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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.06.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020602012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902060201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902060201
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-06
- Tag 1902-06-02
-
Monat
1902-06
-
Jahr
1902
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Bezug-.Prei- A> der -a«pterp»ditton oder de« da Stadt- bezirk «ch de» Vororte» errichtete» Aus- gabestell« «bg« holt: vierteljährliche 4.50, — jtmüualiger täglicher Za Kella», in« Ha«, e SlliO. Durch di» Poft bezogen für Deutschland ». Oesterreich vierteljährliche'«, für di, stbrigea Länder laut Zettangs-reisliste. Re-action und Erpe-Mon; J»-a«»tt-affe 8. Fernsprecher 158 and LW. Filialevpe»itta»er,, Alfred Hahn, vuchhaudlg, UniverMtöflr.S, L. Asche, Satharinenstr. Ich ». r-nigspl. 7.' Haujü-Filiale Vrrr-e«: Strehlenerskaß« «. Kernsprecher Amt I Ar. 171«. Haupt-Filiale Lerliu: KönlggrStzerstraß« US. Fernsprecher Amt VI Ar. 539». Morgen-Ausgabe. MipMer TagMall Anzeiger. NmtsMtt des K'ümglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Notizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklame» unter demRedactionSstrich (4 gespalten) 75 vor den Famtlienaaq- richte» («gespalten) 50 H. 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Festsetzung der Sitzordnung der Mitglieder. 6. Wahl der in die Äu-schüffe za wählenden Mitglieder. 7. Beschlußfassung Über di» Vorschriften zur Regelung des Lebrliugswesens. Leipzig, am L. Juni 1902. Die Gewerbe-Kammer. v. -i. Oeliler, Horror, Vorsitzender. Syndikus. Ein postscandal im alten Leipzig (1705). Das Jahr 1681 war für Leipzigs Postgeschichte ein über aus bedeutungsvolles insofern, als -er damalige Postver walter Gottfried Egger vom Kurfürsten ein Edict erwirkte, welches das Postwesen in Sachsen zum Ober- hohettsrecht und Lau desregal erhob. Den Landkutscher» und anderen Personen wurde gleichzeitig das Briefsammeln verboten, Alles mußte an die Post anstalten zur Bestellung überwiesen werden. Die Ein künfte wurden an die jeweiligen Unternehmer verpachtet, eine Einrichtung, die erst im Jahre 1712 verschwand, indem die Post in unmittelbare Staatsverwaltung gebracht wurde. In Leipzig selbst wurde das Oberpostamt die vor gesetzte Behörde für sämmtliche sächsische Pvstanstalten. Um die Ursachen eines im Jahre 1705 vorgefallenen Post- scandals zu verstehen, ist es nöthig, diese geschichtlichen Daten, sowie eine Stelle aus dem „zwischen Denen Kayßerl. Reich- und König!. Poln. Chur Suchst. Posten am 15. Januarii 1703. aufsgerichteten, am 1. Martii ti. a. aber von allerhöchstgedachtcr Sr. König!. Maj. in Polen allergnädigst ratificirten Pvst-Eombinations Recest" zu melden. Die Stelle lautet (nach -en Acten): „Alle von jcnsett Nürnberg aber verkommende nach Sachsten gehörigen Briefe, sollen weiter nicht als bis Nürn berg ^franqvtret werden, und das Porto von dar dem Post amt Leipzig verbleiben, gleichwie von denen aus der Marck Brandenburg, Pommern, Preußen, Schlesien re. kommen den Briefe, so ebenfalls weiter nicht als Leipzig franqvirct seyn, bas Porto von bar dem Postamt Nürnberg zufallen solle. Daferne aber beym Reichs Postamt Nürnberg aus Italien, der Schwettz und anderen Orthen beym Säch sischen Postamt Leipzig hingegen aus Preußen, Pohlen und anderen Orthen solche Briefe Vorfällen, welche nothwendtg bezahlet werben müsten, soll selbiges nvttret, diesfalls quartaliter Rechnung gepflogen, und der Ueberschuß so fort rvciprooy baar vergnüget werden. Und nachdem hterbey Chursächß. Leipziger seit« insonderheit vorgestellct worben, was gestalt einige Kausflcute zu Augsburg und Nürnberg die auS Italien, der Schwcitz und sonst bey dasigcn Aemtern einzelne lauffenbe unb anher Leipzig und in Sachsten ge hörige Briefe gegen Bezahlung des Ausländischen kort« abforbern in kraullem des Postamts zu Leipzig zusammen schlagen, nnd zum Theil durch die Posten, theils auch wohl gar durch die Bothen zu bestellen, und solcher gestalt das Leipziger Post-Amt an feinem Intorssss gar empfindlich zu 6«krau6iren sich unterfangen, ja sogar die Augspurgcr k'aotores dergleichen zusammen geschlagene Briefe weiter nach Nürnberg an die aldasicgen Leipziger I'aotores resoouvertiren, diese hicgegen in Nürnberg die daselbst zu sammen gesuchten Briefe darbey fügen und mit wenigem ?orto weiter «psckiren folten, solches aber eine so schädlich als an sich selbst verbothene Sache ist: Als hat man an feiten obiger Reichs Postämter sich dahin anheischig gemacht, daß weder zu Augspnrg noch Nürnberg denen Leipziger d ae- toren die aus Italien oder sonsten etnlauffenden Briese, ferner nicht abgefolget, sondern also Stücke weise, wie sie ankommcn, per Leipzig versendet, und allen weiteren ckolraucistionon möglichst vorgebeugct werden solle, -eßen das Leipziger Post-Amt seines Orths gegen das Nürn berger Amt gleicher gestalt versichert." Nach den Bestimmungen dieser Vereinbarung begann man denn auch beiderseits umgehend zu handeln, freilich ohne die Billigung der übrigen interessirten Parteien, ins besondere der Kaufmannschaft. Diejenige Leipzigs begann auch bald, Beschwerden gegen das ungewohnte Verfahren zu erheben. Und namentlich der Umstand, daß das Nürn berger kaiserliche Oberpostamt von Augsburg nach Leipzig bestimmte Brief - Sammelpackete geöffnet haben soll nnd in Leipzig für die den Packeten entnommenen Briefe aus Italien u. s. w. Einzelporto erhoben hatte, er regte großen Unwillen und steigerte die allgemeine Anti pathie, die das Leipziger Publicum gegen seinen der zeitigen Ober-Postmeister, IohannIacobK ä st, hegte, noch mehr. In einer sehr ausführlichen Protestativns- schrift, in der von altem Herkommen und Recht u. dergl. mehr die Rede ist, verlangt die Leipziger Kaufmannschaft die Wiederzulassung der Sammelpackete. Das Leipziger General-Erbpostamt hingegen wies die Ankläger zurück unter dem Hinweise darauf, daß die Forderung und Hand lungsweise des Nürnberger Amtes nur gerecht sei, und be gründet seine Stellungnahme u. A. mit einer Ausführung, die über das von den Kaufleuten beider Länder beliebte Verfahren, den Rechten der Post ein Schnippchen zu schlagen, ein grelles Licht wirft. Es heißt, nachdem gesagt ist, „man trage zwar billich Bedrucken, sich einigermaßen wegen dieser in allen Post-Ordnungen wohl kunckirten Sache in Schrifftwcchstlung cinzulastcn": „Das Hauptwerck an sich selbst betreffende, so ist ietzo die Frage insonderheit von denen über Augspnrg und Nürn berg aus Italien und derer Orthen kommende und hie her nach Leipzig gehenden Brieffe, da denn iedermann, was die Italienischen Brieffe anlanget, bekandt, daß selbige alle in Italien entweder franco Trento oder Mantua gemachet werden, auch nicht anders franquiret werden können, sel bige Brieffe nun wie sie hieher geläutet, sind jederzeit eintzeln und bloß, wie solche von Trento und Mantua zu Augspurg eingelauffen, von dar nach Nürnberg und von Nürnberg hieher gesendet worden, da denn das I'orw von diesem letzteren Orth biß nach Leipzig hiesigem General-Erb Post Amt zu gute gegangen. Hierwieder nun haben vor kurtzer Zeit einige derer hiesiger Herren Kauffleute deren über 4. biß 5. nicht seyn werden, maßen die andere sich der gleichen Vortheils, vermuthlich par llonototo nicht ge brauchen, unternommen, solche aus Italien und andere Orthen selbiger routo kommende und an sie von unter schiedlichen ihrer Correspondentcn kommende nnd haltende Brieffe durch gewiße bestellte laotorss zu Augspurg und Nürnberg und insonderheit an den erstern Orth durch Leopold Stenglein in denen Post-Häußern daselbst ab fordern zu laben, welcher dann hernach dergleichen Brieffe zusammen geschlagen, und an einen gewißen Freund nach Nürnberg oouvertiret, fortgesandt,welcher denn dieetwazu Nürnberg an die ihm bekandten Leute etngelauffene Brieffe wieder colli-xii-et, zu denen andern gleicher gestalt gepacket, und so fort hieher »pockirst worden, wordurch denn sowohl das Post-Amt Augspurg und Nürnberg, als in speei« und am allermeisten hiesiges General- Post-Amt dahero weil die solchergestalt in Augspurg gefertigten Packete bist Nürn berg, wohin sie an die alda bestellten kaotoreg eouvertiret, bezahlet, von diesen aber, nachdem sie die aus Schwcitz, und sonst nach Leipzig eingclauffene Brieffe darbey ge packet, anderweit biß Leipzig franquiret werden, und diesem nach dem Post-Amt nicht das geringste zu genießen übrig bleibet, aufs das empfindlichste ckekrauäiret wurden, weil bekant, daß das poi-w derer eintzeln Brieffe ein weit mehrers, als wenn selbige zusammengeschlagcn werden, Iinportiron müßen .... Als nun dieses Versprechen lobiger Recest) zum okkeot gediehen, und man aufs feiten derer alhier interessirten Herren Kanffleutc solches wahr genommen, sind sie anff einen andere kunck gerathcn, und haben zu Trento selbsten einen daselbst sich befindlichen Post Bedienten, welches Nahmen auch bekandt, daß er Vechiettt heißet, aufs die feite zu bringen gewußt, welcher zu Trento selbsten die Brieffe zusammen geschlagen, selbige an Leopold Stenglein nach Augspurg überschrieben^ welcher denn vor wie nach auf diese Art selbige hieher absenden können, wie denn, und daß man solches so gleich gewahr worden, oben genandter Post Bedienter selbst verrathen müsten, indem er des hiesigen Ober Postmeisters Herrn Küßens Italienische Correspondenz, die doch aus gantz Italien t'ranoo gehet, mit in solches an Stenglein ab gesendetes ?aqv6t eingcpacket, welches Hernachmahls per ackckresso dieses letzter» hieher gediehen." Durch diese Dummheit des in Trento ermietheten Be trügers im dortigen Pvstamte und durch die weitere Dumm heit des Agenten Stenglein in Augsburg wurden die Schliche der Leipziger Kaufleute aufgedeckt und man kann sich nicht wundern, daß der Leipziger Postverwalter ganz scharf den Herren auf die Finger und recht gründlich in ihre umfangreicheren Postsendungen sah, sintemal jeder gelungene Betrug einen Ausfall im Beutel des Herrn Käst bedeutete. Es war sein eigenstes Interesse, über die Be folgung des oben angeführten Nccesses, sowohl seitens seiner eigenen Beamten, sowie seitens -er Nürnberger und Augsburger Postämter zu wachen. Er hat kein Mittel ge scheut, der Postverwaltung zn ihrem guten Recht, alias zu ihren guten, allerdings berechtigten Einkünften zu ver helfen. Waren diese Mittel auch vom Staudpuncte des damaligen Rechtes aus völlig zu billigende, so wurden sie vom Publicum und wiederum vor allen Dingen von der am meisten interessirten Leipziger Kaufmannschaft keines wegs anerkannt und vielfach zum Zweck heftiger Anklagen und Fehden benutzt. Die Antipathie der Kaufleute über trug sich selbst auf deren Untergebene, nnd zwar, wie dies in den meisten Fällen ist, in erhöhtem Maste. Sie äußerte sich in der Verübung allerlei Unfugs seitens der sogenann ten „Handelsjungcn". Schon im Jahre 1701 mußten vor den sächsischen Posthäuscrn Wachtposten aufgestellt werden, um diesem Unfug der jugendlichen Handlungsbcflissenen steuern zu können. Es war dies eine Einrichtung, die sich eine Reihe von Jahren erhalten hat. Zu einem richtigen Postscandal in Folge der Ver- theidigung des Pvstregals kam es in Leipzig im Jahre 1705, ein Scandal, der viel Aufsehen machte und selbst die Intervention des Landesyerrn erforderte. In einer Eingabe an diesen, welche von der gcsammten Kaufmannschaft ausging, heißt es: „Ew. Königl. Maj. und Chnrfürstl. Durch!, errinnern Sich allergnädigst, was wir cko ckato den 3. Januarii dieses 1705. Jahres wieder den Herrn Ober Postmeister Käßen und dessen Postverwandte in unterschiedenen Punkten, so theils die sämbtliche Kauffmannschaft, theilS einige von derselben inciivilluaiiter beschwehret, allcrnnterthüntgst vorgestellet, und da wir vcrhoffet, cs würde der Herr Ober Postmeister wieder die klahre Postordnung 6e ^nno 1603. und wieder das Herkommen die Eoinineroia zn beschwehren weiterhin bedencken tragen, So hat er sich fernerweit am 25. Februarii jüngsthin gar unterfangen, den Nürn berg e r B o t h c n an alyiesigem Stadt Thore bey seiner Aukuufft zu zwingen, daß er ohne abstcigcn vor das Post haust reuten müßen, woselbst er ihmc sein Felleisen ab nehmen lassen, die befundenen Brieffe und Paqucte denen Kaufflenten zum theil biß den andern Tag vorenthalten, insonderheit auch Küstnern und Fabern, alhiesigen Han dels Konsorten ihr daben gewesenes kaquet, auf beschehe- nes nachfragen, zweymahl verleugnen und nicht eher, bist er den Ernst gesehen, daß Küstner und Faber eine kZrakketta nachcr Dreschen verlanget, der» Paquct Brieffe herans- gcben laßen. Denn als der Herr Ober Postmeister vorher» nacher Augspurg geschrieben, daß er der Kaufflente ihre Paqnet-Brieffc nicht mehr auf seiner Post annehmen, son dern unbestellt zurückscndcn wolte, und üeßhalber ermeldc- ter Küstner und Faber dargegen exprossS geschrieben hatten, ihnen ihre Brieffe und Paqucte dtstmahl mit dem Nürnberger Bothen zu senden, so kvnten Sie ganz gewiß schließen, daß Sic ein Paquct Brieffe mit diesem Bothen haben müsten, woran Sie auch nicht gefchlet, indem, da sie zum dritten mahl ins Posthauß gesendet und eine Staketta verlanget, ümb die unbillige pvoceckur Ew. Königl. Maj. in eil allerunterthäntgst vorzustellen, der Postverwalter Leonhardt den ernst verspührende das Paquct Brieffe endlich herausgegeben, tedoch aber ohne etntzigen Grund wieder alle Gebühr und cks kseto sie ge- nvthiget, haben sie anders die Brieffe, daran ihnen so viel gelegen gewesen, haben wollen, daß, ungeachtet sonst dem Nürnberger Bothen, der sie gebracht, nur 1. Groschen vom Loth bezahlet wird, man ihme dem Herrn Ober Postmeister von diesem Päcktchen so 12. bis 13. Loth gewogen, an stat der davon gebührenden 18. Gr. 89. Gr. und also 26. Gr. -rüber bezahlen müßen: worbey es noch nicht geblieben, sondern es hat auch der Herr Ober Postmeister als den 4. Martii nechsthin -er andere Nürnberger Bothe an kommen, im Onartier, wo er abzutreten pfleget, cke kaeto und autoritäre propria einen aetuin quasi jurisckietionalein vorgcnommen und ihm ein Schloß vor die Kammer legen laßen, daß nicht allein der Bothe gehindert worden, die mitgcbrachtc Briefe behürtgen Orts zu bestellen, sondern auch daraus denen Oonuneroien diese große Oonkusiou nnd Schade entstanden, daß Mitwochs die kxpsllition an- -erwerts nach Holland, Engelland, Schlesien, Brestlau, Dantzig und Hamburg zu rechter Zeit nicht vorgenommen werden können." Tie Angelegenheit wurde dem Rathe der Stadt zur Er ledigung überwiesen. In seiner Rechtferttgungsschrist straft Käß den Nürnberger Boten Lügen, der zuerst ver nommen worden war. Mit Bestürzung habe er, der Ober- Postmeister Käst, ersehen müssen, daß der ganze Vorgang in verwegener und boshafter Weise vom Boten verdreht worden sei. Es sei eine Erdichtung, daß Jemand aus dem Pvsthause dem Boten im Stadtthore in den Zügel ge fallen sei und ihn als einen „Berarrsstirten" fortgeführet habe. Der Bote habe jedoch achterlei Sünden auf -em Gewissen: 1) habe er der obrigkeitlichen Verordnung nicht parirct, 2) habe er geleugnet, daß er mehr Briefsendungen bei sich führe, als sein amtlicher Ausweis besage, 8) habe er die Ablieferung des Felleisens verweigert, 4) dasselbe in nicmands Beisein öffnen wollen, sondern 5) vorgegeben, das Felleisen in eine Kammer seines Quartiers in Ver wahrung gegeben zu haben, 6) habe er negirt, daß er die Stengli schen Packete habe, die er doch nachmals selber be stellt habe, 7) fälschlich vorgegeben, dieselben seien in Nürnberg geblieben, 8) habe er „noch mehrere Dinge" mit sich geführt und 9) sei auch sein Kamerad auf Defrauda tionen betreten worden, der sich des „Betrugs, wistendlicher Parthiererey sonderlich verdächtig" gemacht habe. Der Ober-Postmeister bittet schließlich den Rath „inständigst, den Zöllner, Thorschreibcr und Aufpaßer unschwer ver nehmen zu laßen, damit die Wahrheit dieses seines Vor gebens deroselben gnugsam kund und des Bösewichts ver wegener weise vorgebrachte Unwahrheiten desto klärcr an Tag gebracht werden mögen." Er sei nach der Postord nung berechtigt, dergleichen Frevler zu „arrestircn, nteder- zuwerffen und neben Abnehmnng ihrer Posthörner, Roß und alles deßen, was sie bey sich führen, auch mit 50. Gold gulden in Straffe zu nehmen." Solche Erecution aber an dem Nürnberger Boten zu vollziehen, erfordere die „höchste Nothwendigkcit, denen Posten -en unentbehrlichen Unter halt zu verschaffen". Der arg erzürnte Herr Käß hat außerdem von zweien seiner Beamten ein Protokoll, eine „ausführliche »pocies kaoti" nicderschrciben lasten und dem Rathe der Stadt übermittelt. Diese beiden Berichte lasten allerdings das Benehmen des Nürnberger Postboten keineswegs in gün stigem Lichte erscheinen. Das eine dieser Protokolle, das kiirzere, ans der Jeder dcS Postbeamten Voigd stammende, besagt: „Als ich Endesnnterschriebener am 4. Martii, Abends gegen 7. Uhr, von dem Herrn Ober-Postmeister mit der ordre dem alda liegenden Nürnberger Bothen zu sagen, daß Er sein Velleisen in baS Post - Amt bringen solle, geschickt wurde, habe ich folgender gestalt solches expeäirot und mit bcyfügcn wollen, wie ich von gedachtem Bothen traetirt worden. Nachdem ich nun in das WtrthShauft, die Ganst genant, kommen, habe ich nach dein Bothen gefraget, wo- rauff ich ihn gleich an der Treppen in herunter gehen an getroffen, ihn sofort gcgrüßet und gefraget, wo er sein Bell- FritiHstsn. Eine Maierrfahrt. Bon A. Lrin tu«. Nachdruck »«rbotni. Dicht unten am Fuße de» SchlohbergeS windet sich eine enge Gaffe hin, eine Doppelkette niedriger Hütten, wie au» einer Gpielschachtel da htngesetzt. Die Sonne findet nnr wenig Gelegenheit tagsüber, da 'mal in die kleinen Fenster hinein-ubltnzeln, denn der dicht und steil an grenzende Berg baut sich wie ein wehrender Damm auf. Biel Herzensfreude würde sie wohl auch nur selten hier schauen. Dumpfe, überheizte, trübe Stübchen, fast den winzigen Vogelbauern gleichend, welcke draußen an den Fenstern ausgehängt sind, umfassen diese wackligen Hütten, welche sich dicht aneinander drängen, damit eine die andere freundnachvarlich vor dem Umfallen schütze. Dtubcnblasse, abgehärmte Menschen Hausen hier, deren ständige Besucher Armuth und Sorge sich nennen. Line der kleinsten Behausungen gehört dem Scheeren- schleifer Heinrich Kley. Neben der Hausthür zwei Fenster. Da» ist die Wohnstube. Nach hinten schließen sich Kammer unb Küche an. Jin Giebel drüber wohnt eine alte Wittwe. Der Rauch, welcher über dem Dache des Scheerensch leiser» sich emporkränselt, kommt seltener au» der Küche, denn au» dem Ofen de» stet» im Dämmerlicht liegenden Wohn- stttbchen». E» wird nicht allzu viel in der Wirtschaft ge kocht, und für da» Wenige kann man ja auch den dunklen Kachelofen mit der eisernen Einlage gebrauchen. Kaffee, eine dünne Suppe oder Kartoffeln lasten sich auch da Her richten. So geht denn das Ofenfeuer in der Stube eigentlich nie mals aus, Sommer und Winter nicht. Und das ist gut. Denn di« blaß« Krau mit dem milden, müden Gesichte, welche vom Morgen bis zum Abend immer auf demselben Flecke an einem der beiden Fenster sitzt und fleißig die Finger in Handarbeiten regt, braucht Wärme, viel Wärme. Ein sonnenloser Raum scheint ja immer kalt. Auge und Eiemüth sprechen wohl da mit. Aber die schlichte Frau friert auch sonst so sehr. Besonders wenn wieder ein Hnstenanfall vorüber ist. Ob das eine Krankheit war, wußte sie nicht. Der Doctor war zu theuer und sonst konnte sie auch nicht klagen. Daß sie im zweiten Jahre ihrer Ehe durch eine schwere Erkältung an beiden Küsten gelähmt ward — daran war ja nichts mehr zu ändern. Darein hatte sie sich allmählich aefunden. Die Mitbewohnerin deS Hause» und ihr eigener Mann trugen sie früh ans Fenster, Abends auf da» alte Sopha und wenn'S zur Ruhe ging ins Bett. Ein Murren und Auflehnen hätte sie nur noch mehr er bittert. So hatte sie entsagen gelernt, den einfachsten Freuden der Welt, draußen der frischen Luft, -er Freiheit, der grünen Bergsheimath! Das hatte ihren Blick mehr unb mehr nach innen gerichtet, sie zu einer beschaulichen Natur gemacht. Bis zum Abendessen wurde fleißig für ein Geschäft gestickt und gehäkelt, Abends schaarte man sich dann um den Tisch: ihr heimgekehrter Mann, sie, die Haus nachbarin oben, welche tagsüber ja auch unten nach dem Rechten sah, kochte, die Wtrthschast tn Stand hielt. Dann wurde noch ein Stündchen gelesen. Der Pfarrer sorgte ja helfend für gute Bücher. Das war bann für die arme Krau der schönste Theil de» Tages. Da schloffen sich ihr neue Welten auf, die sie ja nie schauen durfte, aber mit der sie doch nun fühlen, lachen und weinen konnte. Nur noch einmal -en Wald schauen in seiner Pracht, die stolzen Berge, deren Gipfel leuchtend in -en Himmes stiegen, den Quellen lauschen, dem Schmettern der Vögel in Wald und Feld! Nur noch einmal dies Alles, ehe der Vorhang sich vor ihrem Leben schloß für immer! Aber der gute Mann, ihr Henner, er durfte es nicht missen, was sie an Heisters Wünschen im Herzen barg. Niemals! Sie hatte ihm ja ohnehin kein freudiges Dasein bieten können! Nur eine Last war sie ihm ja geworden, jetzt fast zwanzig Jahre bereits! Kein Kind hatte sie ihm schenken dürfen, er, der die Kinder so liebte! Daß sie ihm Abends entgegen stürmten, jubelnd, sein Herz erfrischend, wenn er müde hetmkehrte mit seinem Schleiferkarren aus den Wald dörfern. Und immer freundlich, nachsichtig zu ihr! Keines Herden, rauhen Wortes konnte sie sich tn all' den Jahren entsinnen. Wie sah's dagegen in anderen Familien aus! Die enge Gasse, die zahlreiche Nachbarschaft hatte sie ja so oft nun schon zu Zeugen widerwärtiger, erschreckender Scenen gemacht. Nicht murren, nicht seufzen! Sic hatte seine Liebe. Das war schließlich doch das Schönste für ein Menschenherz. Alle Welt begegnete ihr, der vom Geschick so schwer Ge schlagenen, mit Freundlichkeit. Durfte sic da klagen? Im Bauer am Fenster sang ihr Stieglitz. Und damit sie sich besten freuen konnte, hatte er seine Freiheit aufgcgeben, fetnenWald, seineGenosfen. War sie da nicht noch weit bester daran? Noch mehr war ihr, an dem sie sich freuen konnte. Drüben über den Hütten sah man ein Stück des oberen Buchenwaldes, welcher den Schlvstberg krönte. Begann er zu grünen, bann sang es leise tn ihrem geduldigen Herzen auf. Frühltngszauber, Erinnerungen froher Jugcndjahre kamen über sie. Sie sah sommerlang die Wetter über ihn lastend ziehen, sie sah ihn sich färben, golden, rostbraun, blutüberströmt. Und eines Morgens nach wilder Sturm nacht lag er kahl. Dann Schnee, Schnee, endlose Wochen, Monate. Dazwischen -er heisere Ruf streichender Raben. Sie sah Alles und ihre Seele lieh ihr Flügel au« engem Raum hinaus tn die weite Welt. Auch heute fast sie wieder am Fenster. Ein oberer Flügel war geöffnet, damit doch ein wenig Matenluft hereinströme. Matenluft und Maienlust! Denn draußen schritt der Maien über die Erde, spielte aus seiner Flöte und weckte, was noch schlief, zu fröhlichem Leben. Zwar war von der Sonne nicht allzu viel zu sehen im Gäßchen. Aber der Echloßberg tauchte doch in ihren Glanz hinein, die Buchen hatten fast wie über Nacht ihr ltchtgrünes Ge wand angelegt. Ab und zu vernahm die Einsame das Ju- biltren der Vögel von da oben. Und dann dachte sie an ihren Mann. Was der Henner nur hatte? Sicherlich, seit Tagen beschäftigte ihn etwas. Das fühlte sie. Gestern Abend noch, mitten im Lesen — die Hausnachbarin hatte cs übernommen — da merkte sie, wie seine Gedanken weit ab wanderten. Einmal zählte er sogar an den Fingern ab, als rechne er etwas nach. Sein Vermögen wars nicht. Lebte man Loch stets nnr von der Hand in den Mund. Da war an Zurücklegen, Sparen nicht zu denken. Niemals! Dann lächelte er wieder, hob seinen Blick, und als er dem ihrigen begegnete, konnte er gar nicht mehr ausweichen. Er mußte sie anschauen. Seltsam blin zelte es da in seinen guten, braunen Augen. Bestimmt! Er verbarg ihr etwas. Eine Ueberraschung, eine Freude! Die Krau hob den Kopf und blickte zum Berge empor. Wer da doch noch einmal unter den Buchen Piatenfreube trinken dürfte! Ein leiser Seufzer, und sie begann aufs Neue die fleißigen Hände zu regen. An diesem Abend wuchs nun wirtlich ihre Neugier. Gegen sieben Uhr vernahm sie da» Klappern und Rattern auf der Gaffe, da« ihr den hetmkehrenben Mann anzetgte. Lebhafter denn sonst begrüßte er sie. Eine leichte Erregung malte sich tn seinem Gesicht. Er drückte ihr die Han-, lief in die Kammer, in die Küche, stürmte hinauf zur alten Wittfrau, und als er nach eine Weile wieder tn das Stüb chen trat, da ging er ans Fenster, wo sie saß, und beutete hinauf, wo die Tonne just Abschied von dem Buchenwalde nahm. . „Du, Kathrin'! Meinst, daß morgen gut Wetter wird?" „Eß sieht so au», Henner!" „Glaub's selbst. Wir haben Ostwind. Aber tn der Sonne ist's warm. Und der Wald! . . . Alles grün feit gestern. 'S ist 'ne Pracht!"
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