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Wenauer Anzeiger Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. Abonnementspreis einschließlich der illustrirten Beilagen „Gute Geister" u. „Zeitbilder" sowie des illnslr. Witzblattes „Seisenblasen" 1,50 Mk. Zeitung für HaMd, Seiseesdors) Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 15 Pf. Tabellarische Inserate werben doppelt berechnet. Annahme von Anzeigen für alle Zeitungen. Groß- und Kleinölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Somsdorf, Coßmannsdorf, Lübau, Borlas, Spechtritz re. Mit verbindlicher Publikationskraft für amtliche Bekanntmachungen. Nummer 87. Donnerstag, den 26. Juli 1900. 13. Jahrgang. Aus Nah und Fern. — Der hiesige G e w c r b e v e r e i n unternimmt am Donnerstag, den 26. Juli, seine diesjährige Parthie und zwar nach dem Lilienstein in der Sächsischen Schweiz. Die Abfahrt von Hainsberg erfolgt früh 6.50 Uhr, von Dresden mit Schiff 8 Uhr. Der Fahrpreis auf dein Schiff hm und zurück beträgt 1,15 Mark. — Der höchste Berg der hiesigen Gegend ist der Luchberg bei Dippoldiswalde mit 575 Meter über dein Meeresspiegel, ihm folgt der Wilisch mit 478 Meter, die Ouohmier Kipse mit 438 Dieter, der Lerchenberg mit 427 Meter, die König Albert-Höhe Rabenau 353, Windberg 351, Finkenfang Maxen 346, Goldene Höhe 345, Babisnauer Pappel 337, Prinzenhöhe 334 Meter. Der Bahnhof in Tharandt liegt 210, das Amtsgericht 228, die Ruine 256 und die Raben auer Mühle 249 Meter über dem Meeresspiegel. — Durch die zahlreichen Blitzschläge bei dem Gewitter am Sonntag wurde in Hintergersdorf dem Guts besitzer Herrn Lonis Göpfert die Scheune mit eingebautem Ctall eingeäschert, leider ist dabei die ganze diesjährige nicht unbedeutende, vorzüglich cingebrachte Heuernte sowie diel Inventar vernichtet worden. In Brannsdor f, aus dem Kalkwerk, ist ein Nebengebäude mit Stall, der Frau verw. Krumbiegel gehörig, gleichfalls durch Blitz nieder- gkbrcmut. In Ruppendorf wurde eine Telegraphen- stange zerstört. Weiter wurde in O b e r r ö t h e n b a ch ein größeres Schadenfeuer bemerkt. — Chinejenfieber bekamen am Mittwoch- 2 Frauen Häselich. Sie packten sich an den Zöpfen und Müteltcn einander ab, bis schließlich die Eine der Kämpfeu- beu einen Topf ergriff und ein regelrechtes Topfschlagen aus dem Kopfe ihrer Partnerin begann. Die Letztere mußte Infolgedessen ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen und ging dann auch noch zuin Kadi. Ser mysteriöse Reisegefährte. Ein Geheimniß und seine Entdeckung von Nivin gton Pyke. — iNachdnick verbnun.) „Es ist sicherer, Du verläßt New-Jork heimlich unter falschem Namen — ich nenne mich George Brand, und es wäre am einfachsten, Du nähmest denselben Namen an. Bernichte den Brief gänzlich und sei in Liverpool auf Deiner Hui; glaubst Dn Dich beobachtet, so gehe nicht direkt in das genannte Hotel, sondern auf Umwegen. Der Dich erwartende Brief wird Dir mittheilen, wo Dn mich triffst; fällt er in die Hände der Polizei, dann bin ich verloren. Findest Du keine Nachricht, dann bleibe ruhig in Nockfeny Hotel, damit ich wenig stens weiß, wo Du zu treffen bist. . . . Dein Dich liebender, bereuender George." Der Brief war unmittelbar vor der Flucht, ehe Bent das Schiff bestiegen, geschrieben. Mrs. G. W. Bent, jetzt Mrs. Brand, war eine große, schlanke, junge Fran, deren Züge Verstand, Muth und Selbstbeherrschung verriethen; wie nothwcndig waren auch jetzt diese Eigenschaften für sic! Auf der einen Seite mußte sie freies, unbefangenes Wesen zeigen, auf der anderen dagegen jedes Wort, jeden Schritt abwägen. Das Glück war ihr günstig. Keiner der Hafenbe- amtcn schenkte ihr irgend welche Aufmerksamkeit. Trotzdem hielt sie es für bester, ihr Gepäck vorläufig am Hafen zu lasten und das Hotel erst nach verschiedenen Umwegen zu betreten. „Ist Air. George Brand hier?" fragte sie den Portier. „Nein." „So!" Sie überlegte einen Augenblick und sagte dann leichthin: „Aber vielleicht sind Briefe für mich, Mrs. Brand, hier?" „Ich werde nachsehen," sa.fle der Portier gleichgiltig, nahm ein Packet Briefe und prüfte sie. „Ist dies der Ihre?" „Ja," sie nahm ihn in Empfang. Der Brief trug die Handschrift ihres Mannes und den Poststempel Sout hampton, 4. Dezember. Sie erbrach den Brief, doch tanzten die Buchstaben vor ihren Augen. Sie faltete deshalb das Schreiben zusammen und erklärte dein Portier: „Ich komme aus Amerika und wollte mich hier mit meinem Alaune treffen; nun schreibt er, daß Geschäfte ihn hindern, yerzu- kvmme». Ich bin sehr ermüdet und bitte um ein Zimmer." Kaum allein, holte sie den Brief wieder hervor und las mit fliegenden Pulsen: „So weil ist alles gut gegangen. Ich landete heute Nachmittag; meine Furcht, festgenommen — Bierversandt für die deutsche «Truppen in China. Die Wicküler-Krüpper-Brauerei in Elberfeld versandte am Freitag mit einem Extrazug von 33 Doppel wagen 150000 Flaschen und 1000 Faß Exportbier nach Bremerhaven und Hamburg für die nach China entsandten Truppen. — Hingerichtet wurde am Sonnabend in Güstrow (Mecklb.) ein Raubmörder durch den Scharfrichter Reindel aus Magdeburg. — Helle Menschen giebt es in Königshütte. Anläßlich der chinesischen Wirren hat sich in der dortigen Bevölkerung das Gerücht verbreitet, die Spareinlagen der städtischen Sparkasse würden zu Kriegszwecken nach China gesandt. „Es erübrigt sich wohl," schreibt das „Königsh. Tgbl.", „auf diesen neuesten Unsinn des Weiteren einzu gehen, da es doch jedem denkenden Menschen klar sein muß, daß Gelder der städtischen Sparkasse zu derartigen Zwecken nicht verwandt werden dürfen. Dessen ungeachtet sind in den letzten Tagen in augenfälliger Weise Kündigungen von Spareinlagen bei der städtischen Sparkasse seitens des Publikums eingegangen, so daß wir uns veranlaßt sehen, hier an dieser Stelle das Publikum darauf hinzuweisen, daß es sich durch derartige müßige Gerüchte nicht beun ruhigen lassen soll." — V o m D u e l l u n f u g. Im Duell erschoß am ersten Weihnachtsfeiertag der Leutnant Rau vom 150. Infanterieregiment den Oberleutnant Stielow vom selben Regiment im Stadtwalde bei Allenstein. Leutnant Rau ist jetzt wegen dieser That zu zwei Jahren Festung ver- urtheiit worden. — Zwei S k an d a lp r o c e s s e, die geeignet sind, das größte Aufsehen zu erregen, werden im kommenden Herbst in Berlin zur Aburtheilung kommen. Es handelt sich in beiden Processen um schwere Delikte gegen das keimende Leben, an denen eine außergewöhnlich große Anzahl zu werden, war grundlos, denn niemand achtete auf mich. Morgen früh reise ich nach London; dort lasst ich das Gepäck; in einer so großen Stadt scheint es mir vor Nach forschungen am sichersten. Ich selbst gehe direkt nach Carlysle und werde mich dort einige Tage, vermuthlich im Albion- Hotel,,aufhalten. Sobald ich etwas klarer sehe, telegraphire ich Dir nach Liverpool. Bleibe nur ruhig in dem Hotel, hoffentlich sind wir bald wieder vereint." Seitdem Mr. Brand das Schiff verlassen, hatte sie nichts genossen. Nun aber war durch die eben erhaltenen Zeilen ihre Angst einem Gefühl der Ruhe gewichen, und sie verspürte jetzt tüchtigen Hunger. Als sie das Speise zimmer betrat, schlug es gerade 7 Uhr; sie nahm an einem Tische Platz, bestellte etwas zu essen und griff, um die Zeit zu verkürzen, nach einer Zeitung. Auf der ersten Seite stand das Eisenbahnunglück aus Gulby, sie las den Bericht, und gerade, als der Kellner den ersten Gang reichte, fiel ihr Blick auf die Todtenliste und da — da stand George I. Bent aus New-Jork! Kreidebleich lehnte sie sich zurück; es wurde dunkel vor ihren Augen. Hatte ihr Mann — ihr George — den Ocean nur durchkreuzt, um in einer kleinen unbekannten englischen Stadt zu verderben? Nein, das konnte nicht sein, eine andere Zeitung mußte es widerrufen; aber in allen andern stand dieselbe Kunde und drang wie ein kalter Stahl in ihr Herz! Der Kellner fragte, ob er den zweiten Gang bringen dürfe; mechanisch nickte sie, ohne zu bemerken, daß die erste Speise noch unberührt war. Da schoß ihr der Gedanke durch den Kopf, sie müsse durch ihr verändertes Benehmen Aufmerksamkeit erregen; sie erhob sich deshalb und fragte den herbeieilenden Kellner: „Die Reist hat mich mehr angegriffen, als ich gedacht; ich kann nichts essen und werde mich auf mein Zimmer zurückzichen. Kann ich wohl eine Zeitung mitnehmen?" Mit zitternden Knieen schwankte sie in ihr Zimmer, verriegelte die Thür und gab sich dann ohne Rückhalt der ganzen Heftigkeit dieses so plötzlich über sie gekommenen furchtbaren Schmerzes hin. Nachdem sie wieder etwas Fassung gewonnen, nahm sie die Zeitung nochmals zur Hand. Es war sonderbar, daß ihres Mannes Name ohne jede Bemerkung dastand, das war wohl nur erklärlich durch die Schnelligkeit, mit der die Listen nach dem Unglück ge druckt worden waren. Mrs. Brand klingelte und bat das eintretende Mädchen, ihr eine Abendzeitung zu besorgen, die mußte Genaueres enthalten. Mit bebenden Händen entfaltete sie das Blatt; die Schamröthe stieg ihr in das Gesicht, als sie von der Schuld des elenden — und ach, doch so geliebten Todten las- weiblicher Personen, sowie einige Männer betheiligt sind. Bis jetzt sind 62 Personen unter Anklage gestellt, doch laufen noch fortgesetzt Anzeigen ein. — Brand st iftungen durchKinder werden in unheimlicher Menge verursacht. Nach einer von der Ostpreußischen landschaftlichen Feuersozietät aufgestellten Statistik sind in deren Bezirk im Laufe der letzten fünf Jahre allein 206 durch Kinder veranlaßte Brandschäden vorgekommen, durch welche 585 Gebäude eingeäschert wurden. — Wegen einer Pflaume erschossen. Aus Belgrad wird der „N. Fr. Pr." berichtet: Dieser Tage ereignete sich hier ein Aufsehen erregender Vorfall. Drei Knaben waren über den Zaun des dem Major Kosta Schamanovitsch gehörigen Gartens geklettert und hatten einen Pflaumenbaum bestiegen, um einige noch unreife Früchte zu naschen. Als der genannte Offizier, der als jähzornig bekannt ist, die drei Kinder auf dem Baume er blickte, stürzte er wüthend mit einem Gewehre in der Hand in den Garten und feuerte das Gewehr ab. Er traf einen der drei Knaben und dieser siel mit einem Aufschrei todt vom Baume, während die beiden anderen Kinder die Flucht ergriffen. Die Polizei erstattete gegen den Major die An zeige bei der Militärbehörde. Der erschossene Knabe war der einzige Sohn einer Arbeiterswittwe. — Eine Depesche der New-Iorker „Sun" aus Fort William in der canadischen Provinz Ontario besagt, daß ein Trupp Indianer in diesem Frühjahr die Ueber- reste eines Ballons und zwei Männerleichen auffand. Ein dritter Mann war noch am Leben, aber entsetzlich erschöpft; er bat die Indianer, seinem Leiden ein Ziel zu setzen, was sie denn auch thaten. Beamte der Hudson-Compagnie glauben, daß es Andres Ballon gewesen sei. (Nach der Länge der vergangenen Zeit verdienen jetzt wohl alle Nach richten über Andröe und seine Genossen das denkbar größte Mißtrauen, also auch diese Meldung.) Daß aber noch jemand um den Betrug ihres Mannes wissen sollte, erschien ihr wunderbar. Sie fühlte sich wie ein steuerloses Schiff auf dem Meere des Lebens umhergetrieben. Nur eine Pflicht schien es noch für sie zu geben, an die Seite des Todten zu eilen, damit er nicht ohne Liebe zur ewigen Ruhe gebettet würde. Dieser Gedanke beseelte sie so, daß sie am liebsten gleich abgereist wäre; sie mußte alle Vernunft zusammennehmen, um sich selbst vor diesem übereilten Schritt zu hüten. Plötzlich kam es ihr vor, als klopfe jemand an die Thür; sie war aber so mit sich selbst beschäftigt, daß sie erst darauf achtete, als eine Stimme ries: „Hier ist ein Telegramm für Sie, Mrs. Brand." Ein Telegramm kür mich? Wer kann mir eins schicken, nun mein Mann todt ist? Ich kenne ja niemand in diesem fremden Lande! Sie riß das Couvert auf, da stand: „Nichts auf Zeitungen geben. Sofort kommen." Der Sinn der Worte war klar: sie sollte nach Carlysle kommen! Aber wer telegraphirte ihr, wen sollte sie in Carlysle treffen? Es war ein Räthsel. Mit einem Male fiel ihr ein, daß die Zeitungen von einem Helfershelfer sprachen. Von dem war sicherlich das Telegramm; ihr Mann hatte ihm natürlich auch die Pläne, seine Frau betreffend, mitgetheilt, und so mochte er glauben, noch weiter mit ihr in Verbindung bleiben zu müssen. Da sie von Grund aus eine thätige Natur und müßiges Grübeln nutzlos war, beschloß sie, schnell zu handeln. Ent weder fuhr sie nach Gulby und gab sich dort offen zu er kennen, oder sie folgte dem Rufe nach Carlysle. Sie ent schloß sich zu letzterem. Der nächste Zug ging 12 Uhr 35 Minuten. Sie klingelte dem Mädchen, bat um ihre Rechnung, da sie infolge des Telegramms abreisen müsse, und bestellte zu dem betreffenden Zuge eine Droschke. 15. Der Schnellzug kam früh 4 Uhr 20 in Carlysle an. Mrs. Bent entstieg ihm halb erfroren, denn die Nacht war sehr kalt gewesen, und sie hatte kaum ein Auge zugethan. Auf ihre Frage nach dem Hotel Albion sagte man, dasselbe sei Nachts geschloffen, aber sie könne in einem andern Hotel ganz in der Nähe für kurze Zeit gut wohnen. Ein Gepäck träger führte sie dahin. Abends 8 Uhr ging der nächste Zug nach Gulby, solange mußte sie hier aushalten und konnte indessen der erschöpften Natur ihr Recht gönnen. Kaum hatte sie sich niedergelegt, so fiel sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf, von dem sie erst erwachte, als die späte Wintersonne hell ins Zimmer schien. — Fortsetzung folgt. --