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tkr. 18S — I«V. Aatzrg««, Dsnuer-tafl de« L4. Dezember RVIH §WstH!ikDÄIiSieliuk «scheint titgltch »achm. mit Ausnahme der Sonn, und Festtage. «»Saab« L mit .Die yett in Wort und Bild- dterteljShrit« !S t<» ^ An Dresden durch Boten »4« In »an, Deutschland frei HauS »8» In Oesterreich 4,4» L »»««ab» « ohne Illustrierte «etlaoe dtertetsSdrltch I,t«, M An Dresden durch Boten tl.l« In ganz Deutschland frei Hau» ».»» in Oesterreich 4.07 L — «N,et-Nr. 1« z Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit porrellan Ltolnxut Kristall Oedrsuctis- u. Tuxus- QezenstLncks Xönixl Uokliekersnt «« /^nliäuser Vre8ilön, Xöni^-ckobann-Str. Zum Schuhe der Katholiken. Dresden, den >3. Tez-mber isll. Die Zweite Kammer des Sächsischen Landtages hatte gestern einen grossen Tag. In glänzender Rüstung zog die nationalliberale Partei z»m Schutze der Katholiken ins Feld. Zwar hatten diese sie nicht darum gebeten, denn die deutschen Katholiken fühlen sich nicht in Gewissensnot. Aber es wurde von nationalliberaler Seite in so ernstem Tone versichert, die Interpellation solle nur die Interessen und Rechte der Katholiken schützen, daß der einzige katholische Abgeordnete der Zweiten Kammer, Herr Kockel, mit einem gewissen Sarkasmus dafür dankte, aber angesichts dieses Wohlwollens gleich zur Unterbreitung eines heißen, schon lange gehegten Wunsches der sächsischen Katholiken schr steil konnte, nämlich nach Abschaffung der Steuerleistung aec Katholiken für die evangelischen Kirchen- und Schulkasten. Es wird sich ja noch in dieser Session Gelegenheit bieten, zu erproben, ob die sächsischen Protestanten die katholischen Mitbürger wirklich so ins Herz geschlossen haben. Dann werden sie nicht zögern, der Regierungsvorlage zuzustim men, womit ein für allemal mit der Gewissensnot aufge räumt wird, daß die Katholiken für die Kirchen und Schulen der evangelisch-lutherischen Mehrheit Stenern zahlen sollen. Wir sagen Gewissensnot — denn das ist es in der Tat, weil das Gesetz zu dieser widerspruchsvollen Tat, eine andere Konfession mit Geld zu unterstützen, »nährend die eigene notleidend ist, mit Gewalt zwingt. Die Dekrete des Papstes aber stellen es dem Katholiken frei, nach seinen Vorschriften zu handeln, wenn sie treue Mitglieder ihrer Konfession sein wollen, oder sich durch Nichtbeachtung als sogenannte Auch-Katholiken zu fühlen. Wir werden ja sehen, ob die nationalliberalcn Abgeordneten mit derselben liberalen Schneidigkeit die Rechte der katholischen Mitbür ger gegen jene rückständigen Protestanten zu verteidigen gewillt sind, welche die mit den gegenwärtigen Staatsgrund gesehen in Widerspruch stehenden, aus früheren Verhält nissen entsprungenen Privilegien aufrecht erhalten wollen ' In der Begründung der Interpellation und auch durch andere Redner wurde versichert, daß diese sich nicht gegen die katholischen Mitbürger richte, welche die Angehörigen der evangelischen Konfession, wie der konservative Abgeord nete Opitz hervorhob, schätzen und ehren, „weil sie sich mit uns auf dem Boden des christlichen Bekenntnisses zusam menfinden". In altgewohnter Weise hatte diese Feststellung von konservativer Seite sofort die Nationalliberalen erregt. Sie bgleiteten die Worte init Gelächter. Es lag überhaupt eine schwüle Stimmung über der ganzen Debatte. Die Li beralen waren sehr kampflustig gegen die Konservativen Es kam in der weiteren Debatte zu einer regelrechten Au-K einandersetzung, zu der der Nationalliberale Dr. Zöphel den Anlaß durch die Behauptung bot, die Konservativen hätten „im Reichsparlamente das Zentrum in den Sattel gesetzt". Die konservativen Redner verteidigten sich mit viel Geschick und Schneidigkeit gegen die Phrase vom schwarz-blauen Blocke gingen dann zum Angriff über und zeigten, wie die Liberalen den Block zersprengt hätten, und die Konservativen mit dem Zentrum gehen mußteil im Interesse des Reiches. Der konservative Abgeordnete Dr. Mangler operierte sehr geschickt und erteilte den Na- tionalliberalen gut sitzende Hiebe. Dann erteilte der kon- servative Abgeordnete Dr. Hähnel den Nationalliberalen eine ernste Rüge, weil sie in dieser ernsten Zeit die Partei leidenschaft in so unwahrer Weise erregen, statt die Hand zum Frieden anzunehmen, welche die Konservativen ihnen geboten, um ein Zusammengehen mit den Nationallibe ralen zu ermöglichen. Die Wahl des nationallibernlen Präsidenten mit Umgehung der Konservativen trägt bittere Früchte und dürfte noch manchen Zusammenstoß in der Kammer herbeiführen. Daß es aber zu einem solchen Wort gefechte in der Interpellation kam, welche doch alle pro testantischen Parteien gegen „Noms Machtgelüste" aufbietea sollte, läßt die trennende Kluft zwischen Konservativen und Liberalen deutlich erkennen. Das eine Wort von dem Baden des christlichen Bekenntnisses, auf dem sich Evangelische und Katholiken zusammenfinden. wirkte bereits wie ein rotes Luch. Erquickend war es mich, als ein Nationalliberaler in Ermangelung von anderen Tatsachen, um zu beweisen, daß Zentrum und Konservative paktieren, anführte, das Zentrum in Sachsen habe beschlossen, in 21 Wahlkreisen gleich ini ersten Wahlgange für die konservativen Kandi daten einzutreten. Ter Herr - es war der Abg. Nitzschke — hat sich sehr schlecht unterrichtet über die konservativen Kandidaturen. Es sind von diesen nur 12 Kandidaten aut- gestellt. Dazu kommen noch sechs sonstige rechtsstehende Kandidaturen. DaS Zentrum hat bis zur Stunde in Zittau. Dresden-Neustadt und -Land und Meißen für die Haupt Wahl einen eigenen Kandidaten ausgestellt. Nur in Bautzen. Döbeln, Freiberg, Oschatz dürfte gleich im ersten Wahlgange für die konservativen Kandidaten eingetreten werden. Also das fadenscheinige Argument des Herrn Nitzschke, die Stel lungnahme des Zentrums in Sachsen als Zeichen des Bünd nisses mit den Konservativen im Reiche zu benützen, ist gründlich mißglückt. Doch kehren wir zu der Beantwortung der Interpella tion uirück. Sie zerfällt in zwei Teile. Im ersten Teile wird gesagt: „Was gedenkt die Königliche Staatsregierung zu tun, um das sächsische Schulwesen vor den Wirkungen des Modernisteneidcs zu sclaitzen?" I» der Begründung führte Abg. Nitzschke aus, daß sich die Interpellation gegen den Klerikalismus richte. Vor diesem wolle man die Katho liken schützen, damit sie nick t ganz in die Abhängigkeit des Ultramontanismus komme.». Diese Vorstöße von Rom hät ten die Kluft zwischen der katholischen Kirche und dem säch sischen Volke erweitert. Dieser Redner sowohl als nachher der freisinnige Abgeordnete Koch zählte nun alles auf, was ?8^ mV »"'.detttzelle °-"r deren Baum mL 4-«enamen mtt 8« a die geile berechnet, bei Wteberboiu.'i«. entiprechenden Rabatt, irgend als Vorstoß ausgespielt werden konnte. Ta wn d' nochmals an die Borromäus-Enzyklika und die angeblich darin enthaltenen Beleidigungen ider Reformatoren und der deutschen Fürsten erinnert, es wurde sogar die aucb vom uiw und dem hochiv. Bischof scharf zurückgewiesene Vernn glinipfung unseres Königs durch den päpstlichen Hauspr " Vciron de Matihies ans das Konto des päpstlichen Stuhles gesetzt und die sächsische Regierung angegriffe. . vaß sie gegen diese Schrift eines Privatmannes nicht diplo matisch eingeschritten sei, als ob Ron, sie veranlaßt hätte »-ie Redner nahmen das Dekret von der Erstkommunion der Kinder unter die Lupe, trotzdem sie vorher heilig ver sichert hatten, daß sie sich in die inneren Einrichtungen der katholischen Kirche nicht mischen wollte». Noch sprach so dann von der Wirkung der Enzyklika gegen den Modernis- mus, von dem Dekret über die Absetzbarkeit der Pfarrer, na-.- gegeben sei. um modernistische Geistliche entkernen z» können, und kam endlich zum Dekret von dem Moder- »istedeid. Fa, selbst der Artikel des Prinzen Mar über die orientalische Kirchenfrage wurde herbeigezoge», um den Protestanten von der gefährlichen Macht des Papstes einen Begriff zu geben. Es ist schade, daß die liberalen Redner noch keine Kenntnis davon hatten, daß Rom die Eroberung Deutschlands beschlossen hat, wie die „Tägl. Rundschau" (Nr. Istst) mitteilt Deshalb werde im Zentrum ganz be« svnders von Wir» ans der Zwiespalt geschürt. -Nach diesem Märchen wären ja die sächsischen Protestanten verpflichtet, ebenso zum Schutze des Zentrums auszurücken, wie sie die sächsischen Katholiken gegen „Roms Herrschsucht" verteidi gen wollen. Das katholische Schulwesen gegen die Folge» des Antimodernisteneides zu schützen, inacht den gleichen Eindruck. Dabei konstatierte der Herr Kultus- und Unter- richtsminister Tr. Beck in seiner sehr objektiven Rede, daß in ganz Sachsen nur drei Geistliche in einem öffentlick>en Lehramte neben Religionsunterricht noch Deutsch und Geschichte lehren, nämlich im katholischen Lehrerseminar in Bautzen. Von da aus, meinte Dr. Zöphel-Leipzig, werden die Lehrer angesteckt und dieses Antimodernistengift auf die Schüler übertragen. Der Sozialdemokrat Ublig beleuchtet? den Wert dieses Entrüstungsrummels im liberalen Lager. Tort nehme man es mit dem Schuh der Freiheit der Wissen schaft nicht ernst. Beweis sei, daß der Protestantismus selbst gegen den Modernismus ankämpfe und man gegen verschie dene Pastoren deshalb vorgegangen sei, so gegen Iatbo. Traub u. a. Gegen den Modernisteneid der Geistlichen einen solchen. Entrüstnngsrummel zu veranstalten, sei un- ehrlich. Die protestantischen Lehrer müßten in dem Kon- sessionseide eine Art Modernisteneid ablegcn und zwar nicht nur die Lehrer, welch? Religionsunterricht erteilen, sondern auch jene, di? die Befähigung dazu erlangt haben. Luther selbst sei ein Gegner der Glaubensfreiheit gewesen, wbald die Lehre gegen die Bibel oder seine Meinung war. Trotz der Versicherung des Ministers, daß der Unter richt in Bautzen staatlich beaufsichtigt und überwacht werde, mußte er auf das Drängen des Dr. Zöphel hin erklären daß, obgleich der Antimodernisteneid eine innere Angelegen heit der katholischen Kirche sei, so handle es sich hier um ein Grenzgebiet und er werde erwägen, ob ..der gegenwärtige TNeier-Graefe über K Ukur Im Kunstsalon Arnold sprach Julius Meier- Graefe auS Berlin über „Kultur". Meier-Graefe, der größte Rufer im Streite, speziell über Kunstdinge, der Mann, dem der Aberglaube der bildenden Künstler das Hexenkunststück zuschiebt, aus einem mißachteten Stückchen Leinwand, beklcxt mit Farben, ein wirkendes Ding zu machen, das die Zehntausender nüchtern rechnender Kom merzienräte in Bewegung setzt. Mit immer größerer Getvalt bemächtigt sich die un heimliche arbeitbescssene Millionenstadt Berlin des ganzen geistigen „Haben" Deutschlands, oder sucht ihm wenigstens in vergewaltigender Weise den Wertstempel aufzudrücken. Nicht zum Heile der deutschen Kultur, denn wir besaßen in. den zahlreichen Kunstzentren unserer Fürstenhöfe und Hauptstädte der Einzclstaaten ungleich Frankreich wirklich etwas, das Kultur zu nenne» ist. Etwas volksdurchdrin gendes, durchgoldendes. nicht ein snobistisches Effektstück in einem lauten Laden an der Völkerstraße. Diese Kultur zentren aber kämpfen in der Tat den Verzweiflungskainpf gegen Berlin. Und mit leidenschaftlicl-er Gebärde deuten Freund und Feind auf eine kleine Gruppe Männer, als Macher dieser guten bösen Sache, darunter Meier-Graefe. Und diese Persönlichkeit sprach über Kultur. Es war kein Redner, der da sprach. Jeder Landgeist liche übcrtrifft ihn an Freiheit des Vortrages. Er las seinen gemeißelten Vortrag und anfangs betonte er mit unter sogar seine eignen fein geschliffenen Satzgebilde unrichtig. Aber was er da sagte, war über alle Maßen geistvoll und glänzend, immer höher erhob sich die künstlerische Ge staltungskraft dieses merkwürdigen Mannes, immer glei ßender und klirrender der Stil und übte eine suggestive Macht auf die an sich kleine Zahl der Zuhörer. Es war eine dämonische Musik, ein irres Spiel, als ob feine, alte, goldene Sachen geigen stählerne Schienen klirren, um mit einem Wchlaute zu zerspringen, wie da« Ringlein im Liede. und dann zu versinken in das Nichts. Eine perverse Freude an der Feinheit dieses Wehklanges, eine künstlerische Be friedigung an den springenden Goldsunken. Er zerbrach alles, zeigte die Kultur als eine sterbende und endete mit einer beißenden Ironie auf unseren modernen Lebensdrang. Er begann mit dem kleinen Jungen, der sich den großen Hut in einem Weimarer Hause aufsetzte, schilderte dann die Weltstadt, die Massen. Masscnwirkungen und das Ge schäft. das Geschäft, die gewaltige neue Zeit. Aber man dürfe sie nicht von Potsdam, von Sanssouci aus betrachten denn sonst käme einem das Weinen an. Man müsse arbei te», arbeiten, weil es sich lohnt: aber auch, wenn es sich nicht lohnt. Dann kam eine höchst geistvolle, eigenartige Auffassung non Friedrich dem Großen als Kulturmensch, zu dem zwar Schlachten gehören, aber er nicht zu ihnen. Er ging über Goethe als ein von uns weiter gebautes Ideal zu Bismarck, der als kulturloser Arlxütsgigant sich unserem Tiefstände nähert. Er definiert Kultur als die gefundene Ordnung zum Kosmos und kommt zu der Höhe seiner blendenden Dar legungen. zur modernen Kunst und zu dem Künstler. Und wahrhaftig diese kennt Meier-Graefe und ich als Maler fühle mich durchaus berufen, hier einmal die Feder zu führen! Einschmeichelnde Töne waren es nicht. Die §cunst ih ihm jenseits des Endlichen, das Wollen des Unerreickcharen. Der moderne Künstler ist in den ihm entschwindenden LebcnSbedingnngen die tragiscl)e Person, nur noch ein faxenmachender Narr. Wie lächerlich einfach die Witze, wo durch man Bilder macht! Die Architekten wissen und kon nen alles, nur keine Architektur: es gibt keinen Bildhauer, der eine Statue schaffen könnte, denn ihnen allen fehlt emS. Kult u r. Er bestreitet die Notwendigkeit des Talentes. Museen und Akademien sind ihm das Gegenteil von künst lerischer Kultur. ES fehlt hier der Raum, um die kmr- schende Wahrheit und grausame Sckstirfe seiner Darlegungen denen anzudeuten, die dem Kiinstlerbernfe fernstehcn Eine geistvolle Schilderung einer Riesenstadt „Paris" folgt, die einen Kulturanstoß geben könnte, die aber auck, unteraehen muß erbarmungslos in das Nichts, aufgefressen von der gewaltigen neuen Zeit, in der man arbeiten, arbei ten muß, um reich zu werden, und dann dann kaufen wir uns Bilder und Statuen und Tempel. Das ist der Schluß. Und was ist nun zu jagen gegen io viel schneidende Wahrheit, gegen solchen Glan; der Worte und w viel stie- genden Geist? Vorerst: Meie? Graefe ist selbst das Weltstadtkind: nicht alle im großen Deutschland werden den Eindruck ver- sieben den Berlin ihm gibt. Aber das ist unwesentlich. Wesentlich ist. daß mau Meier-Graefe als Genie an- sprechen muß. Als solches in feinen Untiefen unbegreiflich, stellt er aber sichtbar ei» ben>egendes Moment i» unserer Zeit dar. Ec liebt diese Zeit, die er bewegt und klammert sich an sie bis zum Wundsei»: denn seine in der stillsten der Künste verfeinerten Nerven erkennen sehr wohl dis >rrs des Zieles. Lacht und weint nicht der schiefe Mund dieses geistreich zerrissenen Gesichtes zu gleicher Zeit? Meier-Graefe übersieht ein Moment, das zur Kultur w notwendig ist. wie diese zur Kunst, nämlich die Relig > o n. Ihm ersckreint Religion wie eine Hemmung ,eines unban- digen Lebensdnrstes. sie ist aber die Richtlinie zur Drdnung mit dem Kosmos. Sie hemmt nicht, wildern sie gibt das Als ich den ungeheuren Pessimismus dieses gemreicheu Menschen beklatscht hatte, führte mich mein Weg an dem betrunkenen Esel Wrbas vorbei. Dieses trunkene Vieh er- schien mir plötzlich von unbesiegbarem Lebensglauben. Un- besiegbarer LebenSglaube blüht in jeder Blume und regnet aus tausend Sternen auf die Erde nieder. Ganz beionderS zähe aber blüht er -n den Herzen der Künstler die w,c Karikaturen sind, „zur Zeit", io wie 'E'. schätzter Herr Meier-Gräf^ F erd, nand Brod.