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Wochenblatt Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebeulchu und die Umgegenden. Umlsölatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 1868 Dienstag, den 20. Juki TageSgeschich te. Wilsdruff, am 19. Juli 1869. Der hiesige „Militärverein" wird seinen Kindern künftigen 8. August d. I. in den Gartenräumcn der Güntherschen Restauration ein ähnliches Fest bereiten wie im vorigen Jahre. Wir hören dabei mit Freuden, daß diesmal auch Kindern von Nichtmitgliedern die Theilnahme gestattet ist, damit nicht wieder wie im vergangenen Jahre so viele gekränkte Kindcrherzcn theilnahmlos in der Ferne stehen müssen. Bürden sich dadurch auch die Leiter dieses Festes eine um so größere Last auf, das schadet nichts, der dankbare Blick schon eines einzigen Kindes wiegt solche Last auf. Uebrigens dürften sich für den Tag des Festes auch einige andere Bürger finden, die ihr Talent und Geschick mit entwickeln und den Leitern des Festes zu Diensten stellen. Wir sind fest überzeugt, daß auch Herr Günther in seiner doppelten Eigenschaft Alles thun wird, um Jung und Alt den Aufenthalt so angenehm als möglich zu machen. Zur Erinnerung an das glückliche Ercigniß der Geburt eines Prinzen hat der Bankier Löbel in Dresden in der Kirche zu Brockwitz eine Votivtafel des Inhalts anbringe» lassen: „Weiser und gerechter wie unser verehrter LandeSvater König Johann konnte l selbst Salomo nicht sein. Gott segne Sachsen! In tiefster Verehrung ! dieser Kirche gewidmet. Sigismund Löbel." Wie die Dr. N. hören, ist an verschiedenen Orten des Landes unter dem Rindvieh die Maul- und Klauenseuche auSgebrochen und daß dieselbe aller Wahrscheinlichkeit nach durch böhmisches Vieh ein- grschleppt worden ist. Wenn man auch allenthalben die veterinär- polizeilichen Maßregeln ergriffen hat, so dürfte doch allen Vieh- besitzern äußerste Vorsicht anzurathen sein. Dieser Tage hat in einem Hotel in Dresden ein Fremder, der sich für den Oberamtmann Püschel aus Görlitz ausgegeben, von dem Oberkellner die Umwechslung einer lOOthalernote verlangt, den baa- ren Betrag derselben in kleineren Kassenanweisungen auch eingchän- digt erhalten und zu sich gesteckt, der Uebergabe der Hundertthaler- nole an den Kellner aber sich unter allerhand nichtigen Vorwänden so lange zu entziehen gewußt, bis es ihm gelungen, sich aus dem Hotel heimlich und ohne Bezahlung der Zeche zu entfernen. Der Betreffende soll circa 30 Jahre alt und von langer, hagerer Statur sein. Meißen, 16. Juli. Wiederholten verübten Straßenunfugs hal ber wurde gestern an 4 dabei ergriffenen Jungen nach vorheriger ärztlicher Exploration von polizeiwegcn auf hiesigem Rathhause eine körperliche Züchtigung vollzogen. So ungern dazu verschritten wird, kann es aber nur erwünscht sein, daß einmal zur Warnung anderer ein Exempel staluirt wird, damit den mehr und mehr überhand neh menden Ungezogenheiten und Rohheiten eines großen Theils der Straßenjugend etwas gesteuert werde. Denn etwaige Zurechtweisun gen oder Warnungen Seiten Erwachsener werden oft hohnlachend zurückgewiesen und ungezogene Jungen mitunter sogar von den El tern rc. in Schutz genommen. Auch in der Meißner Gegend hat der Roggenschnitt begonnen. Im Chemnitzer Tageblatte findet sich folgende Anregung zur Herstellung eines Bibelauszugs für Schulen: „Wie dringend nothwendig es ist, einen angemessenen Bibelauszug für Schulen an- fertigen zu lassen, davon crlevten wir in unsrer Stadt neuerdings ein merkwürdiges Beispiel. Ein Lehrer der höhern Bürgerschule hat sei nen Mädchen der ersten Klasse die Aufgabe gestellt, eine Charakteri- sirung der Personen, die im Buche Esther Vorkommen, zu liefern. Wer nun dieses Buch Esther kennt, dem vor 2000 Jahren die un verdiente Ehre widerfahren ist, unter die heiligen Schriften der Juden ausgenommen zu werden, wodurch es späterhin auch in unsere Bibel mit übergegangen ist, der wird sich gewiß sagen, daß es keinen Ge genstand geben kann, der ungeeigneter wäre, jungen Mädchen eines so zarten Alters als Thema einer Charakterdarstellung der darin vor kommenden Persönlichkeiten gegeben zu werden, als das Buch Esther. Man darf hoffen, daß kein Lehrer so taktlos gewesen sein würde, die im Buche Esther dargcstcllten Charaktere von jungen Mädchen nock weiter ausführen zu lasten, wenn nicht das Buch Esther mit in der Bibel stünde, und dadurch für den aufmerksamen Lehrer etwas von dem Heiligenschein, der das ganze Sammelwerk umgiebt, auch für sich er obert hätte. In dem ganzen Buche kommt nicht ein ehrenwerther Cha- racter vor, außer dem der Königin Vasthh, die dem Befehle des durch 187tügige Schwelgerei weintrunkcnen Königs Ahasvcros, sich und ihre Schönheit vor allen Hohen und Niedern des Reichs ausstellen zu lasten, nicht nachkommt, und deshalb ihrer königl. Würde entsetzt wird. Ahasveros selbst ist nichts als ein maßloser Schwelger und blutiger Tyrann, der erst die Erlaubniß giebt, alle Juden im Reiche zu ermorden und dann auf die Bitte der schönen Esther ebenso gleich - giltig den Juden die Erlaubniß ertheilt, alle ihre Widersacher zu er morden. Hamann ist ein niederlräcytiger Jntriguant, der den Vertilg ungsbefehl gegen die Juden ausbringt und den Mardachai, Pflege vater der Esther, an den Galgen zu bringen sucht, weil er ihm die üblichen äußerlichen Ehren nicht erzeigt hat. Esther ist ein wunder schönes Judenmädchen, die aber trotzdem, daß sie Jüdin und Ver ehrerin des alleinigen Gottes ist, sich nicht für zu hoch achtet, sich in den Harem des heidnischen Ahasveros aufnchmen und sich zur Königin machen zu lassen, die aber ihr Königthum nicht besser zu benutzen weiß, als sich an den Feinden der Juden furchtbar zu rächen und unter andern — 7 Söhne Hamanns aushängen zu lassen, welcher Act der Rache zur Einführung des jüdischen Festes — „Purim" — Veranlassung gibt. Nun frage ich, wer würde diese Sammlung von Abscheulichkeiten nur des Ansehens für würdig halten, wer würde sie nicht am liebsten sofort gänzlich vertilgen, wenn sie nicht zufällig ein Theil der ohne Ausnahme heilig gehaltenen Bibel geworden wären. Man eile also, die Bibel einer Revision zu unterwerfen, und solche ihrer unwürdige, vorzüglich aber der Jugend gefährliche Theile aus ihr zu entfernen. Oschatz, 13. Juli. In dem der hiesigen Braugenossenschaft ge hörigen Pichschuppen brach gestern Vormittag V2IO Uhr beim Pichen der Braugesäße Feuer aus, welches jedoch durch die schnell herzuge- cilte Löschmannschaft sehr bald wieder gelöscht wurde, so daß eine Gefahr für die Nachbargebäude nicht weiter zu befürchten war. Des selben Tages, Nachmittags 4 Uhr dagegen entstand in dem ^4 Stunde von hier gelegenen Dorfe Schönnewitz ein größeres Schadenfeuer, durch welches das Eisold'sche Gut bis auf ein Seitengebäude total zerstört worden ist. Abends gegen 10 Uhr entstand in demselben Dorfe abermals Feuer, und brannten infolge dessen zwei Wvhnhäu- häuser ab, während heute früh '/-8 Uhr zum dritten Male Feuer ausbrach. Es sind, so viel man jetzt hört, die zu den Winkler'schen und Stein'schen Bauergtttern gehörigen Scheunen und Seitengebäude abgebrannt. Die heute früh zum zweiten Male ausgerückte Feuer- reserve der hiesigen Garnison, welche durch nachgerückte Mannschaft abgelöst wurde, ist bis jetzt, Nachmittag 5 Uhr, noch nicht wieder eingerückt, woraus man abnehmen kann, daß die Gefahr noch nicht beseitigt ist. Die Entstehung der Brände ist zur Zeil noch unbekannt. Unglückssälle sind dabei nicht vorgekommen. Die Besvrgniß der Ein wohner von Schönnewitz vor absichtlicher Brandstiftung ist deshalb groß, weil noch mehrere mit Strohdackung .versehene Gebäude vor handen sind. Die abgebrannten Gebäude waren sümmtlich mit Stroh gedeckt. Der Student Großmann, bekannt durch das unglückliche Pisto lenduell in Leipzig, gegenwärtig in der Schweiz aufhältlich, wird sicherem Vernehme» nach sich den Leipziger Gerichten stellen. Nach einer annähernden Schätzung sind während der Feier des 400jährigen Jubelfestes der Schützengesellschaft in Zwickau auf dem Schießangcr 1070 Eimer Lager-, 197 Eimer Weiß- und 382 Eimer Braunbier getrunken worden, was in Summa 1649 Eimer oder, der Eimer zu durchschnittlich 140 Seideln gerechnet, 230,860 Seidel auS- macht. Napoleon hat sich willig finden lassen und dem gesetzgebenden Körper die Erklärung durch den Minister des Innern abgegeben, daß es seine feste Absicht sei, demselben mehr Rechte einzuräumen, soweit sich das mit der Verfassung vereinbaren lasse. Der Sencu werde in kürzester Frist einberufen werden, um zu prüfen, ob der gesetzgebende Körper mit dem Rechte ausgestattet werden soll, seine Geschäftsord-- nung selbst festzusetzen und sein Bureau zu wählen. Es soll ferner