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Dresdner Journal : 21.11.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-11-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190211213
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19021121
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19021121
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-11
- Tag 1902-11-21
-
Monat
1902-11
-
Jahr
1902
- Titel
- Dresdner Journal : 21.11.1902
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Vti«,»preis: «nm Bezug« durch die 0,N.lnU!»Wsse tu««r»«t» 2,50 M. (einschl. Einigung), durch di« Hk*D Li Deutschen Reich« » M. ^usMichlich Bestellgeld) vierttljLhrlich. Gi^elne Nummern 10 Pf. Mrd Zurücksenduna d«r für dte Schristlritung bestimmien, aber von dieser nicht ein. «forderten Beitrüge bean- stacht, so ist da» Postgel» deigufügen. DrrMer Immml Herausgegeben von der Königl. Expedition de- Dresdner Journals, Dresden, Zwingerstraße 20. — Fernspr.-Anschluß Nr. 1295. Erscheinen: Werktag» nachm. 5 Uhr. — Originalberichte und Mitteilungen dürfen nur mit voller Quellenangabe nachgedruckt werden Pnkündig«n»»»ebührrn: Lie Zeile kleiner Schrift der 7 mal gespaltenen Ankündi gung» Seile oder deren Raum 20 Pf Bei Tabellen- und Ziffernsatz 5 Pf Ausschlag für die Zeile Unterm Re daktionsstrich (Eingesandt) die Textzeile mittler Schrift odrr deren Raum 50 Pf. Gebühren. Ermäßigung bei öfterer Wiederholung Annahme der Anzeigen bi« mittag« IS Uhr für die nach» mittag« erscheinendeSiummer 1902 Freitag, den 21. November nachmittags. Amtlicher Teil. Dresden, 20. November. Aus Allerhöchsten Kesehl wird am Königlichen Hofe die Trauer wegen erfolgten Ablebens Sr. Hoheit des Prinzen Eduard von Sachsen-Weimar-Eisenach auf eine Woche vom 21. bis mit 27. d. M., sowie wegen erfolgten Ablebens Sr. Durchlaucht des Prinzen Heinrich zu Waldeck und Pyrmont aus 3 Tage vom 21. bis mit 23. d M. in Ver bindung mit der bereits angelegten getragen. Dresden, 18. November. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem in den Ruhe stand getretenen Diener bei dem Landgerichte Plauen Johann Karl Reißmann das Allgemeine Ehren zeichen zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst gc ruht, den Briefträgern Gruhle in Leipzig und Reibe tanz in Grimma das Allgemeine Ehrenzeichen zu verleihen Dresden, 18. November. Mit Allerhöchster Ge nehmigung Sr. Majestät des Königs ist dem Güter- bodcnarbeitcr Richard Alfred Wiesner in Heidenau für die von ihm am 12. August 1902 unter eigener Lebensgefahr bewirkte Errettung eines Mannes vom Tode des Ertrinkens in der Elbe die silberne Lebensrettungsmedaille mit der Befugniß zum Tragen derselben am weißen Bande verliehen worden Se Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Oberschcnk, Kammerherr Graf v. Einsiedel-Reibersdorf das von Sr. Durchlaucht dem Fürsten Heinrich XIV. Reuß j. L. ihm verliehene Ehrenkreuz 1. Klasse mit der Krone annehme und trage. Se. Majestät der König haben zu genehmigen Allergnädigst geruht, daß der AmtSgerichtsaktuar Ernst Otto Enger in Königsbrück die ihm von Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser, Könige von Preußen, verliehene Chinadenkmünze aus Stahl annehme und trage. Ernennungen, Versetzungen re. im öffent lichen Dienste. I» G«schLft»der<ich« de» Mtnist«rium» de» Sultu» «. Sffentl. Unterricht». Zu besetzen: Die Lehrerstellc zu Kleingern b. Elsterberg. Koll.: Die oberste Schulbehörde Außer ft. Wohnung im neuen Schulhause m. gr Garten 1200 M Grundgehalt, 1K5 M s. FortbildungS- u. Turnunterricht u. 72 M. der LehrerSfrau, falls sie den HaudarbeitSunterricht erteilt Gesuche m allen erforderl. Bei lagen bi» K. Dez. b. Bezirksschulinspektor Schulrat 0r. Putzger, Pftuen i B, einzureichen; — die 2. Lehrerstelle zu Kemnitz O -L ). Koll : Die oberste Schulbehörde. Einkommen 1200 M, st. Wohnung, 55 M f. Sommerturnen Gesuche, denen v nichtstünd Lehrern auch der Militärnachweis beizufügcn ist, bis».Dez b. Bezirksschulinspektor Bach, Löbau, einzurcichen; — Ostern die 2. stäub. Lehrerst. a. d. Schule zu Gro Hülsa. Soll : Die oberste Schulbehörde. 1200 M Grundgehalt, ILO M. unwiderrufl. pers. Zulage, 200 M. Wohnungsgeld f. einen Verb, 100 M. s. einen unverh. Lehrer; voraussichtlich wird d. Stelleninhaber auch der Fortbildungsschulunterricht gegen ein Hon. v. 110 M. übertragen. Bewerbungen m. d. erwidert. Unterlagen, cv. einem Militärnachweis, bis 11. Dez. an Vezirksschulinspektor Bang, Dippoldiswalde; — eine ständ Lehrerstelle a. d. eins. Volksschule zu Hartmannsdorf bei Burgstädt Koll : Der Gemeinderat. Gehalt 1600 M., steigend » zu L Jahren bis z. 18. Dienstj. um 150 M., v. 19 bis '4 Dienstj um 100 M bis 2700 M einschließl Wohnungs geld AuSw verbrachte Dienstjahre kommen in Anrechnung. BewerdungSgesuche nebst Zeugnissen bis 4 Dez. a. d Koll. (Behöidl. Bekanntmachungen erscheinen auch im Anzeigenteile) Nichtamtlicher Teil. Zur parlamentarischen Lage. Der Reichstag hat nunmehr vier Wochen lang und zwar zweiundzwanzig meist ungewöhnlich aus gedehnte Sitzungen auf die zweite Lesung des Ent wurfes eines Zolltarifgesetzcs verwendet. Die Kom mission brauchte für die Beratung des Gesetzentwurfs in erster Lesung achtundzwanzig erheblich kürzere Sitzungen. Schon dieser Vergleich zeigt, wieviel Zeit im Plenum nutzlos verschwendet worden ist, obwohl die Behandlung der Vorlage in der Kom mission erheblich eingehender und sachlicher war als hier. Bis jetzt ist die zweite Plcnarlesung bis 8 10a des Tarifgesetzentwurfes vorgeschritten. Dieser Paragraph ist von der Kommission der Vorlage neu hinzugefügt worden; er bezweckt die Aufhebung der in einer größeren Reihe deutscher Stadtgemeinden bestehenden kommunalen Verbrauchssteuern von Lebens mitteln. Da die Einnahmen aus diesen Auflagen für die betreffenden Stadtverwaltungen nur schwer entbehrt und nur durch Erhöhung der direkten Steuern, wodurch auch die weniger bemittelten Bürger betroffen würden, ersetzt werden könnten, haben sich die Verbündeten Regierungen gegen den erwähnten Kommissionsbeschluß ablehnend ausge sprochen Ebenso ist dies bezüglich des von der Kommission neu in die Vorlage gebrachten 8 der von der Errichtung einer Versicherung für die Witwen und Waisen der Arbeiter aus den zu erwartenden Mehr- crträgen der Lebensmittelzölle handelt, geschehen. Schließlich hat auch der Beschluß der Kommission zu 8 12, dem letzten der Zolltarifgesetzentwurfes, be treffend den Termin des Inkrafttretens des neuen Tarifs, den entschiedenen Widerspruch der Verbün deten Regierungen erfahren. Nach der Bundesrats vorlage foll der Zeitpunkt, mit dem Gesetz und Tarif in Kraft treten, durch Kaiserl. Verordnung mit Zu stimmung des Bundesrates festgesetzt werden. In der Kommission dagegen ist diese Bestimmung dahin abgeändert worden, daß das Inkrafttreten spätestens am 1. Januar 1905 stattfindcn solle. ES sind schwerwiegende Gründe, die anch bei dieser Ab änderung die Verbündeten Regierungen zu einer ab lehnenden Stellungnahme geführt haben, und denen das Reichstag-Plenum hoffentlich Rechnung tragen wird Mit den Beratungen des ZolltarisgesetzentwurfeS gedenkt man in einer bis zwei Sitzungen fertig zu werden. Alsdann beginnen die Verhand lungen über den Tarifentwurf selbst. Die Kommission hatte für ihre erste Lesung nicht weniger als dreiundsiebzig Sitzungen auf den Tarif verwendet. So viel Zeit steht aber dem Reichstage für die zweite und dritte Lesung zusammen nicht zur Verfügung. ES wird also bei den Tarif- beratungcn erheblich rascher als bisher gearbeitet werden müssen. Um eine größere Zeitersparnis zu erzielen, wird seitens der Reichstagsmehrheit beab sichtigt, in der Diskussion ganze Hauptabschnitte des Tarifentwurfs zusammcnzufassen. Zweifelsohne wird aber ein solcher sehr heilsamer Beschluß lange zeit raubende Geschäftsordnungsdcbatten Hervorrufen, über die aber hoffentlich bei genügender Anwesenheit der tariffreundlichen Abgeordneten hinwegzukommcn sein wird. Es besteht ferner die Absicht, bei ein zelnen völlig unbestrittenen Abschnitten eine sn bloo- Annahmc vorzunchmen; ob cs aber möglich fein wird, diese Absicht durchzuführen, wird man dahin gestellt sein lassen müssen. In der Hauptsache dürfte die Abstimmung über jede einzelne Position besonders erfolgen Gleichwohl hegt man in der Reichstagsmehrheit die Hoffnung, daß es gelingen wird, den Rest der zweiten Lesung vor Beginn der Weihnachtsferien zu erledigen Mit der Abänderung des Verfahrens bei namentlichen Abstimmungen ist den Obstruktions Parteien eine ihrer wirksamsten Waffen entwunden worden Was an sonstigen Mitteln zur Verhinderung der parlamentarischen Arbeit noch übrig bleibt, wie Dauerredcn, Geschäfts ordnungsdebatten und andere Ruhestörungen, dürfte sich bei längerer Anwendung von selbst ab- stumpfcn. Die Hauptsache aber bleibt immer, wie nicht oft genug hervorgehoben werden kann, die ge wissenhafte Ausübung des Mandats seitens jedes Volksvertreters. Die Zolltarifbcratung würde — das ist die allgemeine Uebcrzeugung — schon viel weiter fortgeschritten sein, und die Obstruktion würde ihr Haupt nicht so kühn erhoben haben, wenn der Reichstag in gleicher Stärke versammelt geblieben wäre, wie er bei Beginn der zweiten Zolltarislesung erschienen war Seit dem 21. Oktober sind, größtenteils auf Veranlassung der Obstruktionspartcicn, 4t» nament liche Abstimmungen vorgenommen worden, die, neben bei bemerkt, die Dauer von vier Sitzungen in An spruch genommen haben. Die Abstimmungen der ersten Tage wiesen durchschnittlich eine Präsenz von 335 Abgeordneten auf. Lange aber dauerte dieser günstige Zustand nicht. Schon nach acht Tagen sank die Anwesenheitsziffer um 50 Personen, nach zwei Wochen war sie nm 100 gesunken, und nicht lange darauf trat an zwei Sitzungstagen Beschluß unfähigkeit ein. In der letzten Zeit ist die Zahl der Anwesenden wieder auf durchschnittlich 265 ge stiegen; die stolze Höhe des Anfangsstadiums hat aber die Präsenzziffer bedauerlicherweise nicht wieder erreicht. Fraktionsvorstände und Parteizeitungen machen die größten Anstrengungen, um den säumigen Mandatträgern ihr Gewissen zu schärfen. Von der Beantwortung der Frage, ob diese Bemühungen von Erfolg gekrönt sein werden, dürste das ersprießliche Fortschreiten der zweiten Zolltariflesung in erster Linie abhängen. Zur politischen Lage in Frankreich. Aus Paris schreibt man uns: Die politischen Zustände in Frankreich sind gegen wärtig höchst merkwürdig. Bekanntlich trat die Depu- ticrtcnkammer diesmal schon am 14. Oktober zu ihrer Herbsttagung zusammen, während sie sonst erst um Aller heiligen oder Ende Oktober aus den großen Parlaments serien zurückkehrte. Sie hatte eben viel vor. Es gab noch Wahlen zu prüfen. Das Budget 1903 war zu beraten und dann stand die bekannte Kongregationsfrage aus der Tagesordnung. In die Hände der souveränen Volksvertretung war das Los der Klosterorden gelegt; denn erstere sollte über die Existenzberechtigungsqesuche der letzteren zu Gericht sitzen. Da die Mehrheit der Kammer augenblicklich eine radikal-sozialistische ist, und da Radikale und Sozialisten nicht nur der Kirche und den Klerikalen, sondern auch den Klosterordcn feindlich gesinnt sind, so bot sich hier eine treffliche Gelegenheit, diesen Gegnern einen Stoß zu versetzen. Infolgedessen hatte die Mehrheit der Kammer ihr Hauptaugenmerk auf die Niederwerfung der Kongregationen gerichtet. Aber so schnell, als man dachte, ging diese nicht von statten. Das Klostcrgesetz erwies sich als nicht hinreichend klar, um sie in dem von der Mehrheit gewünschten Maße zu erreichen. Die Kongregationskommission, obwohl durchaus radikal, so daß man ihr Einstimmigkeit zutrauen durste, Kunst und Wissenschaft. Konzert. Für die Wertschätzung, die Frl. Luise Ottermann in den musikalischen Kreisen unserer Stadt genießt, sprach der Umstand, daß sich die Sängerin in ihrem gestrigen Lieder-Abend (Musenhaus) einem dicht gefüllten Saale gegenüber sah und daß es an warmen Beifallsbezcugungen, auch an Blumenspenden mannigfacher Art nicht fehlte. Ueber die Sängerin, die ihre musikalische Schlagfertigkeit, ihre reiche Erfahrung und Intelligenz bei vielfachen Gelegenheiten auf der Bühne, bei kirchlichen und weltlichen Aufführungen hier und auswärts bewies, ist kaum etwas Neues zu sagen. Es darf aber hervorgehoben werden, daß sich in der geschmackvollen Behandlung der Stimme, die in der Höhe dem unerbittlichen Einflüße der Zeit begreiflicher weise nicht ganz unzugänglich geblieben ist, wie in der Vervollkommnung der Vortraaskunst neuerdings ganz wesentliche Fortschritte bemerkbar machen. Wie die Konzertgcberin in den Mittelpunkt ihres Programms Schumanns köstliche Liederreihe „Frauenliebe und -Leben" gestellt hatte, so verknüpfte sich auch mit der Wiedergabe dieser Gesänge die vornehmste und intimste künstlerische Wirkung des Abends Hier kam das hervorragende VortraaStalent der Sängerin, die sich mit den musika lischen Absichten de» Tondichters und mit seiner poetischen Empfindungsweise vollkommen vertraut gemacht hatte, am wahrsten und eindringlichsten zur Geltung, hier erschienen Ausfällung und Ausdruck am tiefsten und 'im Am Klavier stand der Konzertgcberin dabei mit feinfühliger Anpassung Hr. Karl Pretzsch erfolg reich zur Seite. Das geschmackvoll zusammengestellte Programm hatte ferner die Namen Franz Schubert <,,D«r Einsame" re ), P Cornelius („Ein Ton"), Franz -iszt („Wieder möcht' ich dir begegnen"), Hugo Brückler („Auf dem See") und Felix Dräseke („Des Glocken- türmerS Töchterlein") aufzuweisen. U. S. Verein für Erdkunde. Im Dresdner Verein für Erdkunde trug am 14. d Mts. Hr. I)r. meä. Paul Hänel aus Bad Nauheim Reiseskizzen von der Westküste Südamerikas vor. Vortragender war fast fünf Jahre, von 1893 bis 1898, an der Westküste von Südamerika teils als Schiffsarzt, teils als Arzt in einem chilenischen Salpeterwcrk thätig und hatte dabei genügend Gelegenheit, die Küstengebiete und deren Bevölkerung kennen zu lernen, die er denn auch, unterstützt durch eine große Reihe von Lichtbildern, trefflich zu schildern verstand. Vom Eingänge zur Ma- aalhacsstraßc, die nur von Dampfern passiert werden kann, führte er die Zuhörer auf dem Wege, den die vom Atlantischen Ozcan ankommenden Segelschiffe auf der Fahrt nach der Westküste Südamerikas ein schlagen müssen, nämlich beim Kap Horn vorbei, um Amerikas Süd- spitze, das Halbinsel- und Jnsclgewirr des Feuerland- Archipels Die sich bald verengernden, bald erweitern den Wasserstraßen, die der Meeresküste zustrcbenden Gletscher, überragt von Schncebergcn, die zahlreichen Eilande und Felsenklippen und das im Meere treibende Eis geben ein eigenartig schönes Bild, das sich am prächtigsten in der Nacht bei Mondscheinbeleuchtung dar bietet Nicht unerwähnt blieb das ärmliche, bei dem rauhen Klima »hart ums Dasein kämpfende Volk der Pescheräh, die in ihren leichten, aus Häuten hergestellten Böten von den ihr Gebiet passierenden Schiffen aller hand europäische Waren gegen die Ergebnisse ihrer Jagd eintauschen. Nach Passierung der Smithkanäle erreicht der Dampfer den Golf von PeöaS und dann, im Stillen Ozean nach Norden steuernd, die Küste des eigentlichen Chile. Ueber Lota mit seiner Steingutfabrik und seinen Kupferwerkcn und über Coronel, von wo ein Aisflug nach der freundlichen Handels- und Industrie stadt Concepcion unternommen wurde, ging die Fahrt nach Chiles Haupthafen Valparaiso. Die Stadt umspannt, auf dreißig Hügeln liegend, in iveitem Bogen eine Bucht; hinter rötlichen Hügeln erblickt man bei Hellem Wetter in der Ferne den schnee bedeckten Gipfel des Aconcagua, des höchsten Berges der Anden. In raschem Zuge führte Vortragender durch Wort und Bild die Hauptstraßen und -Plätze, die öffent lichen Anlagen, wichtige Bauten und Denkmäler, den Verkehr, zahlreiche Volkstypcn und allgemeine Ansichten der Stadt vor, und in ähnlicher Weife verfuhr er auch bei der Schilderung der anderen Hauptplätze, so daß sich die Zuhörer ein klares Bild von ihnen verschaffen konnten. Im Sommer ist in Valparaiso eine Abend fahrt durch den Hafen wegen des kräftigen Meerleuchtens köstlich. Eine hervorragende Rolle spielt in Valparaiso, wie in allen chilenischen Städten, die Feuerwehr; an ihren Festen nehmen alle Volkskreise teil. Von Valparaiso führt eine Eisenbahn nach der Hauptstadt Santiago. Sie zieht sich an dem schönen Otte Visa del Mar vorbei ms Thal des Aconcagua- flusscs, wendet sich bei Llai-Llai, wo'sich die Linie nach dem Uspallatapaß abzweigt, nach Süden, überschreitet wiederholt Thäler auf hohen Brücken und erreicht endlich über eine Paßhöhe hinweg die Ebene, in der 500 bis 550 m über vem Meere Santiago liegt, und hinter der die Cordilleren aufragcn. Santiago, da« man am besten vom Hügel Santa Lucia aus überblickt, hat im Winter viel Regen. Nicht selten regnet e» tagelang, so daß da« Wasser in Bächen durch dre Straßen rinnt. Die naß kalte Luft macht sich sehr unangenehm geltend, am un angenehmsten in den Häusern, weil diese keine Oefen haben; nur kleine Becken mit glühenden Holzkohlen liefern etwas Wärme Steigt auch vie äußere Temperatur etwas, so vermag sie doch nicht in die Häuser zu dringen, so daß man im Ueberrock arbeitet. Auch die stieß aus juristische Schwierigkeiten. Tie wandte sich in ihrer Not an den Staatsrat, der indes auch keine genügend günstigen Auskünfte gab und ein zweites Mai befragt werden mußte. Darüber verging natürlich Zeit, die man so gut als möglich mit der Ernennung von Kommissionen, mit der Debatte über Interpellationen und mit den Wahlprüfungen ausfüllte. Betreffs der letzteren zeigte sich die Mehrheit mittlerweile in einem sonderbaren Lichte. Da war z. B. unter den angefochtenen Wahlen diejenige des Baron Dard, der eine Mehrheit von 1600 Stimmen, und diejenige des Grafen Castellane, der eine solche von 1800 Stimmen aufzuweisen hatte Sie wurden für ungiltig erklärt in der Hoffnung, bei der Wiederholung befreundete Kandidaten durchdringen zu sehen. Die angefochtenen Wahlen der Freunde hingegen fanden sofort Gnade vor der Mehrheit, selbst wenn sie nur mit 2 Stimmen Mehrheit durchs Ziel gegangen waren. Was das Budget betrifft, das gleich am 14. Ok tobcr vom Finanzministcr vorgeleqt worden war, so dauerte cs gcraume Zeit, bis die Budgetkommission er nannt wurde, und während man sonst immer etwas vom Gange und Fottschreitcn von deren Arbeit erfährt, verlautet gegenwärtig davon einfach nichts, und ebenso wenig hört man etwas davon, wann nun endlich vor dem Plenum die Budgetberatunq beginnen wird. Und doch wäre es nachgerade Zeit, hiermit anzusangen, denn der Plan des Finanzministers beruht auf bestimmten Bedingungen Er wird nur durchführbar, wenn er bis zum 1. Januar genehmigt worden ist. Falls dies nicht gelingt, werden neue Kombinationen zur Herstellung des Gleichgewichts nötig. Trotzdem scheint schlechterdings keine Aufficht vorhanden, daß das Budget bis Jahresschluß durchberatcn wird. Selbst wenn die Kammer das schier Unglaubliche leistete, wäre doch der Senat noch da der das Budget auch prüfen will. Aber wie gesagt, man sicht in der Kammer noch gar keine Anstalten zur Budgctberatung, Die Kongregationsfrage scheint ihre ganze Arbeit lahm zu legen. Sie gleicht einer Niaschine, die leerr läuft, d. h. die zwar läuft, aber nichts produziert, keine Arbeit, leistet. Man könnte glauben, daß sie, wie ein schlechter Schüler, kaum aus den Ferien gekommen, schon wieder an die Ferien denkt Und in der That sind diese ver frühten Feriengedanken keine bloße Vermutung. Man hört allen Ernstes die Behauptung aussprcchen, daß die Kammer sich schon am Schluffe der zweiten Woche des Dezember in die Weihnachtsfericn begeben wolle. Sie sieht jedenfalls ein, daß es unmöglich ist, das Budget noch im alten Jahre zu bewältigen. Deshalb fängt sie lieber gar nicht erst damit an UeberdieS beschäftigen sie noch andere Dinge. Am 4. Januar finden die partiellen Senatorenwahlen statt. Ein Drittel des Senat« wird erneuert und natürlich werden sich, obgleich verschiedene ausschcidende Senatoren sich wieder wählen zu laßen beabsichtigen, auch eine ganze Reihe von Deputierten als Kandidaten aufstcllcn laßen. Hierfür ist aber eine Propaganda nötig. Die Kandidaten müßen in die Wahlbezirke reisen und die Wähler bearbeiten, mit einem Worte die Wahlcampagne betreiben. Deswegen also haben sie es mit dem Budget nicht so eilig, aber desto eiliger, wieder in die Ferien zu kommen. Und allerdings wird jetzt ja ohnehin sehr wenig in der Kammer gearbeitet, so daß cs schon ver- nünftigcr ist, man klappt die Bücher zu und geht nach Hause. Nur auf eins kann man mit Recht gespannt sein, nämlich auf die Wahlreden der Deputiertenkandidaten und aus die Glaubensbekenntnisse, mit denen sie ihre Wähler zu gewinnen suchen werden Mit ihrem Pflicht eifer in der gegenwärtigen Tagung können sie sich ohne Zweifel nicht sehr brüsten, und selbst ihre antiklerikalen Proklamationen dürften beim augenblicklichen Standpunkte der Kongregationsfrage keine rechte Anziehungskraft haben, ganz abgesehen davon, daß dieses Zugmittel schon etwas ab gebraucht ist. Schwer wird eS ihnen wohl werden zu sagen, welche Politik verfolgt werden soll, um das sinkende Vertrauen von Handel und Industrie im be sonderen und das immer geringer werdende Vertrauen zum parlamentarischen Regime nn allgemeinen wieder ein wenig zu heben, denn unter dem Gesichtswinkel, unter dem letzteres gegenwärtig erscheint, hat es ganz das Aussehen des baldigen Verfalle«. Krankenhäuser haben keine Lesen, sogar ein Arzt hielt in seiner Wohnung die Sprechstunde im Ueberrock ab; doch fällt Schnee in Santiago selten Die Häuser sind nach spanischer Art so angelegt, daß sich die Zimmer um einen viereckigen Hos mit gärtnerischen Anlagen und Springbrunnen ziehen. Selbst große Häuser sind der Erdbeben wegen nicht aus Steinen, sondern gleich den andern aus leicht gebrannten Ziegeln errichtet. Erdbeben sind häufig. Im Norden von Chile erlebte es vr Hänel einmal, daß vierzehn Tage hintereinander jeden: Tagein Beben eintrat. Er machte dabei wie ander die Er fahrung, daß man bei wiederholten Bebcn nicht ruhiger, sondern immer ängstlicher wird. Die Seereise geht von Valparaiso nach Norden weiter über die beiden Häfen Coquimbo und La Serena, die an schönen Buchten liegen, hinter denen Thäler ins Gebirge cindringen, zur Provinz Atacama. Hier treten die Bcrglandschaften unmittelbar an die Küste heran. Mangelt ihnen auch die Vegetation, so sind sie doch durch die Steilheit interessant, mit der sie vom Meere aussteigen, und die Küste selbst durch das reiche Vogclleben, zu dem das Meer die Grundlage bietet; insbesondere der Pelikan kommt hier in Maßen vor. Reines Wüstcngebiet sind die beiden nördlichsten Pro vinzen von Chile, Antofagasta und Tarapaca, und doch enthalten sie in ihren großen Salpeter- und Salzlagern einen Hauptrcichtum des Landes, ja, ihre Gebirge bieten, namentlich in der letzten Provinz, sogar großartige Ein drücke dar Auf der Gewinnung des Salpeter» beruht in den „SalpcterpampaS" de« chilenischen Nordens die Thätigkeit der Menschen und die Bedeutung der Häfen an den Küsten dieses Gebiets, der „Salpeterhäfen" Antofagasta, Tocopilla, Jquique und Anca. Die Häuser bestehen dort in Rücksicht auf die Erdbeben einzig au« Holz und Wellblech. Da» Leben in den Hafenstädten ist ein reines Hasten und Jagen, vor allem in Jquique, dem Haupthafcn, und sehr teuer, da alles, was zum
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