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Sprechstand« d« Redaktftm mit Auemchm« der Sonntage nachmittag, von e—L Uhr. — Telegramm. Zldreffe: Tageblatt Au«. — Fernsprecher i». Für unverlangt eingesandte Manuskript« kann Gewähr nicht geleistet werden. Verantwortlicher Redakteur: rrit, Äk»d«>a. Für die Inserate verantwortlich: lvsit», sireu». Veld« in Au« i. Erzgeb. Druck und Verlag )l«<r vni« ».Aerlggr m. b. kf. in Aue i. Lrzgkb. Mittwoch, 2V. September 1S VS. viII Wk SV00»U«tt i»m«tn, «r.zz«. Werter Jahrgang und Anzeiger Mr das Erzgebirge mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Uezug,preis: Durch unser« Voten frei in, yau, monatlich so pfg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich q» Pfg und wöchentlich ,0 pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich l.so Mk. — Durch stm» Briefträger frei ins Haus vierteljährlich i.gr Mk. — Einzeln« Nummer >o pfg. — Deutscher Postzeitungs- katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeige, bi, spätesten, Uhr vormittags. Für Aufnahme von größeren Anzeigen an bestimmten -tollen kann nur dann gebürgt werden, wenn st« am Tage vorher bei uns Angehen. Znsertronspreis: Die fiebengespaltene Aorpuszeile oder deren Raum io pfg., Reklamen rz Pf« Bei größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. Diese Nummer umfaßt 6 Seiten. Das Wichtigste vöM Tage. Der Reichstag wird sich demnächst mit einer Eisenbahn anleihe von 54 Millionen Mart für Deutsch- Süvwestafrika zu beschäftigen Haven. ch Ministerpräsident Meter le erklärte gestern im ungarischen Ab geordnetenhause, er habe dem König vorge- s ch l a g e n, den M e h r b ei t s sü h r er Fr anz K o ssuth zu sich zu berufen, was der König genehmigte. * König Georg vonGriechenland erklärte auf eine ihm nach einem Massenmeeting in Alhen überreichte Adresse, e r erkenne die Forderungen des Volkes als berechtigt an; er werde ihnen zuftimmen, wenn durch sic die Verfassung nicht verletzt würde. Der römische Corriere della Sera versichert, daß die Begeg nung des Zaren mit König Viktor Emanuel am 7. Oktober in Bajä bei Neapel statlfinden werde. Die königliche Jacht wird instand gesetzt, um den Zaren abzuholen. * Bei dcm von der Kommission für dieHudson-Fulton- Feier veranstalteten offiziellen Empfang vessr Gäste im Metroponianopernhouse in Neuyock übermittelte Großadmiral von Köster, der stürmisch be- grüßt wurde, Deutschlands Glückwünsche. Mutmaßliche Witterung am SV. September: Nord westwind, wolkig, kühl, kein erheblicher Niederschlag. -WL Wieöerausrolluug -er Marokkofrage. Der Riffeldzug der Spanier in Marokko hatte in den letzten Wochen Dimensionen angenommen, die einem wirk lichen Kriege Hleichkommen, denn die spanischen Truppen waren nach und nach aus mehrere Divisionen verstärkt worden, und mit dieser Uebermacht ist es endlich gelungen, die Kabylen zurückzu treiben. Vorher hatten diese Len Spaniern mehrfach erhebliche Verluste un!d nicht unbedeutende Schlappen be gebracht, die zweifellos dazu «beitrugen, daß die Erhebung immer weiter um sich griff. Im spanischen Volke ist die marok ¬ kanische Expedition im hohen Matze unbeliebt, man scheut die hohen Kosten, die mit dem eventuellen Erfolge in keinerlei Einklang stehen und bei den mobilfierten Truppen waren Desertierungen an der Tagesordnung. In der letzten Zeit ist es endlich etwas besser geworven, die Spanier erfoch ten wahrscheinlich infolge ihrer Uebermacht einige Erfolge, «in großer Stamm soll sich sogar bereits unterworfen haben und man hofft, daß nunmehr der Feldzug bald zuEnde sein werde. So schnell wird das aber voraussichtlich wohl nicht gehen, die Kabylen, die mit den Eigenarten des Landes auf das EMte vertraut find, werden so leicht den Kampf nicht aufgelben, und selbst wenn allmählich eine Beruhigung eintritt, sind die Spa nier bei den freiheitliebenden Eingeborenen vor neuen Angrif fen keineswegs sicher. Viel werden die Spanier ohnMn nicht erreichen, der Feldzug kostet sie Millionen über Millionen und wer wird diese Summe zurückerstatten? In den Kreisen der spanischen Regierung bestand grotze Geneigtheit, sie dem Sultan von Marokko aufzuhalsen, aber dieser wird sich bestens dafür bedanken, denn er ist an den Unruhen völlig schuld los und man kann ihn schwerlich dafür verantwortlich machen, datz mehrere Stämme, die auch immer ihm selbst gegenüber höchst unbotmäßig waren, in spanisches Gebiet eingefallen sind. Auf den Sultan ist man ülberhaupt augenblicklich in den Siaatskanzleien nicht sonderlich gut zu sprechen, selbst inFrank- reich n'cht, wo man einst Muley Hafid auf den Schild erhoben hatte. Man grollt ihm wegen seiner Grausamkeiten gegenüber dem Präsidenten Buhamara und namentlich deshalb, weil er die Ermahnungen der Akächte, seinem Gegner gegenüber menschlich zu verfahren, einfach in den Wind schlug unk, tat was er wollte, indem er unverblümt zu erkennen gab, Latz er sich in derartigen Fragen nicht darein reden lasse. In diesen Vorgängen hat sich sogar eine große Staatsaktion geknüpft. Frankre ch hat einen sehr scharfen Ton angeschlagen, wahrschein lich, weil man auf solche Weise hofft, wieder in Marokko Vor sehung zu spielen und dabei im Trüben fischen zu können. Auch England und Italien sollen sich dem Vorgehen Frank reichs angeschlossen haben. Deutschland dagegen ist vor sichtiger, es wird erklärt, daß man den genauen Wortlaut der Note kennen wolle, bevor eine endgültige Antwort erteilt werden könne. Die deutsch« Reichsregi«rung, die S'sher wohl nur kurz telegraphisch den Inhalt der Note Muley Hafikos er halten hat, verlangt eine genaue Uebersetzung des Dokumentes, die nach Berlin gesandt werden soll. Dieses Vor gehen .st durchaus korrekt, da Deutschland sich hüten will, un nötigerweise neue Verwicklungen heraufzubeschwören, wie dies leicht bei einem allzuhitzigen Vorgehen der Fall fern kann. Ein mal glaubt man sicherlich deutscherseits nicht Werflllssigerrveise die Anschauungen der Marokkaner außer Acht lasten zu dürfen, dann aber traut man wohl insgeheim nach den gemachten Er fahrungen auch Frankreich nicht so ganz. Freilich scheint Muley Hafid es ganz darauf abgesehen zu haben, sich den Zorn der Mächte zuzuziehen, er nimmt eine recht hochmütige Haltung ein und hat einfach die Vorstellungen der Konsuln wegen der Gefangenmitzhandlungen von oben Herab er klärt, Latz die Konsuln nicht dazu qualifiziert seien, mit ihm zu verhandeln. Unter diesen Umständen hat es wahrscheinlich viel für sich, datz über kurz oder lang, die Marokkofrage wieder zur Ausrollung kommt und neue Verwicklungen in die Erscheinung treten. Politische Tagesschau. Aue. 29. September. » Großadmiral Prinz Heinrich von Preutzen verabschiedete sich gestern von den Offizieren seines Flottenflaggschiffes Deutsch- Offiziere erwiesen beim vom Bordgehen dem Prinzen die höchste Ehre, die einem Admiral zuteil werden kann, indem sie ihn von Bord bis an das Ufer ruderten. Der offiziell« Flaggenwechsel zwischen Prinz Heinrich und dem neuen Chef der Hochseeflotte Vizeadmiral von Holtzendorsf findet am kommen den Donnerstag an Bord der Nixe statt. * Die Wiedereinbernfung de» Reichstags. In den Reichs ämtern herrscht gegenwärtig, nach dem Lok.-Anz., eine lebhafte Geschäftstätigkeit. Der Schwerpunkt dieser Arbeiten liegt beim Neichsschatzamt, wo der Reichshaushaltsetat für das Jahr 191V zusammengestellt wird. Indessen wird die end gültige Fertigstellung des Entwurfes der nächsten Tagung erst in der zweiten Oktoberhälfte erfolgen, wenn der Reichskanzler nach Berlin zurückgekehrt sein wird. Bethmann-Hollweg hat sich die letzten Entscheidungen Wer den Reichshaushattsetat Vorbe halten, um zu prüfen, ob der von ihm auffgestellte und einge schärfte Grundsatz der äußersten Sparsamkeit auch bei allen Ne'chsverwaltungsämtern befolgt worden ist. Der genaue Zeit punkt der Einberufung des Reichstages wird erst nach der Rück kehr des Kanzlers festgelegt werden. Als wahrscheinliches Da tum gilt der 23. November, doch ist ein Hinausschub auf den 30. November nicht ausgeschlossen. * Internationale Konferenz für Vereinheitlichung des See rechts. Unter Beteiligung von 25 Staaten, die durch 60 Dele gierte vertreten find, wurde gestern in Brüste! die dritte internationale Konferenz für Vereinheitlichung des Seerechts er öffnet. Der Minister des Aeutzern, Davignon, begrüßte die Ver sammlung, die auf den Vorschlag des deutschen Vertreters, Ge sandten Grafen von Wallwitz, den Staatsminister Beernaert- Belgien zum Vorsitzenden wählte. Haselstrauch und Haselrmtz. (Nachdruck v rbolen.) In den jetzigen schönen Herbsttagen ziehen aus dem Lande und m den kleinen Städten die Bnben uns Mädchen hinaus in den Malo und den Hain, um die so beliebten Haselnüsse einzu- samm.In. Nimmt der gestrenge Magister, auch wohl der harte Vaier, den, Sirauch die Nute für die unartigen und rüprligen Jungen, so legt doch der grüne Strauch ein indirektes Pstästcrlein auf v:e schmerz.-uden Stellen, indem er der I iguid die >üß- und inaud.lait'g schonckenden Haselnüsse spendet. Aber nicht nur die Kinder er,»enen sich an frischen Hasel- oder Lamb-.rtsnüsten, auch die Gloßer. lassen sie sammeln und verzehren von dem Vorrat noch zur Weihnachtezeil. In Frankreich macht man sogar die schönste Nußschokolade mit Hilfe duser Frucht, die auch bei uns in Deutschland Eingang gesunden har und unserer Jugend beider lei Geschlechts gar lieblich mundet Der Haselftrauch ist von jeher in unserem Vclke beliebt ge wesen, ja es gibt kann einen z.neiten Strauch, der eine so große Bedeutung hat. Viellacht waren es di.- eigentümlichen kleinen niedlichen Blüten, die zu ciner Zeit, oft schon im Februar — er scheinen, wenn die übiige Natur noch im starren Minters-Hlafe liegt, vielleicht auch die langen, glatten rulrnförmigen Zweige und eigen- tümlich umhüllten Früchte, die dem Haftliiußstrauch zu seiner Be- liebibeti verhalfen. Nach Jakob Grimm kommt der Name unseres Strauches wie der Name unseres Hasen von dein nltindrschcn WoUe her, das so viel wie springen bedeutete. Es würde auch das »Mären, warum man die Hasclgerte als Spring-, Wünsch-l- »dei Zugrute verwendet. Althochdeutsch lnetz der Strauch: Hasalo, Hosil, Hasol. Die urdcnische Hohl Hut sich im Lause der Jnhitnuseude verwaudclt, sodaß jetzt eine große Zahl verschiedener Artet!, die sich nach Blaitsorm, Blicken und Flüchten unterscheiden, Vorkommen. Am beliebtesten ist die sogenannte Lamberts- oder Hcllcrnuß. Der 'Name Lambert soll aus dem Wort Langbart- Langobarde entstanden sein. Diese Naß sollen schon die alten Römer gekannt haben. Im alldeutschen Heidentum war die Hasel dem Donnergott Donar geweiht und sand im Totenkultus An wendung. So hatten altgerm.ru ilche Skelette, die man in Franken und an der Ostsceküstc sand, Haselnüsse und Hasclgcrten neben si>h liem-n. Daß die Alten gern Haselnüsse aßen, geht daraus h-rvor, d:ß man in fast allen Pfahlbauten solche fand. Auch dieine den Piahlbaub'wohnern ein langer Haselstvck, an dcm ein Pferdeschädcl befestigt war, als Notstange. Die Hasel war Sym bol des L. bens und der Unsterblichkeit, aber auch wegen ihres trügen Blühen des Frühlings. Bei den Gerichtsstätten und Tüfingen der alten Deutschen wurde das versammelte Volk durch in den Boden gesteckte H.rftlgcrien abgesperrt. Julius Wolff singt daher: Abgesteckt durch Haselgerten, War ein Ring mit roten Faden, Mehr oeschüch vor Volkes Andrang Als durch ''este Eiscnschranken, De in geheiligt war die Hegung. Ob in diesem allen Genchtsbrauche der Grund liegt, daß man früher — ehe man das spanische Rohr kannte — die Haselgerten zur Vollziehung körperlicher Züchtigungen benutzte, ist nicht er wiesen, aber wohl anzunehinen. Vor dem wütendem Heere Wuo- tans, vor der wilden Jagd, schützte ein Hasetstab, der mit einem H.'lnnderzw ige zusammengebunden war. Auch auf die Ernte war die Hisel von Einfluß, denn wenn man einige Hasel- siranchzm,i.,e auf den Bo^cn der Tenne legte, ehe die Frucht eir.geerntrl war, so waren Scheune und Getreide vor dem Blitz g' sibert. Vülfach brachte noch in neuerer Zeit der mitteldeutsche La-idma n ab und zu einige Haselzwcige in seine Vichställe, um sein Vieh vor Krankheit, auch vor Hexerei zu schützen. Der alte Heidengtaube, daß der Butz niemals in einen Haselstrauch schlüge und die darunter beim Gewitter Verborgenen schütze, wurde nut Einführung der neuen Religion sagenhaft ausgestaltet. So »oll Maria, als sie Elisabeth besuchte, vor einem schweren Gewitter unter ein m Haselstrauche Schutz gesucht haben. Leider hat es aber mohl im Orient niemals Hascliträncher gegeben! In man chen Gegenden Tirols werden noch heute am Tage Mariä Heim suchung Haselzweige in die Belten gesteckt, um das Haus vor Blitzgesahr zu schützen. . , Interessant ist der Volksglaube an den sogenannten Hasel wurm. Das ist eine weise Schlange von etwa Meterlänge, die an Fasttagen eine kleine goldene Krone trägt, die aber nur den Edlen und Guten sichtbar ist. Der Hasclwurm biß in jedes Blatt des Strauches ein rundes Loch. Wer früher in den Besitz eines solchen HaselwurmeS kam, dem blieben gewiß alle bösen Geister fern,- er konnte sich außerdem unsichtbar machen und war im Kampfe unverwundbar. Auch konnte ihn niemand gefangennehmen, und mit Hilfe des geheimnisvollen Wurmes ging er durch alle noch so fest verschloffenen Türen. Eine ganz besonders wunderbare Kraft Hütte die Hasclgerte als Hiebmittel! Die Kraft erstreckte sich sogar so weit, daß inan mit ihr Abwesende durchprügeln konnte! Um einen solchen Strafakt in abssntia ausführen zu können, mußte man aber die Rute in einer bestimmten Nacht unter dem Sprechen ciner bestimmten Formel, das Gesicht dem Sonnenauf gang zugewendet, mit drei scharfen Schnitten abschneiden. Schlug man mit einem solchen Zauberstabe über die Kleidung eines Ab wesenden, so empfand dieser die Hiebe so, als hätte er sie direkt von einem Nebenstehenden empfangen. Ohne Zweifel war die merkwürdigste Verwendung der Haselrute die als Wünschelrute. Einjährige Triebe des Strauches waren zu solchen Wunderruten am geeignetsten, du sie von ihrer geheimnisvollen Kraft durch den Einfluß der Witterung noch am wenigsten cingebüßt hatten. Auch das Schneiden dieser Nute mußte auf genau vorgeschriebenc Weise geschehen. Es durste weder ein Messer noch ein sonstiges metallenes Instrument gewählt werden, sondern die Lostrennung mußte mittels eines scharfen Feuersteins erfolgen: Der Schnitt mußte