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IA September 1856 (Querstraße Nr. 8). Jnsertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Zu. beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Erpeditio» in Leipzig Donnerstag. Geizig.'Lie Zeit^ ' ' " -M- Dtüffcht WWM Ztitmg. Preis für da« Vierteljahr " 1'/, Thlr ; jede einzelne . «Wahrheit und Recht, Frciheituud Gesetz!» Nummer 2 Ngr. Den erhöhten Anfodevungen, die,in -er jetzigen Zeit an die größern politischen Blätter Deutschlands gestellt werden, sucht die Deutsche Allgemeine Zeitung in jeder Weise zu entsprechen. Sie hat zahlreiche und zuverlässige eigene Correspondenten an allen Hauptpmtkten Eurspas. Ihre «ett-WW stMp den Leser über die politischen Angelegenheiten zu unterrichte» und zu gleich die Aufgabe dex unabhängigenipqt^ nach Kräften zu erfüllen. Den sächsischen Ytngelegenheiten wird in Lettartikelu unb Correspondenzen groMDWWsamkoit gewidmet. Wichtige Nachrichten, auch die Börsenkurse von Lon don, Paris, Wien, Berlin rei , erhält die ZeikMtz Drch Depesche«. Die Interessen des Hnn-ekS und der W»-«flkie finden sorgfältige Beachtung, GE:WHW»R gibt zahlreiche Originalmittheilungeu und kurze Notizen über Thea ter, Kunst, Literatur u. s. w. T>ie Deutsche Allgemeine Zeitung erscheint, Wit Ausnahme des Montags, täglich in einem ganzen Bogen. Das viertel' jährliche ^kbonnement bettägt 1 Thlr. IS Ngr. Bitserate finden durch die Zeitung die weiteste Verbreitung und werden mit S Ngr. für den Raum einer Zeile berechnet. Bestellungen auf das mit dem L. Netober beginnende neue Abonnement werden von allen Postämtern des In- und, Auslandes, in Leipzig von der Expedition der Zeitung angenommen und baldigst erbeten. Deutsch land. Preußen. ^-Berlin, 16. Sept. Hr. Stahl sagte seinerzeit, das österreichische Concordat sei für uns nicht- als eine Mahnung, Das selbe zu thun, d. h. nicht auch ein solches Concordat abzuschließen, dessen cs in Preußen, wegen der vörtheilhaften Stellung, welche die Katholiken bei uns einnehmen, gar nicht bedürfe, sondern in gleicher Weise auch die Macht der protestantischen Kirche zu befestigen und zu mehren, wie in Oesterreich durch daS Concordat die Macht der katholischen Kirche befestigt und vermehrt worden sei. Das Hauptargument schöpfte Hr. Stahl aus der politischen Nothwendigkeit; denn, meinte er, es könne für Thron und Staat die rettende Stütze nur noch in der Kirche gefunden werden. Daß Hr. Stahl aber unter „Kirche" nur seine Kirche und unter „Christenihum" nur sein specifischcs Christenthum versteht, ist bekannt. Vergegenwärtigt man. M dies Alles und überschaut hnnn, was. in kirchlicher Beziehung nach und, nach bereits geschehen ist, so kann darüber wol kein Zweifel ob- wattep, daß das letzte Ziel der herrschenden Richtung nothwendig die Her stellung einer systematischen kirchlichen Zwangsjacke nach allen Seiten hin, sein-muß. Je mehr man aber auf dieses Zstl lossteuert, desto, mehr wer- dtzp, natürlich auch die Personen berührt, und es ist klar, daß in demselben Grade auch die Opposition gegen die herrschende Richtung zunehmen muß. Daß au» dem verfolgten Systeme nichts Gutes und nur das Gegentheil vgniDem entspringen kann, was man erstrebt, haben wir wiederholt aus- gesprochen; möchten die goldenen Wort«, welche jetzt das Protestantische Kirchenblatt für das evangelische Deutschland über die Sache aussprichtz. nM verloren sein! ES heißt da: „Man redet jetzt viel von, einem specisi- schon, Christenthum und gibt dies, für, das. einzig echte ans; genauer ange- seh«», ist es- aber nichts weiter als ein durch heidnisch« Anschauung erzeuge- ter, christlicher Wechselbalg,, der durch und durch HM« und Scherbe ist und kein Fünklcin lebensvoller Wahrheit hat, nicht aus dem Gottcsworte stammt, sondern nur aus anmaßender Menschmtradition, welche einige Buchstaben und Satze. deS. göttlichen Worts herausge^ogen, sie ihres natürlichen Sinns entkleidet, und in Unsinn verwandelt und sie. so auf. ihr hartes Pergament gedrückt Has, das mit. dem stolzen Siegel, der Jnfallikilttä't beklebt oder bc- gläubig^ vor. unserm «staunte« Auge liegt; es ist dies specisisch« Christen- thum, aus, der neuesten Fabrik nichts weiter als ein scharfkantiges, borsti- g<s° Wessn, das, jedem gesunden menschlichen-Zeitlrbcn ins Gesicht schlägt, jede Regung, echtzer Religiosität, und Frömmigkeit unter die Füße tritt oder ihr wenigstens di« Zwangsjacke anzuziehen sucht, nach Art jener, ge fährlichen. Verrückten, die- alle Andern für wahnsinnige halten, außer sich WW vnd etwa Diejenigen , die sich gerade so geberden wie sie. Es ist sehr, zu, fürchten, daß, die übermüthigen und energischen Patrone solche» specisischen Ehristenthums nicht eher ruhen werden, als bis sie das Ungeheuer Ker Revolution, dessen Erscheinung sie verhüten zu wollen vor- gehen und sich für ihre Dienste gern mit Ehre und Macht und Geduld (so steht's im Original,, «S ist aber wol «in D-ickfehler und soll Wahlschein- lich «Geld« heißen) und Gut belohnen, lassen, wieder recht eigentlich aus dem Abgründe heraufbeschworen haben." Urb« die Scharfe dieser Polemik dürft« mau, auswärts wol einigermaßen erstaunen- und es ist dabei wohl, zu- bedenken, daß, wir es in dem genannten Kirchenblait lediglich mit Geist liche«, von der conservativsttn Richtung zu thun haben. Wenn, sich nun schon von, dieser Seite die Opposition in solcher, Weis« kundgibt, so mag. mau. daraus- einen. Schluß ziehen auf die Stärke der Opposition in den weitern. Kreisen des Volks. „Wer sind nun gegenwärtig die Wühler?" fährt das genannte Blatt fort. „Die Antwort liegt nahe. Niemand An deres als die modernen Orthodoxen, besonders die rührigen Neulutheraner im Bunde mit den klugen KirchenstaatSkünstlern und den romantisch schwär menden kirchlichen Alterthümlcrn, die alle mit dem Ultramontanismus und Jefuitismus recht aufrichtig liebäugeln. Das sind die Mühler in unsern» protestantischen Deutschland, auf das wir hier zunächst zu sehen haben. Sie find cS, wie entschieden sie auch den Vorwurf der Wühlerei von sich abzuwenden suchen; sie sind es, wie eifrig sie auch bemüht sein mögen, sich als die Rechten hinzustellen, die Thron und Altar schützen, und in die Camarillen der Höfe einzudringen, bald als schleichende Leisetreter und ge wandte Mundgercchtmacher, bald in kriegerischem Zuschnitte als stolz und kräftig ausiretende Prätorianer. Sie find die Wühler; denn von einem echten, mit geschichtlicher Nothwendigkeit bis in die neueste Zeit fortgebau- ten ConservatismuS, der wirklich Leben hat und Leben trägt, wollen sie nichts wissen; sondern sie wühlen willkürlich im Heiligthum der Geschichte aus den in- und auseinandergewachsenen Erscheinungen diejenigen auf und heraus, die gerade in ihren Kram zu paffen scheinen, zerreiße» dabei mit knabenhaftem Muthwillen die Wurzelfasern und Fäden, durch welche diese Erscheinungen mit dem Leben ihrer Zeit zufarnmenhingen, und nennen das so herauSgrholt« Bruchstück eines vormalige« Lebens prahlerisch ihre Rea- lität, dip sie nun in di« Gegenwart- zu verpflanzen oder vielmehr mit der selben zusammenzufchweißen suchen re: Kann cS ein« großartigere Wühlerei geben? Haben je-politische Wühler so wenig Achtung vor der Geschichte und dem Gefchichtlichgewordenen gezeigt? Haben sie je mit solchem Uebcr- muthe die- großem Tobten unser» BEs geschmäht und über die Heroen un serer Literatur, denen jene neuen Heilands nicht Werth sind, die Schuhric- men aufzulösen , den Stab gebrochen? Wie es ferner mit dem Gehorsam dieser kirchliche» BÄHler gegen die von Gdtt geordnete Obrigkeit stehe, da von gibt uns Vie neueste Zeit hinreichende. Belege. Sie scheinen -da» apo stolische Wort: Man muß Gott mehr gehorch««, als den Menschen, recht wohl auszudeuten zu wissen; si« sind zu« rechten Zeit demüthig und: hoch- fahrend, und das Kirchenstaatsthum macht unter ihrer Pflege» ganz im-Wi- derfpruche mit dem bisher herrschenden System des ConservatismuS reckt gut» Fortschritten Nur in zwei-Punkten scheinen sie mit den politischen Wühlern do« nähern und der ferner« Vergangenheit ziemlich verwandt zu sein- nämlich iw der Geschicklichkeit und der Energie, mit welcher sie die Verbindung unter sich zu erhaltrn und zu unterhalten wissen, um überall, wo es nolhthut, d. h. wo eine wichtige Stellung zu gewianen ist, sogleich bei der- Hemd zu sein, und sodann in dem- Streben- Weihest, Einfluß, Ehre und Macht hauptsächlich für sich zu erlangen, den Uebrigcn aber das Recht zu geben, ihre garstigem sittlichen und-andern Kräfte ihnen zur Dis position zu stellen oder darauf zu verzichten." Diese Proben möge« zur Schilderung der bei einem überaus großen Theil unserer Geistlichkeit herr schenden Stimmung genügen. An Warnungen fehlt es, wie man sieht, nicht; möchte man dieselben nicht unbeachtet verklingen lassen!— Der diessei tige Gesandt« in Paris, Graf Hatzfeld, ist zum Kaiser nach Biantz abge reist. Wie man in hiesigen politischen Kreisen wisse» null- wäre die Reise auf eine ausdrücklich» Einladung de» Kaisers erfolgt, au» welchem Grunde sich denn auch die Gemahlin des Grafen HajMd mit nach Biaritz begeben hätte/ Wir erwähnen dieser Angabe jedoch nur beiläufig; denn mag eine Einladung erfolgt sein ober nicht, so kann- darüber doch kein Zweifel ob walten,. daß dev eigentliche Zweck der Reife sich unter allen Umständen auf die jüngsten Vorgänge in Neuenburg und die sich an dieselben knüpfenden weitern Fragen beziehen muß. Sind, wir anders gut unterrichtet, so ist von Seiten der französischen Regierung, gleich nachdem sie von den Vor gänge» in Neuenburg Kunde erhalten, an den französischen Gesandten bei der schweizerischen Eidgenossenschaft die Weisung ergangen, sich bei dem Bundesrath in dem Sinn auszusprechcn, daß jene Vorgänge lediglich als eine Cantonalangelegenheit angesehen, d. h. nicht als ein Unternehmen gegen