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Mittwoch. OettzchiD. Dir Zeitung m>t Autnahm« de« Montag« täglich und wird Nachmittag« « Uhr au«, gegeden. Hkrei« für da« Viertel jahr >'/, Lhlr.; jede ein. zelne Nummer 2 N„r. RL'«8. 22. März L8S4. l i' - 0- -i Zu beziehe» durch all« Postämter des In- und Auslandet, sowie durch die Srpedition in Leipzig «Querstraße Nr. 8). ^nserti»n«sebühr > Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetzt. d«.. Raum einer Zeil« DeuMc MgtMtinc Zcitmg sr De«tschla«d. Preußen. > Berlin, 20. März. Die von der Staatsreßierung den Kammern mit der Gesetzvorlage in Betreff der neuen Anleihe von 30 MiU. Thlrn. abgegebenen Erklärungen bilden begreiflicherweise den Ge genstand der Erörterung aller Kreise. Im Allgemeinen hat die von dem Ministerpräsidenten verlesene Rede keinen befriedigenden Eindruck hervorge- rufen und die Unklarheit der Situation ist durch sie nicht beseitigt. Die lautlose Stille, mit welcher die II. Kammer die Erklärung aufnahm, nur einige male unterbrochen durch die Beifallsbezeigungen von 25—30 Mit gliedern der äußersten Rechten, hatte etwa« Peinliches an sich. Die Er klärung selbst bringt über die Politik der Regierung nichts Neues; sie be stätigt, neben dem Anerkenntniß der bisherigen Gemeinsamkeit mit den West- mächten in der Auffassung der Rechtsfrage des Streits, die Absicht und den Entschluß Preußens, unter allen Umständen neutral zu bleiben und „die ihm gebührende Mitwirkung zur Erhaltung des europäischen Gleichgewichts zu wahren". Der Schutz der Integrität der Türkei soll den Mächten über- lassen bleiben, die vermöge ihrer geographischen Lage und maritimen Hülfs- quellen dazu berufen sind, und Preußen verzichtet darauf, handelnd in dem Streite aufzutreten, der nicht die Interessen des Vaterlandes berühre. Den noch halte Preußen an der durch die Wiener Protokolle bezeichneten Stel lung fest, um künftig „erneuten Anbahnungen friedlicher Bestrebungen eine gute Stätte zu bewahren"; es habe Verbindlichkeiten einzugehen abgelehnt, die es unmittelbar oder mittelbar zu einer thätigen Theilnahme an dem ausgcbrochenen Streite hätten führen können. Es ist mehrfach gezeigt, wie gerade in dieser Deduktion, die den Rechtsstandpunkt als maßgebend hin- stellt, ihn aber auch durch eine Neutralität gewahrt zu sehen glaubt, eine Inkonsequenz liege, die noch weiter durch die Behauptungen hervortrilt, daß Preußens Interessen bei dem Streite nicht unmittelbar berührt seien, die Regierung aber gewillt sei, trotz der Neutralität Preußen die ihm gebüh rende Mitwirkung an der Erhaltung des europäischen Gleichgewichts zu wah ren. Will man das Letztere, so scheint die neutrale Stellung nicht dazu angethan zu sein. Der weitere Theil der Erklärung stellt in Aussicht, daß Oesterreich und die deutschen Bundesstaaten in Bezug auf die Neutralitäts politik sich zu einer Gemeinsamkeit verständigen werden, und es wird Dem die Versicherung hinzugefügt, daß Preußen seinem Berufe unter allen Um ständen nachkommen und jedem Bundesgenossen treu zur Seite stehen werde, der durch seine geographische Lage früher als Preußen berufen sein möchte, zur Vertheidigung deutscher Interessen das Schwert zu ziehen. Offenbar hat dieser letzte Passus nur Oesterreich im Auge, da« allerdings, wenn es die eigenen Interessen an der Donau wahrt, auch den Interessen Deutsch lands Rechnung trägt. Aus diesen wesentlichen Punkten der Erklärung ergibt sich, wie bereit« erwähnt, nichts weiter als der Entschluß Preußens, mit Oesterreich und den deutschen Bundesstaaten vorläufig eine nöthigenfalls bewaffnete Neutralität festzuhalten. Ganz abgesehen von dem Umstande, daß Oesterreich und Preußen mit dieser Erklärung sich von der Gemeinsam keit mit den Westmächten lossagen, bleibt doch vor allen Dingen die Mög lichkeit der Durchführung einer solchen Politik zu erwägen. Rußland hat schon längst die Neutralität Deutschlands gewünscht; cs wird nichts gegen dieselbe einwenden, selbst wenn es überzeugt wäre, daß Preußen jetzt eine Neutralität im Sinne Rußlands entschieden nicht wolle. Die Erklärung der Regierung beseitigt in keiner Weise die Ungewißheit und Unklarheit, welche die gegenwärtige Politik Preußens umhüllt, und es kann deshalb nicht auffallen, daß sie so wenig Befriedigung gewährt. Die Berathung der Angelegenheit in der II. Kammer wird hinreichende Gelegenheit dar bieten, die gegenwärtige Lage in Betracht zu ziehen. Sollte die Regierung auch hierbei von einer Präcisirung ihrer Erklärung abschen, so wird sie kaum hoffen dürfen, eine respektable Majorität für die Bewilligung der An leihe zu finden. Der von dem Finanzminister vorgestern eingebrachte Gesetzentwurf in Be treff der Erhebung eines Zuschlags zur classifikirten Einkommen- steuer schlägt eine Erhöhung dieser Steuer um 25 Proc. und auf die Dauer von anderthalb Jahren (l.Juli d. I. bis ult. December 1855) vor. Der Ertrag dieser Mehreinnahmen für den angegebenen Zeitraum ist auf 4,651,297 Thlr. berechnet und soll bekanntlich zur Verzinsung und Til gung der neuaufzunehmenden Staatsanleihe dienen; diese Steuercrhöhung wird viele Gegner finden, weil sie vorzugsweise die untern Classen des Volks trifft. Während nämlich nach dem diesjährigen Etat die classificirte Einkommensteuer etwa 2,200,000 Thlr. beträgt, ist die Classensteuer, Mahl- und Schlachtsteuer auf 10,233,400 Thlr. veranlagt; die letzter« Steuern wer den aber^zumeist von dem Gewcrbcstande und der arbeitenden Classe aufgebracht. Am 17. März ist ein englischer Kurier aus Petersburg hier durchgegangcn, welcher die Ablehnung des Ullimalifsimumü der Welt mächte von Seiten des Kaisers von Rußland überbrachte. Es wird hier als wörtliche Aeußerung des Kaisers Nikolaus angeführt, daß er nach Em pfang dcö Aktenstücks gesagt habe: er bedürfe zu seiner Entscheidung nicht sechs Tage, sondern kaum sechs Minuten! — Vorgestern ist der Herzog von Sachsen-Koburg-Gotha hier cingctroffen. Der Prinz von Preu ßen hat deshalb seine Abreise verschoben und gestern den Besuch des Her zogs empfangen. «Berlin, 20. März. Während die Wiederaufnahme der Neutrali- tätsanträgc durch Oesterreich befürchtet war, ist es gegenwärtig Preußen, das Oesterreich zu derselben Neutralität ausfodcrt, welche cs, vom wiener Cabinet im August 1853 und Januar 1854 dazu eingeladen, entschieden und unter dem Beifall Deutschlands zurückgewiescn hatte. Darauf bezie hen sich die gegenwärtigen Unterhandlungen und die wichtigsten Stellen der vorgestrigen officiellen Erklärung. Nach dem voraussichtlichen Lauf der Dinge wird nicht einmal dagegen eine Garantie geboten werden können, daß Preußen nicht für den Schutz selbst des außerdeutschcn Gebiets Oester reichs, welches bei der jetzt erstrebten Neutralität nicht leicht von Rußland bedroht sein würde, das Schwert ziehen müßte. Preußen fürchtet augen scheinlich, sich durch Oesterreichs aktives Hinübertretcn zum Westen in eine unerträgliche und demüthigende Jsolirung gebracht zu sehen und will, um derselben zu entgehen, Oesterreich in seiner eigenen, preußischen Neutralität festhalten. Die Westmächte suchen dies natürlich zu verhindern, werden aber schwerlich mehr erlangen, als daß Oesterreich seine Neutralitätserklä rung mit einigen Reserven für die Wahrung seiner freien Action in be stimmten Fällen begleitet. Dies ist mindestens die in Bezug auf Oester reich jetzt in lebhafter Weise waltende Besorgniß. In Preußen sind die jüngsten Befürchtungen von den Ereignissen schon überholt und die letzte sehr zweifelhafte Hoffnung ruht in der Möglichkeit des österreichischen Refus oder in der abwehrenden Kraft seines Vorbehalts. — Die beiden am vorigen Sonnabend der 11. Kammer seitens der Re gierung zur Beschlußnahme vorgelegtcn Gesetzentwürfe lauten: l. Der Entwurf zu einem Gesetze, den außerordentlichen Geldbedarf der Mi litärverwaltung für das Jahr 185-t sowie die Beschaffung der zur Deckung desselben crfoderlichen Geldmittel betreffend. §. I. Unserm Kriegsminister wird zu den im Jahre >851 etwa crfoderlich werdenden außerordentlichen Bedürfnissen der Militär verwaltung ein Credit bis zum Betrage von 3« Mill. Lhalern eröffnet, tz. 2. Unser Finanzminister ist ermächtigt, den Geldbedarf nach dem eintretenden Bedürfniß durch eine, wenigstens mit Einem Procent jährlich zu amortisircnde verzinsliche Staats anleihe zu beschaffen, ß. 3. Die Ausführung dieses Gesetzes wird dem Finanzmini- ster und dem Kriegeminister übertragen und ist darüber den Kamiuern sofort bei ihrer nächsten Zusammenkunft Rechenschaft zu geben, welchen sodann über die Fort dauer dieses Credits, soweit er noch nicht erschöpft ist, die Beschlußnahme vorbe- halten bleibt.— II. Entwurf eines Gesetzes, die Erhebung eines Zuschlags zur classi- ficirten Einkommensteuer, zur Classensteuer und zur Mahl- und Schlachtsteuer be treffend. K. I. Unser Finanzminister ist ermächtigt, zur classificirten Einkommen steuer, zur Classensteuer und zur Mahl- und schlachtsteuer vom I. Juli d. Z. ab bis zum 31. Dec. 1855 einen Zuschlag von 25 Procent für das Jahr erheben und zugleich mit der Hauptsteuer zur Staatskasse einziehen zu lassen. §. 2. Denjenigen mahl- und schlachtsteuerpflichtigen Städten, deren gesetzliche Vertreter bei der vor gesetzten Regierung darauf antragen werden, den Betrag, welcher durch die Erhe bung des im x. I bezeichneten Zuschlag« zur Mahl - und Schlachtsteuer sich ergeben würde, aus bereiten städtischen Mitteln zu decken oder in anderer Weise aufbringen zu lassen, kann dies nach Maßgabe der von unsern Ministern des Innern und der Finanzen festzustellenden Bedingungen gestattet werden. §. 3. Unser Finanzministcr ist mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt. In der II. Kammer sind folgende Mitglieder zur Berathung der am 18. März gemachten Regierungsvorlage, betreffend die Creditbcwilli- gung, gewählt worden: 1) Abg. Graf Goltz, Legationsrath a. D. (gehört zur Fraktion von Bethmann-Hollweg); 2) Abg. Wentzel, Appellations- gerichtspräsidenl zu Nalidor (links); 3) Abg. Reichensperger, Appcllations- gerichlsrath zu Köln (Geldern); 4) Abg. Graf Ziethen, Geh. Regierung«- rath und Crcdilinstitutedirector (gehört seiner Erklärung nach zu gar keiner Fraktion); 5) Abg. Thissen, katholischer Pfarrer zu Köln (Fraktion Rei chensperger); 6) Abg. Braemer, Landschaftsrath, Abgeordneter des Kreises Gumbinnen (links); 7) Abg. Frhr. v. Vincke, Landrath a. D. (links); 8) Abg. Uphagen, Stadtrath zu Danzig (Fraktion Hohenlohe); 9) Abg. Graf zu Dohna-Schlobitten, Legationsrath (rechts); 10) Abg. Frhr. v. Hiller (rechts); 11) Abg. Witte, Cvmmerzienrath zu Stettin (Fraktion Hohenlohe); 12) Abg. Reichensperger (Köln); 13) Abg. Graf Ciesz- kowski (Fraktion der Polen); 14) Abg. v. Gruner, Geh. Legationsrath a. D. (Fraktion v. Bethmann-Hollweg); 15) Abg. Graf zu Stolberg-Wcrnigc- rooe (rechts); 16) Abg. v. Blanckenburg (rechts); 17) Abg. Graf schliessen (rechts); 18) Abg. v. Auerswald, Staatsministcr a. D. (links); 19) Abg. Kühne, General-Sleuerdirector a. D. (links); 20) Abg. v. Mallinckrodt, Negierungöassessor zu Stralsund (Mitglied der Fraktion Reichensperger); 21) Abg. v. Böckum-Dolffs, Landrath a. D. (links). Demnach gehören von der erwählten Commission 6 Abgeordnete zur Rechten, 2 zur Fraktion Fürst Hohenlohe, 2 zur Fraktion v. Bethmann, 4 zur Fraktion Neichens-