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bürgerliche Müler lierauÄ Sachsen ist neben Thüringen das Land, in dem am meisten gewählt wird. Wir bilden uns nichts ein auf diesen Ruhm, die geübtesten Wähler in Deutschland zu sein/ aber die Fest stellung zeigt die besondere Schwierigkeit mrserer tnnerstaat- lichen Verhältnisse, und die schwere Verantwortung, die sie dem wahlberechtigten Volk ausbürben. Es ist menschlich nur zu begreiflich, das, die allzu häufige Wiederholung des Wahl aktes ermüdend wirkt, und sogar entmutigend, wenn man sieht, wie kaum gewählte Regierungen abtretcn müssen» bevor sie mit ihrer Arbeit richtig in Schuß gekommen sind. Ver ständlich ist deshalb auch die wachsende Abneigung gegen bas parlamentarische System, weil es sich seit Jahren in un fruchtbare» Reibungen erschöpft und bet jeder ernsthaften Stockung die Flinte ins Korn wirft, seine Zuflucht zu den Wählern nimmt und den berühmten Appell ans Volk richtet. Trotzdem wäre es ein Verbrechen au Staat und Volk» wenn wir heute, an diesem entscheidenden Schicksalstag, uns ans Verdrossenheit, Müdigkeit. Gleichgültigkeit oder irgendwelche« anderen Gründen dem Wahlrnf entziehen wollte«. Denn das leidige System herrscht, ob es uns gefällt ober nicht. Und wir sind ihm verschrieben, ob wir wollen oder nicht. Darum gilt es heute, sich aufzuraffen und den neuen Landtag so zu gestalten, daß eine starke Mehrheit der Rechten ihm Arbeitsfähigkeit und Stetigkeit verbürgt. Es ist eine neue, vielleicht die letzte Gelegenheit, die uns gegeben wird, durch einen Akt des Bürgermutes reine Bahn zu schaffen sür eine gedeihliche Entwicklung in Sachsen. Für eine Re gierung, die, frei von marxistischen Einflüssen, den geraden Weg des Rechtes und der Ordnung geht» die sich in ihrer Landespvlitik der großen Notlage des Reiches anpaßt und aus Sachsen eine Keimzelle der inneren Gesundung macht. Geben mir uns in dieser Stunde keinen Täuschungen hin über die Gefahr, »ie von links her wie-er »rohl! Wohl ist die Parole vom Sowjetsachscn nach Zeigncrart sür den Augenblick verstummt, weil der Bruderzwist zwischen Sozialisten und Kommunisten eine solche Regierung, auch wenn sie die Mehrheit hätte, unmöglich macht. Aber nicht minder verderblich in ihren Wirkungen wäre eine sozial demokratisch geführte und beherrschte Re gierung, die sich aus der Grundlage bürgerlicher Mit arbeit ausbauen würde. Die Deutsche VolkSpartet hat sich im aufgelösten Landtag mit Händen und Füßen dagegen ge wehrt, weil sie wohl wußte, was dem Lande von einer Re gierung Flcißncr droht. Und umgekehrt zielt heute das ganze Trachten und Streben der sächsischen Sozialdemokraten daraus hin. Ihnen liegt weniger an einem „roten Sachsen", das ihnen wegen der mangelnden Bündnisfähtgkeit der Kom munisten nichts nützt, als an einer Zusammensetzung des Landtags, die die bürgerlichen Mittelparteien zu einer KoalitionSgemetnschaft mit der Sozialdemokratie zwingt. Deshalb, weil das Ziel der Großen Koalition im alten Landtag ans dem Verhandlungswege nicht zu erreichen war, wurde er letzten Endes aufgelöst. Darum werden im Grunde die Wähler bemüht. Aber deshalb, weil die sächsischen Linkö- radikalen aus ihrer Oppvsitivnsstellung sich loszulöscn trach ten und in unersättlichem Machthunger die Hand nach dem Staatsrudcr auSstrecken, sind sie in ihren Methoden und Zielen nicht gemäßigter geworden. Eine bürgerliche Koalition mit ihnen müßte an der Unmäßtgkctt ihres NcgierungSprogramms in kurzer Zeit scheitern und bald wieder zu Neuwahlen führen oder aber mit der Unter werfung der zahlenmäßig absichtlich schwach gehaltenen bürgerlichen Partner unter den Machtwtllen der roten Herren enden. Dann wäre Verschleuderung des GtaatSvermögenS» steuer liche Vergewaltigung der um ihr Leben ringenden Wirt schaft und Verlotterung des Staatsapparates dnrch Par teibuchpolitik in den Aemtern Sachsens «na«sbleib- liches Schicksal. Dagegen aufzustehen und anzukämpfen mit aller Macht, statt einer roten oder rötlichen einer gefestigten bür gerlichen Negierung den Weg zu bahnen und sie fester als die bisherigen zu untermauern, das ist das Ge bot -er Stunde und die Pflicht des seiner Verantwortung als Staatssouverän bewußten sächsischen Volkes. Wir brauchen eine bürgerliche Negierung, die sicher auf den Füßen steht, die ohne ängstliches Schielen nach links das Notwendige tut nach den Grundsätzen der Sauberkeit und Sparsamkeit, die nicht bet jedem Stirnrunzeln der Marxisten zittern und vor ihre» Mißtrauensanträgen beben muß. Wenn dieser Aufschwung gelingt, wenn mit dem heutigen Sonn tag endlich Beständigkeit in die sächsische Politik ein- zteht, dann kann diese als sinnlos verschriene Wahl einen tiefen und guten Sinn bekommen. Sage niemand, daß dieses Ziel angesichts der sozialen Struktur -er sächsische« Bevölkerung unerreichbar sei. Es ist erreichbar, wenn die auf die Linie der Ordnung und der Staatsver nunft eingestellte grotzeMehrhett des Volkes nur will und wenn sie ihren Willen durch den Gang zur Urne auch endlich staatsbildend in die Waagschale wirft. Der Spruch von der in zwei gleiche Hälften, eine bürgerliche und eine marxistische, geteilten Bevölkerung Sachsens ist ja nur ein Reklamevers der Sozialisten und ihrer bürgerlichen Schlep penträger. Die Wahrheit sieht ganz anders aus, wenn man die große Partei der Ntchtwähler — durchschnitt lich ein Drittel der Wahlberechtigten — berücksichtigt. Zwischen 7MM0 und 1 Million schwankt ihre Zahl von Wahl zu Wahl. Und sie sind keine Marxisten, sonst hätte sie der rote Wahlapparat, der seine Anhänger restlos zu er fassen pflegt, längst mobilisiert. Sie setzen sich zusammen aus den Massen der Leichtsinnigen mit dem ver derblichen Motto: „Auf meine Stimme kommt es nicht an", die über jede nichtige Vergnügung die Wahlpflicht ver säumen. aus dem Lager der Gleichgültigen, die mit politischen Dingen nicht behelligt werden wollen, aber hinter her über die Schlechtigkeit der Welt jammern, wenn die Wahlentscheidnng gegen ihre Interessen gefallen ist, und aus dem Heer der Verärgerten, denen es keine Partei rcchtmachen kann und die überall etwas auszusetzen haben. Diese verbündeten Drückeberger des Bürgertums tragen als letzte Verantwortliche die Schuld an unserem parlamenta rischen Elend. Den» durch ihre Zurückhaltung überlassen sie das Feld kampflos dem Gegner/ indem sic nicht wählen, wählen sie als die dümmsten Kälber ihre roten Metzger selber. Darum ein letztes Mort an »te Lauen un- Flauen! Es ist nicht wahr, daß es aus euch nicht ankommt. Jede einzelne Stimme ist wichtig, und die letzte kann den Ausschlag geben. Wenn Sachsen wieder unter das Joch der: roten Herrschaft gebeugt wird, dann ist es nur möglich durch eure Schuld. Darum rafft euch endlich aus, be greift eure Verantwortung und sprecht das entscheidende Wort: Sachsen soll frei sein von roten Ketten! Aus dem Herzen Deutschlands heraus soll es ein Beispiel geben, wie das Reich genesen kann. Seht, von überall her, von Nord und Süd, von Ost und West sind die Augen auf uns gerichtet. Der Schatten der Sachsenwahl bannt die Rcichspolitik. Hoffnungen und Be fürchtungen knüpfen sich daran. Wird cs ein Signal zum Ausstieg sein oder ein weiterer Stoß aus der Bahn des Niederganges? Gebt als gute sächsische Bürger und als treue Deutsche die Antwort! Welch eine Schande für das Land, wenn es in dieser kritischen Stunde versagen, wenn es die Erwartungen der Gutgesinnten enttäuschen würde. Darum keine Schwachheit und kein Zaudern! Für jeden Sachsen, der sein Land liebt, gibt es heute nur einen Gedanken und eine» Willen: allen feindlichen Gewalten zum Trotz die starke bürger liche Mehrheit im Landtag zu erringen, in der sich alles vereint, was wir sür die Zukunft an Gutem und Ausbauendem wünschen können. Wer nicht in kurzer Zeit wieder wählen will, wer in unserem Lande eine solih« Staatsführung erstrebt, verbürgt durch eine gefestigte Autori tät, wer korrupte Zustände nach Berliner Art verabscheut und fachliche Tüchtigkeit in unserer Verwaltung dem Futter- krtppendrang roter Bonzen vorzieht, wer ausgletchende Ge rechtigkeit als öle notwendige Richtlinie der Sozialpolitik und eiserne Sparsamkeit als Gebot der Finanzwirtschaft er kennt, wem der kultur- und sittenzerstörende Atheismus ein Greuel ist, und wer im Familien-, Schul- und Staatsleben praktisch sich auswirkendes Christentum als dauerhaftes Fundament legen will, »er sehe hin un» wähle büroerlich! Der lasse es sich nicht genügen, selbst seine Pflicht zu tu», sondern stöbere die Wahlsaulen, die Tauben und Blinde» der Politik, in ihren Schlupfwinkeln auf und bringe sie zum Erkennen ihrer Versäumnisschuld. Dann haben wir die Hoffnung, daß am Montag die Sonne über einem Sachsen aufgcht, das trotz aller Wirrsale der Zeit getrost in eine bessere Zukunft gehen kann. Durchs ganze Land schmettert die Fanfare: Bürgerliche Wähler heraus! Bemühungen um -ie Große Koalition Die Ambil-utis öes Kabinetts Brüning Vrnbtmvlcknog unssror Vorttnvr Lekrtktlvttnng Berlin, 21. Juni. Der preußische Finanzminister Dr. Hö p k e r - A s ch o s s ist am Sonnabend früh in Berlin ein- getrofsen und wird im Laufe des Tages die verabredete Aus sprache mit dem Reichskanzler Dr. Brttntng haben. Inwie weit es dem Reichskanzler gelingen könnte, Dr. Höpker-Aschoff zur Uebcrnahmc des Reichsfinanzministeriums zu bewegen, läßt sich noch nicht übersehen. Die Nachrichten sind durchaus noch widersprechend» besonders infolge der Aeuße- rungen, die Dr. Höpker-Aschoss gestern in Gelsenkirchen getan hat und in denen er ausführte, daß er nicht daran denke, bas Reichsfinanzmtnisterium zu übernehmen, da er sich nicht vorstellen könne, in diesem Kabinett fruchtbare Arbeit zu leisten. Von großem Interesse sind in diesem Zusammen hang Mitteilungen, die die dem Rcichsernährungsminister nahestehenden „Landvolknachrichten» verbreiten. Diese Korre spondenz meldet, daß Verhandlungen zwischen ZentrumSabgeorduete» «nb der Sozialdemokratie über Möglichkeiten einer Erweiterung der Regie rung nach links gepflogen würden. Infolgedessen sei inan in den dem jetzigen Rcichskabinct nahestehenden Gruppen des rechten Flügels aufs unangenehmste be rührt. Man halte es für völlig ausgeschlossen, daß bei einer Erweiterung der Regierung nach links das Kabinett weiterhin aus die Unterstützung der staatsbürgerlichen Kreise der Rechten rechne« könne. Gewäytt wird diesmal von S biü s ttyr. Nicht-Avüyler fehädrgen fleh und das ganze Volk.