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Erschein« wöchentlich 2 Mal Di«n-t«g und Freitag.) AbvnnementSpreis »ierteljährlich 1 Mark. Line einzelne Nummer k,stet_10 Pf. Jnseratenannahme Montag- u. Donnerstags bi« Mittag 12 llhr. Wochenblatt ' für Wilsdruff, Tharandt, Erscheint wöchentlich S Mal (Dienstag und Freitag AbonnementSpreiS vierteljährlich 1 Mart Eine einzelne Nummer kostet^O Pf Jnseratenannahme Montags u. Donnerstag- bis Mittag 12 «hr. Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. für die König!. Amtshauptmannschast zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Zweiundvierzigffer Jahrgang. Nr. AZ. Dienstag, den 28. November 1882^ Bekanntmachung, Durchschnittspreise für Marschfourage betr. Die Königliche Kreishauptmannschaft Dresden hat die Durchschnittspreise für Marschfourage in dem Hauptmarktorte des hiesigen Bezirks, der Stadt Meißen, auf den Monat Oetobek dieses Jahres folgendermaßen festgestellt: 7 Mk. 4 Pf. für 50 Kilo Hafer, 3 « 55 - - 50 - Heu, 2 - 19 - - 50 - Stroh. Königliche Amtshauptmannschast Meißen, am 22. November 1882. n. Boffe. «Kommenden Donnerstag, den SO. November -fs. Js., Nachmittags 6 Uhr, öffentliche StadtgemeinberathS- ffHNNg. Wilsdruff, am 27. November 1882. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. Die Unversöhnlichen in Frankreich nnd anderwärts. Das erste Jahrhundert des sogenannten Revolutionszeitalters wäre nun bald zurückgelegt, noch scheint es aber nicht, als ob dessen Ab schluß zu erleben einem der Zeitgenossen beschieden wäre, viel eher, daß er noch für Kinder und Enkel Gegenstand der Sehnsucht bleiben werde. Sind auch aus den Hauptherden der sozialen Umwälzung keine neuesten Schreckensthaten in großem Stile gemeldet worden, so wäre doch nichts unberechtigter, als die Annahme, daß in irgend einem Lande, wo die Feinde des Bestehenden ihre Thätigkeit einmal begonnen haben, diese erlahmt sei. Alle Anzeichen deuten aufs Gegentheil. Auch die Einsicht, daß der Freiheit kein schlechterer Dienst zu erweisen ist, als in ihrem Namen Verbrechen zu begehen, hat in der Masse der Unzufriedenen keine Fortschritte gemacht. Der Meuchelmord wird immer offener gepredigt nnd bald hier bald dort verübt. Eine trau rige Spezialität unserer Zeit ist es, daß der scheinbar planlose Mord und Massenmord — der weder aus Rache, noch Raubgier handelt, keine bestimmten Personen im Auge hat, sondern mittelst Sprengstoffen Tod und Verderben unter unbekannte, harmlose Menschen schleudert — immer häufiger wird. Hoffen die Urheber durch Schrecken über Schrecken eine Pöbelherrschaft hervorzurufen, oder sind es nur Aus brüche wilder Zerstörungssucht, Offenbarungen bestialischer Instinkte, die in blindem Wüthen ihre Lust finden? Wir stehen vor einem psychologischen Räthsel. Die blutigen Vorgänge in Frankreich finden freilich schon hinrei chende Erkürung theils in örtlichen Mißgriffen, theils in der allge meinen Lage seiner arbeitenden Klassen. Regierung, Senat und Volks vertretung scheinen nur von dem Gedanken beherrscht, die verlorenen Provinzen wieder zu erobern, Rache an Deutschland zu nehmen und gehen ganz auf in Vorbereitungen dafür; selbst die Schuljugend wird militärisch exerzirt, an die Arbeiter hingegen denkt man kaum, während doch diese gerade von der Republik ihr Heil erwarten und an sie die höchsten Anforderungen zu stellen pflegen. Schwerlich würden trotz dem jene Unruhen so umfänglich und nachhaltig geworden sein, wäre nicht die kommunistische Verbrecherbande aus dem Exil zurückgerufen. Dem Einflüsse Gambettas ist es bekanntlich zuzuschreiben, daß die nach Gesetz und Recht Verurtheilten amnestirt wurden. Wie wenig Men schen, die sich selbst für unversöhnlich erklären und das auf alle Weise bethätigen, durch Milde zu begütigen sein würden, lag am Tage; Gambetta gefiel es aber, seine Zwecke unter einem christlichen Mäntel chen zu verstecken. Als Freund des Volkes und der Freiheit wollte er sich vor Allem zeigen. Vielleicht war sein Hintergedanke, daß die mit geschärftem Grimm Zurückgekehrten der bestehenden Staatsgewalt bald über den Kopf wachsen und ihn, den „Mann der Zukunft", zum Manne der Gegenwart, zum unentbehrlichen Gesellschaftsretter machen würden. Auch in den andern Ländern ist kein Rückgang der äußersten Parteien zu bemerken. Auf der diesen Sommer zu Paris tagenden italienischen Anarchistenversammlung erklärte ein Beschluß den Meuchel mord für erlaubt und nothwendig und fand Zustimmung aus den 5 größten Städten der Halbinsel. In Genf hielten während des Musik festes die Internationalen eine geheime Zusammenkunft mit ähnlichen Verhandlungen und Beschlüssen. Das einzige, aber unfehlbare Heil mittel der kranken Gesellschaft sieht man im Dynamit. In Genf scheint überhaupt der engste Ausschuß der Ruhestörer aller Nationen sein Hauptquartier aufgeschlagen zu haben. — Im großen Zarenreiche ge winnt der Nihilismus immer mehr an Ausbreitung und innerer Kraft. Weit bedrohlicher noch, als die wieder und wieder aufgefundenen un- terirdischen Minen und die Sprenggeschosse, ist die durchweg sich kund gebende Unterwühlung deS gesetzlichen Sinnes, die Anhäufung von politischem Zündstoff und der steigende Rassenhaß. Schon vor 15 Jahren wies eine amtliche Denkschrift nach, daß in 37 Gouvernements der Nihilismus Anhänger zähle und beklagte noch mehe als diese Thatsache die Leichtigkeit, mit welcher seine verruchten Lehren in allen Gesellschaftsschichten Eingang und lebhafte Sympathie finden, so daß weitere Ausbreitung unausbleiblich sei. Diese scheint, was ihr früher meist mißlang, sich auch auf den Bauernstand zu erstrecken, begünstigt durch unerfüllt gebliebene Versprechungen der Regierung und agrarische Mißstände, sodaß Meutereien nichts Seltenes sind, namentlich in Klein rußland und Podolien, wo man eine allgemeine Bauernerhebung gegen den Großgrundbesitz befürchtet. — Wie wenig Irland beruhigt ist, be zeugen die noch immer vorkommenden Gewaltthaten, von amerikanischen Feniern wird gesorgt, daß die Gemüther in Aufregung bleiben. — österreichische Regierungsorgane versicherten früher, eine soziale Frage gebe es in Oesterreich-Ungarn nicht, mithin auch keine Sozialisten; seit Monaten ist es kein Geheimniß mehr, daß in der Hauptstadt und mehreren Provinzen Anarchisten ihr Wesen treiben. — Von unserer heimischen Sozialdemokratie hat in den letzten Jahren nicht viel ver lautet, außer allem Zweifel steht indessen, daß sie ihre Pläne nicht aufgegeben, sondern die Propaganda, so sehr dieselbe auch zeitweilig erschwert ist, in der Stille unermüdlich und nicht ohne Erfolg betreibt. Wie es immer war, so ist es heute noch, und heute vielleicht in höherem Maße als je zuvor: durch politische und soziale Ideen werden die Massen aufgeregt und in Bewegung gesetzt, sehr bald mischen sich aber die bösartigsten Triebe der Menschennatur ein, und dies ist um so bedrohlicher für die allgemeine Wohlfahrt, je mehr Religion und Moral in Verfall gerathen. Was die bürgerliche Gesellschaft gegen diese Gefahren thun kann, braucht hier nicht wiederholt zu werden. Durch und durch Verbitterte, Menschen, die jeden Frieden, jede Unter handlung, jeden Waffenstillstand verschmähen, zu begütigen vermag sie nicht, wohl aber kann und soll sie alles aufbieten, um zu verhin dern, daß deren Zahl fort und fort anwächst. Tagesgeschichte. Berlin, 23. November. Der Bundesrath beschloß heute die einjährige Verlängerung des kleinen Belagerungszustandes für Berlin. Dem preußischen Herrenhaus ist ein Gesetzentwurf vorgelegt worden, welcher den Zweck hat, die Rechte der Hypothekengläubiger nachdrücklicher als bisher zu wahren. Derjenige, welcher den ZwangS- verkauf eines Grundstücks, Hauses u. s. w. beantragt, soll denselben in Zukunft nicht durchsetzen können, wenn die ihm vorhergehenden Gläubiger aus dem Erlös nicht befriedigt werden können. Das Ver fahren würde sich folgendermaßen gestalten. Ein jeder Gläubiger kann den Antrag stellen, daß das hypothekarisch verpfändete Besitzthum verkauft werde. Im Versteigerungstermin hat aber das Gericht nach den Angaben des Grundbuchs von Amtswegen ein geringstes Gebot festzustellen, welches die vorstehenden Gläubiger deckt und unter welchem der Verkauf nicht erfolgen darf. Die Forderungen dieser Gläubiger braucht aber Derjenige, welcher das Grundstück kauft, nicht baar aus zuzahlen, sondern nur zu übernehmen, ohne daß dadurch ihre Fällig keit verändert wird; baar zu zahlen ist nur derjenige Betrag des Meistgebots, der über das vom Gericht festgesetzte mindeste Gebot hinausgeht. Es wird also in Zukunft kein Eigenthümer eines Grund stücks aus demselben vertrieben werden können, wenn durch den Verkauf eine Befriedigung des Gläubigers, der den Zwangsverkauf beantragt, schlechterdings nicht zu erzielen ist. Die Verhandlungen im preußischen Abgordnetenhause haben bis her wenig Greifbares geliefert. Aus allen Reden ließ sich entnehmen, daß Klarheit im Staatshaushalt nicht zu erzielen sei, so lange die Regierungsvorlagen fehlten. Gleichwohl soll noch eine Generaldebatte über diesen Gegenstand stattfinden. Die Einigung zwischen der Fortschrittspartei und den Liberalen scheint wirklich vor sich zu gehen. Wenigstens ist sie bereits im Kran kenversicherungsausschuß des Reichstages Thatsache geworden. In einer dieser Tage stattgehabten Sitzung dieses Ausschusses einigte man sich dahin, auf der Weiterbildung und Vervollkommnung der bestehen den Verhältnisse zu beharren, dem gewaltsamen Eingreifen durch völlige Neubildung aber entgegenzuwirken. Die „Kreuzzeitung" weiß zu melden, daß auch in der gegenwär tigen Session des preußischen Landtages die Verstaatlichung der Eisen bahnen einen weiteren Schritt machen werde. Wenigstens schienen hierfür die bisherigen Erfolge dieses Systems, sowie einige äußerliche Anzeichen zu sprechen.