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Freitag. 16 28. Februar 1862. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen Durch alle Post anstatten. Weißerilz-Ieitnng. Preis pr» Quartal IO Ngr. Inserate die Spalten- Zeile 8 Psg- Amts- und Anzeige- Matt -er Königlichen Gerichts-Aemter und Stndträthe ZV Dippoldiswalde, /ravenstein nnd Altenberg. Berantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. l --WWMWWWWW-MS-W» Die kurhesslsche BerfaffungsLNgelegeuhett. (Schluß.) Werfen wir nach dieser kurzen geschichtlichen Skizze einen Blick ans das Verhalten der Stände, der Beamten, des Militärs, so kommen wir zu der Folgerung, baß tine Steuerverweigerung im Sinne der Verfassung und des allgemeinen constitutionelleu Staatsrechtes nicht vorlag; denn die Stände waren verfaffungsgemäß in ibrem Rechte, wenn sie vor vollständiger Steuerbewilli gung entweder auf Vorlegung eines neuen Budgets, ober auf der Berathung des von der Regierung als unrichtig bezeichneten Voranschlages bestanden. — Die Beamten hatten das verfassungsmäßige Recht und die Pflicht, die ungesetzliche Erhebung der Steuern ab- zulehne». — Das Militär hatte der Verfassung sich ebenfalls unterzuordneu, und wenn ein Offizierscorps lieber seinen Abschied nimmt, so wirb Niemand ver kennen, daß es den schweren Kampf würdig bestanden hat. Ueber das würdige Verhalten des Volkes endlich herrscht nur Eine Stimme, und selbst Hassenpflng er kannte dies an. — Doch gehen wir in der Geschichte weiter. Ein auswärtiges Einschreiten war nach solchen Vorgängen unausbleiblich. Während am 1. November vom Süden her ein bairisch-österreichisches Armeecorps die Grenze überschritt, kamen die Preußen vom Norden her und besetzten Kassel und Fulda. — Die anfängliche Er wartung, als werde Preußen die kurhesslsche Verfassung gegen den noch nicht wieder anerkannten Bundestag schützen, wurde jedoch bald durch die Verhandlungen getäuscht, die in Olmütz gehalten wurden, und wodurch cs das Einschreiten in Hessen geschehen ließ. — Es wurden nun die Steuern gewaltsam eingetrieben, die gesetzliche Rechtspflege durch Kriegsgerichte ersetzt, das Land durch die ungewöhnliche Truppenanhäufung hart mitgenommen.^— Am 27. December kehrte der Kur fürst nach Kapel zurück. — Nachdem Diese« geschehen, erstatteten die Bunbescommissare Bericht, daß mehrere Punkte der kurhesslsche» Verfassung im Widerspruch mit der Bundesverfassung ständen, und der Bundestag faßte demgemäß am 27. März 1852 den Beschluß, die kurhcssischc Verfassung von 1831 außer Wirksamkeit zu setzen. — Dieser Beschluß erregte gerechte Befürch tungen für andere Landesverfassungen; denn die kur hessische Verfassung bestand in zweifellos anerkannter Wirksamkeit. Am Schluffe der Verfassnngsurkunde, unterzeichnet vom Kurfürsten Wilhelm ll., heißt es wörtlich: „Es ist unser unabänderlicher Wille, daß die vorstehenden Bestimmnngcn, welche wir stets aufreckt erhalten werden, als bleibende Grnndverfassung unserer Lande auch von jedem Nachfolger in der Negierung zu allen Zeiten treu und unverbrüchlich beobachtet und überhaupt wider Eingriffe und Verletzungen jeder Art geschützt werden." — Die in anerkannter Wirksamkeit be stehenden Verfassungen aber können, nach dem Bundes rechte, nur auf verfaffuazsmäßigem Wcge abgcändcrt werden. — Diese Auseinandersetzung wird genügen, dem Leser ein Bild von den Zuständen zu geben, welche seitdem im Kurfürstenthum Hessen geherrscht haben. Wohl ist ein Belagerungszustand nicht mehr vorhanden, aber die Verfassung von 1831, an welcher man mit Entschieden heit festhält, hat die Regierung noch nickt wiederher gestellt, obwohl die Volksvertretung sich bereit erklärt hat, in Beratbungen über diejenigen Punkte, welche den Bundesbestimmungcn widersprechen sollten, einzu gehen. Da bat sich denn nun seit Jabren das alte Leid, das alte Lied immer wiederholt, daß die Abge ordnete» (mit ganz wenig Ausnahmen) ihre, nach einem neuen Wahlgesetze vorgenvmmene Wahl nur unter der Bedingung angenommen haben, daß auf die Verfassung von 1831 zurückgegangen werde. Kaum eine Sitzung, und nach einer öffentlichen Erklärung in dem oben an gegebenen Sinne haben die hessischen Landtage ihr Ende erreicht, — sie werden aufgelöst. Wir lesen jetzt wieder in den Zeitungen von neuen Steuerexecutionen, bei denen sogar Soldaten von den Handwerkercom- pagnieen benutzt worden sind, um die Geldschränkc der Steuerverweigerer zu erbrechen. Kann, darf das in einem constitutionelleu Staate so fortgehen? So fragt sich gewiß Jeder, der sich freut, unter einer, von einer gewissenhaften Regierung gehandhabten Verfassung zu stehen. Wird mcht Mancher der bangen Furcht Raum geben, daß es auch anderswo zu ähnlichen Zuständen kommen könnte? — Darum hat unser voriger Landtag sich mit Ernst der Sache angenommen und von unserer Regierung die beruhigendsten Zusicherungen erhalten. In gleichem Sinne haben sich auch die Ständevcrsammluugen an derer Staaten ausgesprochen, und es kann doch wohl' nun nicht fehlen, daß »ach den mancherlei dringenden Mahnungen, die von Preußen aus an die kurbeffische Regierung ergangen sind, es endlich den vereinten Be strebungen der deutschen Regierungen gelingen werde, geordnete, verfassungsmäßige Zustände in Hessen hcrbei- zuführen. Das und nichts Anderes ist die Pflicht des deutschen Bundes. Und es ist nothwendig, daß das Vertrauen des deutschen Volkes zu, seinen eigenen Verfassnngen auch durch tbatkräftige Handlangen seiner Regierung, und nickt dlos durch wohlklingende Kammerreden, befestigt werde.