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Wöchentlich erschein«« drei Nummern. Pränumeration»-Preis 22) Silbergr. (j Tblr.) viertelsährlich, 3 Thlr. sür do« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von ieder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25), so wie von allen Königl. Post-Acmtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 133. Berlin, Freitag den 10. November 1843. England. Orforder Briefe an vr. S ... l. Von F. Lebrecht. II. Oppenheimersche Bibliothek. Laut Verabredung hätte ich nicht so lange schweigen sollen, allein ich habe mehrere Gründe für mein Stillschweigen, deren jeder einzelne mich so vollständig rechtfertigt, daß die Aufzählung der anderen überflüsstg wird. Einer Entschuldigung mit Mangel an Zeit bediene ich mich niemals, wenn ich nicht an die Freunde schreibe, da solche Entschuldigungen nur eine Selbst, anklage, ein eigenhändig gegebenes Zeugniß der Nachlässigkeit und Trägheit sind. Die zweckmäßige Verthcilung der Zeit ist zwar ein Geheimniß, in dessen Besitz nicht ein Jeder ist; doch zu einem freundschaftlichen, unbefan genen Triefe, wo die reine Wahrheit und das Vertrauen, ohne Nachvenken über nothwenbige Zusammenstellung und Rückhalte, natürlich aus der Feder fließen, hat der gute Wille immer ein Stündchen übrig. Bei mir ist aber ein besonderer Fall eingetrcten, der mich am Schreiben hinderte. B. nämlich schrieb mir, daß Sie den Janvier aus der Bellerm. Auktion Anderen überlassen haben, statt ihn für die König!. Bibliothek zu bezeichnen; und dies schmerzte mich so sehr, daß ich beschloß, mit meinem Briefe so lange zu warten, bis ich über einen erklecklichen Zorn gegen Sie verfügen könnte, um Ihnen recht nachdrücklich meine Vorwürfe angedeihcn zu lassen. Indessen, ich sehe, ich könnte lange auf eine solche Stimmung warten, und ich muß Sie schon ohne Zorn in» Gebet nehmen und Ihnen zurufen: Auch Du, mein bibliographischer Brutus! Sie, der Sie die Bibliothek nicht nur im Kopfe, sondern auch am Herzen haben, sollten u. s. w. u. s. w.! Der ^8Mtsnr - l,ibrarisn der Bodleiana °), der die rabbinische Literatur unter sich hat, lernte Sie auf seinem „proxress tbruuxb (lermsn/' kennen und schätzen, aber er sagte doch, als ich Sie bei ihm verklagte, den Janvier auf einer so großen Bibliothek nicht zu haben und ihn im verkom menden Falle nicht zu berücksichtigen, sey ein crimen Ise5re Itibliogrspsiise, das man nur Ihnen, in Betracht mildernder Umstände, verzeihen dürfe. Wie Sie sich erinnern werden, blieb ich im vorigen Briefe mitten in den Betrachtungen über die Oppenheimersche Bibliothek stecken, so wie ich seit meinem Hiersepn auch stets in dieser Sammlung selbst stecke, wo jede meiner Hände mit 5» Fingern bald nach diesem, bald nach jenem Werke greift. Hier auf fremdem Boden, wo man die Kostbarkeiten nur » I» büre durchlaufen kann, brennt der Schmer; noch heißer, daß eine so unvergleichliche, auf deutschem Boden gesammelte Bibliothek dahin ist. Ach! sie wäre nicht aus dem Vaterlande geschleppt worden, hätte sie nicht Werke zu ihrem Inhalt gehabt, die man ungestrafter gcringschätzen zu dürfen glaubte, weil sie von Juden herrühren. Einst war ein Fuchs (der Fabeldichter Aesop hat ihn noch persönlich gekannt), der schwor von Trauben, die er nicht erreichen konnte, hoch und theuer, sie sepen sauer. Oppenheimer's Weinberg war voll der edelsten Trauben, aber je tiefer die rabbinische Gelehrsamkeit seit Burtorf, Hottinger und Danz gesunken war""), desto höher hingen für sie Trauben solcher Literatur; cs war demnach ein Schritt der Nothwchr, eine Gering schätzung für dieselbe zu heucheln; und da die Unkunde allgemeiner war, als die Scham darüber, so konnte sich diese Geringschätzung auch bis auf die neueste Zeit in Deutschland erhalten. Ich werde später zeigen, wie man in England ganz anders den Werth der rabbinischcn Schriften im Allgemeinen und ihr Vcrhältniß zur Kirche im Besonderen aufzufassen wußte; für jetzt muß ich die Erzählung von der Oppenheimerschcn Bücherwandcrnng wieder aufnehmcn. °°") Doch werde ich Sie nicht durch Wcitläuftigkeiten ermüden, Die Bibliothek hat sinn Beamten: i lnbrsriau, 2 klmler-lMu-arlaus nnb 2 L-«l- »tant-Iübrari-»,. Nothwendig und zufällig haben diese Herren viel weniger zu thun, als die Kustoden aus den meisten deutsche» Bibliotheken; noidwendig, weil keine Bücher au«- geliehen werden, und zufällig, weil in der Bibliothek selbst, wie ich im ersten Briefe ge sagt, wenig gelesen wird. Sie haben weniger zu thun als die Berliner Kustoden, dennoch haben sic mehr Gehalt. Und glaubt man etwa, daß hier der LebenSbcdarf viel theurer ist? Nein: Seit der Kanalverbindung und der Eisenbahn, die in kurzer Entfernung von Opsord läuft, sind alle Beschreibungen von hiesiger Theurung und besonders von der viel verschrieenen Iheuren Feuerung amiquirt. Ja, die Heizung ist hier jetzt billiger als in Berlin, ") Im leien Jahrhundert war da« Studium der Rabbinen unter den Christen so verbreitet, daß man aus ihnen so Stellen zu Motto'« und Anspielungen wählte, wie man cS lest mit Stellen au« alten und neuen Klassikern thut. -") Die Autorschaft dieser Erzählung gehört zum Theil dem ehemaligen a»,>,t»ut Ulwa- rian der Bodlciana, Mr. H....I. Er hat eine kurze Geschichte der Oppenh. Bibl. ent worfen, al« man beabsichtigte, sie zu kaufen. denn ich weiß sehr wohl, daß man Ihnen in der Bibliographie so leicht nichts Neues sagen kann, und zu Altem habe ich keine verfügbare Zeit, selbst wenn Sie eS freundlich anhörcn wollten. Ich bin auf Kosten der Regierung hier und halte jeden Augenblick für mißbraucht, den ich auf andere Beschäf tigung als die mit meinen Codices verwende. David Oppenheimer, der Obcrrabbiner in Prag war, durfte, man staune! seine auserlesene Bibliothek nicht in seinem Wohnorte aufstellen. Die Censur zu Prag war so ängstlich, daß sie die Anwesenheit der tobten Hand schriften fürchtete, und der gelehrte Rabbine mußte seine Bücher im Auslande, in Hannover, aufstcllcn. °) Obgleich er so des Genusses der Schätze nicht froh werben konnte, bereicherte er doch die ferne Sammlung fortwährend, unv besonders mit Ankäufen aus Italien und der Türkei. °°) Wolf, der mehrere Male von Hamburg nach Hannover reiste, um im Interesse seiner Mbliorkec« Hebräer die Sammlung zu durchforschen, erklärt, daß er bei jedem neuen Besuche auch neue Reichthümer sand. Wie sehr dem Oberrabiner die Ver vollständigung seiner Bibliothek ernst war, mag man aus dem Umstand er- messen, daß er im Jahre I7ll einen Katalog drucken ließ, der sich von anderen Katalogen auffallend unterscheidet. Es war nämlich ein Vcrzeichniß von Büchern und Ausgaben, die O. nicht besaß, und das wahrscheinlich allen Buchhändlern und Freunden übergeben wurde, um die verzeichneten Werke auszusuchen. Dieses Vcrzeichniß giebt auch Wolf im Anhänge zum Isten Bande der Nibl. Uebr., und es ist wahrscheinlich dasselbe, welches der unglückliche Fortsetzer Wolf's, Köcher, in seiner UM. Hebr. für einen Katalog der Oppenheimerschen Bibliothek hält. Nach dem Tode Oppenheimer's, 1737, beginnt ein fast volles Jahrhundert der Wanderung, Einkerkerung, der Prozesse, Verpfändung rc. und endlicher Ver schleuderung nach dem Auslande für diese Bibliothek. Mehrere Jahre blieb sic in Hannover, wo, wie mir Nr. Zunz vor meiner Abreise mündlich mit- theilte, 1764 ein Katalog über einen Theil derselben im Drucke erschien. °°°) Ihr weiteres Schicksal blieb unbekannt, bis 1782 ein vollständiger Katalog in 4. in hebräischer Sprache erschien. Hieraus erfuhren wir, daß sie in diesem Jahre sich zu Hamburg im Besitze des Herrn Jzick Kohn oder, wie cr sich vollständiger nannte, Isaak Seligman Berend Salomon war, der sic zum Verkauf ausbot. f) Mehr erfuhr man durch I. D. Michaelis bei Gelegenheit seiner Anzeige dieses Katalogs in seiner orientalischen Bibliothek, ff) Nachdem M. sie als die einzige Bibliothek ihrer Art erklärt, theilt cr in seiner breiten Weise unter Anderem Folgendes mit: „Diese Bibliothek kam nun mit Hirschel Isaak Oppenheimer, ich weiß nicht in welchem Jahr, nach Hildesheim: von dessen Witwe ich im Jahre 1775 den sehr schön geschriebenen Katalogus auf wenige Tage durch einen Erpressen geschickt bekam, um wegen des Verkaufs ein im Gerichte vorzuzeigcndcS Be- denken zu geben, weil auf einen sehr geschwinden Verkauf derselben, und zwar durch den Weg einer noch dazu übereilten Auction, gedrungen ward. Die äußerste Schädlichkeit und Unbilligkeit hiervon zeigte ich und setzte noch unter Anderem (welches wieder statt Rezension diene» kann) hinzu: ich weiß nicht, vor welchem Gericht diese Sache anhängig ist, allein ich darf mir doch die Freiheit nehmen, auch an das mir unbekannte Gericht eine sehr anständige Bitte der orientalischen Gelehrsamkeit selbst zu bringen. Der Verlust für diese würde unersetzlich seyn, wen» die unvergleichliche Bibliothek, die so viel noch nicht gebrauchte Schätze enthält, auf eine übereilte Art zerstreut würde. Das kostbarste Werk, das noch nicht gebrauchte Manuskript, könnte dadurch in ') Voigt, Abbildungen böhmischer und mährischer Gelehrten, vorletzte Seite. In die se« Werk sind bloß zwei Juden ausgenommen, die al« ihr besondere» Judeuguartier die letzten Blätter bewohnen. Sonderbar, daß diese zwei gerade heftige Gegner waren, denn neben Oppenheimer steht der große Jonathan Eubeschütz. Letztere waren e«, welche der österreichischen Regierung wahrscheinlich den Vorwand, ja auch RechtSgrund gaben, die Aufstellung der Bibliothek in Prag zu verhindern, da die in der Türkei gedrusten Bücher viele antichristliche Stellen enthielten. Vielleicht waren auch nur Bücher dieser Art au« Prag entferut worden. ---) Wolf in seinen Briefen an I.» llrorv fPhcuri v^l-tvl. I.a «rorlaul A'om ll., <7, 117, >48). Damal«, 1742, war der Sohn Oppenheimer« Besitzer, und er schätzte den Werth der Bibl. auf 40,VM Thlr. Wolf drückt dort auf« neue seine Bewunderung über den Reichthum derselben au«. ch) Hamburg, gedruckt von Johann Michel Brauer. Er ist in zwei Abtheilungen, wovon die erstere, 24 Blatt stark, die Handschriften, die zweitc, üll Bl. stark, die Druck werke enthält. Er ist alphabetisch nach den Namen der Werke geordnet und hat manchen Vorzug vor dem gelehrt senn sollenden Katalog von 1826. 8. Viele Ercmplare diese« Kata- log«, wie z. B. da« der König!. Bibl., haben kein Titelblatt, andere dagegen haben zwei Titelblätter, wovon da« eine den sehr langen hebräischen, da« andere den noch längeren deutschen Titel trägt. chch) XXl., dir. S. Ist st.