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Dresdner Journal : 30.09.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189609306
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960930
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960930
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-09
- Tag 1896-09-30
-
Monat
1896-09
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 30.09.1896
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v«,n»»»ret». Air Dresden vterteljährltch r Mart dv Pf, bei den Laif», lich deuuchen PoftanstaUen lnettetjährtich » Mari; außer- datd de» Deutschen Rerche« Poß- uird Stempelzuschlaa. Einzelne Nummern: lv Pf Grschetne«: Täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage abend«. Aernjpr -Anschluß: Nr ILAS. AnkündigungSgebübre«: Für den Raum einer gejpal- trnen Zeile tlciner Schrift io Ps Unter „Eingesandt" die Zette üo Ps. Bei Tabellen- und Zifsernsatz entfprechender Aufschlag. Herausgeber: königliche Expedition del Dresdner Jvurnal» DreSden, Zwingersir SO. Ferner -Anschluß: Nr 12SS. .W 228. 1896. Mittwoch, den 3«. September, abends. Bestellungen auf das „Dresdner Journal" für das nächste Vierteljahr werden zum Preise von 2 M. 50 Pf. angenommen fir Dresden: bei der unterzeich neten Expedition (Zwingerstr. Nr. 20), siir a«S- WärtS: bei den Postanstalten des betreffenden Orts zum Preise von 3 M. In DreSden-Neustadt können Bestellungen abgegeben werden in der Hofmusikalienhandlung des Herrn Adolf Brauer (F. Plötner), Haupt straße 2, wo auch Ankündigungen zur Be förderung an unser Blatt angenommen werden und wo, ebenso wie bei dem Bahnhofsbuchhändler Herrn« Weigand (Personcnhauptbhf.), Herrn Kaufmann Simon, Cirkusstr.24 (Ecke Pillnitzer Straße), Herrn Kaufmann Lebr. Wesser, Prager Straße 2 und Frau verw. Siegmeier, Alaunstr. 19, einzelne Nummern des „Dresdner Journals" zu haben sind. Miigl. Expedition des Dresdner Journals. Amtlicher Teil. TreSdeu, 30. September. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den LandgerichtrpräsideMen Karl Emil von Bose in Dresden und den Land- gerichtsrath Karl August Wolf in Leipzig auf ihr Ansuchen in den Ruhestand zu versetzen, den Land- gerichtsdirektor Oberjustizrath vr Karl Moritz Emil Hagen in Leipzig zum Präsidenten des Landgerichts Leipzig mit dem Range in Klasse U der Hofrang ordnung, den Landgerichtsrath t)r. Julius Alfred Franze in Leipzig zum Landgerichtsdirektor bei diesem Gerichte, den Amtsrichter Moritz Adolf Kurt Nehrhoff von Holderberg in Leipzig zum Land richter beim Landgerichte Plauen, den Staatsanwalt Hermann Otto Berndt in Dresden zum Landrichter beim Landgerichte Dresden, den Landrichter vr Paul Emil August Theodor Nickel in Plauen zum Amts richter beim Amtsgerichte Leipzig, den Assessor charakterisirten Staatsanwalt vr. Heinrich Gottlob Weichert in Dresden zum Staatsanwalt beim Landgerichte Bautzen, den Assessor beim Amts gerichte Sebnitz Eugen Seydel zum Amtsrichter beim Amtsgerichte Grimma, den Assessor beim Landgerichte Leipzig Hugo Johannes Man Is feld zum Landrichter bei diesem Gerichte, den Assessor beim Amtsgerichte Großenhain vr. Heinrich Walter Rudolf Kraner zum Amtsrichter beim Amts gerichte Riesa und den Assessor beim Amtsgerichte Chemnitz vr. Erdmann Raimund Florenz Meister znm Landrichter beim Landgerichte Chemnitz zu er nennen, dem Assessor der Staatsanwaltschaft beim Landgerichte Plauen Franz Arthur Graf den Cha rakter als Staatsanwalt beizulegcn und zu genehmigen, daß der Amtsrichter vr. Karl Georg Clauß in Brand an das Amtsgericht Dresden, der Landgerichts rath vr. Kurt Alfred Uibrig in Chemnitz an das Landgericht Dresden, die Staatsanwälte Friedrich Hermann Nagler in Bautzen und Georg August Romundt in Plauen an die Staatsanwaltschaft beim Landgerichte Dresden und der Amtsrichter Paul Gustav Otto Siebdrat in Riesa an das Amtsgericht Brand versetzt werden. TreSdeu, 30. September. Se. Königliche Majestät haben dem Oberzollinspektor und Vorstände des Haupt- zollaintes Schandau, Obcrzollrath Gustav Emil Michler, das Offizierskreuz vom Albrcchtsorden Aller gnädigst zu verleihen geruht. Lnust und Wissenschaft. Der Kampf um die neue Kunst. (Schluß) Mit gutem Recht rühmt der Verfasser des „Kampfes um die neue Kunst" der modernen Richtung nach, daß sie Theatereffekte, wie die der Pilotyschule, verschmähe, daß sie ehrfürchtig vor der Natur sei und sich bescheide, diese ehrlich in ihren Äußerungen zu studieren. Doch wie hoch er auch diese Ehrlichkeit und Selbstbescheidung an schlagen mag, so läßt sich doch die Frage nach der Voll kommenheit der Kunstschöpfungen nicht vermeiden Wenn man heute sagt, die Vollkommenheit sei eine Täuschung, ein vollendetes Werk ein Unding, das Fertigwerden ein anhaltendes Verblüffen der ursprünglichen Inspiration, wenn man aus jedem beliebigen Jahrhundert Handzeich nungen und Studien neben die entsprechenden Stücke eines Bildes legt und sich fast regelmäßig die Ueberlepenheit der unmittelbaren Studien herausstellt, so erwächst daraus leicht der Irrtum, daß man die interessante Studie, die im Freien gewonnene Wiedergabe der zufälligen Einzel erscheinung schon für ein volles Kunstwerk auSgiebt und ansieht. „Die Borniertheit steigerte sich, wo man andere Künstler, die nicht weniger oft im freien Licht gesessen und die Dinge gesehen hatten, dann aber von Anschau ungen gesättigt nach Hause gingen und ihre Vorstellungen malten, wo man solche al» Romantiker verschrie, al« Leute, die „aus dem Gedächtnis" malten. In diesem Vorwurf steckt ein fundamentaler, verhängnisvoller Irrtum. Es ist wahr: ganz au« dem Gedächtnis malen bringt rettungslos den künstlerischen Bankerott, ,» kann nur zur Cchemenhaftigkeit und Unwahrheit führen Aber da« Umgekehrte, zu meinen: man könne ohne die Hilfe de« TreSöea, 30. September. Mit Allerhöchster Ge nehmigung ist dem Oberzollinspektor und Vorstande des Hauptzollamtes Schandau, Oberzollrath Gustav Emil Michler, die nachgesuchte Versetzung in den Ruhestand unter Gewährung der gesetzlichen Pension bewilligt worden. Dresden, 30. September. Mit Allerhöchster Ge nehmigung ist vom I . Oktober 1896 ab dem Bezirks» schulinspektor Gustav Oswald Hörig in Marienberg die Stelle des BezirkSschulinspektorS in dem Bezirke der Amtshauptmannschaft ÖlSnitz übertragen worden. Dresden, 30. September. Se. Majestät der König haben den zeitherigen Bürgerschuldirektor Karl Oswald Pfütze in Leipzig zum BezirkSschulinspektor im Be zirke der Amtshauptmannschast Marienberg vom 1. Oktober 1896 an Allergnädigst zu ernennen geruht. Nichtamtlicher Teil. Freisinn und Sozialdemokratie sind aus Anlaß der bevorstehenden Reichstagsnach wahl im Kreise Westhavelland zur Abwechselung wieder einmal in einen gewaltigen „Kampf" eingetreten. Da die freisinnigen Blätter thatsächlich der Ansicht zu sein scheinen, es werde dieses Scharmützel von den Anhängern der bürgerlichen Parteien ernst genommen, so ist es vielleicht nicht unangebracht ausdrücklich zu betonen, welch' überaus komischen Eindruck in Wahr heit auf alle verständigen Leute dieses „Bekämpfen" und „Vernichten" der Sozialdemokratie durch eine Partei macht, die sonst, und vor allem im deutschen Reichstage, in jeder Weise den Sozialdemokraten bewußtermaßen die Brücke tritt und ihr steter Bundes genosse im Kampfe gegen Lie Negierung und die letzterer nahestehenden Parteien ist. Ja, sollte der Wahlkampf, um den es sich gerade jetzt handelt, zu nächst zu einer Stichwahl zwischen dem konservativen und dem sozialdemokratischen Kandidaten führen, so kann nicht ter geringste Zweifel obwalten, daß die freisinnigen „Scharen" Mann für Mann, auf den Befehl Herrn Richters hin, ihre Stimmen dem Sozialdemokraten geben werden. Man unterlasse doch bei einer solchen klaren Sachlage das lächerliche Brüsten mit der „Bekämpfung" der Sozialdemokratie! Was übrigens diesen papiernen Kampf zwischen Len beiden Parteien selbst anlangt, so weichen die „Genossen" den berühmten „geistigen Waffen", die der Freisinn tapfer schwingt, aalglatt aus, und alle die pi achtvollen und wuchtigen Hiebe gehen in die Lnft. Wir bedauern das; wir würden in der That auch dem Freisinn guten Erfolg gegen die Sozialdemo kratie gewünscht haben; wenn der Freisinn nur über haupt Aussicht hätte, mit seinen papiernen Waffen zu siegen. Man kann aber unmöglich in einem Augenblicke eine Revolutionspartei „vernichten", im andern aber mit ihr auf dem Fuße der Gleichberechtigung eine Strecke weit zusammengehui. Ter Sozialdemokratie gegenüber heißt cs: Entweder — Oder. Halbheiten sind im Kampfe mit dieser Partei ganz besonders unangebracht. Der Kampf durch Flugblätter, wie ihn der Freisinn führt, nützt — wie ja auch der sozialdemokratische Wahlsieg in Goiha gezeigt hat — gar nichts. Sagt der Freisinn, er stimme gegen neue Steuern, so ruft der „Genosse", er stimme überhaupt gegen alle Steuein. Verspricht das freisinnige Flugblatt, Ermäßigung der Lasten durch Aufhebung der „Liebesgaben", so verheißt das sozialdemokratische Flugblatt Abschaffung aller in direkten Steuern. Kurz die „Volksbeglücker" treiben cs wie die Ausrufer vor tun Jahrmarktsbuden, wo der am meisten zu imponieren glaubt, der am lautesten schreit. Natürlich je mehr versprochen wird, desto weniger Aussicht auf Erfüllung de? Verspr-chrns ist vorhanden Wenn es auf das Versprechen allein und nicht auch aufs Halten ankäme, dann freilich hätten die größten Schreier und die am wenigsten skrupellosen Angreifer die Anwartschaft auf das beste „Geschäft". Wenn also neuerdings die Freisinnigen sich darüber auf halten, daß die Konservativen Westhavellands in ihrem „Kampfe" gegen die Sozialdemokratie nicht mit ihnen in Konkurrenz treten, so ist das doch kein Wunder. In einen solchen Wettbewerb, wo thatsächlich mit der Glaubwürdigkeit der Wählerschaft Fangball gespielt wird, gelüstet es keinem Konservativen einzu treten. WaS der Freisinn thatsächlich an Erfolgen gegen die Sozialdemokratie erreicht, das hat sich soeben erst wieder in Gotha gezeigt. Dort sind die Sozialdemo kraten drauf und dran, die poetische Herrschaft im Herzogtum Gotha an sich zu reißen. In einem „VorwärtS"-Berichte aus Gotha heißt es aus Anlaß der für die Sozialdemokratie ungewöhnlich günstigen Landtagswahlen: Bis jetzt haben die Genossen über ein Drittel der Gothaischcn Landtagsmandatc, doch es könne noch besser kommen. „Wenn auch nicht wahr scheinlich— so heißt es wörtlich weiter—, da die Gegner jetzt begreiflicherweise alle Minen springen lassen, so ist es doch nicht unmöglich, daß wir außer dem achten noch zwei Sitze erobern. In welchen Kreisen, will ich vorläufig verschweigen. Dann hätten mir die Majorität und damit das Präsidium im Landtag. . . . Kann das jetzige Ministerium das Herzogtum dann mit uns nicht regieren, so mag cs einem anderer: Ministerium Platz machen, das sich besser auf die Wünsche des Volkes versteht." Fragt man, was — nächst der leider üblichen Lässigkeit der den bürgerlichen Partei, n angehörigen Wähler — den Sieg der Sozialdemokratie in Gotha ermöglicht hat, so ist es nichts anderes, als die bisher im Herzogtum Goiha maßgebend gewesene Taktik, nach welcher die Sozialdemokraten durchaus gleich berechtigte und harmlose Staatsbürger seien, denen gegenüber sogar die Konservativen als Umstürzler er achtet werden müßten? Der Gothaische Wahl sieg zeigt am besten, wie berechtigt das Wort von der freisinnigen Vorfrucht der Sozialdemo kratie ist. Schritt vor Schritt haben die „Un entwegten" den immer noch etwas mehr ver heißenden „Genossen" weichcn müssen Den Boden haben die Freisinnigen durch ihre autoritätsvernich tenden Agitationen vorbereitet, man darf sich also in Gotha, wo man diese Vorarbeit so verständnisvoll unterstützt hat, nicht wunde,n, wenn jetzt die Sozial demokraten die Früchte davon abpslücken. Hoffentlich dient der Ausfall der Gothaischcn Landtagswahlen a's kräftiger Ansporn zu einer gemeinsamen Aktion aller Nicht-Sozialisten bei den Reichstagswahleu gegen den weiteren Ansturm ter Sozialdemokratie. Wäie das nicht der Fall, dann könnte man allerdings die politische Herrschaft der Sozialdemokratie im Herzog- tnm für gesichert ansehen, und das wären trübe Aus sichten für die dortige Bevölkerung Rußland und England. Die „Hamburger Nachrichten" schreiben: Der Londoner „Standard" beschuldigt Deutschland, daß es beharrlich England als isoliert, England und Rußland aber als unversöhnlich feindlich darstelle. Eine solche Politik diene den Zwecken Deutschlands, aber sie könne nicht Rußland Vorteile bringen. Der „Standard' glaubt, ein gutes Einvernehmen zwischen England und Rußland werde in allen Hauptstädten Euro pas bis aus eine willkommen sein: in Berlin und in Friedrichsruh würden Enttäuschung und Kummer herrschen. Aber taS, sagt das englische Blatt hinzu, würde eine gerechte Strase siir eine rücksiNtSlose rachsüchtige Diplomatie jein, die anscheinend glaube, Deutschland sei nie sicherer, als wenn andere Staaten unter einander streiten ES sei »n hoffen, ja kaum zu bezweiseln, daß der Besuch des Zircn in Bolmoial nicht ohne die Wirkung sein werde, bei Rußland und England eine richtige Würdigung der Interessen, die beiden Ländern gemeinschaftlich seien, hervor- znbringen. Gedächtnisses malen; ja nicht nur möglich, sondern sogar wünschenswert sei es, bloß mit den Augen und der Hand zu malen, unter Ausscheidung jeder, die Objektivität störenden geistig-subjektiven Thätigkeit — das ist nicht mindcr absurd. Tenn hier wird der geistige Anteil am künstlerischen Schaffen verkannt. Wenn man sich im Geist ein anerkanntes alte« Meisterwerk neben ein in seiner Art tüchtige« modernes Bild stellt, so ist der Unterschied, der sofort gefühlt wird, folgender: Das alte Bild zeigt etwas AuSgereistes, eine erschöpfende Wiedergabe de« Gegenstandes, die durch ihre thatsächliche Gegenwart den Gedanken an andere Ausdrucksmöglichkeiten nicht aufkommen läßt. Dagegen sieht man selten ein modernes Bild, das nicht auch anders sein könnte. Es ist mit anscheinender Hast und Schnellig keit gemalt und halbfertig stehen gelassen. Gerade als ob die Energie des Natureindrucks, der die künstlerische Konzeption herbeigeführt, erblassen und zu schnell erlöschen wollte. So viele moderne Bilder machen deswegen keinen tiefen Eindruck, weil sie nur erhascht und weil die Gegenstände nicht in ihren gestaltenden Formen begriffen sind. Unser Unglück ist, daß je mehr das Interesse sich auf sinnlich scharfe Beobachtung warf, die geistige Hälfte künstierischer Leistung unterschätzt und sogar in ihrer Berechtigung bestritten worden ist." In ganz entschiedener Weise wendet sich Neumann gegen den Wahn, als könne die Farbentechnik die Farben kunst ersetzen, betont wiederholt, daß das Spontane und Inspirierte allein ebenso wenig eine bleibende und große Kunst erzeugt, als die Beobachtung allein eine solche hervorbringen kann. Tie unausgesetzte geistige Arbeit bleibt eben die Voraussetzung alle« gedeihlichen künstlerischen Schaffen« Der gewaltigen und wunderbaren Produktivität des großen Künstlers geht eine gleich gewaltige und wunderbare Rezeptivitüt voraus Und in diesem Sinne räumt der Verfasser des „Kampfe« um die Kunst" un umwunden ein, daß die moderne Kunst einstweilen noch bedeutende Mängel zu überwinden habe „Sie ist noch ganz absorbiert von dem Bemühen, Studien zu sammeln und Beobachtungen und schätzbares Material; sie ist eben noch jung. Es mangelt ihr an Erfahrung, Gedüchtnis- kraft, Tiefe und Kapazität, um Werke von nachhaltiger poetischer Wirkung zu erschaffen." Unser Schriftsteller steht dabei unerschüttert auf dem Boden der Überzeugung, daß die Naturauffassung vielfach eine andere geworden sei, daß unsere Künstler nicht mehr wollen, ja nicht mehr wollen können, was die alten Meister gewollt haben. Nichtsdestoweniger fehle den modernen Künstlern meist unendlich viel zur Erfüllung ihrer Ideale. Ein gut auf die Leinwand gebrachter Eindruck sei doch eben nur der Anfang, sei eine Möglichkeit unter hundert, unter tausend, das schließliche Kunstwerk aber die Quint essenz der tausend Möglichkeiten, die Gewißheit Ja mehr noch, Neumann giebt von vornherein zu, daß wohl auch bei den „Alten" nachlässige, fragmentarische, in der Formengebung unzulängliche Bilder zu finden sind. Der gewaltige Unterschied ist nur der: „WaS die Alten derart sündigen, entspringt häufig au? Sicherheitsgefühl; sie wissen, daß sie auch das können, sofern es ihnen darauf ankommt. Moderne Nachlässigkeit ist (meist) nicht Krast- überschuß, sondern häufig Unvermögen und Erlahmen vor dem Ziel." Auch in der brennendsten Streitfrage, ob Hoch-, ob Geringschätzung der Meisterwerke vergangener Jahr- Hunderte, kann sich der Verfasser des „Kampfe« um die neue Kunst" nicht zu dem Selbstgefühl der Jungen und Jüngsten erheben. Er weiß und seine Abschnitte über „Die geschichtliche Bildung und die Kunst" und „Kunst und Naturwissenschaft" erweisen e« deutlich, welche Irre leitungen und Widersprüche au« einer allzu unbeweglichen Überlieferung, au« drückendem Autoritätsglauben erwachsen Toch die Logik derer, denen es zum Bewußtsein gekommen Der „Standard" scheint sonach den englisch-russischen In teressengegensatz in Asien und in Konstantinvpel für eine bös willige drnische Erfindung zu halien, die günstige Lage Rußlands aber, die durch jede» Eingehen ans englische Wünsche nur verschlechtert werden könnte, ebenso wie die «ploockiä wolntro», deren man sich in englischen Blät tern selbst gerühmt hat, al- Phantasirgebilde zu betrach ten. ES gehört die volle Gleichgiltigkeit der englischen Presse gegen die ihr unbequemen thaisächlichen Verhält nisse dazu, um siir möglich zu halten, daß eS nur eines Höf lichkeitsbesuche» Lord Salisbury« beim Zaren bedürft, um alle russisch - englischen Interessengegensätze, welche die europäische Politik beherrschen, auf Nimmerwiedersehen in irgend eine Ver senkung verschwinden zu lassen Wir können diesen englischen Zeitungsäußerungen gegenüber nur wiederholen: Die russischen und die englischen Interessen sind im Bosporus ebenso unvereinbar wie in Asien. England ist nicht im stände, an dieser Sachlage irgend etwas zu ändern; die Ereignisse werden sich nach den Gesetzen des Schwergewichtes von selbst vollziehen, und zwar in der Richtung, die Rußland ihnen durch lang- lährige, zähe und geschickte Politik vorgeschrieben hat. Unter diesen Umständen wird aus der russischen Seite kaum ein Be dürfnis bestehen, sich mit England über die Orientsrage in einem Sinne zu verständigen, welcher den englischen Wünschen entspräche. Ter Besuch des Zaren in England dürfte au dieser Situation schwerlich etwas ändern. Die russische auswärtige Politik wirb trotz der autokratischen Staatssorm immer nur vom russischen Interesse und nicht von höfischen Beziehungen beein flußt. Sie ist eine der beftinstradierten, die wir haben; ter russische Staatswagen rollt langsam aber sicher seinem Ziele zu, einerlei, ob der Zar in England oder Frankreich Besuche macht oder sie unterläßt. Solange die Londoner Blätter zur Entkräftung dieser Auffassung nicht andere Beweismittel vorbringen, als ihre eigene Behauptung und das Erscheinen eines beliebigen Zeitungsartikels in der russischen Presse, werden wir an ihr sesthaltcn. Die russische Politik ist die letzte, die vor englischer „Druckerschwärze auf Papier" kapitulierte . . . Wir glauben, daß etwaige „Modifikationen" in der Behand lung der Oiientsiage lediglich aus englischer Seite vorgenommen werden müssen. Diese Notwendigkeit zu verhüllen, ist wohl ter hauptsächlichste Zweck deS „Standard"-Artikels und der übrigen englischen Preßäußerungen jüngsten Datums Tagesgeschichte. Trcsdeu, 30. September. Im Allerhöchsten Auf trage Sr. Majestät des Königs wohnte der Königs. Flügeladjntant Major Frhr. v. d. Bussche-Streithorst heute nachmittag k3 Uhr auf dem Tolkewitzer Fried- Hofe der Beisetzung des am 26. d. Mts. in Davos ver storbenen König!. Sächsischen Oberst z. D. Trefmth bei. Deutsches Reich. * Berlin. Se. Majestät der Kaiser nahmen gestern in Rammten den Vortrag des Chefs des Geheimen Zioil- kabinetts entgegen. — Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats minister Frhr. v Marschall, ist von seinem Urlaub zurückgekehrt und hat die Leitung der Geschäfte des Aus wärtigen Amts wieder übernommen. — Wie die „Staatsbürgerztg." meldet, hat das Ver fahren gegen vr. PetcrS durch seine Übersiedelung nach England eine Unterbrechung nicht erfahren. Vr. Peters hat seiner vorgesetzten Behörde seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort angezeigt und hält sich zu ihrer Verfügung. So ist er z. B. zu Anfang dieses Monats einer Vor ladung seines Untersuchungsrichters, des Geheimrats Schwarzkoppen, von Englanv aus gefolgt und zu seiner verantwortlichen Vernehmung in Berlin gewesen. Wie das genannte Blatt erfährt, sei nunmehr auch der Aufent halt des Bischofs Tucker ermittelt worden. Er halte sich gegenwärtig in Sansibar auf und seine Vernehmung dürfte inzwischen bereits erfolgt sein. Ebenso sei es ge lungen, den Aufenthalt der übrigen noch ausstehenden Zeugen zu ermitteln, sodaß der Abschluß des Ermittelungs verfahrens in Kürze bevorstehe. — Die „Norvd. Allg. Ztg" schreibt: Mit allerlei Ausschmückungen und tendenziösen Ausdeutungen hat ein Teil der Presse eine Nachricht aus Konstantinopel wieder- gegeben, des Inhalts, daß von dem dortigen deutschen Botschafter dem Sultan ein Bild der Kaiserlichen Familie überreicht worden sei. Die Thatsache an sich ist richtig. Im Frühjahr dieses Jahres gab der Sultan dem Wunsche Ausdruck, ein Bild der Kaiserlichen Familie zu besitzen. Se. Majestät der Kaiser ordneten darauf die Überreichung eines folchen Gruppenbildes an, und der Sultan dankte telegraphisch warm für diese ihm erwiesene Freundlichkeit. Mit den Konstantinopeler Ereignissen von ist, daß die Allongeperücke für uns wevcr Würde noch Wissen bedeutet und die daraus folgern, daß unter der Allonge keine Köpfe gesessen haben, folglich Leibnitz oder Voltaire Tröpfe gewesen sind, kann er sich natürlich nicht aneignen. Er sucht aus einer persönlichen Erinnerung heraus den Unterschied seiner Auffassung von der pietät losen lärmenden Mißachtung klar zu machen. Er erzählt: „Vor einiger Zeit betrat ich nach längerer Pause zum ersten Mal wieder die Tribuna der Uffizien in Florenz Ich hatte mich die Zeit her mehr für moderne Kunst und die ihr geistig näherstehende Art des Quattrocento interessiert und darüber, wie es so die Einflüsse von Zeit, Umgebung, Mode und Schule mit sich bringen, die Fühlung mit den großen Werken des sechzehnten Jahrhundert» etwas verloren Jetzt aber, halb unerwartet und plötzlich vor Raphael und Tizian gestellt, bekam ich doch zu spüren, warum man diese Leute die großen Meister nennt Die Klarheit und Souveränität, mit der sie sich aussprechen, geht über alle Begriffe Auch wo die Gegenstände der Darstellung unserem Interesse ferner gerückt sind, verleiht die Kraft der Gestaltung diesen Werken eine unverwüstliche Jugend Was jene Meister wollten, konnten sie völlig, ^md sie wußten genau, was sie wollten Deshalb ist ihre Formen gebuna so erschöpfend, die Kunstwirkung eine so un mittelbare. Diese Einsicht war mir so schlagartig neu aufgegangen, so betäubend und so sehr den Vann jedes angewöhnten Empfinden» sprengend, daß ich mich wie zur Erholung und zum AuSruhen in einen Winkel des Saales zurückzog. Ich begann die Personen, die Fremden, die eintraten, verweilten und wieder hinausgingen, zu mustern, erst halb gleichgiltig, dann mit steigender Auf merksamkeit. Denn der große Eindruck der alten Bilder, der in mir nachzitterte, schob sich dazwischen und ich sing an, die Bilder an den Wänden und die Menschen im Saal zu vergleichen. Ta« erste, was ausfiel, war die blasse Gesichtsfarbe der Lebenden; selbst die geröteten Ge«
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