Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.05.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000525025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900052502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900052502
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-05
- Tag 1900-05-25
-
Monat
1900-05
-
Jahr
1900
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Die Morgen-Au?gäbe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Re-action und Erpe-Mon: IohanniSgaffe 8. DK Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet vou früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: Alfred Hahn vorm. v. klemm'» Eorttm. Universitätsstraße 3 (Paulinum^ Loni» Lösche, Rnthaeineultr. la, p-n. und KönigSplatz 7. BezugS-PrekS der Hanptexpedition oder den im Gkabt- bezirk »nd den Bororten erriciiteten NuS- mbestellen ab geholt: vierteljährlich./t 4.50, ori zweimaliger täglicher Zustellung ins HauS ^l 5.50. Durch die Vost bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliährlich ^l 6.—. Direkte tägliche Kreuzbaiidirnduug in» Ausland: monatlich 7.50. Abend-Ausgabe. MpMer TagMaü Anzeiger. AmlsötaLt -es Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Notizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigeu-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reel am en unter dem RedactionSstrich (4g»> spalten) bO^j, vor den Familiennachrtchvm (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichnitz. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. A?tra-veilaaen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Pvstbefürderung 60.—, mit Postbesörderuug uT 70--«. Annahmeschluß für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr, Marge »-Ausgabe: Nachmittag» »Uhr. vei den Filialen und Annahmestelle» je «in» halbe Stunde früher. Anzeige» smd stet» an di» Expetzttia» zu richte». 2 , Druck »»d Verlag von E. Polz in Leitzzl» 283. Freitag den 25. Mai 1900. 91. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 25. Mai. Weil er im ersten Drittel deS Juni für den Schluß reif sein will, arbeitet der Reichstag hastig und hitzig. DaS ist so wenig erwünscht, wie gewollte und ungewollte Verzögerung. Am Mittwoch führte der kaum zu zügelnde Eifer zu einer Verwahrung de» Präsidenten gegen den Plan, die bei der Initiativ - lex Heinze auS besonderen Gründen be zeigte Geschwindigkeit zu einer dauernden Einrichtung zu machen. Vielleicht trug die Eile auch die Schuld für eine Confusion bei der Abstimmung über eine» Antrag zur Gewerbeordnungsnovelle. Jedenfalls kann eS als feststehend angesehen werden, daß am Ende als „rite" zu Stande gekommen, ein in der Verwirrung gefaßter Beschluß bezeichnet wurde, dessen Gegentbeil die Mehrheit ins Gesetz ausgenommen wissen wollt«. WaS dabei unter den Tisch siel, ist nicht unwichtig, nämlich die Ertheilung der Bcfugniß an den Bundesrath, über die Mitgabe von Arbeit an jugendliche Arbeiter und an Arbeiterinnen Bestimmung zu treffen. So etwas sollte selbst bei 24 Grad Celsius nicht vorkommen. Die Regierung trifft an etwaiger Ueberhastung keine Mitschuld. Sie zeigte sich gar nicht pressirt und fand sogar noch Zeit zu einer politischen und staatsrechtlichen Darlegung, dahingehend, daß ein Zwiespalt unter den einzelnen ReichsressortS gar nicht bestehen könne, weil die Reichs regierung — das Wort wurde übrigens nicht gebraucht — uus et inckivisidle und der Reichskanzler in ihr das A und das O sei. Was Graf PosadowSky über die Sache vor brachte, ist theoretisch unanfechtbar, Fürst Bismarck, der das Thema nach seinem Rücktritt oft und alle mal auS triftigem Anlaß variirte, hätte nicht besser dociren können. Nur daß unter des ersten Kanzlers Amtsführung die richtige Lehre im Fleische wandelte, während sie jetzt nur gelehrt, aber nicht befolgt wird. Die ReicdSkanzlersckaft ist heute in eine Vielheit von Staatssekretär- schaften aufgelöst und wenn dabei, was wir nicht bestreiten wollen, die Verwahrung deS GrafenPosadowSky gegen den Aberglauben, daß irgendwo dir formelle und anderwärts die thatsächlicke Verantwortlichkeit liege, noch einen Sinn hat, so ist eS der, daß nirgendwo eine Verantwortlichkeit praktisch wirksam ist. DaS ist kein Aberglaube. Den Anlaß zu der so theoretischen Erörterung boten einige extremagrarische Bosheiten gegen den Reichskanzler und den Schatzsekretär Frhrn. v. Thicl- mann, welch letztgenannter Herr aber doch recht zu frieden sein darf. Er hat die Novelle zum Münzgesetz, welche im verwegensten Sinne des Wortes seine alleinige Schöpfung ist, doch noch unter Dach gebracht, ein persönlicher Erfolg, der weiter nichts beweist, als daß nicht jeder politische Fehler sich rächen muß. Die Erledigung der Münznovelle verlief sogar mit der den NeichstagSverhandlungen über Nacht eigcnthümlich gewordenen Glätte, und es ist mehr als komisch, wenn das Organ des Bundes der Landwirthe sagt, eS habe der Rechten „wider strebt", in irgend welchen Formen Obstruclion zu treiben, sonst würde e« ihr leicht gelungen sein, die Durchberathung des Gesetzes zu hindern. Die „Rechte" hätte cs nur einmal probiren sollen, anders zu „streben", eS wäre ihr schlecht er gangen. Ein Stück von ihr hat ja einen schwachen Anlauf zu einer Verschleppungspolitik genommen, der Antisemit Raab, dem der Versuch, die Beschlußfähigkeit des Hauses anzuzweifeln, jämmerlich mißglückte. Die „Rechte" hat übrigens nicht einmal geschlossen gegen daö Münz gesetz gestimmt, sondern sie hat dazu beigetragen, daß in der Schlußabstimmung über die Fleischbeschaugesetz vorlage die Mehrheit für die Vorlage eine noch größere wurde, als die, die sich TagS vorher bei der Abstimmung über das Compromiß zusammengefunden hatte. Die Land- wirthsckaft kann sich dazu gratuliren, daß die Behauptung, daS Fleischgesetz sei eine Kraftprobe auf die künftigen Handelsverträge, eine hetzerische Erfindung der Berliner Leitung deS Bundes der Landwirthe gewesen ist. Wäre die Versicherung der Herren eine reelle gewesen, so hätten die Landwirthe jetzt eine Verringerung der Getreide zölle zu erwarten, während sie einer Erhöhung sicher sein dürfen und eS allesammt schon wären, wenn nicht ein Theil von ihnen auf das Barometer der Berliner Bundesleitung blickte, die immer daS schlechteste Wetter mit einer Aufdring lichkeit prophezeit, wie man sic selbst bei Regcnschirmbändlern, die doch aus dem Zweck ihres Geschäftsbetriebes kein Hehl machen, geschmacklos finden würde. Ob die preußische WaarenhauSsteuer-Vorlage Gesetz wird, ist noch fraglich, obgleich sie am Mittwoch vom Abgeordnctcnhanse in dritter Lesung angenommen worden ist. Zu Beginn der Beratbunz bezeichnete der Finanzminister vr. v. Miquel den Beschluß zweiter Lesung, daß die Steuer schon bei einem Umsätze von 300 000 — an ¬ statt 500000 — beginnen soll, als unannehmbar. Trotzdem beharrte die conservativ-klerikale Mehrheit bei der Anfangssumme von 300 000 Wahrscheinlich nahm die Mehrheit an, die Regierung werde, wenn auch daS Herrenhaus für die Herabsetzung der Grenze für die Unisatzsteuerpflicht auf 300 000 sich entscheidet, doch noch nachgcbcn. Und diese Annahme ist bei der „Festigkeit", welche die preußische Negierung seit einer Reibe von Jahren sehr oft bewiesen hat, begreiflich genug. Zunächst wird man also die Herrenhausbeschlüsse und dann ihren Eindruck auf Herrn vr. v. Miquel und seine College» abzuwarten haben. Fallen diese Beschlüsse zu Gunsten der Regierung auS und wird dadurch ein Zurückggehen der Vorlage an daS Ab geordnetenhaus nöthig. so fällt möglicher Weise der Entwurf der Fcrienstimmung beider Häuser zum Op)er. Ein ofsiciöser Mitarbeiter der Münchner „Allgem. Ztg." telcgraphirt dieser auS Berlin, in den politischen Kreisen der Reichshauptstadt herrsche übereinstimmend die Auffassung, „daß weder in der Entwickelung der Beziehungen zwischen Bayern und dem Reiche, noch zwischen Bayern und Preußen, am allerwenigsten aber in denjenigen zwischen den befreundeten Höfen auch nur der allerleiseste Anhalt zu einer Annahme gegeben sei, welche den Prinzen Ludwig bestimmen konnte, sein Wort von der Gnade der Neichszugehörig- keit Bayerns auszusprechen". Auch die „Müuch. N. N." sind dieser Ansicht und halten es für zweifellos, daß der Prinz hauptsächlich seiner Mißstimmung über die Verzögerung der Canalisation des UnternrainS habe Ausdruck geben wollen, dabei aber übersehen habe, daß schon am 15. Mai, also fünf Tage vor der Rede in Straubingen, in Frank furt ein alle Theile befriedigendes Ueberein- kommen getroffen worden ist. Zu persönlicher Verstimmung habe der Prinz sicherlich keinen Anlaß; der Oeffentlichkeit wenigstens sei nichts davon bekannt, daß irgendwo in Deutsch land, speciell in Norddeutschland, die Auffassung herrsche, als habe Bayern die Zugehörigkeit zum Reiche als Gnade zu be trachten oder als ob die bayerischen Interessen vom Reiche nicht ebenso wie die anderer Bundesstaaten wahrgenommen würden. „Bayern, die in Norddeutschland gelebt haben, wissen im Gegen- theil von einer gewissen Verhätschelung Bayerns und der Bayern zu erzählen. Schon um jeden Schein zu vermeiden, als würde der zweitgrößte Bundesstaat nicht seine Rechnung bei der Reichszugehörigkeit finden, thut man in Berlin eher noch rin UebrigeS in der Zuvorkommenheit gegen bayerische Wünsche und Interessen, und sucht mit Vorliebe Bayern in den Reichsdienst zu ziehen u. A. m. Außer unseren Particularisten strengster Observanz hat in Bayern Niemand die Empfindung, daß wir im Reich als „mindere Brüder" angesehen werden, und es wäre dem gegenseitigen Verständniß der deutschen Stämme sehr abträglich, wenn man außerhalb Bayerns glaubte, Laß ein solches Gefühl deS Zurückgesetztseins wirklich besteht." Ist die Verstimmung deS Redners wirklich auf seine Un- kenntniß des Standes der Verhandlungen über die Main- canalisation zurückzuführen, so hat der Prinz sicherlich nickt verfehlt, Aufklärung an derjenigen Stelle zu geben, wo man am peinlichsten von seiner Auslassung überrascht sein mußte. Er wird aber auch der Nothwendigkeit sich bewußt sein, seine particularistischen Landsleute in irgend einer Weise über die Beseitigung seiner Verstimmung und ihrer Ursache aufzuklären. Und so lange das nicht geschehen ist, wird man im Zweifel darüber bleiben müssen, ob die „M. N. N." wirklich errathen hat, was Prinz Ludwig in Straubing gewußt und nicht gewußt. In Belgien ist bekanntlich Sonntag, den 27. d. M., Parlamentswahltag, wo zum ersten Male das die Proportional-Vertretung einführende neue Wahlgesetz zur Anwendung kommt. Es sind 76 Senats- und 152 Abgeordneten- Mandate zu vergeben. Nach dem neuen Gesetz wird jever Partei, die eine bestimmte Anzahl Stimmen auf sich vereinigt, eine ihrer Stärke entsprechende verhältnißmäßige Vertretung gewähr leistet. Das neue Wahlgesetz ist allerdings verwickelt, und bei der Zusammenlegung der Wahlkreise wurde den Partei interesse» der herrschenden Klerikalen stark Rechnung ge tragen, doch hoffen die Optimisten desselben, baß die Ver- bältnißwabl dem Lande eine bessere Vertretung sichert. In jedem Wahlkreise stellt jede Partei oder Fraktion ihre Candidatenliste auf, welche effektive und stellvertretende Mandatswerber ent hält. Stich- und Ersatzwahlen giebt cs fortan nicht mehr; ist ein Sitz frei, so tritt der Ersatzmann sofort ein. Die Stimmen abgabe ist streng geheim und obligatorisch. Wer bei der Wahl ohne zwingenden Grund fehlt, wird auf Grund des Gesetzes vor daS Friedensgericht geladen und mit Geldstrafe belegt. Das diesmal zu erwartende Ergebniß hängt von dem Wahlausfalle in den flandrischen, bis jetzt durchaus klerikal vertretenen Kreisen ab. Man hegt in anti-klerikalen Kreisen, deren verschiedene Elemente sich zusammenschaaren, die sichere Hoffnung, daß der 27. Mai die Allmacht deS klerikalen Regimes in Belgien brechen werde. In den Kreisen der franzöfischen AuSstellungSbeschicker bat sich ein wahrer Sturm der Entrüstung gegen den Minister Genossen Millerand erhoben, weil dieser eigen mächtig aus den Personalverzeichnissen der AuSstclluugs-Preis- richtercollegien eine ganze Menge von Namen besten fach autoritativen Klanges gestrichen und durch ganz obskure Persönlichkeiten, die aber daS Verdienst haben, Social demokraten zu sein, ersetzt hat. Nicht nur die Industriellen und die Ausstellungsverwaltung haben gegen dieses Manöver energisch protestirt, sondern auch die eigenen AmtSgenossen deS Herrn Millerand, denen er ihre Bestimmungen in so uncollegialischer Weise zu durch kreuzen suchte. Diese allgemeine Entrüstung der öffentlichen Meinung, sowie eine Zuschrift des LandwirtbschastSministerS, daß die Sache so denn doch nicht bleiben könne, sind selbst für das autokratische Bewußtsein deS Genossen Millerand zu stark gewesen, und er hat die beanstandeten Namensänderungen in den Juryverzeichnissen theilweise auf daS Walten von Druck fehlern zurückzuführen versucht,—womilHerrMillerand natürlich Niemanden zu überzeugen vermag. Uebrigens dauern die Proteste gegen das eigenmächtige Vorgehen deS Hanvelsminister» noch immer an, eine AuSstelluugsgruppe nach der anderen meldet sich zum Wort und fordert die ungesäumte Wiederaufnahme gestrichener Persönlichkeiten. Herr Millerand hat in Folge seiner Handlungsweise sich selbst in einer Art bloßgestellt, daß seines Bleibens im Amte nicht mehr allzu lange sein dürfte. Wie man weiß, trägt sich der Generalgouverneur Bobrikoff mit dem Gedanken, die ganze Zeitungsliteratur Ainlaud» zu vernichten. Zu diesem Zwecke hat er daS Gutachten der Gouverneure der Provinzen des GroßsürstenthumS eingefordßrt über die von ihm geplante Gründung von acht officiellen Blättern, die die jetzige periodische Presse deS Lande» ersetzen sollen. Aus dem ganzen Lande sind jetzt die betreffenden Gutachten eingelaufen und in denselben wird einstimmig erklärt, daß es ausgeschlossen sei, daß das beinahe 3 Millionen zählende aufgeklärte finnische Volk sich mit acht Zeitungen begnügen könnte, die nur daS, was ihnen befohlen wird, zpr öffentlichen Kenntniß bringen dürften. Solche Regierungs organe eigneten sich nicht für die finnischen Verhältnisse und die Bildungsstufe der Nation. Für einen jeden, der nicht die Verhältnisse deS Landes kennt, wird ein Blick auf den kürzlich herausgegebenen großen statistischen Atlas über Finland ge» nügen, um einzuseyen, in welchen» Maße dieses arme, von der Natur so karg ausgerüstete Land es vermocht hat, an der Arbeit der menschliche» Cultur theilzunebmen. Gerade dieses Volk bedarf einer verhältnißmäßig großen Literatur. Es unterhält mit seinen bescheidenen Mitteln ca. 300 Zeitungen und Zeitschriften, und würde eS sicherlich nicht thun, wenn eS diesen Zweig der Literatur nicht als eine Lebensbebingung anjehen würde. ES kann daher niemals Lurch die von Bobrikoff geplanten acht officiellen Blätter zufrieden gestellt werden, und dieselben würden auf keine Unterstützung der Be völkerung rechnen können. Der Krieg in Südafrika. —(>. Den UmgehungSmanövern der Engländer ist r» ge lungen, die Boeren aus ihren festen Stellungen am » Rhknofterflusse, bekanntlich einem linksseitigen Nebenflüsse deS Baal, der etwa 40 englische Meilen nordöstlich von Kroonstad die Vormarschtinie Roberts' schneidet, herauSzumanöv- riren. General Hamilton bedrohte ihre linke Flauke bei Heilbronn östlich der Bahnlinie und westlich derselben war eS die Brigade Smith - Dorrien, welche ihren rechten Flügel zusetzke. Bei der numerischen Uebermacht der Engländer ist eö kein Wunder, daß die Boeren auf einem Terrain, welches dem Feinde die Umgehung spielend leicht macht, eS nicht zum Entscheidungskampf kommen lassen. General Botha hat ja am Tugrla bewiesen, baß er i8s Anter egyptischer Sonne. Roman aus der Gegenwart von Katharina Zitelmann. Nachdruck vertoNn. - „Mag sie von mir sagen, was sie will", entgegnete Sperber aufgebracht; „aber daß sie die arme Miß Mary in Ungelegen heilen bringt, jetzt, da doch Alles zu Ende ist, — das ist unver zeihlich." „Warum zu Ende?" fragten sie Alle wie aus einem Munde. „Braun verläßt die Salinas, sobald er in Kairo ist. Ich bitte Sie, keinen Gebrauch von meiner Mittheilung zu machen; richtig ist sie aber, das verbürge ich." - Sie schwiegen Alle. Harald war das Herz schwer. Er kannte Mr. Salinas genug, um einen Auftritt zwischen diesem und Mary fürchten zu muffen, der seiner Meinung nach nichts ver- Keffern, nur Alles verschlimmern konnte. Ihm schien das Ge- müth des jungen Mädchens zartester Schonung, liebevollster Theilnahme bedürftig; damit aber gab sich der Amerikaner sicher lich nicht ab. Harald hatte Muße, seine Befürchtungen weiterzuspinnen, denn bei dem Diner fehlte Miß Mary, während ihr Vater stumm und mit finsterer Miene sein Mahl verzehrte. Auch von dem Ritt nach Karnak schloffen sich die Beiden au». Der wunderbare Abend und der märchenhafte Anblick deS HeiligthumS in der Beleuchtung de» nun bald vollen Mondes beschwichtigten indessen sein unruhevolles Herz. Er glaubte, nie eine gleich zauberische Mondnacht erlebt, nie einen ähnlichen Eindruck feierlich erhabener Größe empfangen zu haben. Doch die in der Säulenhalle versammelte lärmende Gesellschaft, die zu dem kürzlich angelangten Tookdampfer gehören mochte, und mit ihrem Lachen und Geschnatter die heilige Stille unheilig störte, vertrieb Harald von dort, und nachdem er mit Dragoman und Reisegefährten ein Wiederzusammentresfen zu gemeinsamer Rückkehr verabredet batte, ging er mit Do.tor Fischer, für den er eine warme Zuneigung gefaßt, den rntlegeneren Thcilen des Tempel» zu, um den Frieden und die Poesie der Mondnacht an dieser Stätte zu genießen. Allein zwei Wächter verdarben ihnen das Vergnügen, indem sie sich ihnen schwatzend anschloffen. ES balf nicht», daß sie den Kerlen bedeuteten, zurückzubleiben, daß sie sie endlich zornig zurückwtesen. Mit der Versicherung: „Ko lmlcsodised, I am your krismä", hefteten sich die Araber an die Sohlen der späten Spaziergänger, deren Wunsch nach Einsamkeit ihnen völlig unverständlich und verdächtig sein mochte und ihre Wachsamkeit nur verstärkte. Vermutheten sie, daß die Fremden Säulen fortschleppen, den Obelisken der Ramaka stürze» wollten? Es mußte wohl der Fall sein, denn selbst das Angebot eines Trinkgeldes, mit dem sonst in diesem Lande Alles zu erreichen ist, verfing heute nicht. Harald verlor die Geduld und erklärte aufgebracht, daß ihm die unleidliche Begleitung der braunen Kerle den ganzen Abend verdürbe. „Lassen Sie uns zur List unsere Zuflucht nehmen!" schlug Fischer vor. „Wir setzen uns, stehen unbemerkt auf und verstecken uns. Dann jagen die Burschen uns nach, und wir entfliehen nach der anderen Seite. Kommen Sie, Horus!" Gesagt, gethan. Auf dem Sockel eines Osirispfeilers, mitten zwischen Geröll und Trümmern, ließen sie sich nieder, und die Araber folgten in einiger Entfernung dem Beispiel. Plötzlich waren die beiden Herren verschwunden, und es begann nun eine regelrechte Jagd, die Harald'S Verdruß verzehrte, in Gelächter sich auflösen ließ. Er und Fischer versteckten sich, liefen wie der Wind davon, trennten sich, um ihre Verfolger irre zu führen — es war Alles umsonst. Wie ein paar Spürhunde stöberten diese sic in den verborgensten Winkeln auf, keuchten hinter ihnen drein und begrüßten sie mit frohem Grinsen, sobald sie sie erreicht hatten. Harald und Fischer merkten wohl, daß ei den Wüsten söhnen einen Heidenspaß mache, sie zu ärgern, und daß gegen da» von diesen vertretene Fatum nicht anzukämpfen sei. Mit wieder eroberter guter Laune ergaben sie sich daher endlich in ihr Ge schick. Die Leute gar nicht zu beachten, war da» einzige Mittel, sie loS zu werden. Nun erst kamen Beide zum Genuß der Stunde. Langsam zurückwandelnd durch die Trümmcrwelt, die sich vor ihrer Phan tasie belebte, prägten sie sich die Stätte ein, die betreten zu haben einen LebenSgewinn bedeutete. Durch kein laute» Wort wagten sie Beide, den heiligen Frieden zu stören. In der Giganten halle saßen sie dann lange am Fuße einer Säule und blickten hinauf an den Schäften zum Sternenzelt, daS jetzt an Stelle der gestürzten Steinbalken den Saal bedachte, und in die tiefen schwarzen Schatten hinein, die zwischen den Säulen und in den Ecken lauerten. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zogen in wunderlichem Gemisch an Harald'S Geist vorüber. WaS be deutet ein Menschenleben an dieser Stätte, die Jahrtausende überdauert hat? Die ewige Natur treibt Verschwendung mit ihren Geschöpfen. Wie die Blüthe, die vom Baume fällt, wie der Wurm, den der Fuß zertritt, so ist auch der Mensch nur ein ephemeres Gebilde, ein höher organisirteS zwar, aber ein ab hängiges, wie sie. Und doch hat er solche Werke geschaffen, Werke, die der Natur Trotz zu bieten scheinen. Alle Räthsel des Daseins stürmten auf Harald ein. Wie kann das Ver gängliche Unvergängliches schaffen? Mag der Körper in Staub zerfallen, der Geist der Menschheit führt ein ewiges Leben und schreitet vorwärts, seinen Zielen zu. Und das Einzelleben — was ist'S, daS ihm Werth und Schönheit giebt? Das Verstehen, die Liebe. Nicht thierisch zu vegetiren, sondern des Daseins Inhalt auszukosten mit vollem Verständniß und voller Em pfindung — das mochte wohl der Mühe sich verlohnen. * * Vom Bord der „Elephantine" aus grüßten am nächsten Nachmittag die Reisegenoffen zum letzten Male daS heilige Theben. Die Herren schwenkten die Hüte, die Damen ließen weiße Tücher flattern. Pfeilschnell flog das Schiff stromab; die „Edfu" folgte in einiger Entfernung. Schon entschwanden die Tempel von Karnak den Blicken, als Wildau bemerkte, daß ihm sein kost bares Fernglas fehle. Sein Bedauern und sein Verdruß Uber den Verlust waren so groß, daß Harald ihm rieth, da» Dampf boot anlegen zu lassen und einen Boten nach Luxor zurück zusenden, um das werthvolle Instrument zu holen. Wildau ging auf den Vorschlag lebhaft ein. Allein der Dragoman und der Tapitiin machten Umstände. „Ich denke, Sie haben Befehl, meinen Anordnungen Folge zu leisten?" sagte Wildau mit seiner vornehmsten Miene. „UebrigenS verlange ich den Dienst nicht umsonst. Ich werde ein gutes Trinkgeld zahlen." Das half. Der Dampfer legte an, und rin Matrose eilte nach Theben zurück, um den Auftrag der Erzherzogs aus- zuführen. Da gab eS nun eine Wartezeit, die die Gesellschaft sich durch einen Spaziergang an Land zu verkürzen suchte. Es breitete sich hier am Ufer ein schöner Wald von Dunpalmen auS, die sich nicht wie ihre Familiengenoffen mit einem belaubten Wipfel begnügen, sondern nur, mittlere Höhe erreichend, den Stamm mehrfach theilen, so daß sie mit Zweigen und Blättern ein dichte» Buschwerk bilden. Der Weg zu einem nahen Dorf führte durch den Wold, und die vorübergehenden Fellachen, die hier wohl niemals Europäer gesehen hatten, sammelten sich bald um die Fremden, die sie wie ein Weltwunder anstaunten. Sie gaben ihrer Ueberraschung und Neugier so naiven Ausdruck, daß es die Reisenden ergötzte und Doctor Fischer seine harmlosen Scherze mit den Eingeborenen zu treiben begann, die sich al» ein sehr dankbares Publicum erwiesen. Jedes Wort aus seinem Munde rief Lachsalven hervor. Und als er sich nun gar mit gekreuzten Armen verbeugte und seine arabischen Brocken anbrachte, gewann er vollkommen das Herz der Leute, die höchst zutraulich wurden. Der Dragoman ließ Stühle für die Passagiere an Land bringen, und auch die furchtsamen Weiber wagten sich nun heran, befühlten die Kleider der europäischen Schwestern, ihre Haare, ihre Hände, während die Damen einer blutjungen Frau, die einen Säugling an der Brust trug, ihre besondere Aufmerksamkeit schenkten. Diese schien ein Kind und war nur» mit einem weiten, farbigen Hemd bekleidet, das die Brust zum Theil sehen ließ. Der knabenhafte Gatte bewies seine Fürsorge für die bessere Hälfte, indem er ein paar Wurzeln aus der Erde zog, die er mit ihr ge meinsam zu verspeisen begann. Die Schönheit MrS. Summers' schien sogar hier Bewunderung zu erregen, oder war es der blitzende Diamant an ihrem Finger? Dicht geschaart umgaben sie die Weiber. Als sie nun aber, gerührt durch diese Huldigung, ihre Börse zog und die bisher so harmlosen und zufriedenen Geschöpfe beschenkte, verdarb sie den Spaß. Die Habgier der Leute war plötzlich geweckt, und von allen Seiten streckten sich bettelnde Hände aus. Alles schrie nach Bakschisch, und den Reisenden blieb nichts übrig, als sich aufs Schiff zurückzuziehen. „Wo waren Sie, HoruS?" fragte der Professor, sich dem müßig an Bord lehnenden Harald zugesellend. „Ich habe Photographien gekauft und bin noch einmal im Luxortempel umhergewandert." „Allein? War Miß Mary nicht mit Ihnen?" ? „Nein, ich sah sie seit gestern nicht." „WaS mag ihr nur sein?" bemerkte der Professor bekümmert. „Ich klopfte nach Tisch an ihre Thür, da ihre Brüder mir gesagt, sie befände sich nicht wohl, wollte mich nach ihr umsehen — ich hab' daS kleine Mädchen gern. Da ist sie mir weinend um den Hals gefallen." Er hob plötzlich die Hand und legte sie bittend auf Harald'S Arm. „HoruS, Horus, bedenken Sie, wa» Sie thun! Spielen Sie nicht mit dem lieben Kinde." „Sie irren sich vollkommen, bester Herr Professor. Nicht mir gehört ihre Neigung, glauben Sie mir." „Nicht Ihnen?" Er blickte Harald ernst forschend em. „Wem denn?" „Das — ist nicht mein Geheimniß", erwiderte der verlegen. „Hm, ich habe mir daS fest eingebildet, und ihr Vater ist auch der Meinung. Der träumt ja von Ihnen al» Schwiegersohn." „Ich habe nichts gethan, was seine Annahme rechtfertigen könnte. Ich fürchte, er läßt seine Tochter seinen eigenen Irr- , thum entgelten. (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite