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Dresdner Journal : 03.03.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-03-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188703031
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18870303
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18870303
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-03
- Tag 1887-03-03
-
Monat
1887-03
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 03.03.1887
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O51 Donnerstag, den 3. März, abends. 1887. l» «»»»« L-U-k»: Ktbrlieb; . . . . rft U»rll ^jLbrlioü: 4 KV?k Iun»Iü« I^uwwsr»: 10 kk. 4a»,-r^»Idä»» äsattck«» lielod», tritt ko»t- 8u>^p«I»u»oN1»^ l»ü»»u. FotttoätxuLxixvktllir«», ?Nr 6«» H»un> eiver sse«p»It»o«o 2»>I« ^Isivsr Lekrikt 40 kk Vvt-r „8>vss«»Ln6t" äi« 2«il« bv kk. N«r ^»V»I1«»- 2tü<ru»tt» «vttpr. IR^Iio^ aüt ä»r 8ons- eu»ü k'«i«rt»A» »dvoüi. DresdnerIMmal. -o»»dw« roo Loka»«»?»»?«» »aiMLrtii L-lpit»: F> Lran<i^«tter, Oowwi«wLLr ä» Ore»äo«r lourv»!,; L»wdarx L«rl>» Vi» - ». » //aar^r^r,» <t p^vA/rr, S«rU»-Vt-»-U»»durU- »iA-^r«»ttllrt ». N-NltteL«: Ai«i Lko««, k»rt» r,oocko»->«rUo-»r»Lkki»r1 » N »t»tt,»rt: Oa«d« L'o ,- L«rU»: 7nvat,ct«»<ia«^, >r,m«»: L Le^tott«, >r,»l««: L LtanArn'r Li^ea« <Lm,t Ladat^-, 0»rUr«: t/ FtM«''» ^ac^/oi-er: L»»»o-«r: <7. LUI» ». I.! F. Larat <S Oo Für die Gesamtleitung verantwortlich: Dtto Banck, Professor der Litteratur- und Kunstgeschichte. N»r»o»x»d«r r Uüviul. Lrp»<litioo <i«» I>r«<to«r 7oarruü», Drsiäso, ^MiL^vritr»»»« Ho. >g. Ämtlicher Teil. Die Magdeburger Versicherungs-Gesellschaft gegen Hagel- und begleitenden Wetterschaden zu Magdeburg Hal ihren Sitz im Königreiche Sachsen von Dresden nach Leipzig verlegt. Dresden, am 23 Februar 1887. Ministerium des Innern, Abtheilung für Ackerbau, Gewerbe und Handel. v. Einfiedel. . Fromm. Nichtamtlicher Teil. Jet'egraphische WachricHterr. Berlin, 3. März. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Ler Reichstag wurde heute mittag- um 12 Uhr durch die folgende Thronrede, welche der StaatS- sekretär deS Innern v. Bötticher verlas, eröffnet. Geehrte Herren! Se. Majestät der Kaiser haben mir den Auftrag zu erteilen geruht, den neugewählten Reichstag m allerhöchstihrem und der verbündeten Regierungen Namen willkommen zu heißen. Ihre Thätigkeit in der bevorstehenden Session wird durch eine Reihe wichtiger Vorlagen in Anspruch genommen werden. Der Gesetzentwurf über die Friedenspräsenz stärke des deutschen Heeres, welcher zum Bedauern der verbündeten Regierungen in der vorgelegten Form die Zustimmung nicht gefunden hat, wird Ihnen alsbald unverändert zugehen. Im Zusam menhänge mit der Heeresvorlage steht die Ihnen obliegende Aufgabe der schleunigen Beratung des ReichShaushaltsetatS. Ungeachtet des nahe bevor stehenden Ablaufes des Etatsjahres wird es hoffent lich gelingen, das ReichshaushaltSgesetz rechtzeitig zu vereinbaren. Die Opfer, welche das etatSmäßlge Aus- aabebedürfnis beansprucht, sind, ungeachtet der bei der Veranschlagung desselben beobachteten Sparsamkeit, nicht gering. Unsere finanzielle Lage weist daher darauf hin, die eigenen Einnahmen des Reichs durch die Beschaf fung neuer Einnahmequellen zu verstärken und unsere Steuergesetzgebung im Sinne einer gerechten und der Leistungsfähigkeit der Steuerzahler entsprechenden Ver teilung der Lasten auszugestalten. Die verbündeten Regierungen geben sich der Hoffnung hin, daß es ihnen gelingen werde, mit dem neugewählten Reichstag zu einer Verständigung über die nötigen Reformen unsere« Steuersystems zu gelangen, die dazu erforder lichen Vorarbeiten werden ohne Verzug in Angriff genommen werden. Die Thätigkeit der verbündeten Regie rungen richtet sich unausgesetzt auf den weiteren Aus bau der auf der allerhöchsten Botschaft vom 17. Novem ber 1881 beruhenden sozialpolitischen Gesetzgebung Dabei handelt eS sich zunächst darum, durch die Er streckung der Unfallversicherung auf die von der selben noch nicht erfaßten Kreise der arbeiten den Bevölkerung einen genügend breiten und tragfähigen Untergrund für das weitere und abschließende gesetzgeberische Vorgehen zu gewinnen. Zu diesem Zwecke werden Ihnen zunächst Gesetzentwürfe über die Unfallversicherung der Seeleute und der bei Bauten beschäftigten Arbeiter zugehen. Eine weitere Vorlage, welche den Interessen des Handwerkerstandes durch Erweiterung der den Innungen zu verleihenden Be fugnisse dienen soll, ist in der Vorbereitung begriffen. Die Anwendung des Nahrungsmittelgesetzes vom 14. Mai 1879 stößt in der Praxis auf mannichfache Schwierigkeiten. Es wird Ihnen ein Gesetzentwurf zugehen, welcher zunächst auf dem Gebiete der Ver- Feuilleton. Die Stiefmutter. Erz-Hlu»- au» Sem Mittelalter von Kranz Eugen (Fortsetzung.) „Kind, was ist mit Dir vorgegangen, Du siehst ja wie verklärt auS* sagte die Muhme, als sie beim AuSgang aus der Kirche an dem Weihwasserbecken einen Augenblick stehen blieben, um sich zu bekreuzen „Mir war auch", erwiderte Hildegard mit glän zenden Augen, „wie ich vorhin m der Kirche kniete, als trügen Engel meine Seele zum Himmel und alles Erdenleid versänke hinter mir.' Mit diesen Worten schritt sie die Stufen deS Portals hinab und stieß unten in dem Menschengedränge fast zusammen mit einer geputzten Dirne, melche ein Knäblein auf dem Arme trug. Sie erkannte in dem Mädchen die Gürtel magd ihrer Stiefmutter und ein Ausruf der Über raschung entfuhr ihren Lippen, als sie den Knaben schärfer inS Auge faßte und aus dem blassen Gesicht- chen sie die Züge ihres Vaters grüßten. DaS Kind, da« sie nur frisch und rosig gekannt, — war damals das Ebenbild der Mutter gewesen, jetzt hatte eS sich seltsam verändert und sein abgezehrtes, welkes Gesicht chen zeigte eine sprechende Ähnlichkeit mit dem alten Matthias Weise. Hildegards Herz wurde durch diese Ähnlichkeit, die sie plötzlich an dem bisher nur mit eifersüchtigem Groll bettachteten Stiefbruder entdeckte, tief bewegt, sie sah in ihm jetzt nur den Sohn ihre» Vaters, und den Knaben, welcher die kleine Hand nach Wendung gesundheitsschädlicher Farben diese Schwierig keiten zu beseitigen sucht. Die gesetzlich vorgeschriebene Revision des Servistarifs und der Klasseneinteilung der Orte wird durch Ihre Mitwirkung zum Abschluß zu bringen sein. Ebenso werden die noch unerledigt gebliebenen Gesetzentwürfe über die Errichtung eine- Seminars für orientalische Sprachen und über Än derungen der Gebührenordnung für Rechtsanwälte Ihre Thätigkeit in Anspruch nehmen. Die Beziehun gen des Deutschen Reiches zu den fremden Mächten sind heute noch dieselben wie zur Zeit der Er öffnung der vorigen Reichstagssession. Auf aller höchsten Befehl habe ich die Genugthuuug Er. Majestät des Kaisers über die Kundgebungen des Papstes zum Ausdruck zu bringen, durch welche das wohlwollende Interesse Sr. Heiligkeit für das Deutsche Reich und für desfen inneren Frieden bethätigt worden ist. Die auswärtige Politik Sr. Majestät des Kaisers ist fortwährend darauf gerichtet, den Frieden mit allen Mächten und besonders mit unseren Nachbarn zu erhalten und zu pflegen. Dieser friedliebenden Politik des Kaisers vermag der Reichs tag die wiikfamste Unterstützung zu gewähren, wenn er schnell, freudig und einmütig den Vorlagen zustimmt, welche die sofortige und nachhaltige Stärkung unserer defensiven Wehrkraft zum Zweck haben. Wenn der Reichstag ohne Zaudern und ohne Spaltung den Willen der Nation zum einmütigen Ausdruck bringt, gegen jeden Angriff auf unsere Grenzen heut und jederzeit die ganze Fülle unserer nationalen Kraft in voller Rüstung aufzubieten, so wird der Reichstag schon durch seine Beschlüsse allein und noch vor deren Ausführung die Bürgschaften des Friedens wesentlich verstärken und die Zweifel beseitigen, welche sich an die parlamentarischen Verhandlungen über die Vor lagen behufs Stärkung unserer Wehrkraft geknüpft haben können. Se. Majestät der Kaiser hegt zu dem gegenwärtigen Reichstag das Vertrauen, daß seine Be schlüsse der nationalen Politik der verbündeten Regie rungen eine sichere Unterlage gewähren werden und schöpft aus diesem Vertrauen die Zuversicht, daß die Bemühungen Sr. Majestät, den Frieden und die Sicherheit zu wahren, von Gott gesegnet sein werden. Auf allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Kaisers er kläre ich im Namen der verbündeten Regierungen den Reichstag für eröffnet. Rom, 2. März. (W T. B) Nach hier ei«, gegangenen Meldungen wurde in der vergangenen Nacht in Reggio (Calabrien) ein heftiger Erdstoß verspürt. London, 2. Mär; (W. T B) Nach hier vorliegenden Nachrichten au« Sansibar von heute hätten die Eingeborenen der Provinz Mozam bique sich nach Abgang der portugiesischen Schiffe und Truppen nach Tungi gegen die Portugiese» erhoben und mehrere Comptoir« und Häuser der Einheimischen und Engländer zerstört. Die Stadt Mozambique selbst werde von den Auf ständischen bedroht. Der englische Konsul habe die in den ostindischen Gewässern stationierte Kor vette „Turquoise" zum Schutze der Interessen der Engländer herbeigerufen. Kopenhagen, 2. März (W. T B.) Auf dem gestrigen Hofballe glitt der König während de« Tanzen« au« und zog sich dabei eine leichte Kontusion am Kopfe zu. Heute befindet sich der selbe wieder vollständig wohl. Stockholm, 2. März. (W.T.B.) Die Erste Kammer hat den Antrag, betreffend die Erhöhung de« Getreidezolle« auf 2 Kronen per 1W Kilo mit 7V gegen 68 Stimmen abgrlrhnt. Die Zweite Kammer wird wahrscheinlich morgen hierüber Be schluß fassen. Die Regierung ist gegen diesen Antrag. dem weißen Fliedersttauß ausstreckte, den sie im Gürtel trug, in ihre Arme nehmend, blickte sie zärt lich auf ihn nieder, während sie ihm leise Liebesworte zuflüsterte. „Laßt ihr das Kind nicht," raunte eine alte Frau, der Hildegard einmal begegnet war, als sie Kräuter im Mondschein sammelte, „hört Ihr nicht, wie sie Zaubersprüche murmelt?" In demselben Augenblick begann der Knabe plötz lich zu schreien, warf die Arme in die Lust und wand sich mit verzerrten Zügen in Krämpfen. Die Magd riff ihn aufkreischcnd vom Arm der tödlich erschreckten Hildegard. „Seht, sie hat eS ihm anaethan mit bösem Zauber," rief die alte Bäuerin, „sie ist eine Hexe!" „Ja sie ist eine Hexe!" wiederholten jetzt viele Stimmen aus der Menge, die vor dem Kirchenportal sich gesammelt hatte, „tue Hexe vom Lindenhof!" „Heiligt Jungfrau, da« Kind stirbt!" schrie die Magd, in deren Armen der Knabe, blaurot ,m Ge sicht, sich in Zuckungen hin und her warf, „die eigne Schwester bat daS arme Würmchen verzaubert, deshalb that sie aus einmal so schön mit ihm, während sie eS sonst nie ansrhen mochte." „Der Knabe zahnt, und hat davon die Gichter bekommen," sagte bebend die Muhme Afra, und Hilde gard an der Hand fassend, suchte sie sich mit ihr einen Ausweg durch den immer dichter werdenden Menschen haufen zu bahnen. Aber überall sperrten ihnen drohend erhobene Arme und geballte Fäuste den Weg, und von allen Seiten tönte ihnen der Ruf entgegen: „Werft die Hexe inS Wasser mit einem Stein um den HalS!" „Rein, verbrennt sie auf dem Holzstoß!" „Reißt ihr St. Petersburg, 3. März. (Tel. d. DreSdu. Journ.) Die in diesen Tagen im Finanzministerium begonnenen Beratungen wegen Einführung de« TabakmonopolS sollen hiefign Blättern zufolge baldmöglichst abgeschlossen werden und eventuell eine im ReichSrat einzubriugende diesbezügliche Lorlage zur unmittelbaren Folge haben. Bukarest, 2. März. (Telegr. d. Ag. HavaS.) Gerüchtweise verlautet hier, die Garnisonen von Lom Palanka, Tchumla und Plewna hätten sich gegen die Regentschaft ausgesprochen. Dresden, 2. März. Offene Wahrheiten aus Elsaß-Lothringen. Widerwärtige Dinge und Thatfachen verschwinden aus dieser Welt keineswegs dadurch, daß man die Augen zudrückt, um sie nicht zu sehen. Sie werden auch nicht besser, wenn wir sie durch eine rosen farbene Verschönerungsbrille betrachten. Solche Ge bräuche sind eine menschliche Schwachheit; zum Unrecht wird diese aber, sobald man die V-rschönerungsbrille sogar seinen Mitmenschen aufsetzt, um ihnen die Dinge in einem falschen, tröstlich angenehmen Lichte zu zeigen. Das Gegenteil von diesem Unrecht übt soeben ein im Reichslande lebender Berichterstatter der „Magde burger Zeitung" aus, dessen Urteil wir der Vollstän digkeit wegen und gegenüber der von uns vor wenigen Tagen mitgetcilten Sachdarstellungen zur Kenntnis unserer Leser bringen, ohne uns demselben jedoch un bedingt anzufchließen. Der Briefschreiber hat sich zur Aufgabe gestellt, die Meinung zu widerlegen, als ob die Germanisation Elsaß-Lothringens während der Zusammengehörigkeit mit dem deutschen Reiche Fortschritte gemacht habe Er sagt: „Es muß ausge sprochen werden, daß wir von dem eigentlichen Ziele der Germanisation, der Annäherung der Bevölkerung an das Reich, heute genau ebenso entfernt sind, als vor 16 Jahren: die Herzen der Elsaß - Lothringer schlagen heute ebenso wenig sür unser deutsches Vater land wie vor einem halben Menschenalter. Es kann nichts nützen, sich diese Wahrheit zu verhehlen und sie vor unserem Volke zu vertuschen, die Geschicke des selben sind zu eng mit der elsaß-lothringischen Frage verknüpft, als daß man ihm die nackte, wenn auch un willkommene Wahrheit über diesen Punkt vorenthalten dürfe. Und daß sie wirklich Wahrheit ist, diese schmerz liche Thatsache, die letzten Reichstagswahlen lehren eS mit verblüffender Deutlichkeit. In allen Bezirken des Landes sind jedeSmal die am meisten franzosen- freundlichen der aufgestellten Kandidaten mit überwäl tigender Majorität von der alteinheimischen Bevölke rung gewählt worden — auf die Stimmen der ein gewanderten Deutschen kommt es ja bei einer der artigen Bettachtung nicht an. Und das ist geschehen in einem Augenblicke, wo alle Welt von der Möglich keit einer deutsch-französischen Krieges um den Besitz von Elsaß-Lothringen redet, in einem Augenblicke, wo von den ernstesten Leuten, darunter auch von dem all gemein geachteten Statthalter, eindringliche, warnende Worte an das Land gerichtet sind, in einem Augen blicke endlich, wo Einer es dem Anderen zuflüstert, daß eine protestlerische Wahl die härtesten Maßnahmen von Seiten der Regierung zur Folge haben kann. Obgleich aber jeder Elsaß-Lothringer wußte, wie un klug er sein würde, Franzosenfreunde zu wählen, so haben sie es doch fast einstimmig gethan. Sie sind immer noch die alten tötes oarrees mit chrer alten Zähigkeit haben sie unentwegt an ihrer Meinung festgehalten. Wenn diese Thatsache nicht so überaus schmerzlich für uns wäre, so müßten wir sie bewundern. Wer aber nun noch nicht weiß, wie die die schönen Kleider vom Leibe und in den Kerker mit ihr!" Hildegard starrte, keines Wortes mächtig, mit weit geöffneten, entsetzten Augen bald auf das nach Atem ringende, zappelnde Kind, bald auf die von Wut ver zerrten Gesichter, die unter lautem Schreien und To ben sie immer dichter umdränqten, jetzt erst begann eine Ahnung der furchtbaren Gefahr, in welcher sie sich befand, in ihr aufzudämmern, und fest klammerte sie sich an den zitternden Arm der Muhme, welche in ratloser Angst umherblickte, ob nirgends eine Hilfe ihnen nahe in dieser äußersten Bedrängnis Schon wurden aus dem Haufen Steine gegen Hildegard ge- fchleudert und eine freche Hand riß ihr den gold- gestikten Schleier vom Haupt, da wälzte sich aus der nächsten Straße ein großer Menschenknäul, der einem Quacksalber folgte, welcher von seinem Karren herab wunderbare Arkana gegen jedes mögliche Gebreste an- prieS. In dem Gedränge, das nun entstand, wurden Hildegard- Angreifer zurückgeschoben, und außerdem wurde deren Aufmerksamkeit für einen Augenblick von ihrem Opfer ab und aus den Quacksalber gelenkt; die- benutzend, »og Afra mit rascher Besonnenheit das halb betäubte Mädchen in den dunkeln Thorweg eine» Hause», welches, wie sie wußte, einen Durch gang nach einer andern Straße hatte. Die wütende Menge war dadurch von Hildegards Spur abgelenkt, und eS gelang den Frauen, glücklich die Herberge zu erreichen, wo sie abgestiegen waren. Ohne Säumen befahlen sie ihre Pferde zu satteln, und zum großen Leidwesen de« Wirte«, der von dem Borgefallenen nicht« wußte und für seine vornehmen Gäste schon ei» gute« Mahl hatte Herrichten lasten, verließen sie Rcichrlande sich aussprechen, wenn sie dazu aufgefordert werden, wer sich nun noch Illusionen über ihre deutsche Gesinnung hingiebt, der leidet an dem blödesten Op timismus und sollte in einer Isolierzelle untergebracht werden, denn ein solcher Optimismus gehört zu den gefährlichsten Krankheiten, epidemisch geworden kann er gegebenen Fall« ein ganzes Volk an den Rand deS Verderbens bringen." „ Es ist richtig, daß die Vorstellungen, die im In nern des Reiches über Elsaß-Lothringen verbreitet sind, sich nicht recht mit dem Ausfälle der letzten Wahl ver einigen lassen, allein wenn man einmal die That- suchen betrachtet, auf welchen jene Vorstellungen fußen, so wird man finden, daß bisher in Wirklichkeit noch gar keine Veranlassung vorgelegen hat auf Grund deren man auf einen deutschfreundlichen Ausfall der Wahlen in Elsaß-Lothringen hoffen konnte. Es wird so häufig angeführt, daß Schule und Heer germani sieren. Das ist allerdings unzweifelhaft. Dieser Germanisierungsprozeß ist unabhängig von allen Systemwechseln in der Landesregierung von Jahr zu Jahr vorgeschritten. Die Leute lernen (wie übrigens früher auch) deutsch lesen und schreiben, sie singen immer mehr deutsche Lieder, sogar Soldatenlieder, vielleicht wird sogar einer oder der andere der fran zösisch redenden Reichsländer zu einem deutsch reden den, allein, was will denn das Alles besagen? So lange die Leute nicht auch deutschpatriottsch fühlen, oder sich schämen es zu thun, so lange eS allgemein für eine Ehre gilt, nicht deulschpatriotisch zu fühlen, so lande ist es für das deutsche Reich absolut gleich- giltig rn politischer Beziehung, ob die Elsaß-Lothringer deutsch, französisch oder polnisch sprechen. Eine äußer liche Germanisation der Leute ist ja gewiß erstrebens wert, abgesehen davon, daß sie zum Teil in mancher Beziehung noch viel germanischer in Sprache und Sitte geblieben sind, als wir, allein politisch ist eine solche Germanisation von eben so wenig Vorteil für uns, wie es eine etwaige Germanisation der franzö sisch redenden Schweiz sein würde, die deutsch reden den Schweizer neigen ja eben so wenig zum deutschen Reiche wie die fränzösisch redenden. Es verlohnt sich aber in Wirklichkeit gar nicht, dem deutichen Volke alle acht Tage einmal ein wenig von der Ger manisation der Reichslande zu erzählen, dadurch wer den nur Illusionen geweckt oder genährt, die gegebenen Falls nur von schädlichem Einfluß auf das gesund« Urteil unserer Nation sein können. Es läßt sich nicht läugnen, daß sich beim letzten Kaisermanöver im Elsaß eine nicht geringe Verehrung für unsern greisen Kaiser gezeigt hat, allein man mutz sich immer vergegenwärtigen, daß die Verehrung in erster Linie der ehrwürdigen Persönlichkeit desselben, dann auch wohl noch dem elsaß-lothringischen Landesherrn gegolten hat, der Kaiser des deuischen Reiches als solcher macht noch kein elsaß-lothringifcheS Herz schneller schlagen, persönliche Verehrung unseres Kaisers, sogar rot-weiße, findet man hier, aber schwarz- weiß-rote noch lange nicht — auf einige Ausnahmen kommt es gar nicht an. Alle in dieser Beziehung noch herrschenden Illusionen sollten nach dem Ausfälle der letzten Wahlen verschwinden — sie sind zu gefährlich. „Um sich die ganze Bedeutung der Abstimmung Elsaß-Lothringens am 21. Februar vorzustellen, muß man sich einmal vergegenwärtigen, um was eS sich bei den Wahlen hier eigentlich gehandelt hat. Die Sep- tennatsfrage stand durchaus nicht im Vordergründe. Es war von vornherein, besonders durch die Regierung, den Elfaß-Lothrinaern vorgehalten worden, daß ihre Abstimmung zu Gunsten von septennatsfreundlichen oder wenigstens nicht protestlerischen Abgeordneten dazu beitragen würde, die Aufregung in Frankreich zu be ruhigen und damit einen Krieg um das Reichsland zu verhindern. Einige Abgeordnete mehr für das Sep sogleich die Stadt, deren Boden ihnen wirklich unter den Füßen brannte. Al» sie da» Stadtthor hinter sich hatten, brach Hildegard in einen Strom von Thränen aus. „O mein Gott!' schluchzte sie, „wie entsetzlich waren die zornigen Gesichter, die geballten Fäuste und die drohenden Verwünschungen dieser Menschen, denen ich doch wahrlich nichts zuleide gethan! Ich hatte doch keine Schuld daran, daß der Knabe auf meinem Arm in Krämpfe fiel, ich hätte ja gern mein Herz blut gegeben, wenn ich damit dem armen, kleinen Wesen, das meines Vaters Züge trug, Erleichterung hätte schaffen können." „Eine schlimme Begegnung," sagte die Muhme, die so zitterte, daß sie sich kaum im Sattel halten konnte, „wir müssen Gott danken, daß wir in Sicherheit sind, eS fehlte nicht viel, und sie warfen Dich wirklich in den Rhein. Siehst Du nun endlich ein, Hilde, wie recht ich hatte, als ich Dich warnte, nicht in die Fuß tapfen der verrufenen Falkeneckerin zu treten? jetzt nennen sie Dich schon eine Hexe! Nie mehr darfst Du bei Mondschein Kräuter sammeln, nie mehr Heil tränke brauen nach den Vorschriften deS Zauberbucher, wenn Du nicht auf dem Holzstoß endigen willst." Hildegard schauerte zusammen. „O, Muhme, sprich nicht so schreckliche Worte! Ich habe ja niemals Zauberei getrieben und den Menschen nur Gute« er wiesen; nne können sie mich zum Dank nur so ver leumden und anseinden?" „Du hast den bösen Schein nicht gemieden, Hilde. Es ist schon manche um geringeres al- Hexe aus dem Holzstoß verbrannt worden, also hüte Dich, hüte Dich'." (Fortlepnng sol-t.)
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