Volltext Seite (XML)
Amtsblatt für die Kgl. KmlshaupLmannschafL za Meißen, das Kgl. Umtsgericht und den Siadtrath zu Wilsdrufi. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonn emcntpreis vierteljährlich I Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Nbr angenommen. Nr. 36. Dienstag, den 7. Mai 1889. Konkursverfahren. Ueber den Nachlaß des am 30. April c. hier verstorbenen StadtgutSbesitzcrs Ernst Louis wird heute am 3. Mai ^88y, Nachmittags 5 Uhr das Konkursverfahren eröffnet. Der Rechtsanwalt Müller in Dresden wird zum Konkursverwalter ernannt. Konkuröforderungen sind bis zum 8. Juni ss88h bei dem Gerichte anzumelden. Es wird zur Beschlußfassung über die Wahl eines anderen Verwalters, sowie über die Bestellung eines Gläubigerausschusses und eintretenden Falles über die in § 120 der Konkursordnung bezeichneten Gegenstände — auf den 1. Ium 1889, Bormittags 9 Uhr — und zur Prüfung der angcmeldcten Forderungen auf den 26. Ium 1889, Bormittags 16 Uhr — vor dem unterzeichneten Gerichte Termin anberaumt. Allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sachs in Besitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, wird aufgegeben, nichts an den Gcmeinschulvner zu verabfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auferlegt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkursverwalter bis zum 8. Juni 1889 Anzeige zu machen. Königliches Amtsgericht zu Wilsdruff, dm M-i isss. Ür Gangloff. Bekannt gemacht durch: Busch, Ger.-Schr. Bekanntmachung. Unter Hinweis auf die Bekanntmachung der Königlichen Amtshauptmannschaft zu Meißen vom 8. April.ds. Js., in No. 30 dieses Blattes, machen wir die hiesigen Pferdebesitzer nochmals darauf aufmerksam, daß die diesjährige Stutennrusterung und Lshlenschau für das Luchtgebiet Kesjelsdorf, am 13. Mai ds. Js., Bormittags 9 Uhr, mit Prämiirung daselbst stattsindet. Zugleich weisen wir darauf hin, daß auf Anordnung des Königlichen Ministeriums des Innern vom Jahre 1885 an für alle nicht im Zuchtregistcr eingetragenen Stuten ein um drei Mark erhöhtes Deckgcld zu zahlen ist und ebenso für eingetragene Zuchtstuten, sobald ihre nachzuweisenden Producte im ersten oder zweiten Jahr- bei den Fohlenschaucn nicht'vorgestellt werden. Diejenigen Züchter also, deren Stuten nicht im Zuchtregistcr ausgenommen sind, die sich aber fernerhin das bisherige niedrigere Deckgeld von 6 Mark sichern wollen, müssen ihre Stuten bei der nächsten Stutenmusterung zur Eintragung in's Zuchtregister vorstellen und ibre Producte seiner Zeit im ersten oder zweiten Jahre zur Fohlenschau bringen. Wilsdruff, am 4. Mai 1889. Der Bürgermeister. Ficker. Tagesgeschichte. Auf sozialreformatorischem Gebiete hat sich in den Mauern der Reichs hauptstadt mit der vorigen Dienstag erfolgten Eröffnung der allgemeinen deutschen Ausstellung für Unfallverhütung ein Ereigniß vollzogen, welches auf's Neue von den fortschreitenden Bestrebungen zum Wohle der Arbeiter in unserem Vaterlande erhebendes Zeugniß ablegt. Wenn auch die Unfallverhütung schon vor der Epoche der Sozialreform eine bedeutungs volle Rolle spielte, so empfing jene doch gerade durch die hervorragende Stellung, welche ihr in der sozialen Politik des deutschen Reiches ange wiesen wurde, einen neuen gewaltigen Impuls und die nun in's Leben getretene Ausstellung für Unfallverhütung bringt in glücklichster Weise Alles zur Anschauung, was zum Schutze des Arbeiters gegen Berufsgefahren bereits geschehen ist. Was aber dem Unternehmen nock eine besondere Bedeutung verleiht, das ist die lebhafte Theilnahme des Kaisers für die selbe; der hohe Herr ließ es sich, als Protektor der Ausstellung, nicht nehmen, dieselbe persönlich zu eröffnen und richtete er hierbei eine äußerst eindrucks volle Ansprache zugleich an die „verständnißvolle und freudige Mitarbeit aller Kreise der Bevölkerung" und es ist anzunehmen, daß dieser Appell in erster Linie mit der parlamentarischen Vertretung der Nation galt. Denn der Reichstag nimmt am Dienstag die Weiterberathung der Alters- und Jnvaliditätsversicherungs-Vorlage wieder auf und wohl mag die kaiserliche Ansprache mit in Hinblick auf die bevorstehende parlamentarische Entschei dung über das wichtige Gesetz erfolgt sein; vielleicht, daß sich die Reicks- boten hierbei dieser so bedeutungsvollen Worte unseres Kaisers erinnern! Der Schlußakt, welcher am vergangenen Dienstag Abend die Land- tagSsession in Preußen beendigte, hat in seiner Bündigkeit und Knapp heit einen fast verblüffenden Eindruck hervorgcrufen. Allseitig sah man der königlichen Boffchaft zum Landtagsabschied mit Spannung entgegen, sollte sie doch die Erklärung für die überraschend schnell gekommene Be endigung der Session bringen und namentlich Ausschlüsse über die Wand lungen geben, welche das dem Landtage gar nicht zugegangene Steuerreform- gesetz des Finanzministers v. Scholz hinter den Kouliffen offenbar durch gemacht hat. Aber nichts von alledem; die Botschaft sprach einzig nur den Schluß der Landtagssession aus, ohne eine Silbe mehr zu enthalten und nach einer gerade fünf Minuten dauernden gemeinschaftlichen Sitzung waren die Landboten bis zur nächsten Sitzungsperiode entlassen. Der Umstand, daß die königliche Botschaft keine Aufklärung über oas Schicksal des Ein kommensteuergesetzes brachte, hat nur zu neuen Kombinationen und Ver muthungen über den beschleunigten Schluß der Landtagssession Anlaß ge geben, irgend welches Licht werden dieselben indessen in den wahren Sach verhalt wohl kaum bringen. Die holländisch - luxemburgische Regentschaftsfrage hat in ganz uner warteter Weise das Interesse des Auslandes wieder in Anspruch genommen. Ganz gegen alle Vermuthung ist König Wilhelm von Holland von seiner letzten schweren Krankheit in einer Weise genesen, daß er selbst den be stimmten Wunsch nach Wicderübernahme der Regierung aussprechen konnte und da ärztlicke Bedenken dem Willen des greisen Herrschers nicht mehr cntgegenstanden, so hat nunmehr für Holland wie für Luxemburg die Auf hebung der Regentschaft, welche in den Niederlanden bislang auch nur einen provisorischen Charakter trug, erfolgen müssen. Dem Herzog Adolf theilte König Wilhelm in einem von ihm unterzeichneten Briefe seinen Entschluß am 3. Mai die Regierung selbst wieder zu übernehmen, mit, unter herz lichen Ausdrücken des Dankes für die bereitwillige Uebernahme der Regier ung durch den Herzog. Letzterer hat sich sofort dem Wunsche des Königs- Großherzogs gefügt und der luxemburgischen Kammer in einer am Donners tag Nachmittag stattgefundenen außerordentlichen Sitzung die Niederlegung der Regentschaft mitgetheilt, worauf Herzog Adolf noch am Abend des ge nannten Tages Luxemburg verließ. Die Sympathien der Luxemburger werden aber dem greisen Fürsten, der sich infolge einer eigcnthümlichen Schicksalsfügung genöthigt sieht, auf sein Regentschaftsamt, welches für ihn nur der Uebcrgang zur Würde eines vollkommenen unabhängigen Souveräns sein sollte, nach so kurzer Zeit wieder zu verzichten, auch ferner folgen und ein freundliches Gedächtniß ist dem Herzog Adolf im luxemburgischem Lande gewiß, wie ihn die herzliche Theilnabme und Hochachtung auch des deutschen Volkes weiter begleiten werden. Den holländischen Kammern (General- staaten) war am Dienstag Seiten des Ministeriums der Vorschlag, der Wiederübernahme der Regierung durch König Wilhelm zuzustimmen, unter breitet worden und dürfte diese Zustimmung inzwischen zweifellos auch aus gesprochen worden sein. Petersburger Berichte melden von neuen Versuchen der Nihilisten, den Zaren in Angst und Schrecken zu versetzen. Als der Kaiser vor einigen Tagen sein Arbeitszimmer im Anitschkowpalaste betrat, fand er auf dem Schreibpuite unter Akten mehrere Nummern der in der Schweiz erscheinen den nihilistischen Zeitung „Swoboda" („Die Freiheit"), eine Flugschrift revolutionär-» Inhaltes, und überdies zwei mit Todtenköpfen und sonstigen Emblemen sehr kunstvoll verzierte Briese, in denen „Alexander Alexandro- witsch" aufgefordert wird, sich für den Tod bereit zu halten. Der Zar soll über die Entdeckung entsetzt gewesen sein und eine strenge Untersuch ung angeordnet haben. Wie cs heißt, wurde der erste Leibkammerdiener des Kaisers in Haft genommen und mit ihm mehrere Palastdiener. Uebrigens soll der Chef der Geheimpolizei gleichfalls arg kompromittirt sein, und Pontilinö wird vorläufig durch Vinagradow ersetzt werden. Auch die De partementschefs, welche unter Pontilino dienen, wurden in andere Aemter versetzt. In Hoskreisen herrscht eine hochgradige Aufregung, und die Kaiserin, die don der Sache erfahren hat, verläßt ihren Gemahl selbst nicht auf Sekunden.