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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.07.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-07-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120711025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912071102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912071102
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-07
- Tag 1912-07-11
-
Monat
1912-07
-
Jahr
1912
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Bezug-Brei» t>r Leipzig und Poeort« durch »»Ire« Trauer und CoedUeur« Um al täglich in» Hau» gebracht: « Vl. manatl, 2.7» S»k. vteneliädrl. «ei unlern Filialen «. Ln- nahmestellen odgchoU: 7S Pi. »anatl- 2LÄI. »terteltährl. Lurch »t« Palt; innerhalb Deutichlonb, und der deutichen Xolonien vierteliährl. S.6» Mk.. monotl. 1.2» MI. au.schl. PostbesteUaeld. Ferner in Beigien, Donemarl, ben Donauilaaten, Italien, Luremdurg, Niederlande, Nor wegen, Oesterreich. Ungarn, Rußland. Schweden und Schwel». 2n allen übrigen Staaten nur direkt durch dir ibrichau». stell« de» Blatte» erhältlich. Da» Leipziger TagedlaN «richeln» 2mal täglich. Sonn» u. Feienag» nur morgen». Bdonnemenls-Annahme. 2«banni»gail« 8, hei »nleren Trogern. Filialen. Spediteuren »nd itlnnahmeiirUe.l, lowie Pononuern und Bneiträgern. «t»,»lv«rkaui»pr»l» 10 Bi. Abend Ausgabe rip.ngcr TWMalt Handelszeitung Sankkouto: Amtsblatt des Rates und des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Boftscheckkont» Leipzig 8Z«. B»ftlch«chk«nt» Leipzig >08. - . l"«sr mn—.ich'.»» Lel.-ÄNschl.^ 14 693 I 14 894 Ullaemeine Deutlch« ilredit- Äniialt Brühl 7K/77. Deutsche Bank, Filiale Leipzig Dtp -Kali« Srrmin. Eleinwrq äi Anzeigen-Prei- fiir Inserat» an» Letpzta und Umgebung di« llpaltig« Petitzeile N Ps. dt« NeNam«. zell« 1 Ml. von aa»wart» ZV Ps. Neklomen llv Ml. Inserat« von Behörden im amt lichen Teil dl« Petitzeile liü Vs. Seichailranzeigen mit Platzvorlchrtsten im Prell« erhöht Rabatt nach Tarts. Beilogegrbübr Sesam«» aullag« L Mk. p. Tausend erkl. Postgebühr. Teildeilag« Höher. Feftertetlt« Äuiträa« können nicht zurück gezogen werden Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird kein« iiarantl« übernommen. >n,etgen» Annahme: 2»b»n,l»,«ss« d«i län.tlichen Filialen u. allen Annonrrn» Ezpeditionrn de» In» und Au»lande«. »rack an» vrrlu, uou Atsch«, öl Kürst«, Inhaber: Paul Kürst«». N«d»kti«n und ch«lchlit»lt,ll«: 2odanni»gasse bl Haupt < Alliat« Dr«»d«n: Eeearage 4. l (Telephon 46211. ' - > Nr. 3S0 vannrrslag, gen ll. Zull tSl2. les. Zshrysng. Die vorliegende Ans ialie nmsosu 10 Leuen. vss Dickliglte. * Ter deutsche Reichskanzler ist von Pe tersburg nach M oskau abgerclst. * Jrn englischen Unterhaus hielt Grey eine längere Rede über die auswär tige Politik Englands. (S. Leitartikel.) * Die französische Kamin er hat den W a h l g e s e tz e n t wu r f angenommen. (S. des. Artikel.) Güwsrü Grey über Gnglsnüs susmsrüge Politik. Im englischen Unterhaus besprach gestern Staats sekretär Grey ausführlich die persische Angelegen heiten, ging zur Mittelmserfrage über und wendete sich dann den englisch-deutschen Beziehungen zu. Er sagte, die Beziehungen Englands zu Deutsch! and seien gegenwärtig ausge zeichnet und absolut frei von irgendeiner Frag«, durch die die beiderseitigen Interessen berührt wür den. Er glaube, falls solche Fragen sich erheben wür den, ob dies nun in Zusammenhang mit den wechsel seitigen Interessen in Südafrika oder eventuell in Verbindung mit der Bagdadbahn geschehe, so würden beide Regierungen die Ueberzeugung hegen, daß ihre gegenseitigen Interessen ehrlich ausgeglichen werden könnten. Daneben bestehen andere diplo matische Gruppen; aber er sei nicht der Meinung, daß dies die Freiheit der Aussprache bezüglich der wech selseitigen Jnterestenfragen verhindern würde. Wenn eine solche Frage austret«, mühten die verschiedenen diplomatischen Gruppen sich nicht notwendigerweise in entgegengesetzten diplomatischen Lagern Gesinden. Grey kam auf die Beurteilung zu sprechen, die das englisch-russische Abkommen gefunden habe. Er betonte, dah sie das Gegenstück zu der Beurteilung sei, der die russische Regierung bei einem Teile der öffentlichen Meinung im eigenen Lande begegnet sei. Wenn man die Lage der Dinge in Persien betrachte, dann dürfe man nicht erwägen, ob das Abkommen einen vollkommenen Zustand geschaffen habe, sondern ob die Lage durch das Abkommen besser oder schlechter geworden sei. Wenn man an alle Unruhen denkt, die in Persien geherrscht haben, und daran, was sich nicht allein in Persien, sondern in den allgemeinen Beziehungen zwischen Rußland und England ereignet hat, dann muh man sagen, fuhr Grey fort, dah die Aufrechterhaltung des Abkommens mehr denn je nötig ist. Die Lage in Persien, die, wie ich zugebe, unbefriedigend ist, hätte doch zu unver gleichlich schweren Komplikationen geführt, wenn ein derartiges Abkommen nicht bestanden hätte. Ohne das Abkommen hätte Rußland beständig unter der Furcht gestanden, dah England in Südpersien aus der Verwirrung der Lage Vorteil ziehen und Rußlands Interessen schaden würde. Der alte Argwohn, der in alten Tagen bestand, wär« dann noch vertieft wor den. Anstatt dessen ist, wenn wir auch in den Einzel heiten verschiedener Meinung gewesen sein mögen, nie einen Augenblick der Verdacht vorhanden gewesen, dah auf einer Seite der Versuch gemacht werde, die Lage in Persien zum Nachteil der anderen auszu nützen. Grey besprach sodann die Mittelmeerfrage, die von größter Bedeutung sei und tatsächlich die aus wärtigen Beziehungen ebenso wie die Flottenstrategie auf di« Tagesordnung setze. Es würde schwierig sein, über die Angelegenheit ein endgültiges Urteil zu fällen, weil sie so voll von Ab stufungen (prrulrurnons) und Steigerung (clerxrs^) und so ausgedehnt sei. Er wolle sich aber bemühen, die Frage in zwei streng geregelte Teile zu sondern. Erstens dürfe man sich nicht auf oi-r auswärtige Po litik allein für den Schutz des Vereinigten König reichs verlassen. „Wenn Sie die Sicherheitsgrenz« der Heimatsflotte unter das Mah dessen fallen lasten, was gegen sie aufgebracht werden könnte, stellen Sie der auswärtigen Politik eine Ausgabe, die Sie ihr nicht stellen dürften. Sie müssen der Flottenmacht eine genügend sichernde Stärke geben, was immer auch Ihre auswärtige Politik sein mag; sonst wird Ihre auswärtige Politik überhaupt unmöglich, weil Sie bei jeder diplomatischen Lage, die entsteht, wenn Sie in den heimischen Gewässern gegenüber einer Nachbarslotte oder gegenüber den Nachbarflotten unterwertig sind, nachgeben müssen und Ihre Stel lung nicht diejenige einer Erohmacht sein wird. Was das Mittelmeer anlangt, so zögere ich nicht zu sagen, dah wir dort entweder eine genügende Streitmacht haben oder in kurzer Zeit dorthin entsenden müßen, um jedem dort möglicherweise eintretenden Ereignis begegnen zu können. Uns droht augenblicklich keine Gefahr, aber wir sind im Begriff, das Mittellän dische Meer aufzugeben und uns selbst in eine Lag« zu versetzen, in welcher wir unser« Interessen im Mittelländischen Meer nicht schützen können. Ander seits ist es nicht nötig, ein« Streitmacht zu unter halten. die jeden Augenblick imstande ist, sich gegen alle anderen Flotten zu behaupten. Gegenwärtig ist keine Aussicht auf irgendeinen Streit mit irgendeiner anderen Macht im Mittelmeer vorhanden. Ich glaube nicht, dah cs eine einzige Macht gibt, die gegen unsfeindliche oder nach teilige Pläne erwägt. Aber wenn wir dal Mittelmeer gänzlich aufgäben, würde sich die Tendenz herausbilden, uns nicht mehr zu rechnen. So weit kann ich die Dinge heute abend erkennen. Ich gebe zu, dah wir eine ausreichende Scestreitmacht im Mittelmeer unterhalten mästen, um uns zu den See möchten des Mittelmeers zu rechnen. Di« Frag, des Stärkestandards kann ich nicht erörtern, aber um als Seemacht des Mittelmeers angesehen zu werden, müssen wir dort über «in« ansehnliche Flotte verfügen. Unsere auswärtige Politik bleibt unver ändert. Der Ausgangspunkt jeder Entwicklung unserer auswärtigen europäischen Politik ist die Er haltung der freundschaftlichen Beziehungen zu Frank reich und Rußland. Nehmen wir das als Ausgangs- punkr an, dann lassen Tie uns b« st mögliche Be ziehungen zu anderen Ländern haben. Wenn wir Frankreich und Rußland im Einklang mit einer anderen großen europäischen Macht und in einem guten Verhältnis mit ihr sehen, wie dies durch das Zusammentreffen o«s deutschen und des russischen Kaisers geschehen ist, so haben wir allen Grund, uns selbst zu beglückwünschen. Mr sind vollständig überzeugt, dah Frankreich und Ruh land uns nicht minoer freundlich gesinnt sino als wir ihnen. Nichts, was gelegentlich solcher Zusammen künfte wie der letzten, stattfindet, bringt uns Nach teile oder hinterläßt eine störende Wirkung auf die Beziehungen zu Deutschland." (Beifall.) Grey verlas sodann das offizielle C o m m u n i q u 6, welches nach der Entrevue veröffentlicht wurde, uno sagte, «r schließ« sich dem an. Grey sprach sodann über die englisch türkischen Verhandlungen betreffend die Bagdad-Basra- Eisenbahn. Di« Türkei stehe in Unterhandlun gen über eine Anleihe für die Eisenbahn unterhalb Bagdad, die der Gegenstand eines Abkommens der Türkei mit Deutschland sei, durch welches die Türkei Aktionsfreiheit bezüglich der Ersenbahnbauten unter halb Bagdad wiedererlangte. Die deutsche Negie rung sei vollkommen in Kenntnis gesetzt, dah die D.'rhandlungen Fortschritte machten. Grey fuhr fort: „Wenn durch die Verhandlung«» deutsche Inter essen berührt werben, sind wir natürlich vollkom men bereit, die Angelegenheit mit der deutschen Re gierung zu erörtern. Aber gegenwärtig ist di« Basis der Unterhandlungen, ob wir unsere Zustimmung dazu geben, dah die türkischen Zölle, oie die Türkei braucht, erhöht werden, ferner ist eine wichtige Ange legenheit. die wir zu sichern wünschen, dah zwi schen der Türkei und uns eine Verstän- digung über den Statusquo im Per sischen Golf zustande kommt. Es handelt sich allgemein um ein Abkommen mit der Türkei über einen zufriedenstellenden Statusquo im Golf, durch welches der Türkei vollkommen klargemacht wird, daß wir ihre Rechte in diesem Gebiet nicht verletzen wollen, und durch welches ebenso .klargemacht wird, dah unsere besondere Stellung im Golf, der wir Wich tigkeit beimesten, diesen Rechten nicht widerstreitet. Diese Unterhandlungen sind noch nicht zum Abschluß gelaugt. Wir sino in keinem Syndikat verpflichtet uno werden uns keinem Syndikat verpflichten, wenn oie Bedingung gestellt wild, daß di« Eisenbahn über Basra hiiiausgehe. Sodann kam Grey auf die trans per fische Eisenbahn zu sprechen und sagte, Groß britannien erklärte, wenn die Eisenbahn ge baut werden solle, müsse England sich groß« Aktionsfreiheit bezüglich oer Konstruktionen, der Leitung und der Verwaltung, und Vertretung der britischen Interesten bei den Fracht- und Personen tarifen, besonders auch bei der Spurweite, aus bedingen, bevor es den Plan unterstützen 'önne. Es mäste auch vorher mit Rußland ein Vertrag zustande kommen über die Zweialinien, über die Kontrolle der Linien in der britischen Sphäre und über die Gleichberechtigung des britischen Verkehrs. * Nachdem Grey seine Rede geschlossen hatte, drückte Bonar Law die allgemeine Billigung für die Erklärungen des Staatssekre tärs aus, kritisierte jedoch die Haltung in der Mittelmeerfrage und erklärte. Englands Mittel meerflott« müsse stark g nug sein, um jeder wahr scheinlichen Angriffskombination überlegen zu sein. Was die englisch-deutschen Beziehungen anlange, so habe England keinen Streit mit Deutschland. Nie mand wünsche anderes, als mit Deutschland ün besten Einvernehmen zu leben. Die beste Art und Weise, mit Deutschland in möglichst gute Beziehungen zu kom men. sei, wenn zu irgendeiner Zeit eine Ursache nicht zu einer Reibung, sondern zu einer Meinungs verschiedenheit entstände, d'eser in der offensten Weise gegenüberzutreten und im übrigen Geduld zu zeigen und sich zu vergegenwärtigen, dah nur auf dies« Weise bestes Einvernehmen zustande gebracht werde. Bonar Law betonte, die Triple-Entente sei der Grundton in Englands auswär tiger Politik, aber es sei lächerlich, non einer Derteidigungsentent« zu sprechen oder zu reden, als ob sie eine Unfreundlichkeit gegen Deutschland sei. Die Triple-Entente sei die natürliche Politik für England. Wenn die Unionisten wieder zur Re gierung kommen sollten, würde sie auch die Politik oer Unionisten sein. Darauf wurde die Debatte ge schlossen. DaskluslterliLN des Mwsrren Lenüvsiions. Man schreibt uns: Wenn man sich einen Ueber. blick über den gegenwärtigen Stano oer Lentjchisf- jchi, (bauten in Deutschland verschafft, falle auf, daß zurzeit kein einziges halbstarrcs Luftschiff (M Bau ist. Wir verfügen über vier Halbstarre M i l i t ä r l u f t s ch i f f e, deren Vermehrung bis von Kühling zu Kühling. 32j Roman von Erich Ebenstein. sNachbruc? c.-rbvlcn.) Ihr ganzes Leben hindurch hatte sie sich treiben lasten von den Verhältnissen, ohne ihrer ein einziges Mal Herr zu werden. Wie ein Weib hatte sie gehandelt — nur wie ein Weib, wo ihre Lage doch einen ganzen Menschen er forderte. Sie stand auf und blickte Herrn Maier fest an. „Meine Unterschrift ist hier gefälscht", sagte sie klanglos, „ich werde versuchen, Ihnen irgendwie zu Ihrem Eelde zu verhelfen . . . wenn es mir nicht gelingen sollte, dann . . . kann ich Sie nicht hindern, von Ihrem Rechte, Verantwortung zu verlangen, Gebrauch zu machen. Darf ich einstweilen um Ihre Adresse bitten?" Herr Maier schrieb die Adresse auf ein Blatt Papier und verbeugte sich schweigend. Metas Ruhe imponierte ihm, ihre Verstörtheit tat ihm leid — aber schließlich: Geschäft bleibt Geschäft. Nachdem er gegangen war, holte Meta das Kind aus dem Nebenzimmer und kleidete es mechanich an. Als sie beide zum Ausgehen bereit waren, trat sie noch für einen Moment bei der Frau nebenan ein, von der sie die Wohnung gemietet hatten. „Wenn mein Mann heimkommt und nach mir fragt, Frau Wardein, dann sagen Sie ihm, bitte, daß er nicht auf mich warten möge." Die Frau sah ihr verwundert nach. Was sollte das denn nun bedeuten? Meinte Frau v. Montelli, daß sie überhaupt nicht wiederkäme? Ehe sie eine weitere Frage stellen konnte, war Meta indessen schon verschwunden und stieg mit Konradchen die Treppe hinab. Das Kind war schweigsam und unzufrieden, seit sie in Wien waren. Sein ewiges Fragen nach Groß mama, Lena, dem Musiklchrer und dem Garten, in dem man so schön spielen konnte, schnitt Meta ins Herz. Sie sah, wie der Knabe blaß wurde in der Stadtluft, wie er immer stiller wurde und wie er sich in Sehnsucht unbewußt verzehrte nach dem gewohnten stillen Leben in der Natur. Als sie nun mit ihm abermals den Weg in den Volksgarten einschlug, fragte er weinerlich: „Gehen wir schon wieder in den häßlichen Garten, wo so viele Kinder schreien und man nicht mal auf den Rasen treten darf?" „Ja, Konradchen. Du mußt nur hübsch brav und geduldig sein, vielleicht kann ich dich bald anders wohin bringen. Laß mir nur Zeit . . .! Das Kind schwieg. Meta aber suchte ihre Ge danken zu sammeln. Eines aber war ihr klar: sie mußte nun ihr Leben selbst in die Hand nehmen und sich um einen Erwerb umsehen. Von dem Kinde mußte sie sich trennen. Es war ihr freilich, als risse ihr das Herz in Stücke bei dieser Vorstellung, aber sie fand keinen andern Ausweg. Sie hatte doch vieles gelernt, das sich sicher ver werten ließ als Erzieherin oder Gesellschafterin. Hatte sie irgendeinen festen Posten, dann konnte sie für Konradchen Pension zahlen und war unabhängig von Montelli. Er sollte sie nie mehr auffinden, dafür wollte sie zuerst sorgen. Die Ringe, die sie truq, und ihre Uhr würden, zu Gelds gemacht, wohl fürs erste ge nügen, bis sich etwas Passendes fand. Später, in einigen Jahren, wenn ihre Rente wieder frei wurde — denn vorerst mußte davon die Wechselschuld be glichen werden, das stand fest, es sollte niemand um sein Geld kommen —, konnte sie das Kind wieder zu sich nehmen und mit ihm irgendwo in stiller Ver borgenheit leben. Wenn dieser Maier bereit war, so lange zu warten, bis sie in der Lage war, den Wechsel ratenweise ein- zulösen, dann konnte am Ende doch der öffentliche Skandal vielleichr vermieden werden. Sie wollte ihm noch heute darüber schreiben. Während sie so in ihre Gedanken vertieft langsam mit Konradchen m einer Allee des Volksgartens auf und ab ging, sagte plötzlich eine Helle freudige Stimme neben ihr: „Ja, Meta, bist du s denn wirk lich? Nein, welche Ueberraschung! Wie ich mich freue!" Sie blickte erstaunt auf. „Berta Burkhardt! Ja richtig — du lebst ja auch in Wien!" Sie reichte ihr erfreut und «erlegen zugleich beide Hände. Es waren so andere Verhältnisse jetzt, unter denen sie sich wiedcrsahen. „Und wie hübsch du bist! Du hast dich ja riesig herausgemaust, kleine Berta! Ich hätte dich gar nicht wiedererkannt!" „Wirtlich? Das macht das Glück, weißt du! Du mußt nämlich wissen, ich heiße nicht mehr Burkhardt — meine beiden armen Kinder sind gestorben, und ich habe wieder geheiratet. Vor einem halben Jahr erst. Und «inen wahren Schatz von Mann habe ich — aber komm, das muß ich dir alles ausführlich er zählen. Es ist hübsch, daß wir einander endlich wieder einmal getroffen haben!" Die kleine Frau, der das Glück aus allen Fältchen strahlte, hing sich zärtlich an Metas Arm und zog sie zu einer Bank. „So, hier sind wir ganz ungeniert und können plaudern nach Herzenslust. Um zwölf muß ich Max vom Bureau abholen — da haben wir eine ganze Stunde Zeit. Das ist wohl dein Junge? Mich schöne blaue Augen er hat! Willst du mir nicht das Händchen geben, kleiner Mann? Sie beugte sich zu Konradchen, der ernsthaft wie immer Fremden gegenüber seine Hand darbot. Die lunge Frau seufzte leicht. „Ach ja — mein Artur wäre nun gerade so groß! Aber es ist ein Glück, daß er starb — er hat so viel gelitten, der arme Kleine, und der Arzt sagte, er könne niemals gesund werden. Auch Bertchen war immer krank. Ererbte Tuberkulose. Ach. Meta, was habe ich durchgemacht in all den Jahren! Erst mit Burkhardt, dann mit den Kindern, na. du weißt's ja. Und nun ist doch alles wieder gut geworden, und ich bin so glücklich mit Max Weber! Er ist Bank beamter und trägt mich auf Händen ... sag mal, du bist ja auch zum zweitenmal verheiratet — warum hast du denn m den letzten Jahren so gar nichts von dir hören lasten?" Meta wandte das Gesicht ab unter dem forschen den Blick der kleinen Frau. „Ach, ich wurde so schreibfaul, weißt du. Alle Korrespondenzen ließ ich einschlafen. Wir reisten viel herum, und dann nahm mich das Kind auch sehr in Anspruch. Du weißt, es entwickelt sich abnorm langsam, aber erzäble lieber von dir." Das tat Frau Berta denn auch gerne und in aus giebigstem Maße. Ihr Schicksal war ganz gewöhnlich. In der Kanzlei, wo sie beschäftigt war, lernte sie Weber kennen, kurz nachdem ihre Kinder gestorben waren. Er verliebte sich in sie, und ein Jahr darauf hei rateten sie. Sie war unermüdlich in Detailschilderungen ihres Glückes. Knapp ging es ihnen, natürlich, aber das schadete ja nichts, am Gelbe hing das Glück nicht, und übrigens bekäme Max zu Neujahr eine Ge haltsaufbesserung . . . Meta hörte zu wie im Traum. Welch prächtiges, mutiges Weibchen war aus der kleinen, zaghaften Berta Malchow geworden! Ja, das Leben trägt empor oder schleudert nieder — je nachdem es sich gestaltet. So tatkräftig und fusch Berta heute war. war sie selber einst auch ge wesen, als sie Niki Petermann die Hand reichte. Voll guten Muts, voll Hoffnungen, voll Optimismus. Und welche Iammerliese war dann aus ihr ge worden! „Ucbrigens warst du schon bei Raffs?" fragte Berta plötzlich, das Thema wechselnd. „Was sagst du dazu, wie großartig es Hertha nun geht?" Meta schüttelte den Kopf. „Ich weiß seit langem nichts von ihr — ist sie denn in Wien?" „Freilich Draußen bei Mödling hat er die Lei tung eines großen Sanatoriums übernommen. Es ist eine Aktiengesellschaft, und Raff bezieht einen glänzenden Gehalt. Hertha kleidet sich wie ein« Fürstin, die Kinder haben Engländerin und Hof meister — na, ich sage dir: phänomenal! Isas Mann in Japan soll auch Reichtümer sammeln. Aber ich glaube nicht, daß sie so hochmütig geworden ist wie Hertha. Ich gehe gar nicht gern hinaus zu ihr — man fühlt sich immer so gedrückt und geniert. Nun sage mir aber mal, wo du eigentlich wohnst? Bist du schon lanae in Wien?" „Nein. Ich wohnte bis jetzt im 9. Bezirk, aber ich will heute in irgendein anständiges billiges Hotel aarni übersiedeln. Weißt du vielleicht zufällg eins, wo eine alleinstehende Frau mit einem Kinde wohnen kann?" Meta sagte es ruhig, ohne falsche Scham, ohne die geringste Verlegenheit. Sie hatte sich entschlossen, Bertas Offenheit mit gleicher Münze zu bezahlen. Es schien ihr kleinlich heute, wo die andere glücklich war, ihre traurig« Lage irgendwie bemänteln oder verbergen zu wollen. Die kleine Berta war sehr taktvoll. Sie stellte keine indiskrete Frage nach Metas Mann, sondern sagte nur: „In ein Hotel garni willst du? Warum nicht in eine Privatwohnung?" „Weil ich nicht weiß, wie lange ich bleiben werde. Ich suche eine Stellung, sowie ich sür Konradchen einen postenden Kostplatz habe." „Eine Stellung? Du?" Nun konnte Berta ihr Erstaunen doch nicht länger verbergen. „Ha, meine Verhältnisse haben sich sehr geändert . . . ich will dir gegenüber kein Hehl daraus machen, bitte dich aber, später die Sache nicht mehr zu be rühren." (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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