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Diese« Sttatt erscheint rtglich Sdend« und ist »urch alle Poft, -nftalten de« I». m»d «»«lande« zu beziehe». Dresdner Journal, Prei« fiir d»> Birrtelsckhr Znserllvnszebfth- re» ftrd«»R«m» «t»er g«s-»lle»e» Le«« I, Vf. Herold für sächsische und deutsche Interessen. Skdtgtrt von Karl Biedermann. Inhalt. „Er geht aufs Land." — TageSgeschichte: Dresden: Sitzungen der l. und ll. Kammer; DaterlandSverein. Leipzig : Fest- ftier zur Eröffnung des deutschen Nazionalparlamrattj das erste Tchützenbataillon. Berlin. Posen. Erfurt. Halle. Köln. Lpenrade. Frank furt. Darmstadt. Wien. Prag. Pesth. Bern. Paris. Lombardei. Venedig. Mailand. Rom. — Kunst und Literatur: Hoftheater: „Geistige Liebe" und „Das Salz der Ehr." — Feuilleton. — Eingesendetes. — OrtSkalender. — Angrkommeae Reisende. „Er geht aufs Land." Die ganze Welt wird jetzt so verteufelt ernsthaft, daß man jedem, «uchdem fadesten Possenreißer zu großem Danke verpflichtet ist, wenn -S ihm nur gelingt, uns für einen kurzen Augenblick die schwere Noth der Zeit vergessen zu machen. DaS verstehen viele der Berliner Spießbürger und Krämerseelen, die mit Entsetzen die Zeitung zur Hand nehmen und, nachdem sie schmunzelnd ihren Theil an dem Ruhmeder Berliner Bürgerheldenthaten genommen haben, hohn lächelnd auf ihren Sorgenstuhl zurücksinken und den ganzen „Skandal" und dessen Anstifter zum Guckuck wünschen. Stellen Sie Sich diese Possenreißer wider Willen nur recht leben dig vor, wie sie zusammengebrochen an Geist und Körper auf ihren Polsterstühlen hängen, ängstlich jedem Klopfen, jedem Tritte lauschen, weil sie in jedemAugenblicke demolirendeRotten erwarten und diese doch möglicherweise auch den im heimlichen Gemache versteckten Geldkasten entdecken könnten. Wie schön heben sich nicht ihre bleichen Gesich ter auf dem tiefgrau in grau gemalten Hintergründe der Zukunft, während sie in ihrer zitternden Hand die deutsche Fahne schwenken, an der die schwarze und blutrothe Freiheit mit dem Golde, dem Gelbe, dem soliden Besitze spielt. Und waS soll ich erst von ihrem Gebehrden- spiele sagen? Wahrlich, gegen diese Komödianten ist Garrik ein Stümper, denn zwischen den tiefgefurchten Linien ihrer Stirnen sind ganze Abhandlungen über die Schrecken der Anarchie, die Unsicherheit de< EigenthumS, die Gelüste des Pöbels und die Freiheit deS alten Polizeistaates zu lesen. Sie brauchen gar nicht erst zu sprechen, sie brauchen nur einherzuschwanken und man weiß schon, was sie sagen möchten, wenn sie nicht zu furchtsam wären, um ihre Herzens meinung zu entdecken; man braucht nur ihre unsichern Seitenblicke zu betrachten und man weiß schon, daß es nun in der Welt nicht- Riet- und Nagelfestes mehr giebt und daß sie binnen Kurzem unter gehen muß. Sie hätten mit dabei sein müssen, wie ich neulich einen dieser Helden ins Bockshorn jagte, indem ich mit anscheinender Ernst haftigkeit meinen festen Entschluß ankündigte, wonach ich alle meine Beredsamkeit dazu anwenden wollte, um ihm die Stelle eines Wahl- mannS oder Deputirten zu verschaffen. Er erschrak über das ganze Gesicht, wie man zu sagen pflegt, und b-t mich mit fast weinerlicher Stimme, ihn doch ganz auS dem Spiele, ganz „ungeschoren" zu lassen. Darüber geriethen wir in ein für mich höchst ergötzliches Gespräch über die Ursachen unserer Revoluzion. Sein Streben ging offen dahin, mir zu beweisen, daß die Berliner Revoluzion das ab gekartete Werk einer Verschwörung und nur durch die Hilfe von Franzosen und französischem Gelbe gelungen sei. Es ist doch höchst bedeutsam, sagte er, wobei er den Finger an die Nase legte und höchst zufrieden mit seiner Klugheit pfiffig lächelte, daß man schon ein paar Tage vor dem 18. März in Leipzig von einer Revoluzion in Berlin als von etwas ganz Gewissem geredet hat, ja sogar in Bar celona, und wenn man auch den Tag nicht gerade bestimmt angege ben haben sollte, so habe ich doch selbst schon lange vorher, ja schon seit mehrern Jahren von Leuten, die offenbar in das Gebeimniß ein- l geweiht sein mußten, sagen hören, „eS könne nicht mehr lange so bleiben wie bisher." Jetzt ist es endlich an den Tag gekommen, worauf diese geheimnißvollen, nur so gesprächsweise hingeworfenen Andeutungen gezielt haben. Nun haben wir'S; die Leute konnten gut profezeien, daß „es nicht mehr lange so bleiben könne", da sie eS längst heimlich darauf angelegt hatten, die Regierungen zu stürzen und die Welt in Anarchie zu begraben, um sich so deS sauer erworbe nen Hab- und Gutes der ehrlichen Leute zu bemächtigen. Und wer sind die Anführer, die Anstifter deS ganzen Skandals? Niemand anders, als die Literaten, diese Schufte und verpfuschten Studen ten, diese Federfuchser und Schreier, die für ein Butterbrot sprechen, wie man eS haben will. Diese Maulhelden haben die Arbeiterbrut erst aussätzig gemacht, diese Halunken mit leeren Taschen, die gar Nicht-gelernt Haden, als schwadroniren und da- Pöbelvolk zu Raub und Mord nur anreizen, um sich hernach in die Beute zu theilen. Stellen sich diese Kerle nicht überall an die Spitze und mengen, sie sich nicht in Dinge, von denen sie gar Nicht verstehen, gar Nicht- verstehen können. Stellen die Arbeiter unver schämte Forderungen auf, wer hat sie verfaßt und ausgeschrieben? irgend ein verhungerter, hinter den Ohren kaum trockener Literat, der doch die Verhältnisse gar nicht kennt und feine Nase unberufener Weise hinein steckt. Einem Literaten gebe ich meine Stimme zu gar Nicht-, am allerwenigsten zum Deputirten, so wahr ich hier sitze, DaS können Sie sicher glauben. Die Literaten haben da- ganze Seelenheil aufdem Gewissen, sie allein sind Schuld an dem ganzenGerede über die sogenannte Noth und die Verbesserung der arbeitenden Klassen. Aber da wurde über die Noth so viel geschrieben und geschrieben, bis wir sie nun richtig haben; ich habe jedoch meinen Entschluß gefaßt; damit diese Noth nicht allgemein wird, verschließe ich mein Geld, beschränke meine Au-- gaben auf da- Unentbehrlichste und gebe keinen Groschen mehr an Almosen; denn so rette ich mich doch wenigsten- vor der allgemeinen ! Noth, und Jeder ist sich selbst der Nächste. Jetzt schreien die Leute plötzlich, sie könnten nicht mehr bestehen, wenn die Löhnungen nicht erhöht würden, und eS ist doch vorher so lange gegangen, warum sollte e- denn nun auf einmal nicht mehr so gehen? Glauben Sie mir e- nur, eS ist der bloße Neid, der auS den verfluchten Literaten spricht und den sie den Arbeitern einprägen, der pure baare Neid, weiter nicht da- Geringste. Nun ist eS fast so weit gekommen, daß man kaum au- der Stube gehen kann und sein bi-chen Gut an Gold und Silber, an Schmucksachen und Geld in den schlechtesten Winkel stecken muß; soviel sage ich Ihnen, könnte ich jetzt ohne großen Verlust meme Akzien umsehen, auch nicht eine Stunde mehr bliebe ich in Berlin, ich ginge auf- Land, not» den«, wo die Bauern noch ruhig sind. Da haben Sie das Bild eine- Helden für eine neue Posse unter dem Titel: „Ergeht auf-Land, not» bene, wo die Bauern noch ruhig sind;" aber zugleich ein wahre-Jammerbild von einem nicht ganz kleinen Theile der hiesigen Bürger, die vor dem großen Ereigniß mit ihrer Bildung koquettirten und jetzt di, totale Hohlheit ihrer Köpfe ebenso sehr als ihre Herzlosigkeit, ihre egoistische Niederträchtigkeit verrathen. Diese Leute sind so völlig vor den Kopf geschlagen, daß