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FÜNFTES GEWANDHAUS-KONZERT DONNERSTAG, DEN 25. NOVEMBER 1915. Leitung: Professor Arthur Nikisch. ERSTER TEIL. Hunnenschlacht. Symphonische Dichtung (nach Kaulbach) von Franz Liszt*). Szene und Arie aus »Oberon« von Carl Maria von Weber, gesungen von Fräulein Edyth Walker, k. und k. Kammersängerin. Rezitativ. Ozean! du Ungeheuer! Schlangengleich Hältst du umschlungen rund die ganze Welt! Dem Auge bist ein Anblick von Größe du, Wenn friedlich in des Morgens Licht du schläfst; Doch wenn in Wut du dich erhebst, o Meer, Und schlingst die Knoten um dein Opfer her, Zermalmend das mächtige Schiff, als wär’s ein Rohr: Dann, Ozean, stellst du ein Schreckbild vor. Noch seh’ ich die Wellen toben, Durch die Nacht ihr Schäumen schleudern, An der Brandung, wild gehoben, Jede Lebenshoffnung scheitern. — Doch still! seh’ ich nicht Licht dort schimmern, Ruhend auf der fernen Nacht, Wie des Morgens blasses Flimmern, Wenn vom Schlaf er erwacht? Heller nun empor es glühet In dem Sturm, dess’ Nebelzug Wie zerrißne Wimpeln fliehet, Wie wilder Rosse Mähnenflug. Und nun — die Sonn’ geht auf! Die Winde lispeln leis; Das mächt’ge Meer ruht aus nach wilder Wolkenlos strahlt nun die Sonne [Schlacht. Auf die Purpurwellen nieder, Wie ein Held, nach Schlachtenwonne, Im Triumph sein Zelt sucht wieder. Ach, vielleicht erblicket nimmer Wieder dieses Augenpaar ihr Licht! Lebe wohl, du Glanz, für immer. Denn für mich erstehst du nicht! — Doch was glänzt dort schön und weiß, Hebt sich mit der Wellen Heben? ’s ist die Möwe, sie schweift im Kreis, Wo die Flut raubt’ ein Leben. Nein! — kein Vogel ist’s — es naht! Heil! es ist ein Boot, ein Schiff! Und ruhig segelt’s seinen Pfad, Ungestört durch das Riff. Arie. O Wonne ! — mein Hüon, zum Ufer herbei! Schnell! schnell! Dieser Schleier, er weht! O Gott, mach’ uns frei! Sie sehn mich! Schon Antwort! Sie rudern mit Macht! Hüon! — mein Hüon! — mein Gatte! — die Rettung, sie naht! *) »Kaulbachs weltberühmtes Bild führt zwei Schlachten vor: die eine auf dem Erdboden, die andere in der Luft, gemäß der Legende, daß die Krieger noch nach ihrem Tode als Gespenster unaufhaltsam fortkämpften. Inmitten des Bildes erscheint das Kreuz und sein geheimnisvolles Licht; daran haftet meine ,symphonische Dichtung 1 . Der sich allmählich entwickelnde Choral .Crux fidelis 1 verdeutlicht die Idee des endlich siegenden Christentums in wirksamer Liebe zu Gott und den Menschen.« Franz Liszt. (Brief an Walter Bache vom 25. Mai 1879.)