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Fernsprecher: Amt Siegmar Nr. 244. 2 ochenblatt für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt, Rubenstein und Rottluff. O 34. Sonnabend, den 24. August ISIS. — Erscheint jeden Sonnabend nachmittags. Anzeigen werden in der Expedition Meichenbrand, Nevoigtstraße 11), sowie von den Herren Frisenr Weber in Reichenbrand, Kaufmann Emil Winter in Rabenstein und Friseur Thiem in Rottluff entgegen- teuommen und pro Ispaltige Petitzeile mit 1b Psg- berechnet. Für Inserate größeren Umfangs und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nach vorheriger Vereinbarung, bewilligt. Auzeigeu-Armahme in der Expedition bis spätestens Freitags nachmittags 4 Uhr, bei de» Annahmestellen bis nachmittags 2 Uhr. Bereiusiuserate müssen bis Freitags nachmittags 2 Uhr eingegangen sein und können nicht durch Telephon aufgegcben werden. Am 1. September ds. Fs. ist der 3. Termin der Gemeindeanlagen und des Schulgeldes »»f 1912 füllig. Es wird dies mit dem Bemerken zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß nach Ablauf der für d>e Bezahlung zugelassenen 14tägigen Frist gegen Säumige das Mahn- bezw. Pfändungsverfahren ein- Kleitet werden wird. Reichenbrand, am 25. August 1912. Der Gemeindevorstand. Gefunden wurde in hiesiger Flur ein Damengeldtäschchen mit Inhalt. Reichenbrand, am 20. August 1912. Der Gemeindevorstand. Meldungen im Fundamt Rabenstein. Gefunden: 1 Geldbeutel mit Inhalt. Verloren: 1 Klemmer. Der Gemeindevorstand zu Rabenstein, am 22. August 1912. „Herzenswunden." Novelle von Marie Harling. (Fortsetzung.) Nachdruck verboten. Lonis Antlitz nimmt, während sie spricht, einen fast versteinerten Ausdruck an, ihre Pupillen weiten sich, ihre Langen deckt fahle Blässe. Doch nur einen Augenblick, Mn kehrt die Farbe in ihre Wangen, das Leben in ihre ^ugen zurück und mit grellem Auflachen dreht sie sich im Kreise. „Warum starrt ihr mich so an? Gelt, ich bin eine Wickte Schauspielerin, habe eigentlich ganz meinen Beruf verfehlt. Pah, was kümmern mich die Schatten des Lebens, will lachen und fröhlich sein, will mich freuen im Mnzenden Sonnenlicht." , Wie ein Wirbelwind tanzt sie umher, bald die anderen 'n ihrer tollen Laune mit fortreißend. Nur Maria sieht ^schüttelnd zu. Ihr kluges Auge vermag der Uebermut nicht zu täuschen, der Schmerz, der aus Lonis Worten ge- Eert, hallt in ihrer feinbesaiteten Seele wieder. Ihren Am um Lonis Schultern legend, zwingt sie dieselbe, in Mem tollen Wirbel einzuhalten. „Meinen Sie denn, Loni, die Menschen, die fortwährend A Hellen Sonnenlicht wandeln, seien glücklich! Um bei Krem eigenen Vergleich zu bleiben; denken Sie sich einmal, M sollten die Spitze des Berges erklimmen, nun wären ^ie oben; wie ein Paradies, von goldenem Licht überflutet, Me die Welt vor Ihnen. Glauben Sie nicht auch, Loni, M recht bald die Stunde käme, wo sie sich fortsehnten M dem grellen sengenden Licht der Höhe in die kühlen, ^mmerigen Schatten des Tales? Allzu grelles Licht tut M leiblichen Augen weh, sollte es den Augen unserer Seele Acht ebenso ergehen? Glauben Sie mir sicher, Loni, jedes Äben hat seine Schattenseiten, es muß sie haben, denn Listen sie nicht da, so würde der Mensch seinen Schöpfer Mz vergessen, sich gar nicht mehr daran erinnern, daß hoch Aer den Sternen einer wohnt, der jede, auch die leiseste Legung unserer Seele versteht, der unser aller Geschick nach Mer weisen Vaterhand ordnet." Wie schön Sie predigen können, Maria, wahrhaftig, Ihnen ist ein Pfarrer verloren gegangen", lachte Loni", Müht, ihrer Stimme einen spöttischen Klang zu geben. . Maria aber läßt sich nicht beirren, sie hat zu viel in M jungen Herzen gelesen, um nicht zu wissen, welch edler Arn unter der Hülle des Spottes und der Ironie, die ein widriges Schicksal ihr gegeben, schlummert. ., Als sie sich trennt, hält Maria Loni noch einen Augen- zurück. „Sie haben mir noch immer nicht gesagt, ob Sie sich "" unseren Versammlungen beteiligen wollen?" Loni beabsichtigt eigentlich eine ablehnende Antwort zu Wen, unter dem Banne der klaren grauen Augen aber, 7.e so bezwingend auf ihr ruhen, bringt sie dieselbe nicht Mr die Lippen. „Nun ja, ich werde schon kommen", lacht sie etwas ge lungen, „es soll mich aber nicht gerade wundern, wenn Hr meiner schon recht bald Lberdrüßig werdet." . Auf Herrenhausen ist das Mittagessen vorüber. In ?sin großen, eichengetäfelten Speisezimmer sind die Vorhänge Ut geschlossen, denn draußen herrscht eine tropische Hitze. Mengend liegen die Sonnenstrahlen auf der nach Erfrischung Mzenden Erde, die Luft ist trocken und voll Staub, die Minen lassen schlummermüde ihr Köpfchen hängen. Im Mal aber herrscht eine angenehme Kühle, in dem spärlichen M, das durch die Schatten der Vorhänge fällt, lassen die einzelnen Gegenstände kaum erkennen. Der Besitzer M Herrenhausen, Herr Kommerzienrat Brunkert, fitzt be- Mlich in seinem Sessel zurückgelehnt und schlürft den Mkka, den ihm der Diener gereicht. Er ist so recht der Avus eines Mannes, der mit sich und dem Leben zufrieden l Die etwas zur Fülle neigende, kaum mittelgroße Figur, M rote, glattrasierte Gesicht mit den kleinen, lustigen Men, dem jovialen Zug um den ziemlich breiten Mund, Wen ihm ein gemütliches, sorgloses Aussehen. Ihm gegen- M sitzt seine Frau, in jeder Beziehung das reinste Gegen- M von ihm. Ihre hohe, stattliche Figur, eine gewisse, Mnehme Sicherheit in ihren Bewegungen, lassen wohl aus höhere Abstammung schließen, und in der Tat entstammt Frau Luise Brunkert einer alten, aber gänzlich verarmten Adelsfamilie. Von ihr hat auch wohl die Tochter, die etwas entfernt von den beiden an einem mit Büchern be deckten Tischchen steht, die imposante junonische Gestalt, die beinahe fürstliche Haltung. Eine Fülle aschblonden, leicht gewellten Haares umgibt das edelgeschnittene Antlitz mit der hohen, weißen Stirn und den klaren, stahlblauen Augen. Wie aus Marmor gemeißelt, so kalt und rein erscheint ihr Antlitz, nie verrät auch nur ein Zucken der Muskeln, was in ihrem Innern vorgeht. „Heute wird Herr Karlshagen jedenfalls seinen Abschieds besuch machen", wendet sich der alte Herr an seine Tochter, „sorge dafür, daß es zwischen euch endlich zu einer Aus sprache kommt." Edelgard wendet ein wenig den Kopf. „Ich begreife nicht, Papa, was Karlshagen veranlassen konnte, gerade jetzt sich versetzen zu lassen, wo er doch durch die geplante Heirat seine derangierten Vermögensverhältnisse ordnen kann. Wohl war ja im Sommer die Rede davon, jedoch glaubte ich, daß er nur im äußersten Notfall zu diesem Mittel greifen würde." „Ja, Kind, da habe ich so ein wenig mitgespielt. Ich wünschte diese Versetzung, denn siehst du, in der Residenz würdest du als simple Leutnantsfrau und dazu noch aus bürgerlichem Blut, wenig Beachtung gefunden haben. In einer kleinen Garnison aber, kann es dir bei deiner stolzen Erscheinung nicht fehlen, daß du bald eine führende Rolle spielst." Ein kaum merkliches Lächeln teilte die Lippen der jungen Dame. „Wie klug du kombinierst, Papa, ich fürchte nur, deine Weltkenntnis hat dir diesmal einen Streich gespielt. Gerade die Aristokratie der Kleinstadt ist am Exklusivsten, da bei ihr die Humanität der Modernen noch keinen Eingang ge funden hat. Aber was einmal geschehen ist, läßt sich nicht mehr ändern. Ich finde mich auch in Neustadt zurecht, vorausgesetzt, daß Karlshagen die Absicht hat, dir deinen unausgesprochenen Wunsch zu erfüllen." „Ist dir denn sein Kommen wirklich so gleichgültig?" Wieder huscht das leichte, halb spöttische, halb mit leidige Lächeln über Edelgards Gesicht. „Ja nun, einmal muß ich doch meine Freiheit aufgeben, einmal einen Gatten zu wählen, da ist's doch viel bequemer für mich, ich überlasse dir die Wahl, denn daß du mir einen ehrenwerten Mann aussuchst, darf ich doch wohl als selbstverständlich annehmen." „Du lieber Gott, Edelgard, von wem hast du nur diese seltene Art? Von mir nicht und auch nicht von deiner Mutter. Wenn wir auch keine schwärmerische Liebe für einander fühlten, so waren wir uns doch von Herzen gut und ich meine, so muß es auch bei einer ordentlichen Ehe sein." Edelgard zuckte die Achseln. „Nun, für meine Veranlagung kann ich nichts, ich wünsche mir aber auch garnicht anders zu sein. Du solltest doch auch zufrieden sein, denn nur so ist es mir möglich, deinen Wunsch zu erfüllen." „Ach was, Wunsch erfüllt oder unerfüllt, ich gäb' was drum, wenn ich einmal einen unüberlegten Streich von dir sähe. Immer die kalte, ruhige, überlegene Vernunft — es ist ja zum toll werden." Edelgard ist während des Vaters Rede schon in den Garten gegangen, sie liebt derlei nutzlose Aufregung nicht, ie stören nur die ruhige Harmonie ihrer Seele. Draußen st's jetzt wunderschön. Wie ein großer, roter Feuerball längt die Sonne am westlichen Himmel, die ganze Land- chaft ist wie in rosiges Licht getaucht. Wie verändert ist ms Bild, das sich jetzt dem Auge des Beschauers bietet, von dem einstigen Herrenhausen. Das mag Wohl auch der junge Mann denken, der langsam die breite Ulmenallee herab kommt, die zum Schlosse führt. Ein malitiöses Lächeln spielt um seinen Mund, als sein Blick über die eleganten Parkanlagen schweift. Was man doch für Geld nicht alles haben kann! Arme kleine Loni, wie lieb hatte sie die alten Bäume, die ganze roman tische Schönheit dieses Erdenfleckens! Wo mag sie wohl jetzt sein? Wenn sie sehen könnte, wie mau mit ihren Lieb lingen umgegangen ist! Diese modernen Anlagen, diese symetrisch abgezirkelten Teppichbeete, diese geraden, schatten losen Wege, sind sie schöner als der alte Park mit seinen unregelmäßigen Blumen- und Strauchgruppen, den schmalen, gewundenen Wegen, die durch schattige Laubgänge, durch ein schier undurchdringliches Gewirr von Ranken und Sträuchern führten? Wo ist sie hin, die Poesie des alten Besitzes, wo doch jeder Baum, jede verstümmelte Steinfigur ihre Geschichte hatte. Wie mag es Lonis Lieblingsplätzchen wohl ergangen sein?" Unwillkürlich lenkte der junge Mann seine Schritte zu der Stelle des Parkes, wo von dichtem Moos bewachsen der alte Brunnen liegt. Wie manchen Abend hatte er mit Loni dort gesessen, indeß das Wasser leise plätschernd in das steinerne Becken lief und die Nachtigall im Holunder gebüsch süße, schmelzende Weisen sang. Vom nahen Dorf kirchlein zitterte der Abendglocke Klang durch die friedliche Abendstille — wie schön, wie wonnig schön waren solche Stunden gewesen! So lebendig stand die Vergangenheit vor i! m, daß ihm fast ein Aufschrei entschlüpfte, als er auf der Bank am Brunnen eine hellgekleidete Gestalt sitzen sah. Wahrhaftig, hier war noch alles wie einst, hier blühte noch der flammendrote Mohn, in regellosen Gruppen, die ganze, wildromantische Schönheit von Lonis Lieblingsplätzchen war erhalten geblieben. Das leise Knirschen des Kiessandes hatte die auf der Bank Ruhende veranlaßt, den Kops zu wenden. Ein er staunter, unnahbarer Blick trifft den kühnen Eindringling, dem ein feines Rot langsam in die Schläfe steigt. „Verzeihung, gnädiges Fräulein, ich hatte keine Ahnung von Ihrem Hiersein, ich wollte lediglich die alten Plätze einmal wieder aufsuchen, an denen wir als Kinder so oft gespielt." „Bitte," eine leichte Handbewegung begleitete das ruhig gesprochene Wort, „Sie stören mich durchaus nicht, ein wenig Gesellschaft ist mir sogar ganz lieb in meiner Einsamkeit." Ein leichtes Lächeln huschte bei den letzten Worten über Edelgards Gesicht und gibt den kalten, fast strengen Zügen einen eigentümlichen Glanz. Unsicher ruht Viktor von Karlshagens Blick auf dem ruhigen, schönen Antlitz, sollten ihre Worte eine Aufmunterung für ihn enthalten? Sie wußte es doch, oder mußte es wenigstens wissen, in welcher Absicht er kam. „Fräulein Edelgard," er gibt seiner schlanken Gestalt ordentlich einen Ruck, denn die Worte wollen unter dem fast spöttisch-mitleidigen Blick der blauen Augen ihm nicht über die Lippen. „Sie wünschen mir etwas zu sagen?" Wie ruhig die Worte klingen, fast als rede sie mit einem furchtsamen Kinde. Ein heißes Rot steigt in sein Antlitz, gewaltsam nimmt er alle seine Energie zusammen. „Sie haben es erraten, Fräulein Edelgard. Ausgerüstet mit der freundlichen Erlaubnis Ihres Herrn Vaters, erlaube ich mir Sie um Ihre Hand zu bitten." Nun war das große Wort gesprochen, aufatmend bleibt er vor ihr stehen. Edelgard hatte den Kopf gesenkt bei seinen Worten, jetzt hebt sie die Augen zu ihm empor. Kein warmer Strahl zittert in ihren Tiefen, kein noch so leises Rot färbt ihre blassen Wangen. Einen Augenblick ruhen die Blicke der beiden ineinander, der seine mit scheuer Bitte, der ihre ruhig, kühlforschend, als wolle sie auf dem Grund seiner Seele lesen. „Herr von Karlshagen, wir wollen ganz offen gegen einander sein. Ich weiß, daß es nicht Liebe ist, was sie zu mir hinzieht, und ich ehre und achte es an Ihnen, daß Sie ehrlich genug sind, mir auch keine Liebe heucheln zu wollen. Die Hauptbasts, auf der eine Ehe stehen muß, das ist die gegenseitige Achtung, und diese hoffe ich, kann und wird auf beiden Seiten vorhanden sein. Eins aber muffen Sie mir versprechen, daß Sie vollständig frei sind über ihre Hand zu verfügen, denn ich möchte niemals die Rechte einer anderen an mich reißen. Eine Frau vermag vieles zu ver geben, Lüge und Betrug aber niemals."