiellen Nuherwägungen dik tiert sind. Darum ist das Bestreben der Regierung zu begrüßen, ein Volksbegehren in der Aufwertungsfrage zu verhindern. Eine ganz andere Aufwertung tut uns n o t. Eine Inflation hat uns heimgesucht, die noch heute andauert, und die ein viel größeres nationales Unglück bedeutet, als die finanzielle Inflation des Jahres 1923. Es ist eine moralische Inflation, die wir be klagen. Die idealen Prinzipien jeder Staatskunst sind entwertet und verachtet. Wahrheit, Freiheit und Recht sind zu Schemen herabgesunken. Nationalismus, Liberalismus und Sozialismus suchen sich das Feld strei tig zu machen. Gegen das. Prinzip der Wahrheit sündigt ein Na> tionalismus, dem alle Mittel recht sind, um wieder zur politischen Macht zu gelangen. Seine skrupellose Press« ergeht sich Tag für Tag in maßloser Verunglimpfung der gehaßten Vertreter der Staatsautorität. Die Partei leidenschaft hat blind gemacht für jedes wahre Verdienst und jede wirkliche Leistung. In den urteilslosen irre geführten Anhängerkreisen'wird der Wahn großgezogen, daß der jetzige Staat und die in ihm mitcntscheideiiden Kräfte korrupt und aufs höchste der Nation schädlich sind. Unüberlegte Gewalt- und Racheakte werden so in un politischen Hitzköpfen hervorgerufen. Die Sabotage, die man den Untersuchungsausschüssen der Parlamente an- gcdeihen läßt, die die Fememorde und die Schuld vom Zusammenbruch 1918 aufhellen und damit Licht in die dunkelsten Kapitel deutscher Gegenwartsgeschichte brin gen sollen, die Mißachtung, mit der man ihre Tätigkeit verfolgt, lassen doch ernste Bedenken aufsteigen. Auch die Leichtfertigkeit, mit der man sich über internationale Abmachungen und Verträge hinwegsetzen will und wenn schon nicht zum Bruch, so doch zu heimlicher Umgehung auffordert, ist doch weit entfernt, dem Prinzip der Wahr heit und der Ehrlichkeit zu entsprechen. Dunkle Pläne werden geschmiedet, um die Staatsgewalt in die Hand der eigenen Clique zu bekommen und nachher werden alle Pläne mit einer raffinierten Ableugungsknnst zu vertuschen gesucht. Und was das schlimmste ist. diese illegalen Bestrebungen scheuen vor den dunkelsten Ent schlüssen nicht zurück, weil sie auf die Milde einer Justiz hoffen, die ihnen ihren guten politischen Willen zugute hält. Wie wenig entspricht auch dem Prinzip der Wahr heit das in diesen Kreisen übliche Heranziehen anderer Nationen, besonders unserer ehemaligen Feinde, wodurch nur Völkerhaß und Dölkerverachtung, aber nicht Bölker- versöhnung gefördert wird. Eine andere große Geistesrichtung widerspricht dem zweiten Prinzip: der Freiheit. Das ist der Liberalis mus. der wohl ein Freisein von etwas, aber nicht ein Freisein zu etwas kennt. Die Geldmächte haben unter seiner Führung eine Machtstellung errungen, die sie bru-