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^oli»nn-Ssorgsti-/VIIss S ss.w.p,. ,,777 ^nvl-ttsnnt gut« pr»i»^»r1» unel KUokis IN0k»4stK:W !LSL°'-' Lckmorl XuriStSpisIpILslOS seit 1634 bsstbswüiirlss cZuLlitülsksbrikst k^Siksn i.Ls., IVIssljnslfaks 12 «in»ii»n»»eua« »10 ^ISkLffSS — ^ISdSOl^Sl- Die Schlacht um -ie Mungsvorlage NerWMette AMMen slir die Annidme StlmmungadUck «uavrar AarUavr Sekrlttloitung Berlin, 7. Juli. Am Montagnachmittag hat im Reichstag die Schlacht um die Deckungsvorlagen des Kabinetts Brüning begonnen. Die Feldherren waren selbst erschienen, um sie ein- zulciten,- der Neichsfinanzmtnister am Rednerpult, der Reichskanzler in Begleitung der Herren von Gusrard und Stcgcrwalb auf der Ministerbank. Auch Ländervertreter sah man, so den sächsischen und den preußischen Gesandten. Das Haus selbst war nicht stark besetzt und füllte sich erst im Laufe -er Zeit. Dr. Dietrich sprach wie immer sehr hastig, nervös, und auf der Tribüne schon infolge seines badischen Dialektes kaum verständlich. Was er sagte, war nicht neu. Es sind ungezählte Reden der deutschen Ocffcntlichkeit bereits vor- gctragen worden, die Zeitungen haben sich fast Tag für Tag damit beschäftigt, die Parteien das Für und Wider erörtert, der Inhalt der DeckungSvorlagcn ist zu bekannt, als eS sich lohnt, sie nochmals zu wiederholen. Deshalb war an der Tietrichschcn Rede, die Uber eine Stunde in Anspruch nahm, eigentlich nur der Rahmen interessant, in den die Finanzdebatte gestellt wurde. Wir wissen, woher unser Fehlbetrag kommt. Das ist eine einfache Weisheit, die federn bewußt wird, der mehr auSgibt als einnimmt und der nunmehr den krampfhaften Versuch macht, die Aufwärtskurve der Ausgaben durch dauernde Einnahmeerhöhungen zu er reichen. Die Ursache des Fehlbetrages liegt also nicht nur, wie der Neichsfinanzminister meinte, in der Katastrophe aus dem Arbeitsmarkt und in dem Absinkcn der, Steucrerträge, sondern in der Allgemeintendenz, die Aus gaben ins Unendliche anwachsen zu lassen. Da bei spielt naturgemäß der Niescnbetrag, den wir in die Tasche unserer Kriegsgegner abzusühren haben, keine geringe Rolle, und vielleicht hätte der Neichsfinanzminister gut getan, gerade diesen Punkt deutlicher hervorzuhebcn. als es geschah. ES würde sich verlohnen, meinte Dietrich, zu untersuchen, wie weit in der Reparationszahlung ein Störungsmoment erster Orinung für die Weltwirtschaft enthalten ist. Aber er unterließ diese Untersuchung, die eigentlich an die Spitze sedcr Finanzdebattc gestellt werden sollte, und die angesichts der schiefen Beurteilung, deren sich die Finanz- und Wirt schaftslage Deutschlands zu ihrem Unglück in der ganzen Welt erfreuen darf, nicht oft genug wiederholt werden könnte. Ein zweites Moment aus der Rede des Neichsfinanz- ministers muß hervorgehoben werben. Es ist dies das Ein geständnis, das nun auch von Regierungsseite kommt, daß diese ganzen Deckungsvorlagen nur ei« Notbehelf sind, also nichts Endgültiges üarftellen. Gewiß kann man in elf Tagen vom Retchsftnanzminister nicht Gesetzent würfe durchgreifender Art erwarten, aber es ist sestzustellen, daß die endgültige Finanzresorm abermals im Begriffe ist, verschoben zu werden. Ob sie dann im Herbst wirklich kommt — wer weiß das? Unser Parlament arbeitet nicht, es sei denn unter Druck. Der außenpolitische Druck ist im Augen blick schwächer geworden, da der Noungplan angenommen ist. Der finanzpolitische Druck soll durch diesen Notbehelf zu nächst gemildert werden, und man märe sicherlich noch nicht einmal so wett, ständen wir nicht bereits an der Grenze deS zweiten Drittels des Haushaltjahrcs, und ginge es schlechter dings nicht mehr weiter, die Netchssinanzen ohne verabschiede ten Etat zu laßen. Die Rechnung -eS Reichsfinanzmtnisters wird aber, wie er selbst zugab, nur dann aufgehcn, wenn gleichzeitig das Arbcttsbcschaffungsprogramm durchgeführt wird. Mit ihm will man versuchen, das Danaidenfaß der Arbeits losenversicherung wenigstens provisorisch abzudtchten. So ist mit den Deckungsvorlagen ein Junktim geschaffen. das. wie Dietrich deutlich genug aussprach, noch weitere Ver knüpfungen enthält. Wird die Dcckungsvorlage nicht an genommen, bann entfällt die Reform der Arbeitslosen versicherung. Daneben ist ebenso bedeutsam die Reform der Krankenversicherung. Denn entfällt die Soztal- reform, bann entfällt auch die Grundlage deS Ostprogramms. Gepumpt soll grundsätzlich nicht mehr «erden. Die Notbehelssdeckungsvorlage ist also ein Knäuel der verschiedensten Reformvorschläge und ge setzgeberischen Maßnahmen, das nicht gerade kunstvoll in- cinandergesügt ist, aber immerhin einen gewissen Zusammen halt hat, eben den Zusammenhalt eines Knäuels, der aus einem Faden besteht, kreuz und quer gewickelt, durcheinander gezogen und so ineinander verwirrt ist, baß eS kaum denkbar ist, irgendein Stück herauszunehmen und an anderer Stelle etuzusügcn, ober ganze Teile zu entfernen und durch neue zu ersetzen. Deshalb auch der gewisse Optimismus, mit dem baß Rctchskabinett heute in die Ftnanzdebatte htnein- geht. Wäre bas Rcgierungsprogramm «in Mosaik, dann ließen sich die Steinchen mühelos auSwcchseln. Da eS aber ein Knäuel ist, wird es so ober so al» Ganze» hin- genommen werden müssen, vorausgesetzt» baß sich eine Mehr- heit findet, die dazu bereit ist. Es wird jetzt ein vieltägiges parlamentarisches Spiel um diese Deckungsvorlage einsehen. Jede Partei, die hinter der Negierung steht, wird nach ihrer Manier versuchen, sich vor ihrer Wählerschaft ein Alibi zu verschaffen. Das bunte Knäucle wird dadurch voraussichtlich »och mehr zerrupft werden, aber Brüning ist entschlossen, die Sache durchzuhaltcn, und mit der Macht des Reichspräsidenten im Rücken sitzt er und kein anderer am längeren Hebel. Daß es aber mit der Durchbringung der Deckungsvorlage auf dem üblichen parlamentarischen Weg gehen könnte, zu der Annahme ist nach den beiden Opposittouserklärungen, die der Neichssinanzministerrcde folgten, kaum viel Hoffnung mehr. Daß die Sozialdemokraten nicht willens sind, dem Kabinett irgendeine Htlssstcllung zu leisten, es sei denn zu einem Preise, bei dessen Zahlung der Reichskanzler die ihn stützenden NechtSgruppen verlieren müßte, war von vornherein klar. Er mußte deshalb wohl zunächst leinen Blick nach rechts wenden und hoffen, die deutschnattonale Reichstagsfraktion abermals auSetnanderzusprengen. Daher auch das lebhafte Interesse, das den Deutschnationalen gewiß nicht nahe stehende Kreise in -er letzten Zeit den Fraktionssitzungcn dieser Partei entgcgenbrachten. Daher auch die Kampagne, die in der Presse einsctzte und deren Grunbtenor „nunmehr Auö- cinandcrfall der bcutschnationalcn Fraktion" war. Die Erklärung, die der deutschnationale Fraktionsführer Dr. Obersohren heute im Reichstag abgab, klärt die Situation in dieser Richtung. Die deutschnationale Fraktion ist nicht willens, die Mit verantwortung für diese Deckungsvorlage zu übernehme», denn sie glaubt nicht, daß die verschobene endgültige Sanierung beim Kabinett Brüning in guten Händen liegt. Dr. Oberfohrcn forderte eine grundsätzliche Umkehr, die in Len bisherigen Regierungsmaßnahmen nicht erkenn bar ist. So sieht sich zum mindesten nach dieser ersten ReichstaaS- sitzung daS Kabinett Brüning eingeklemmt zwischen sozial demokratischer und dentschnationaler Opposition und eS wird ihm, falls es nicht überhaupt auf das Parlament verzichten sollte, nichts anderes übrig bleiben, als entweder den Wün schen der Rechten, also den deutschnationalen Anregungen zu entsprechen, oder sich der Sozialdemokratie in die Arme zu werfen. Welchen Weg Brüning wählen wird, steht noch nicht fest. Am Montagabend fand keine Besprechung der Regierung mit den Parteien mehr statt. Die Wetterführung der am ver gangenen Freitag begonnenen interfraktionellen Verhand lungen wird, nachdem nunmehr die erste Lesung der Deckungs- vorlagcn beendet worden ist, am Dienstag erfolgen. Heute fand lediglich eine Besprechung der Parteiführer über die Erledigung des Gesetzes zur Bildung des Reichs- wirtschastsratcs statt. tBerhandlungSbertcht siehe 2. Seite.) Die Lavualeute in Kelsingfors Helsingsors, 7. Juli. Der Zug der 10 MO Lapua- Demonstranten ist programmäßtg in Helsingsors eingetrossen, In mustergültiger Ordnung versammelten sich die un bewaffnet in Zivil erschienenen Teilnehmer auf dem Sport platz. Die Behörden haben den Demonstranten Schulen zum Uebernachten cingeräumt und ihnen Militärkapellen für die Demonstration gestellt. Am Vormittag sprach -er Lappofiihrer Großbauer Herttua beim Ministerpräsidenten Svinhufvud vor und gab die Erklärung ab, -aß sich die Lappoleute mit der letzten Kundgebung der Regierung über die Bekämpfung des Kommunismus zufrieden gäben und die Erfolge der Negtc- rungöarbeit ruhig abwarten wollten. Diese Erklärung ist als FricdenSerklärung der Lappoleute der Negierung gegenüber zu werten, nachdem die Lappoleute ihre Forderungen auf Unterdrückung -es Kommunismus Lurch gesetzt haben. Auf dem Sportplatz hielten der Pfarrer der Lapua- gemetnde, Kares, und der schwedische Pfarrer Dantel- ton aus Finnisch und Schwedisch Ansprachen, die tief religiös, antikommuntsttsch nnd in ruhigem Ton gehalten, mit Riesen- jubel ausgenommen wurden. Nach der Feter aus dem Sport- platz marschierte der Zug zu dem Heldenfrtedhos, wo an den finnischen, estnischen und deutschen Heldengräbern Tannenkränze mit schwarz-blauen Schleifen ntedergelegt wurden. Die Teilnehmer des Zuges marschierten mit ent blößten Häuptern an den Gräbern vorbei. Preußen gegen die Amnestie. Wie der „Tag" meldet, hat Ministerpräsident Braun für den Freistaat Preußen beim ReichSrat Einspruch gegen die vom Reichstag mit Zweidrittel mehrheit befchlosfene BesricdungSamnestte fFemeamneftiej er hebe« laste«. Städte in Rot Dresdens Defizit vorläufig ungedeckt Wenn wir hören, daß von 65 Milliarden Volkseinkomme« rund 23 Milliarden weggcsteucrt werden und in die öffent lichen Kasten fließen, wenn wir anderseits wissen, daß da» Reich davon nur 11 Milliarden für seine Zwecke verwendet» so ergibt sich die Wichtigkeit der Länder- und besonders der G e m e i n d cf t n a n z e n innerhalb des Gesamtrahmens unserer Finanzpolitik. Ohne Berücksichtigung der Ein nahmen- und Ausgabenpolitik der Gemeinden wird «ine Reform unseres öffentlichen Kastenwesens zur Unmöglichkeit. Die Ftnanznot der Gemeinden ist bekannt und zu einer Dauererscheinung unseres öffentlichen Lebens geworben. Staatsaufsicht und Zwangsetats in allen Teilen des Reiche» sind etwas Alltägliches geworden. Ucberall da, wo die Stadt väter Ausgaben und Einnahmen nicht mehr aus eigener Kraft in Ucbcreinklang bringen können, schreitet der Staat ein und bringt unter Umgehung der Selbstverwaltung diktatorisch Ordnung in das Stadtsäckel. Das bekannteste Bei spiel Lasür aus der jüngsten Zeit ist die Retchshauptstadt selbst: Dank seiner roten Mehrheit fühlte sich Berlin baz« befugt, als Schrittmacherin der kalten Sozialisierung ,« wirken. Allein 60 Güter wurden erworben und zahlreiche > städtische Betriebe gegründet, die bis auf verschwindende AuS- ' nahmen mit Defizit arbeiteten. Die Folge war schließlich ei« Vruttoetat von 1150416600 Mark, der nur durch rigorose Steuercrhöhungen und durch erhebliche Berteuerungder Tarife für Verkehrsmittel, Gas, Elektrizität und Master ins Gleichgewicht gebracht werden konnte. Es ist interessant^ den Ursachen dieses beschämenden Zustandes nachzugehen, weil sie typisch für eine planlose und verschwenderische Kommunal politik sind. So hat man den Ausbau der Untergrundbah» auf Strecken vorgenommcn, auf denen die Straßenbahn ebenso gut, ohne Behinderung des übrigen Verkehrs, ihre Dienste hätte tun können. Dabei kostete ein Kilometer Unter grundbahn 12 Millionen Mark, während der Kilometer Straßenbahn sich nur auf 600 000 Mark beläuft. Jetzt solle» die Benutzer der Berliner Straßenbahn und der Omnibusse durch erhöhte Tarife die Kosten eines übereilten Unter nehmens tragen. Die Stadtväter haben sich der Verant wortung für den ihnen vorgelegten Etat einmütig durch Ab lehnung entzogen. Daraufhin hat der Oberpräsibent, als staat liche Aufsichtsbehörde, Berlin finanziell entmündigt, indem er den Zwangsetat verkündete. So wird die Retchshauptstadt zu einem Menetekel für viele deutsche Städte und damit für die 40 Millionen Menschen, die heute in Deutschland in Städten wohnen. ES wird an Ser Zeit, daß sich Sie Oeffentlichkett mehr als bisher mit dem Problem der Gemeindeftnanze« befaßt. Die Finanznot der meisten Städte hat ihre Ursache darin» daß das frühere System aufgcgcben worden ist, wonach die Bürger erst die Steuern, die die Stadt benötigte, bewillige« mußte. Seit der Erzbergerschen Finanzresorm ist der Zu sammenhang zwischen Ausgaben und Deckung gebrochen wor ben. Die städtischen Ausgaben werben jetzt in der Hauptfach« durch Zuschläge zu den staatlichen Gewerbesteuern, durch Ueberweisungen des Staates und durch die Einnahmen der städtischen Betriebe gedeckt. Das letztere hat vielfach überall da, wo in den Rathäusern rote Mehrheiten saßen, zu dem meist negativ verlaufenen Versuch geführt, durch mög lichst viele Gemeindebetricbe eine Erhöhung der Einnahmen zu erzielen. Im übrigen haben die Städte vielfach lustig in den Tag hineingewtrtschaftet, immer in der Hoffnung, den Staat durch einen gesteigerten Bedarf auch zu erhöhten Zuschüssen zu veranlaßen. Man hoffte, wt« der Dresdner Bürgermeister Bührer in seiner letzten EtatSrcde erklärte, immer auf eine Neugestaltung des Finanz ausgleiches zugunsten der Städte. Auf diese bescheidene Hoff, nung hin haben sehr viele Gemeinden Ausgaben gemacht, die man einfach mit Anleihen, ja selbst mit sehr teuren kurz fristigen Geldaufnahmcn finanzierte. Heute sind diese Geld quellen verstopft» weil sich die Hoffnungen auf höhere StaatS- zuschttffe als trügerisch erwiesen haben. Ganz im Gegenteil, das Rctchskabinett hat sich in der letzten Zeit wiederholt mit einer Kürzung der Ueberweisungen an Länder und Ge meinden befaßt. So wurde in nahezu allen Städten die schleichende Krise plötzlich zur akuten Finanznot, zumal die steigend« Zahl der Wohlfahrtserwerbslosen eine neue schwere Belastung der Gcmeinbefinanzen mit sich brachte. WaS bleibt in dieser Lage zu tun? Nichts anderes als rückst chtS« lose Sparsamkeit. Aber nichts ist, scheint in -er öffent lichen Finanzvcrwaltung, sei eS im Reiche oder in den Ge meinden, schwerer als da». In Dresden hat «um «» versucht,